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Bundesliga

Arne Friedrich, der Königsmörder?

Frank Baade | Mittwoch, 30. September 2009 2 Kommentare

Hat die Mannschaft gegen den Trainer gespielt? – Preetz schon unter Druck bei der Trainerfindung, und was die Berliner Trainerentlassung mit Sir Alex Ferguson zu tun hat

D. Stolpe, U. Bremer und J. Wolff weisen in der Welt auf die vermeintliche Hauptursache für Favres Entlassung, bleiben aber spekulativ: „Es ging um etwas, das in der Szene oft negiert wird: Profis, die gegen den Trainer spielen. (…) Ohne den Namen in den Mund zu nehmen, dürfte Co-Trainer Gämperle vor allem Arne Friedrich gemeint haben. Der Kapitän spielt seit Wochen, als verweigere er Hertha die Anführerschaft. Die zum Ende der vergangenen Saison entstandenen Differenzen zwischen Favre und Friedrich wurden nie beseitigt, sondern mündeten in die jetzt entstandene Eskalation. Dahinter soll ein internes Gespräch stehen. Darin habe Favre Friedrich mitgeteilt, dass er ihn für einen ordentlichen Verteidiger halte, aber nicht für einen Abwehrchef. In Kombination mit Josip Simunic spielte Friedrich stark. Seitdem der Kroate nach Hoffenheim gewechselt ist, bestätigt Friedrich in dieser Saison in fast jedem Spiel die Beobachtung des Trainers: Die Rolle des Abwehrchefs vermag der Nationalspieler nicht auszufüllen. Intern bei Hertha wird vermutet, dass Friedrich sich durch die Einschätzung Favres in den Grundfesten seines Selbstverständnisses erschüttert gefühlt habe. Man kann nur spekulieren, ob er in den letzten Wochen versucht hat, sich des ungeliebten Vorgesetzten zu entledigen.“

Andreas Rüttenauer stellt den Spielern in der taz schlechte Kopf- und Feldnoten aus: „Die Spieler misstrauten den Ideen der Trainer nach den ersten Misserfolgen. Favres Autorität fußte einzig auf dem sportlichen Erfolg. Als der ausblieb, hat die Mannschaft auf die Ansagen nicht mehr reagiert. Zur Selbstorganisation ist sie nicht fähig gewesen. Am letzten Spieltag blamierte sich ein unorganisierter Haufen in Hoffenheim.“ Von der Wahl des neuen Trainers würde eine „Richtungsentscheidung“ abhängen. „Bleibt die Hertha auf Erneuerungskurs oder kehrt sie zurück zum autoritären System? Für Ersteres könnte Preetz‘ ehemaliger Mitspieler Kjetil Rekdal stehen, der als Kandidat gehandelt wird. Alt-Trainer Jürgen Röber steht für die diktatorische Hoeneß-Ära. Uralt-Trainer und Kabinenprediger Hans Meyer sowieso.“

Opfer der Ausgeglichenheit

Michael Horeni (FAZ) beleuchtet jenen Mann, der nach den Personalrochaden der letzten Monate am Ruder ist: Nach der Entlassung Favres sei Preetz nun die zentrale sportliche Führungskraft. Er könne endlich aus Dieter Hoeneß‘ großem Schatten treten, dafür müsse er aber nun den richtigen Nachfolger wählen. Für die in Berlin getätigten Ver- und Einkäufe sei Preetz nämlich ebenso verantwortlich, mit dem bekannten Tabellenstand als Resultat. „Der erste Versuch des Neuanfangs ist gescheitert. Für den ehemaligen Stürmer dürfte die Trainerpersonalie zur entscheidenden Manager-Prüfung werden. Nach dem Abschied von Favre ist der Geschäftsführer Sport auf einmal sehr allein in Berlin.“ Kaum Erfahrung als Manager habe Preetz bislang sammeln können. „Das war aber nicht Preetz‘ Versäumnis. Denn der Machtmensch Hoeneß ließ dem damaligen Leiter der Lizenzspielerabteilung keinen Raum zur Entfaltung.“ Hoeneß habe beider Fähigkeiten, Preetz‘ und Favres, immer wieder angezweifelt. „Zumindest im Fall von Favre dürfte sich Hoeneß schon bestätigt fühlen – Preetz hat noch eine Chance.“

Markus Lotter (Berliner Zeitung) erinnert daran, dass Sir Alex Ferguson schon seit Zeiten Margret Thatchers bei Manchester United angestellt ist und erklärt, warum man als Trainer in England bessere Chancen hat, längerfristig zu arbeiten: „Nun, England ist ein bisschen anders. Eine missratene Saison treibt einen etablierten Klub in der Premier League nur in Ausnahmefällen in die Zweite Liga, im Normalfall endet der freie Fall in dieser klaren Dreiklassengesellschaft im Mittelfeld der Tabelle. Zudem hat die englische Elite ausreichend Geld, um in der Winterpause oder eben vor der neuen Saison wirksame Korrekturen vorzunehmen. So gesehen ist Lucien Favre sicherlich ein Opfer der Berliner Finanzschwäche, aber eben auch ein Opfer der Ausgeglichenheit, die von den Kontrollorganen der Bundesliga mit Leidenschaft kultiviert wird. Jeder kann hier jeden ärgern, und jeder kann in der obersten deutschen Spielklasse von einer kurzen Negativserie in den unberechenbaren Strudel des Abstiegskampfes gerissen werden. Die Bundesliga ist kein Ort für lange Beziehungen.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Arne Friedrich, der Königsmörder?”

  1. Klaus-Peter
    Mittwoch, 30. September 2009 um 13:51

    Rekdal hat bei seiner letzten Station in Deutschland schon gezeigt, dass er nicht der Trainertyp für dieses Niveau ist. Beim damals noch schlimmer darbenden und finanziell maroden 1. FC Kaiserslautern jedenfalls ist er nur durch schamlose Überschätzung der Mannschaft, grenzenlose Sturheit und späterer öffentlicher Kritik an seiner Mannschaft in der plumpsten Form aufgefallen.
    Sollte sich Preetz für Rekdal entscheiden, kann er entweder schon für Liga 2 planen oder sich einen Namen ausdenken, den er nach dem 25. Spieltag als Feuerwehrmann hervorzaubern will. Hab gelesen, dass Jörg Berger sowas auch weiterhin gerne übernimmt.

  2. Lutz
    Mittwoch, 30. September 2009 um 22:57

    Bis auf den mißglückten Vesuch, Andrej Voronin zu halten, glaube ich das alle, zum Saisonende getroffenen Maßnahmen, ihre absolute Berechtigung hatten. Man kann sich allenfalls über den Verkauf von Rodnej unterhalten.
    Chermiti hätte ich auch gehalten.
    Was Friedrich betrifft so halte ich ihn ebenfalls für ungeeignet eine Abwehr, geschweige denn eine ganze Mannschaft zu führen.
    Er gehört zu einer Generation Fußballern, oder zu einer Sorte Mensch, mit gewissen Neigungen, die keinerlei Emotionen haben oder zeigen. Ich spreche ihm so etwas wie Leidenschaft ab.
    Aber wer sich ständig verstellen muß um nicht unangenehm aufzufallen, der kann ja auch nicht befreit aufspielen und sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren.

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