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Bundesliga

Champions-League-Reife

Oliver Fritsch | Donnerstag, 8. Mai 2008 Kommentare deaktiviert für Champions-League-Reife

32. Spieltag, Teil 1: Schalke präsentiert sich stark / T-Fragen in Dortmund und Stuttgart / Hansa Rostock und Frank Pagelsdorf gleiten widerstandslos der Zweiten Liga entgegen

Roland Zorn (FAZ) sieht Schalke nach dem 3:0 in Bochum in den sicheren Hafen einlaufen: „Konnten die Schalker im Vorjahr wie schon 2001 ihren Traum vom ersten Meistertitel seit 1958 nicht Wirklichkeit werden lassen, sind sie nun drauf und dran, ihren Saisonanspruch zu erfüllen. Der Viertelfinalist dieser Champions-League-Runde ist inzwischen stabil genug, seine erreichbaren Ziele umweglos mit harter Arbeit und viel Professionalität anzusteuern. Das bekam der VfL nach einer guten Anfangsphase überdeutlich zu spüren: Weder die Bochumer Härte noch die Gelegenheitskonter des VfL setzten den Ruhe bewahrenden Schalkern zu. (…) Wenn Fred Rutten kommt, ist schon eine starke Mannschaft da, die auch ohne Titel allemal Champions-League-Reife besitzt und sich weiter steigern kann.“

Philipp Selldorf (SZ) fügt hinzu: „Alle sechs Straßenbahnduelle mit Bochum, Dortmund und Duisburg hat Schalke gewonnen. Im 50. Jahr ohne deutschen Meistertitel gibt’s als Trostpreis den virtuellen Ruhrpottlorbeer. Gezaubert hat Schalke nicht, selten schimmerte ein bisschen Glanz, etwa als Altintop links durchdribbelte und Rakitic das 2:0 auflegte. Aber das war auch ganz im Sinn der Trainer. Solide Facharbeit und drei Punkte für die Champions League waren gefragt, und den Auftrag hat die Elf anfänglich mühselig, später überzeugend erfüllt – allerdings gegen matte Bochumer. Nur Kevin Kuranyi versah eine undankbare Rolle, als vorgeschobene Angriffsspitze war er mehr mit Partisanenarbeit als mit Torschüssen beschäftigt.“

Ohne emotionalen Kredit

Freddie Röckenhaus (SZ) nimmt trotz des 3:2 gegen Stuttgart der Dortmunder Vereinsführung nicht ab, dass sie ihren Trainer über das Saisonende hinaus beschäftigen wolle: „Bei all dem Bestreiten blieb die Gewissheit zurück, dass Borussia Dortmund hinter den Kulissen sehr wohl den Trainermarkt abgrast. Thomas Doll hat das in dieser Klarheit offenbar noch niemand mitgeteilt. Er konnte einem fast leid tun. Auch für Doll dürfte spätestens an diesem Tag klar geworden sein, dass die Treuebekundungen aus der eigenen Chef-Etage nicht sehr viel wert sind. Vieles deutet darauf hin, dass Dortmund zunächst einen wirklich vorzeigbaren Ersatzmann finden will, statt den bisherigen Trainer Hals über Kopf zu entlassen. Zufrieden ist man mit der bisherigen Performance der Mannschaft unter Doll jedenfalls ganz und gar nicht. Doch nach den Turbulenzen der vergangenen Saison, als Hans-Joachim Watzke zunächst Bert van Marwijk und einige Wochen später Jürgen Röber aus dem Amt kegelte und man sich plötzlich in der Abstiegszone wiederfand, will der BVB-Boss auf keinen Fall wieder als Trainerkiller dastehen. Grotesk, dass solcherlei Sorge um die eigene, schon angeschlagene Reputation nun offenbar zu den wenig aufrichtigen Spielchen mit Doll führt. Der dürfte wohl nur dann in der kommenden Saison noch BVB-Trainer sein, wenn sich partout kein präsentabler neuer Mann finden ließe.“

Richard Leipold (FAZ) ergänzt und zeigt auf Stuttgarts Schwachstelle: „Anders als zuvor in Hamburg ist es Doll in Dortmund nicht gelungen, sich als Liebling der Medien einen emotionalen Überziehungskredit zu verschaffen. Außerdem hat er sich angeblich auf einen Vertrag eingelassen, der es dem Arbeitgeber erlaubt, jederzeit gegen Zahlung einer für Bundesligaverhältnisse moderaten Abfindung von 450.000 Euro die Trennung herbeizuführen. (…) Auch die Stuttgarter stehen vor einer heiklen T-Frage: Bei ihnen geht es nicht um den Trainer, sondern um den Torwart. Raphael Schäfer, als Nummer 1 verpflichtet und zwischendurch von Sven Ulreich ersetzt, machte keine sonderlich gute Figur. Mit einer merkwürdigen Schrittfolge ermöglichte er Alexander Frei einen Freistoßtreffer.“

Unglückliche Saison

Christof Kneer (SZ) leidet mit: „Schäfer hatte es rührend gut gemeint, er war bestens vorbereitet, er wusste, dass Frei seine Freistöße in zirka 100 Prozent aller Fälle über die Mauer hebt. Diesmal aber schoss Frei in die Torwartecke, nur leider war Schäfer da längst unterwegs ins entfernte Eck. Er hatte sich dramatisch verspekuliert. Noch schweigen sie eisern beim VfB, aber intern gilt es als ausgemacht, dass dieses Spiel das eine Spiel zu viel war. Der Neuzugang Schäfer, eigentlich ein sehr konkurrenzfähiger Torwart, hat ja eine unglückliche Saison hinter sich: Seit er im 2007er-Pokalfinale, noch im Nürnberger Trikot, eine Rote Karte für VfB-Stürmer Cacau forderte, ist er bei den Fans unten durch – inzwischen ist die Lage so verfahren, dass sich die Verantwortlichen in aller Stille wieder auf Torwartsuche begeben werden.“

Gräben zwischen Spielern, Fans und Trainer

Ronny Blaschke (FR) nimmt nach dem 0:3 in Hannover Rostocks Trainer in die Mangel: „Hansa droht die vielleicht größte Führungskrise seit den Chaosjahren Anfang der Neunziger. Verkörpert wird dieser Eindruck vor allem von Frank Pagelsdorf. Bis zu diesem Frühjahr hielt es kaum jemand für möglich, dass der Ruhm des Trainers, der die Rostocker zweimal in die Bundesliga geführt hatte, so schnell verblassen könnte. Ihm werden nun personelle und taktische Fehler vorgeworfen. Warum hielt er solange am glücklosen Stürmerzugang Victor Agali fest? Warum wechselte er den bereits verletzten Torwart Stefan Wächter in Cottbus (1:2) nicht aus und bemühte sich um die Sicherung des Remis? Weshalb trieb er die einst gelobte Teamverjüngung so sehr auf die Spitze, dass mittlerweile verächtlich vom Jugendwahn gesprochen wird? Schließlich waren es auch Emporkömmlinge wie Marc Stein, Kai Bülow oder Fin Bartels, die im letzten Drittel ihrer ersten Bundesligasaison dem Druck nicht gewachsen zu sein schienen. Pagelsdorf will das alles nicht erklären. Fans und Journalisten machen sich längst lustig über seine stoische Art der Problembewältigung. In Hannover wirkte es so, als wollte er an der Seitenlinie gleich ein Nickerchen halten. Diese Körpersprache übertrug sich auf den Rasen, keiner der Spieler schrie, gestikulierte, motivierte. Es mehren sich die Zeichen, dass sich die Wege von Hansa und Pagelsdorf nach der Saison trennen werden. Zu tief sind die Gräben zwischen Spielern, Fans und Trainer geworden.“

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