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Bundesliga

Zwei Schwachstellen im Masterplan

Frank Baade | Montag, 26. Oktober 2009 2 Kommentare

Der VfB Stuttgart bleibt seiner Unbeständigkeit treu, beim FC Bayern klafft ein Loch zwischen Plänen und der Wirklichkeit, in Mönchengladbach sehen schon vorher nüchterne Zuschauer eine trockene Nullrunde

Zum freitäglichen Remis zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund findet sich nur wenig, in der FR erfahren wir durch Christian Oeynhausen, warum: „Der Tabellenführer konnte sein spielerisches Format nach den Ausfällen von Simon Rolfes und Renato Augusto nicht zeigen. Die Dortmunder beschränkten sich früh aufs Verhindern. Es war ein Durchschnittskick. Sein Team sei einfach ‚nicht so gut drauf‘ gewesen, sagte Heynckes, der die fehlende Spannung schon in den Tagen zuvor festgestellt hatte. Trainer Klopp fand nach einigem Zögern den einen Zähler doch noch ‚geil‘. Die Floskel ‚schiedlich-friedlich‘ ist aus der Mode gekommen, hier hätte sie gepasst.“

Mysterium der Unbeständigkeit

Der VfB Stuttgart verharrt in der Erfolglosigkeit, doch: „Die Mannschaft spielte nicht gegen den Trainer. Sie spielte gar nicht.“, befindet Roger Repplinger (taz). Verunsichert sei das Stuttgarter Team, auch wenn Markus Babbel das Gegenteil behaupte: „Wenn das, was der VfB in Hannover zeigte, nicht Verunsicherung ist, dann gibt es keine.“

Markus Lotter nimmt in der Berliner Zeitung frühere Fehler der Stuttgarter ins Programm: „Der VfB ist aufgrund seiner ausgeprägten Neigung zum Unbeständigen ein Mysterium der Bundesliga. Kein anderer Stammgast in der obersten deutschen Spielklasse hat eine derart unruhige Erfolgskurve vorzuweisen wie der Verein für Bewegungsspiele. Das Problem des VfB Stuttgart ist aber grundsätzlich kein Trainerproblem. Allzu oft haben die Stuttgarter die üblichen Reflexe gezeigt und sich viel zu früh von ihrem jeweiligen Übungsleiter getrennt, getreu der Kausalität: wenn wir nicht wissen, woran es liegt, trifft es halt den Trainer.“

Genau davon rät Jan Christian Müller (FR) dem Manager des VfB aus sehr pragmatischen Gründen ab: „Im Grunde wäre ein Scheitern von Babbel ja noch viel mehr auch ein Scheitern von Heldt. Nur: Der VfB braucht den Manager.“ Das bei Heldts Ausscheiden verbleibende Personal habe nicht die nötigen sportlichen Netzwerke. „Deshalb muss Heldt derzeit auch im eigenen Interesse stark sein. Schon nach dem Titel 2007 floppten seine Einkäufe allesamt. Zwei Jahre später könnte es passieren, dass der Manager beim Einkauf wieder daneben gegriffen hat: Hleb, Kuzmanovic und Progrebniak standen aus guten Gründen allesamt am Ende nicht mehr auf dem Platz.“

Zu einem etwas anderen Schluss kommt Peter Ahrens bei Spiegel Online, nachdem er die Gründe für den Niedergang auflistet: Erstens Mario Gomez‘ Weggang, den dieser teuer bezahlt habe: „Gomez hat [durch seinen Wechsel] alles aufgegeben, seine Selbstsicherheit, die vertrauten Laufwege seiner Mitspieler, die Geborgenheit im Heimatverein. Wo er doch aus der Nationalelf wissen müsste, wie schwer es ist, auf ungewohntem Terrain gewohnte Leistung zu bringen.“ Zweitens Jens Lehmann: „Ein Tormann, der schon in der Vorsaison ein Sicherheitsrisiko war. Einer, der sich für unfehlbar hält und selbst immer wieder Fehler macht, ist für ein Team Gift.“ Und drittens wirkten sich die ständigen Enttäuschungen in der Champions League nicht positiv auf die Stimmung im Team aus. Die so entstandende Lage sei für den Trainer wohl zu viel: „Babbel erweckt überhaupt nicht den Eindruck, als könne er die Stimmung wenden. Er hat am Donnerstag eine siebzehnminütige Rede gehalten, eine von diesen Ansprachen, die gerne als Brand- oder Wutrede tituliert werden – und was folgte war ein 0:1 in Hannover.“

Weit entfernt von alter Souveränität

Bayern München gewinnt sehr knapp nur durch ein Tor in der vorletzten Minute gegen Eintracht Frankfurt: „Die Erleichterung erfüllte das Stadion bis in den letzten Winkel, wurde zu vibrierender Energie, umhüllte die Spieler, den Trainer wie einen Heiligenschein. Doch auch der konnte nicht darüber hinwegtäuschen: Die Bayern sind von alter Souveränität noch weit entfernt.“ Zweispältig bewertet Sebastian Gierke das Resultat in der Berliner Zeitung: „Das Team wirkt stabiler als unter Klinsmann.“ Um sich mit Blick auf die zeitweilige Führung der Frankfurter zu widersprechen: „Es bestand jetzt die akute Gefahr, die angeschlagene Bayern-Mannschaft könne auseinander brechen.“

Katrin Weber-Klüver (Financial Times Deutschland) fragt sich, wie man es zuletzt so oft machen muss, was denn nun die Strategie der Bayern sein solle: „Wenn Bayern keinen Plan hat, gibt der Verein Geld aus. Jüngst hat er sehr viel Geld ausgegeben. Aber verfügt er deswegen tatsächlich über keinen Plan? Wenn man das bloß wüsste. Zwingend ist es nicht. Vielleicht war und ist van Gaals Masterplan einfach, mit Arjen Robben und Franck Ribéry auf den Flügeln die 4-3-3-Chose schon titeltauglich zu schaukeln. Empirisch gibt es da eine Schwachstelle, genauer gesagt zwei: die Körper von Robben und Ribéry. Das eine ist die Idee, das andere die Realität.“

Kommendes Stahlbad Bundesliga

Als jenseits ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit punktend nimmt die FR den FSV Mainz 05 und seinen Trainer wahr: „Gegen Freiburg sorgte wiederum eine taktische Meisterleistung für den Unterschied zweier weitgehend auf Augenhöhe agierender Mannschaften.“ Getroffen hate bereits zum fünften Mal der äußerst günstige Neuzugang Ivanschitz: „Ein überragendes Preis-Leistungs-Verhältnis: Ivanschitz kostet Mainz für zwei Jahre Ausleihe pro anno 250.000 Euro, er kann dann für 500.000 per Option für zwei weitere Jahre bis 2013 verpflichtet werden. Billiger geht nicht.“ Ungemach sei dennoch im Verzug: „Heidel ahnt, dass die in der Chancenverwertung bislang effektivste Bundesligamannschaft Mainz 05 derzeit über den eigenen Möglichkeiten spielt. Auch Thomas Tuchel wird die Liga schon noch als Stahlbad erleben.“

Unterhaltsam wie eine Lesung aus dem örtlichen Telefonbuch

In Mönchengladbach gab es ein Novum zu erleben, Bernd Müllender war beim Scheitern der Präventionsmaßnahme dabei (taz): „Erstmals wurde bei einem Fußballspiel in Deutschland ein flächendeckendes Alkoholverbot verhängt. Natürlich funktionierte die Null-Komma-null-Strategie nicht wirklich. In den Zügen galt vorsorgliche Druckbetankung. Parole: Schnell zuschütten bis der Bahnhof kommt. Bei der Prohibitionspremiere kamen wohl mehr betrunkene Fans zu einem Spiel als je zuvor.“ Fußball gespielt wurde übrigens auch noch, zumindest wurde es versucht: „Es war ein gemeinschaftliches Fehlpassfestival, mit dem Unterhaltungswert einer Lesung aus dem örtlichen Telefonbuch. Bei der Borussia spielte einer hektischer als der andere. Köln hatte eine komplette Offensiv-Allergie. Lukas Podolski joggte herum, als sei er ein verkappter Borusse.“

Anders sieht Richard Leipold die Wirkung der Prohibition in der FAZ: „Angesichts der Ausschreitungen im Vorjahr zeigte die Polizei eine Präsenz, die auf eine Konferenz hochrangiger Politiker schließen ließ, brauchte aber nur bei kleineren Zwischenfällen einzugreifen. Das Alkoholverbot, das auf vielen Straßen bis zum Anpfiff galt, hatte die gewünschte Wirkung erzielt.“ Offensichtlich reiste Leipold nicht mit dem Zug an. Zum Sportlichen: Weil der 1. FC Köln in den letzten fünf Partien nur einen Treffer hinnehmen musste, sei das „asthetisch ein Zeichen von Stabilität auf niedrigem Niveau.“ Insgesamt sei dem Publikum wenig geboten worden: „Während der FC sich gar nicht erst die Mühe machte, nach vorn zu spielen, mangelte es den Borussen an einer zündenden Idee, die den Gegner hätte zwingen können, sich dem Spiel zu öffnen. Außer gutem Willen und einer Fülle von Standardsituationen hatten die Gladbacher nicht viel zu bieten.“

In der Berliner Zeitung bemerkt Daniel Theweleit eine einschneidende Veränderung bei der rheinischen Borussia: „Die Fußballmenschen von Mönchengladbach sind müde nach Jahren der selbstzerstörerischen Personalrotation. Seit im Frühjahr 2004 der Unternehmer Rolf Königs zum Präsidenten gewählt wurde, kamen und gingen sieben Trainer, vier Sportdirektoren und über 70 Spieler. Mittlerweile gibt es eine tiefe Sehnsucht nach einer Entschleunigung. Im Gegensatz zum Vorjahr wirkt die Mannschaft entwicklungsfähig, es gibt gute Einzelspieler, einen klar erkennbaren spielerischen Ansatz und keine Profis, die grundsätzlich überfordert sind. Das Engagement stimmt, nur die Effizienz fehlt.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Zwei Schwachstellen im Masterplan”

  1. heinzkamke
    Dienstag, 27. Oktober 2009 um 10:31

    Von Unbeständigkeit und mangelnder Konstanz des VfB Stuttgart habe ich nun verschiedentlich gelesen. Als Indiz dafür darf wohl gelten, dass die Mannschaft in den letzten 8 Jahren 7 mal im Europapokal vertreten war.

  2. roseeffe
    Dienstag, 27. Oktober 2009 um 11:21

    Sehr gute Antwort,

    hier sieht man wieder die Sucht nach Verallgemeinerung unserer Journalisten. Wo z.B. jede Niederlage der Bayern eine „Blamage“ ist und ein knapper Sieg gegen eine andere Bundesligamannschaft eine „Fast-Blamage“ muss man sich nicht wundern, wenn die Meinungsmache immer wieder zu solchen Äußerungen kommt. Wahrscheinlich wie immer: Irgendeiner stellt die Behauptung auf und alle übernehmen diese unkritisch.

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