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Champions League

Wegweiser aus der Krise

Frank Baade | Donnerstag, 26. November 2009 1 Kommentar

Der VfB Stuttgart gewinnt erstmals nach zehn Spielen und hat so das Achtelfinale der Champions League noch in der Hand, Matchwinner ist Jungspieler Sebastian Rudy, Babbel sitzt dennoch nicht sicher

Messer bleibt in der Tasche

Ein schlechtes Zeugnis erteilt Raphael Honigstein in der FR nach dem Sieg des VfB dessen Gegner Glasgow Rangers. Die Schwaben hätten diese Partie gewonnen, weil „die nicht Europapokal-tauglichen Schotten den Gästen so viel Ballbesitz und Raum zum Kombinieren gaben, dass selbst die zutiefst verunsicherten Schwaben gar nicht mehr anders konnten, als sich ihres Talents fürs Fußballspielen zu erinnern.“ Das Stuttgarter 4-2-3-1 sei geschickt aufs Feld gebracht worden. Auch bei seiner Ansprache habe Babbel wohl den richtigen Ton getroffen. „Trainer müssen neben taktischem Verständnis und Menschenführung einiges an Schauspieltalent mitbringen, in dieser Hinsicht hat Babbel offensichtlich dazugelernt. Horst Heldt, der zuvor bewusst Distanz zu Babbel aufgebaut hatte, durfte das Messer in der Tasche lassen.“ Man wolle Babbel dennoch nicht zu früh Absolution erteilen, da die Hinrunden-Bilanz in der Bundesliga immer noch finsterer werden könne.

Die Berliner Zeitung lobt ebenfalls die Taktik der Stuttgarter angesichts der Gegenüber: „Die Abwehr des schottischen Rekordmeisters ist so inhomogen, wie es ihre Altersstruktur vermuten lässt. Mister Lee McCulloch, 27 Jahre alt, schützt den Abwehrraum rechts, David Weir, der wie fünfzig aussieht, in der Tat aber 39 Jahre alt ist, kontrolliert das Zentrum, und links wuselt der 17-jährige Danny Wilson. Mit mutigen Dribblings lässt sich so eine Drei-Generationen-Defensive wohl am einfachsten destabilisieren, gedacht, getan.“

Wie einst bei Rudi Völler

Sven Flohr teilt uns mit, wer das da so leichtfüßig getan hatte (Welt): „Es war wie beim alten Völler. ‚Rudyyyyy‘, schrieen die 2500 Fans des VfB Stuttgart, wann immer ihr Liebling den Ball am Fuß führte oder zur Ecke antrat. Rudy, Vorname Sebastian, ist der Mann, der ihrem Klub neue Hoffnung gab und ihrem Trainer ein wenig Luft verschaffte. (…) Tatsächlich waren die Schwaben den Gastgebern hoch überlegen und hätten bei 25:5 Torschüssen und 57 Prozent Ballbesitz problemlos deutlich höher gewinnen können. Weil die Chancenverwertung aber nach wie vor unbefriedigend ist, blieb es bei zwei Toren, an denen Rudy entscheidend beteiligt war. (…) Als Rudy im Sommer 2008 nach fünf Jahren im Verein seinen ersten Profivertrag unterschrieb, galt er bereits als kommender Mann. Einer, der es wie Gomez, Kuranyi oder Hleb aus der eigenen Jugend bis ganz oben bringen kann. Seitdem pendelte Rudy aber zwischen erster und zweiter Mannschaft. Rudy ist sehr variabel einsetzbar, spielt aber am liebsten auf den Außenbahnen im offensiven Mittelfeld. Der schmächtige Körperbau und die hängenden Schultern lassen ihn schlaff wirken. Aber Rudy ist gedankenschnell, verarbeitet Pässe präzise und nimmt bereits entscheidend Einfluss auf das Spieltempo.“

Neben den positiven Effekten für den Verein profitiere natürlich auch der Trainer von diesem Sieg, meint Peter Stolterfoht in der Stuttgarter Zeitung: „Babbel bleibt zumindest vorerst die Entlassung erspart. Für ihn war viel auf dem Spiel gestanden, eine weitere Niederlage hätte er sich kaum erlauben dürfen.“ Aufgrund der Entscheidungen dieses Trainers müsse sich ein Spieler jedoch größere Sorgen um seine Zukunft machen. „Nicht zum ersten Mal hatte sich Babbel entschlossen, seinen Kapitän auf die Ersatzbank zu setzen. Thomas Hitzlsperger musste zunächst zuschauen, nachdem er in den vergangenen Wochen meist enttäuschende Leistungen gezeigt hatte. Dass er nun in einem derart wichtigen Spiel unberücksichtigt blieb, dürfte ihm zusätzlich zu denken geben.“

Kuranyi und Woronin als Kandidaten

Ob der Sieg eine Trendwende sei oder nur ein Strohfeuer, weiß Peter Stolterfoht in der Stuttgarter Zeitung nicht: „Allein der Sieg in Glasgow wird nicht genügen, um Babbel eine längerfristige Arbeitsplatzgarantie zu geben. Der große Stuttgarter Befreiungsschlag ist es noch nicht gewesen. Ein gutes Spiel bedeutet noch lange nicht die Trendwende. Diese Erfahrung machte der VfB schließlich schon Ende September, als in Frankfurt 3:0 gewonnen wurde, die Mannschaft danach aber ganz schnell wieder in den alten Trott verfiel und seitdem in der Bundesliga kein Spiel mehr gewonnen hat. Zumindest aber ist diese Partie ein Wegweiser, wie der VfB aus der Krise kommen kann. Mit Spielern wie Rudy und Kuzmanovic, die sich des Ernstes der Lage bewusst sind, davon aber nicht gelähmt, sondern beflügelt werden. Endlich könnte Markus Babbel nach einer Vielzahl von rotierenden Fehlversuchen die Mannschaft und auch die dazugehörende Taktik gefunden haben, mit deren Hilfe auch in der Bundesliga die so notwendigen Siege möglich sind. (…) Es wurde zum wiederholten Mal deutlich, wie dringend der VfB einen neuen Stürmer braucht. Kevin Kuranyi und Andrej Woronin sind die heißesten Kandidaten für einen Winterwechsel nach Stuttgart.“ Wie stark der VfB sei, wisse man immer noch nicht genau. „Dabei hilft vielleicht die Aussage des Rangers-Profis David Weir. ‚So schlecht haben wir wirklich schon lange nicht mehr gespielt.‘“

Stuttgarter Punktprämien und Jungspieler

Ebenfalls in der Stuttgarter Zeitung ist zu erfahren, dass die Spieler des VfB zwar sehr direkt an den Punktprämien in der Champions League beteiligt werden und der Club selbst erst bei einer Achtelfinal-Teilnahme spürbare Vorteile genösse. Dafür werden in der Liga allerdings keine Punktprämien ausgeschüttet, nicht nur, weil der VfB ohnehin kaum punktet, sondern weil vereinbart ist, Prämien erst bei einer Tabellenposition ab dem sechsten Platz aufwärts zu zahlen.

Zum Karriereverlauf vieler weiterer junger Spieler der Bundesliga ist die Webseite 18mal18 empfehlenswert, im Besonderen ein Interview zum Thema ‚Sebastian Rudy‘ des Fußballradiosenders 90elf mit den Betreibern von 18mal18.

Kommentare

1 Kommentar zu “Wegweiser aus der Krise”

  1. heinzkamke
    Donnerstag, 26. November 2009 um 09:09

    Interessante Überschrift des Kicker zum Thema:
    „… – Rudy der heimliche Matchwinner“.

    Ob „heimlich“ andeuten soll, dass es sich um eine Erkenntnis handelt, die ohne den Kicker niemand gewonnen hätte?

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