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Bundesliga

Sympathischer kann man nicht absteigen

Frank Baade | Freitag, 4. Dezember 2009 7 Kommentare

Babbel erhält als Trainer in Stuttgart einen Persilschein, völlig falsch findet das die Presse, auch wenn Babbel ein grundsympathischer Kerl sei; bei Hannover 96 hofft man auf zwei Mittelfeldspieler

Markus Babbel bleibt vorerst Trainer beim VfB Stuttgart, die Stuttgarter Zeitung ist in umfassender Berichterstattung überhaupt nicht zufrieden mit dieser Entscheidung. „Chaostage beim VfB“ titelt sie und bewertet den folgenden von Babbel angeordneten Wechsel im Kapitänsamt – vom abservierten Hitzlsperger zum selbst von der Entscheidung überraschten Delpierre – ebenfalls kritisch.

Eis der Beliebtheit ist dünn

„Sympathischer kann man nicht absteigen“, befindet Oskar Beck in der Stuttgarter Zeitung: „Verdammt groß ist nach den jüngsten Ereignissen die Chance, dass am Ende der Saison die ganze Fußballwelt vor uns Schwaben die Hacken zusammenschlagen, ergriffen den Hut ziehen und sagen wird: So still und sympathisch ist noch kein Club abgestiegen.“ In Umfragen unter Fans seien 50% für den Verbleib von Babbel. Beck beantwortet auch die Frage nach dem Warum: Weil man in Deutschland vor allem Bescheidenheit, Familienleben und die Ausstrahlung schätze. Und Babbel „ist und bleibt ein netter Kerl. Ja, Markus Babbel ist ein skandalfreier und tadelloser Mensch. Die Beliebtheit rettet einen Trainer, wie man das in dieser Art selten erlebt. Keiner traut sich, diesem anständigen Menschen am Lack zu kratzen.“ Doch Beck empfiehlt, nicht allein seinen Gefühlen zu vertrauen: „Diese Sympathie als Maß aller Dinge ist riskant. Jeder freut sich mit ihm, hat aber Bauchweh dabei. Denn das Eis der Beliebtheit ist dünn.“ Schon bei einer Niederlage gegen Bochum könnte die Lage kippen. Und da der Trainer einen „Persilschein“ habe, das Volk aber Schuldige brauche, wer bliebe dann über? „Der Heldt und die Bosse. Es ist ein halsbrecherisch schmaler Grat zwischen der Sympathie und der Verantwortung, und gescheit hat darüber schon Laotse im alten China philosophiert: ‚Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.‘ Das klingt jetzt unsympathisch. Entschuldigung.“

Unverständnis und Desinteresse

Über den abgesetzten Kapitän und Nationalspieler berichtet Carlos Ubina (Stuttgarter Zeitung): „Für Thomas Hitzlsperger gab es vor dem Training zwei Nachrichten. Die schlechte war: er ist nicht mehr Kapitän des VfB Stuttgart. Die gute lautet aber ebenso: er ist nicht mehr Kapitän des VfB Stuttgart. So will es zumindest Markus Babbel verstanden wissen. Seine Botschaft in Kürze: Hitzlsperger soll mit der Binde Ballast abwerfen und sich wieder auf sich selbst konzentrieren.“ Zwar habe Hitzlsperger zuletzt nicht gut gespielt, sein Amt als Kapitän aber habe er ordentlich ausgeübt: „Einen letzten Versuch, für mehr Disziplin im Kader zu sorgen, startete Hitzlsperger vor der Begegnung in Gladbach am 7. November. Er wollte mit den Kollegen und ohne den Trainerstab über einen Strafenkatalog diskutieren, er stieß jedoch nur auf Unverständnis und Desinteresse. Nach wenigen Minuten brach der Kapitän die Sitzung ab.“ Beim Stand der Dinge tendierten „die Chancen, dass Hitzlsperger über den Sommer 2010 hinaus für den VfB aufläuft, demnach gegen null.“

Nur ein Impuls von außen könnte helfen

Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) fürchtet, dass Babbel sich mit seiner Wahl des Nachfolgers nicht nur Freunde gemacht habe: „Stärke und Entschlussfreudigkeit will Markus Babbel mit seinen Entscheidungen demonstrieren und signalisieren: so kann es nicht weitergehen.“ Doch „Babbel hat in Hitzlsperger, Tasci und Lehmann drei Spieler in seinen Reihen, die eigentlich als Führungskräfte vorgesehen sind und sich nun vor den Kopf gestoßen fühlen. Sehr fraglich ist es, ob sie in der Krise weiterhin für Babbel durchs Feuer gehen.“

Einen „weiteren Fehler“ nennt Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) das Festhalten an Babbel. Schließlich habe man als Tabellenvorletzter am Sonntag 0:4 verloren und ein desolates Bild abgegeben. „Die
Mannschaft ergab sich ihrem Schicksal. Dieser Auftritt lässt eigentlich nur den einen Schluss zu: der Teamchef ist mit seiner Motivationskunst am Ende.“ Trotzdem ist Babbel noch im Amt. Ein klarer Fehler, meint Stolterfoht: „Die Mannschaft braucht in dieser verfahrenen Situation einen Impuls von außen, und den verspricht nur ein neuer Trainer.“ Natürlich sei Babbel nicht allein schuld an der Situation. „Die in weiten Teilen verfehlte Personalpolitik ist vor allem Horst Heldt anzukreiden. Über die Fehler des Managers muss auch diskutiert werden, aber das sollte erst der zweite Schritt im Stuttgarter Krisenmanagement sein. Der VfB braucht schnelle Hilfe, und die hätte nur ein Trainerwechsel in Aussicht gestellt.“

Gleich zwei Spielmacher auf einmal

Selten genug, wird heute im Tagesspiegel ein Blick auf Hannover 96 geworfen. Mathias Klappenbach kennt Arnold Brugginks, der recht langsam sei, größten Konkurrenten im Mittelfeld: Jan Rosenthal, der auch stark in der Defensive sei: „Wohl wegen dieser Qualität hat ihn Trainer Bergmann noch nicht in die offensive Zentrale versetzt, wo Rosenthal auch läuferisch mit dem quirligen, aber im Abschluss zu hektischen Didier Ya Konan und dem routinierten Schlitzohr Jiri Stajner harmonieren würde. Rosenthal beherrscht den entscheidenden Pass und gefährliche Tempodribblings. Richtig gefährlich könnte Hannover aber in der Rückrunde werden. Arnold Bruggink ist seit dreieinhalb Jahren in Hannover, und immer hat er nach einer enttäuschenden Hinserie eine herausragende Rückserie gespielt. In der vergangenen Saison gelangen ihm da zehn Torvorlagen und fünf eigene Treffer.“

Kommentare

7 Kommentare zu “Sympathischer kann man nicht absteigen”

  1. Puntow
    Freitag, 4. Dezember 2009 um 12:57

    „Einen letzten Versuch, für mehr Disziplin im Kader zu sorgen, startete Hitzlsperger vor der Begegnung in Gladbach am 7. November. Er wollte mit den Kollegen und ohne den Trainerstab über einen Strafenkatalog diskutieren, er stieß jedoch nur auf Unverständnis und Desinteresse.“

    Normalerweise trifft man sich doch zum Grillen und dann stimmt das Mannschaftsgefüge. Oder es wird sich an die Backen gehauen und dann sind bestimmte Dinge geklärt.
    Strafenkatalog klingt mir dann doch zu Streberhaft, also ob man besser spielen würde, wenn alle pünktlich beim Training sind oder keiner mit der Ische simst.
    Wenn überhaupt sollte der Trainer für Disziplin zuständig sein und der Kapitän organisert die Saufabende!

  2. netherlandanian
    Freitag, 4. Dezember 2009 um 13:05

    Babbel muß weg. Heldt bitte auch. Aufgrund welcher Befähigung man einem Trainernovizen derlei Vertrauen einräumt ist nicht ersichtlich. Letztes Jahr konnte Babbel sich hinter Gomez verstecken. Heute sieht man daß er noch zumindest 3 Jahre Erfahrung in der Bayernliga sammeln sollte bevor er in der 2./ gar in der 1. Liga als Coach anfangen kann. Staudt und Hundt hätten spätestens nach dem Bremen-Spiel zu Hause handeln müssen. Das sah aus wie im Pokal: Viert- gegen Bundesligist. Einfach nur peinlich. Der Level wurde bis zum Leverkusen-Spiel gehalten, bzw. erweitert. Stark VfB. Alle lachen über Euch. Sind Staudt und Hundt Entscheider oder Mimosen? Bringt den hansi Müller als Sportdirektor, Fredi Bobic als Manager und Balakov als Trainer. Schleunigst. Einen Gang in die 2. Liga wird Euch niemand verzeihen. Das tolle neue Stadion könnt ihr gleich verpfänden denn gegen Paderborn werden ca. 2680 Zuschauer kommen. Danke ddaß Ihr es innerhalb eines halben Jahres fertiggebracht habt aus einer Championsleaguetruppe (Danke Mario) eine Viertligatruppe zu machen.

  3. erz
    Freitag, 4. Dezember 2009 um 13:20

    OK, auch wenn es ständig als Argument auftaucht, wenn ein Verein hinter seinen Ansprüchen zurückbleibt: Woran zeigt sich die verfehlte Transferpolitik bei Stuttgart? Und vor allem: Inwiefern sind es die Transfers, die Schuld an der Situation sind?

    Gerade in Stuttgart sehe ich nicht, dass die paar Transfers vor der Saison, so spektakulär sie auch gewesen sein mögen, aus einem Europapokalaspiranten einen Absteiger machten. Wir reden ja nicht von Finkes Freiburg, die nach einer perfekten Saison alle Leistungsträger abgeben und das nicht so schnell kompensieren können.

  4. heinzkamke
    Freitag, 4. Dezember 2009 um 15:01

    Müller – Bobic – Balakov als neues magisches Dreieck.
    Na dann.

  5. Lena
    Freitag, 4. Dezember 2009 um 16:31

    @Heinkamke: 😀 genau. Soviel braungebrannter Fußballsachverstand.

    Oder vielleicht wirds diesmal ja Lothar Matthäus.

    Dass die Zeitungen so draufhauen ist schon ein sehr schlechtes Zeichen, kann man doch davon ausgehen, dass die Stuttgarter Journalisten ganz gut mit der Mannschaft verdrahtet sind. Kabellos natürlich.

    Nicht zu vergessen, dass Heldt zum Magath nach Schalke wollte aber nicht durfte. Babbel hätte wirklich aussetzen und den Trainerschein in Ruhe machen sollen. Müsste er jetzt gehen, wäre er doch fast verbrannt für die Liga. Hat den Kontakt zur Truppe durch die Abwesenheitszeiten in Köln zu einem Zeitpunkt verloren, als die durch den bisher erfolglosen Superteuerstar Hleb durcheinander gewirbelt wurde. Das ist der Knackpunkt.

    Jetzt hilft nur noch ein Weiterkommen in der Champions-Liga. Sonst wird es ein kalter Winter. Und sollten die das schaffen, dann könnte es noch eine mäßige Saison für den VfB werden.

  6. Eierkopp
    Samstag, 5. Dezember 2009 um 10:18

    Dass die Stuttgarter Zeitung notiert, Jens Lehmann sei „ein Führungsspieler“ ist lachhaft. „Autist“ wäre ein exaktere Beschreibung – der Rest der Mannschaft würde der Charakterisierung zustimmen.

  7. Stadionwurst
    Montag, 7. Dezember 2009 um 08:49

    Es ist eben wie es ist – sobald einem Trainer eine Jobgarantie ausgesprochen wird, lässt die Entlassung nicht lange auf sich warten…

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