indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Hoffenheim ist nur noch ein gewöhnlicher Verein

Oliver Fritsch | Dienstag, 5. Mai 2009 3 Kommentare

Streit zwischen Ralf Rangnick und Dietmar Hopp überrascht die Experten und scheint schwer zu beheben / Louis van Gaal, Missionar und Egomane – neuer Bayern-Trainer? / Diskutiert Wolfsburg wirklich über die vorzeitige Entlassung Felix Magaths? / HSV schreibt Meistertitel ab

Die FAZ setzt die Berichte über die unerwartete und unerwartet raue Auseinandersetzung zwischen Ralf Rangnick und Dietmar Hopp fort: „Hoffenheim galt als Musterbeispiel für systematische Planung, einen stilvollen Umgang miteinander und professioneller Verhaltensweise gegenüber der Öffentlichkeit. Doch zwölf Spiele ohne Sieg haben aus dem Vorzeigeklub einen gewöhnlichen Verein gemacht, in dem die Führungspersonen ihre Emotionen nicht mehr kontrollieren können.“

Nicht nur in der FAZ liest man von dem Gerücht, Klinsmann könne Rangnick folgen – der wiederum Felix Magath in Wolfsburg folgen könne. Auch die FR verbreitet es, in der Frank Hellmann zum Streit anfügt: „Hopp ist großzügig, aber auch empfindlich, wenn er unter Druck gesetzt wird. Rangnick ist fachkundig, aber er neigt dazu, seinen Frust zu falschen Zeitpunkten abzulassen.“ Die FAZ ergänzt: „Hopp scheint von den Aussagen tief verletzt zu sein.“

Manager Jan Schindelmeiser, der angenehmerweise auf Beschwichtigungen verzichtet, gibt im Telefonat mit Welt Online zu: „Den Disput hätte man sich sparen können.“

Missionar und Boss

Louis van Gaal, der als Ex- und Egozentriker gilt, ist offenbar erster Kandidat für den Trainerstuhl bei den Bayern. Ronald Reng (FR) reibt sich die Hände: „Falls sich der Wunsch des FC Bayern erfüllt, lässt sich eines garantieren: große Unterhaltung. Die Frage ist bloß, wer diesmal das größere Spektakel wird, die von ihm geformte Mannschaft oder seine Ausbrüche. Seine Strategie und Methodik erheben ihn zu einem der Besten des Fachs, der grandiose Champions-League-Sieg 1995 mit Ajax oder das spanische Double 1998 mit dem FC Barcelona dienen als Belege. Fast genauso oft scheiterte er allerdings an seiner Unflexibilität. Er natürlich würde es unbeugsamen Willen nennen. (…) Ein Trainer sollte davon überzeugt sein, vom Fußball mehr als die anderen zu verstehen. Louis van Gaal ist bloß der einzige, der es ständig raushängen lässt.“

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) stimmt ein: „Louis van Gaal ist der Chef, in dieser Angelegenheit lässt er nicht mit sich reden. Es könnte also lustig werden, wenn der Holländer neuer Trainer beim FC Bayern wird, wo es mindestens drei Chefs gibt. Dass er trotzdem Favorit der Bayern ist, hat andere Gründe, van Gaal besitzt beste Referenzen: Mit Ajax hat er Uefa-Cup, Champions League und Weltpokal gewonnen, mit Barcelona das spanische Double, und vor zwei Wochen erst hat er sich mit dem Provinzklub AZ Alkmaar die Meisterschaft gesichert. Es war sein bisher schönster, da unmöglichster Titel. Seit 1981 hieß der Meister in Holland entweder Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder Feyenoord Rotterdam. Van Gaal aber hat mit Alkmaar bewiesen, dass der größte Etat nicht automatisch den größten Erfolg garantiert.“

Christof Kneer & Thomas Kistner (SZ) machen darauf aufmerksam, dass sich Deutschland auf Nachhilfeunterricht gefasst machen sollte: „Holländische Trainer haben oft etwas Missionarisches, und van Gaal hat der Gedanke nicht mehr losgelassen, dem rückständigen Nachbarland den Fußball zu bringen. Er hat ja schon 1995 moderner trainiert als viele Bundesligisten das heute tun. Er ließ damals schon Spielzüge simulieren.“

Feuer unterm Dach

Hätte Tabellenführer Wolfsburg Magath nach einer Niederlage wirklich entlassen? Thomas Haid (Stuttgarter Zeitung) lotet die erstaunlichen Folgen in Wolfsburg aus, die auch durch die Berichte seiner Redaktion ausgelöst worden seien: „Es brennt lichterloh unter dem Volkswagen-Dach, nachdem die Stuttgarter Zeitung den bevorstehenden Wechsel Felix Magaths zum FC Schalke enthüllt hat. Über die Konsequenzen redeten sich die Wolfsburger Entscheidungsträger nun die Köpfe heiß. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob es überhaupt bis zum Saisonfinale mit Magath weitergehen kann oder ob das Vertrauen so zerrüttet ist, dass gleich ein Schlussstrich gezogen werden muss. Es passt jedenfalls nicht in die Philosophie von VW, sich von einem Angestellten auf der Nase herumtanzen zu lassen. Nach Informationen der Wolfsburger Allgemeinen wäre der Teamchef deshalb entlassen worden, wenn das Team gegen Hoffenheim verloren hätte. Aber der VfL gewann mit 4:0, was den Aufsichtsrat dazu bewogen hat, noch mal abzuwarten. Dem Gremium erschien das Risiko zu hoch, mit einem anderen Trainer den Titel zu verpassen – was die Wolfsburger Clubspitze unweigerlich in beträchtliche Erklärungsnot gebracht hätte. Also sitzt Magath wohl nicht nur in der Partie beim VfB Stuttgart auf der Bank, sondern vermutlich bis zum 23. Mai.“

Huub-Stevens-Virus

Aus Hamburg wird vermeldet, dass man sich nach dem 1:1 gegen Berlin aus dem Titelrennen verabschiedet habe. Frank Heike (FAZ) erblickt hängende Köpfe: „Die Fans hielten die silbrigen Meisterschalen noch lange tapfer in die Höhe, doch auf dem Heimweg lagen einige der Papptrophäen dann schon im Dreck. Meisterschaft ade, das war die ernüchternde Botschaft, die von diesem mageren 1:1 ausging. Nun sind die Grenzen des Machbaren erreicht. Martin Jol muss sich mit Dortmund beschäftigen, nicht länger mit Wolfsburg.“ Jörg Marwedel (SZ) geht der Sache auf den sportlichen Grund: „Stets verweigert der HSV nach einer Führung weitere Tore, als wäre das Huub-Stevens-Virus, das knapp erarbeitete Siege am meisten schätzt, nicht auszurotten.“

freistoss des tages

Kommentare

3 Kommentare zu “Hoffenheim ist nur noch ein gewöhnlicher Verein”

  1. gses
    Dienstag, 5. Mai 2009 um 12:33

    Wenn man einen Trainer wie Rangnick an sich bindet, darf man sich nicht wundern. Ihm stehen seinen herausragenden taktischen Fähigkeiten als Trainer wenig Realismus, Sozialkompetenz (so scheint es zumindest) sowie übertriebener Ehrgeiz gegenüber.
    Find ich toll dass Hopp auf dem Boden bleibt, sein Ziel war ja ohnehin dass der Verein mal auf eigenen Beinen stehen kann

  2. Deutscher Meister wird nur die SGE
    Dienstag, 5. Mai 2009 um 12:47

    Aber wenn Rangnicks Mängel so offenkundig sind (und seine Qualitäten und Methodik als Trainer so überragend), dann muss man doch als Vereinsvorstand & Manager darauf gefasst sein, versuchen, die Mängel auszugleichen, evtl gar zu beheben.
    Ich glaube weiterhin daran, dass dies Hopp, Schindelmeiser und Mit-Turner noch schaffen können.

  3. Hannnns
    Mittwoch, 13. Mai 2009 um 10:58

    Ich frage mich wirklich, warum der Bildblog-Eintrag der „Freistoß des Tages“ war.

    1. Ist die Pro-Klinsmann-Kampagne (etwa jeder Vierte seiner Bildblog-Einträge beschäftigt sich mit den „Leiden des Jungtrainers Jürgen K.“) des bekennenden Klinsmanns-Fans Jakubetz mindestens seltsam für ein selbst ernanntes Watchblog.

    2. Nimmt es Jakubetz in seinem Fan-Eifer mit den Fakten selbst nicht ganz genau, wie der doch sehr peinliche Nachtrag von „Montag 10 Uhr“ bei einem anderen Pro-Klinsi-Post verdeutlicht:
    http://www.bildblog.de/7569/klinsi-will-einfach-nicht-fliegen-2/

    3. Ist der Einwand zwar berechtigt, dass der FC Bayern mehrere Spieltage drei Punkte Rückstand auf Wolfsburg hatte. Aber: Am 29. Spieltag, nach dem 0:1 gegen Schalke, war Bayern hinter Wolfsburg und Hertha nur Dritter, punktgleich mit Stuttgart und Hamburg. Am 30. Spieltag, um den es Jakubetz geht, war Bayern nach Punkten wieder alleiniger Zweiter.
    Davon zu sprechen, die Ausgangslage hätte sich durch den Sieg gegen Gladbach trotz des unveränderten Drei-Punkte-Abstands auf Wolfsburg nicht verbessert hatte, ist kühn.

    4. Frage ich mich, warum Herr Jakubetz beispielhaft den sid für die Medieneuphorie durch den seiner Meinung nach von den Medien herbeigeschriebenen Trainerwechsel anführt, er es aber nicht schafft, den Einstiegs des sid-Berichts vom 25. Spieltag zu zitieren – und deshalb ins Blaue fabuliert: „Am 25. Spieltag war es sogar nur ein einziges Pünktchen, von ‚Titelträumen‘ und ‚neuen Hoffnungen‘ war damals aber nicht so viel zu lesen. Da hieß der Trainer ja auch noch irgendwie anders.“

    Der sid-Spielbericht begann nach dem 25. Spieltag wie folgt: „Nach dem Zittersieg war bei Bayern München allen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, die Kampfansage an die Konkurrenz im Titelrennen aus Berlin und Wolfsburg folgte aber prompt. ,Wir freuen uns, dass wir wieder richtig dabei und dran sind. Wir werden jetzt keine Ruhe mehr geben‘, sagte Trainer Jürgen Klinsmann nach dem 1:0 (1:0)-Heimerfolg gegen den wackeren Karlsruher SC.“

    Und weiter: „Stattdessen rückten die Bayern dank des Treffers von Jose Ernesto Sosa aus der 34. Minute bis auf einen Punkt an den Tabellenführer aus Berlin heran. Punkt- und torgleich stehen die Münchner nun mit dem VfL Wolfsburg auf Platz zwei. Nach der Länderspielpause reisen die Bayern zum ‚kleinen Endspiel‘ (Klinsmann) oder ‚vorentscheidenden Spiel‘ (Hoeneß) zu Felix Magaths „Wölfen“.“ Wie dieses Endspiel ausging, dürfte bekannt sein.

    5. Beziehen sich die „neuen Hoffnungen“ und „Titelträume“ natürlich auf das Verhalten der Bayern-Spitze nach der Schalke-Pleite. Damals verweigerten Hoeneß und Rummenigge die Auskunft und Beckenbauer schwadronierte nach der Niederlage gegen Schalke (und vor der Wolfsburg-Pleite in Cottbus): „Wir sind bescheiden geworden. Der zweite Platz ist das, was noch übrig bleibt. Die Qualifikation für die Champions League ist wichtig.“

    Es wundert sich der Hannnns

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