indirekter freistoss

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Bundesliga

Ende der Behäbigkeit

Frank Baade | Dienstag, 18. August 2009 2 Kommentare

Hertha BSC vermisst Durchschlagskraft im Sturm, Magath stürzt Hierarchien und weckt Schalke aus jahrelanger Lethargie, Hannovers Trainer Hecking ist angeschlagen und wackelt bedenklich

In der FR blickt Michael Jahn auf die schwächelnde Berliner Offensive: „Favre fokussiert sich nach den holprigen Auftaktspielen in der Bundesliga vor allem auf die Verbesserung der Abwehrarbeit und die möglichst schnelle Erhöhung der Effektivität seiner Offensive. Bei Hertha betreiben sie nun eine Art Doppelstrategie, was die Verbesserung der Offensive betrifft. Einerseits wird vor allem Zugang Artur Wichniarek verbal unterstützt, andererseits wird der Transfer eines weiteren Stürmers immer mehr forciert. Favre nährte am Montag indessen indirekt Spekulationen, Hertha könne vielleicht doch Andrej Woronin erneut nach Berlin lotsen. Favre sagte aber auch, das die Klubfinanzen einen Transfer wohl nicht zulassen. So bleibt Favre und auch Manager Michael Preetz vorerst nur, die Angreifer stark zu reden. Preetz fordert dringend ‚mehr Präzision und Durchschlagskraft‘. Der ehemalige Torjäger ist da nun erst einmal selbst gefordert: auf dem Transfermarkt.“

Daniel Theweleit legt in der Berliner Zeitung die selben zwei Problemzonen dar: „Die Hertha hatte tatsächlich ihren Teil zu einem ausgesprochen attraktiven Spiel beigetragen, es war ein schwacher Trost. Die Qualität der Stürmer ist ein sensibler Punkt bei Hertha derzeit. Auch Lucien Favre reagierte genervt auf das Thema, der Trainer wich der Frage nach dem Sturm aus. Gut ausgesehen hatte das Spiel der Hertha aber trotzdem in vielen Phasen. Sie hatten 60 Prozent Ballbesitz. (…) Arango, der gemeinsam mit Oliver Neuville immer wieder große Räume auf der rechten Berliner Abwehrseite aufriss, bereitete der Viererkette große Probleme. Dabei hatte Trainer Favre gerade hier seine einzigen Veränderungen vorgenommen. Doch auch in dieser Formation wirkte die Berliner Defensive in vielen Situationen unsicher.“

Eingerostete Handbremse gelöst

Andreas Morsbach beobachtet Felix Magath bei seinen Wutausbrüchen (FR): „Was wie der Auftritt eines unberechenbaren Cholerikers wirkte, war aber eher Teil der neuesten Magathschen Masche. Denn die letzten Jahre auf Schalke, durchaus gesprenkelt mit Teilerfolgen wie Vizemeisterschaft oder Champions-League-Teilnahme, waren vor allem eines: Ganz schön langweilig. So wie der Fußball, der unter den Trainern Mirko Slomka und Fred Rutten praktiziert wurde. Dazu gesellte sich ein blasser Manager (Andreas Müller), dessen Nachfolge Magath zusätzlich zum Trainerjob antrat und nun gezielt mit Leben füllt. (…) Trotz der beschränkten Qualität des Gegners war bei Magaths Heim-Premiere aber schon zu erkennen, dass der neue Trainer die über Jahre eingerostete Handbremse im Spielaufbau in kürzester Zeit gelöst hat.“

Die Stürmer blühen auf

Matthias Wolf beschwört in der Berliner Zeitung schon die Meisterschale am Schalker Horizont herauf: „Felix Magaths Methoden sind gewöhnungsbedürftig. In Gelsenkirchen kennen die Spieler keinen Dienstplan, das nächste Training setzt Magath erst am Nachmittag vorher an – und keiner weiß, wie sein Standing beim Übungsleiter ist. Levan Kobiaschwili, der Publikumsliebling, war am Sonntag nicht einmal im Kader. Dafür spielte wieder Christoph Moritz, 19 Jahre jung und von Alemannia Aachen eigentlich nur für die zweite Mannschaft geholt worden. Nun hatte die Stadionregie nicht einmal ein Foto von ihm parat, als er das 1:0 erzielte. Magath überrascht eben alle. (…) Auf Schalke ist eine Menge geschehen. Die Treffer durch Moritz, Westermann und Farfan entstanden nach schnellen Gegenangriffen an der Stätte, wo noch vergangene Saison der Ball behäbig nach vorne geschleppt worden war. Vor allem die Stürmer Jefferson Farfan und Kevin Kuranyi blühen auf. Magath weckt Schalke aus der Lethargie. In Wolfsburg wissen sie, wohin so ein Mentalitätswechsel führen kann.“

Hierarchien aufbrechen

Oliver Müller erkennt in der Welt beim Blick über Magaths letzte Stationen Muster in dessen Wirken: „Der Höhenflug des bis vor kurzem völlig unbekannten Moritz ist typisch für Magath. Seine Spezialität ist es, Hierarchien aufzubrechen und unbekannten Spielern eine Chance zu geben. So hatte er es schon bei seinen letzten drei Stationen gehandhabt. In Stuttgart setzte er wegen finanzieller Probleme gezwungenermaßen auf die Jugend, förderte einen jungen Amateur namens Kevin Kuranyi. Selbst bei den mit Stars gespickten Bayern schaffte er es, ein Eigengewächs wie Christian Lell zu etablieren. In Schalke macht er es wieder wie in Stuttgart: Mangels Geld für hochkarätige Einkäufe wird improvisiert. Neben Moritz stand erneut auch Innenverteidiger Carlos Zambrano (20) in der Startelf, der in der Vorsaison unter Fred Rutten und Mike Büskens kein einziges Spiel absolviert hatte. Mittelfeldspieler Levan Kenia (18) wurde zur Pause eingewechselt. Dagegen schmorten potenzielle Stammkräfte wie Gerald Asamoah und Halil Altintop neunzig Minuten lang auf der Bank. Ein entscheidender Schachzug, um der Mannschaft eine neue Struktur zu geben, könnte die Verpflichtung des Brasilianers Mineiro gewesen sein. Der 34-jährige Ex-Nationalspieler zeigte gegen Bochum ein überzeugendes Debüt auf der zentralen Position vor der Abwehr. Eigentlich könnte Magath mit dem Saisonstart also rundum zufrieden sein. Dennoch kämpft er dafür, dass die Erwartungshaltung bei den Schalker Fans nicht sofort wieder in schwindelnde Höhen steigt.“

Richard Leipold (FAZ) stimmt in das allgemeine Loblied auf die neue Schalker Spielweise ein und wundert sich ein wenig: „Kurios, aber zu Schalke passend ist der Umstand, dass ein ‚Medizinball-Trainer‘ kommen musste, der Arbeitsmoral und Gehorsam als Überbau seines Wirkens begreift, um Lust auf Angriffsfußball zu wecken.“ Bei Leipold – anders als bei den übrigen Beiträgen – verbietet Magath den Fans das Träumen aufgrund der aktuellen Erfolge allerdings nicht.

Kind „analysiert weiter“

Andreas Hunziger hört Insidern zu und vernimmt für Dieter Hecking nichts Gutes (FR): „Der Coach , den die Fans in Hannover für das dauerhafte Mittelmaß verantwortlich machen, wirkt angeschlagen. Aller zur Schau gestellter Gelassenheit zum Trotz. Die Stimmung gegen Hecking sei ja bereits acht, neun Monate ein Thema, berichtete Robert Enke. Das merke man dem Trainer auch an, gewährte Abwehrchef Christian Schulz einen Einblick in das Innenleben der 96-Gemeinschaft. Und auch Enke weiß, dass ein Unentschieden gegen einen Aufsteiger nicht ausreicht. So nimmt der Druck auf Hecking weiter zu. Klubchef Martin Kind ließ zwar am Samstag noch wissen, man müsse zunächst ‚weiter analysieren‘. Aber in Insiderkreisen heißt es, dass eine Niederlage am kommenden Wochenende beim 1. FC Nürnberg das Aus für Hecking in Hannover bedeuten könnte.“ Und dass man den Namen Slomka rund um Hannover wieder öfter flüstert, las man erst zuletzt auf dem indirekten freistoss.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Ende der Behäbigkeit”

  1. erha
    Dienstag, 18. August 2009 um 16:54

    „Ganz schön langweilig. So wie der Fußball, der unter den Trainern Mirko Slomka und Fred Rutten praktiziert wurde.“ (Andreas Morsbach, FR)

    „Der Coach , den die Fans in Hannover für das dauerhafte Mittelmaß verantwortlich machen, wirkt angeschlagen. […] Und dass man den Namen Slomka rund um Hannover wieder öfter flüstert, las man erst zuletzt auf dem indirekten freistoss.“ (Andreas Hunziger, FR)

    Ich find´s lustig, dieses Trainerkarussell. Es dreht und dreht und dreht sich. Manchmal wird´s renoviert, die Fahrgäste wechseln. Und dann geht´s weiter.

  2. Rob
    Freitag, 21. August 2009 um 10:44

    „Selbst bei den mit Stars gespickten Bayern schaffte er es, ein Eigengewächs wie Christian Lell zu etablieren.“

    Laut der Datenbank „www.fussballdaten.de² hat Lell genau 3 Bundesligaspiele unter Magaths Verantwortung gemacht. Kurz danach wurde er entlassen.

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