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Bundesliga

Förderungsbedarf für Edelkarossen & Goldkettchen gleich Null

Oliver Fritsch | Montag, 16. März 2009 Kommentare deaktiviert für Förderungsbedarf für Edelkarossen & Goldkettchen gleich Null

Uli Hoeneß will eine Fußballsteuer, die Presse ist dagegen / Jürgen Born zurückgetreten – wie viel dunkle Geschäfte gibt es in der Bundesliga? / Hertha BSC, unerbittlicher Meister der Effektivität / Bayerns Rückkehr zum Kontrollfußball / Vor Hoffenheim muss niemand mehr zittern

Uli Hoeneß fordert eine Art Steuer für den deutschen Profifußball. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche stellt er seine Idee vor, die GEZ-Gebühren zu erhöhen, damit ARD und ZDF alle Bundesliga-Spiele live zeigen können: „Am besten wäre es, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender alle Fußballrechte kaufen und dem Bürger Fußball quasi gratis nach Hause senden würden. Ich werde doch auch monatlich abkassiert, obwohl ich nur Nachrichten, Sport und politische Diskussionen schaue. Meine große Hoffnung ist, dass die Leute irgendwann bereit sind, 2 Euro im Monat für Fußball zu bezahlen. Das ist nicht mal eine halbe Schachtel Zigaretten oder ein kleines Bier in der Kneipe.“ (Für alle, die selten oder zum ersten Mal mit Fußball-„Politikern“ in Kontakt kommen – das meint der ernst.) Zudem kündigt Hoeneß an, künftig mehr Lobbyarbeit zu machen: „Ich bin der Meinung, dass wir als Vereine von den Politikern noch nicht ernst genug genommen werden.“

Die Presse quittiert diese Träumerei mit verhaltener Kritik. Wobei sich Kritik an Hoeneß in der deutschen Sportpresse meist so liest, dass zunächst seine Verdienste hervorgehoben werden: „Uli Hoeneß ist ohne Frage der beste Manager der Bundesliga“, beginnt Peter Wenig (Hamburger Abendblatt) seinen Kommentar – und erlaubt sich, fortzufahren: „Die GEZ-Gebühr taugt nicht als Soli für Einzelinteressen. Wenn der Bundesliga die TV-Einnahmen nicht reichen, muss sie andere Quellen anzapfen – oder eben sparen.“

Auch Thomas Kistner (SZ) bezeichnet Hoeneß als „eine der respektabelsten Figuren der Sportbranche“, als müsste er legitimieren, dass er mit Hilfe der Steuerzahlerperspektive Hoeneß in die Schranken verweist: „Im Angesicht der Weltwirtschaftskrise, die Fußballs Stammklientel am härtesten treffen dürfte, muss auch den sportnahen Beobachter irritieren, wenn von der Allgemeinheit mehr Geld gefordert wird für ein Gewerbe, dessen gesamtwirtschaftliche Endbestimmung stark am Erwerb von Edelkarossen & Goldkettchen orientiert ist. Da tendiert der Förderungsbedarf gegen Null.“

Wolfgang Hettfleisch (FR) nimmt die positiven Daten aus dem Bundesliga-Report zum Anlass, die Bundesliga-Manager zur Vernunft zu mahnen: „Vielleicht wird DFL-Chef Christian Seifert das Bundeskartellamt irgendwann doch noch liebgewinnen. Was wäre wohl gewesen, hätte die Bundesliga die Vermarktung ihrer Fernsehrechte, wie geplant, zu den abgesprochenen Konditionen Leo Kirch übertragen? Der Ex-Pleitier hätte bei Sendern und Abspielstationen mitten im tiefen Tal der Superkrise 500 Millionen Euro jährlich auftreiben müssen, nur um einzuspielen, was er der Liga garantiert. Die zweite Bruchlandung des greisen Rechtehändlers wäre da womöglich nicht weit gewesen. Manche Menschen muss man eben zu ihrem Glück zwingen. (…) Manches, das jüngst noch als verzopft galt, hat nun Konjunktur. Da wird die Ausgeglichenheit des Wettbewerbs gepriesen, die der Verteilung der TV-Einnahmen zu danken ist – ein Modell, das die Bosse des FC Bayern gern längst begraben hätten.“

Lohnende Beziehungen

Werder Bremens Vorstand Jürgen Born ist zurückgetreten, nachdem der Vorwurf publik wurde, er habe an Transfers privat mitverdient. Roland Zorn (FAZ) würde sich wenig wundern über Schwarzgeldmentalität im Fußball-Business: „Die rechtlich noch nicht geklärte Affäre wirft ein Schlaglicht auf mutmaßliche Praktiken im bezahlten Fußball, über die meist hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird – nämlich die manchmal angeblich lohnenden Beziehungen zwischen fürstlich bezahlten Spieleragenten und Vereinsoffiziellen. In dieser gerüchteumwaberten Grauzone aber fanden sich bislang nur selten Belege für Geschäftspartnerschaften, die über den legitimen Rahmen zwischen Geben und Nehmen hinausgingen. Sollte nun ausgerechnet ein ehemaliger Berufsbanker über Bankbelege in einem Ehrenamt – Born ließ sich für seinen Job bei Werder kein Gehalt auszahlen – stolpern?“ Schön wäre natürlich, die Leser müssten weniger von Gerüchten hören, sondern würden öfter die Wahrheit erfahren.

Verein der Zukunft

Tabellenführer Hertha BSC Berlin bleibt auf der Erfolgslinie. Und das auf ungewöhnliche Art – nämlich zum wiederholten Male mit einem Tor Vorsprung (1:0 gegen Leverkusen). Ronny Blaschke (Stuttgarter Zeitung) kommt der Strategie des Klubs und seines Trainers auf die Spur: „Lucien Favres Entschleunigung im hektischen Berliner Geschnatter scheint dem Klub gut zu tun. Auch auf dem Rasen ist diese Anti-Arroganz zu spüren. Die Berliner nutzen nicht nur effizient ihre Chancen, sie spielen auch ohne Umwege und Schnörkel nach vorn. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Spieler im Schnitt weniger als eine Sekunde am Ball sind, die Dauer des Ballhaltens hat sich innerhalb eines Jahres halbiert. Selbst wenn es wie gegen Leverkusen zeitweilig nicht läuft, wirken sie nicht getrieben, sondern bleiben gelassen. Elf Spiele hat Hertha BSC mit einem Tor Vorsprung gewonnen. Die Ära der Launen ist vorerst beendet, Favre hat bewiesen, dass Erfolg planbar ist, mit Zufällen will er nichts zu tun haben. Selbst wenn es nicht für die erste Meisterschaft seit 1931 reichen sollte, Hertha könnte zu einem bestimmenden Verein der Zukunft werden.“

Die Unerbittlichkeit Herthas betont auch Michael Horeni (FAZ): „Es war wieder einmal ihr ganz typisch effektives Spiel mit den begrenzten Mitteln, das die Hertha in dieser Saison tatsächlich schon zur Meisterschaft gebracht hat. Die Mannschaft nutzte ihre zweite Chance, nachdem sie in der ersten Halbzeit zu keiner einzigen gekommen war. Ein einziger Fehler kann gegen die Berliner schon das Ende bedeuten.“

Was macht Dieter Hoeneß im Mai?

Robert Ide (Tagesspiegel) malt eine Stimmungslandschaft Hertha in rosa Farben: „Jeder Fußballverein, auch wenn er ein Traditionsverein ist, muss sich immer mal wieder neu erfinden. Nun darf Hertha ein neues Bild abgeben – als geerdeter Verein in einem bunten Berlin. Das Gute daran ist: Herthas gereifte Mannschaft, ihr akribischer Trainer und sogar der gewiefte Manager geben sich auch im Glück bescheiden. Sie singen und tanzen mit den Fans, danach geht’s zurück an die Arbeit. So wandelt sich das Bild von Hertha – fast von allein.“

Mit dem Image-Wandel der Hertha befasst sich auch Jan Christian Müller (FR): „Jetzt scheint sogar die Hauptstadt ihr ungeliebtes Kind in die Arme zu nehmen. Plötzlich ist die kalte Schüssel Olympiastadion nicht mehr zu groß und zu ungemütlich, plötzlich ist es dort sogar heimelig und stimmungsvoll. Und vielleicht, ja vielleicht ruckelt Dieter Hoeneß im Mai tatsächlich im offenen Bus mit der Schale in den Händen durchs Brandenburger Tor.“

Im FAZ-Kommentar rehabilitiert Peter Heß Hans Meyer nach dem 4:2-Sieg in Köln: „Der Thüringer mit Pensionsberechtigung, räumte in Gladbach richtig auf, wurde für seinen harschen Umgangston gerügt und für seine extreme Defensivtaktik ausgelacht. Doch nach sieben Rückrundenspieltagen hat Meyer dem Tabellenletzten zum Anschluss an die Nichtabstiegsplätze verholfen.“ Beim 3:0 der Bayern in Bochum sieht die taz schmucklosen „Kontrollfußball“, Jürgen Klinsmann habe „den Weg des aggressiven Pressing- und Offensivfußballs verlassen“. Die SZ fügt an: „Stildebatte beendet, jeder konnte sehen, wie passiv Bayern zunächst auf seine Chance lauerte.“ Der KSC-Kapitän heißt in der FAZ heute „Christian Eichler“.

Vor Hoffenheim muss niemand mehr zittern

Von einem „gespenstischen Verlauf“ des Spiels zwischen Frankfurt und Hoffenheim (1:1) spricht Heß und erkennt die Hoffenheimer nicht wieder – oder allenfalls phasenweise: „Die aktuelle Mannschaft weist mit dem Überraschungsteam der Hinrunde kaum noch Gemeinsamkeiten auf. Obwohl sich die Eintracht in der ersten halben Stunde wie ein Opfer aufführte, schaffte es der beste Aufsteiger seit Jahren nicht, die Vorteile zum Sieg zu nutzen. Im Herbst noch hätte er so einen wehrlosen Gegner auseinandergenommen. An diesem Vorfrühlingstag gestattete er ihm, sich wieder zu wappnen und ins Spiel zurückzufinden. Vor Hoffenheim muss im Moment niemand mehr zittern.“

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