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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Vorige Saison hat sich Bayern blamiert in Europa

Oliver Fritsch | Mittwoch, 8. April 2009 2 Kommentare

Jürgen Klinsmann gerät in die Defensive und schlägt neue Töne an / FC Barcelona hat sich der Dekadenz entwunden und pflegt seinen sportlichen und politischen Markenkern

Jürgen Klinsmann geht in die Offensive. Seiner Mannschaft will er am letzten Sonntag den Marsch geblasen haben, heute, in Barcelona, spielt, einem Gerücht zufolge, Butt statt Rensing. Und im Interview mit der SZ setzt er sich erstmals öffentlich gegen Kritiker zur Wehr. Seine Arbeit werde „extrem ergebnisabhängig“ bewertet, klagt er. Er habe mit einer „Grundskepsis“, auch „klubintern“, zu kämpfen, weil er „Neues“ eingeführt habe. Zudem spricht er von anfänglichen „Fehlinformationen“, die „bösartig gestreut“ worden seien. Etwa, dass Klinsmann sein Team von den Fans abschotte; dabei sei das Gegenteil der Fall gewesen, es gebe mehr öffentliche Trainingseinheiten als in den Vorjahren.

Seine Arbeitsweise rechtfertigt Klinsmann mit dem Hinweis auf internationale Standards: „Ich orientiere mich ja nicht an meiner eigenen Philosophie, wie das manchmal hingestellt wird: ,Der kommt mit seinem eigenen Kopf und macht, was er will.‘ Nein, ich orientiere mich an dem, was international vorgegeben wird: vom FC Barcelona, von Manchester United, von Liverpool.“ Klingt theoretisch überzeugend. Die Frage ist: Zieht er die richtigen Lehren, kann er sie richtig umsetzen?

Bemerkenswerterweise distanziert er sich, wenn auch indirekt, von der Kaderauswahl bei Bayern: „Ich habe eine Mannschaft übernommen, die zu hundert Prozent vorhanden war, ohne Forderung nach Neuverpflichtungen. (…) Ich muss mich ja ein Stück weit verlassen können auf die Strukturen im Klub.“ Was so viel heißen könnte: Ich kann mich eben nicht darauf verlassen. Und einen schönen Gruß an Ottmar Hitzfeld sendet Klinsmann gratis: „Vergangene Saison hat das national funktioniert, man wurde Meister und Pokalsieger, hat sich aber blamiert in Europa.“ Blamiert in Europa! Das ist starker Tobak an die Adresse eines Uefa-Cup-Halbfinalisten, solche Töne kennen wir von Klinsmann nicht.

Die FAZ fragt sich, wie defensiv Bayern in Barcelona spielen wird? (Und wer wird es anordnen?) Franz Beckenbauer jedenfalls ist nicht ganz auf offizieller Klublinie, was die Frage begrifft, ob Jürgen Klinsmann nächste Saison noch Trainer ist.

Klub mit Corporate Identity

Ronald Reng (Berliner Zeitung) begründet seine wiederaufflammende Liebe zu seiner Ex-Braut FC Barcelona: „Zwei Jahre kämpfte der Champions-League-Sieger von 2006 vergeblich gegen die Dekadenz, heute wird Barça wieder als das größte Spektakel betrachtet. Es fehlt die Unumstößlichkeit des 2006er Jahrgangs um Ronaldinho, aber sie schlagen die Gegner mit Herrlichkeit, oft 6:1 oder 5:2, und bringen es auf schwindelerregende 126 Saisontore. Mehr als der Erfolg eines Einzelnen ist die Rückkehr des schönen Barça ein Lehrbeispiel, wie weit ein Klub mit unbeirrbarem Wagemut und konsequentem Konzept kommen kann. Hartnäckiger als jeder andere Verein hält der FC Barcelona an einem Stil fest, auch wenn sich sonst niemand so zu spielen traut, im endlosen Kurzpass, im ewigen Angriff. Konsequenter als alle bildet er die Fußballer dafür selbst aus.“ Wer Ribéry mit Messi auf eine Höhe setzt, habe nichts begriffen, heißt es von Reng darüberhinaus. Messi trage mehr zum System und zur Defensive bei.

Der FC Barcelona gibt sich gerne politisch: als katalanischer Verein, der sich auf seine anti-franquistische Tradition beruft und seinen Gegensatz zu Real Madrid betont. Julia Macher (Tagesspiegel) entkleidet den Verein: „Trotz aller mythischen Überhöhung ist der Klub in erster Linie ein modern geführtes Unternehmen – mit einem Jahresumsatz von 380 Millionen Euro. Zwar drücken den Verein auch knapp 180 Millionen Euro Schulden, was aber in Spanien vergleichsweise moderat ist. Das Direktorium versteht es geschickt, politisches Sendungsbewusstsein in die Gesamtaufstellung der Marke mit einzubinden. Auf der Spielerbrust prangt imagefördernd das Logo von Unicef. Präsident Joan Laporta unterstreicht immer wieder die ‚katalanische Dimension‘ des Vereins. Doch das ist Chefsache. Für die Spieler gehört es lediglich zum guten Ton, bei der Präsentation einen Satz auf katalanisch von sich zu geben und fürs Foto die eingestickte Flagge am Revers zu küssen. Mehr prokatalanisches Engagement ist nicht vonnöten, weil in einem Verein die Corporate Identity ohnehin stark genug ist.“

freistoss des tages

Kommentare

2 Kommentare zu “Vorige Saison hat sich Bayern blamiert in Europa”

  1. juwie
    Mittwoch, 8. April 2009 um 18:39

    > Blamiert in Europa! Das ist starker Tobak an die Adresse eines Uefa-Cup-Halbfinalisten, solche Töne kennen wir von Klinsmann nicht.

    Okay, „blamiert“ ist ein bisschen überzogen, aber ein Triumphzug durch Europa war die UEFA-Cup-Saison der Bayern auch nicht (Bolton Wanderers, Braga, Getafe).

  2. Jan
    Donnerstag, 9. April 2009 um 00:49

    Und was war das gestern abend? Eine Blamage? Lehrstunde? „Schande“?

    Auf jeden Fall war’s schön anzuschauen.

    Nur warum gingen die Bayern mit so einer Opferhaltung ins Spiel? So wirkte es zumindest auf mich.

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