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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Der Prinz Charles der Hertha

Frank Baade | Montag, 11. Januar 2010 2 Kommentare

Hertha geht unter, ohne Rückgrat, ohne Gesicht; Was treibt den geheimnisvollen Dr. Skibbe und Mr. Hyde? – das Torhüterkarussell der Bundesliga dreht sich für den Sommer warm

Immer eine Spur zu weit voraus

Bert Rebhandl, ein Österreicher, in der taz ausführlich über seine Fan-Werdung in Berlin, noch ausführlicher aber über die Ursachen für die Krise in Berlin: „Nun, da der Hype vorüber ist, die Schulden der Ära Hoeneß aber immer noch da sind, muss sie sehen, wo sie bleibt. Das hat nun nicht mehr viel mit den beiden Spielen zu tun, die Ende der letzten Saison vergeigt wurden, oder mit den vielen deprimierenden Auftritten seither. Sondern es hat mit den langen Jahren nach 1997 zu tun, in denen durch ständige Politikwechsel nie so richtig die Bedingungen für gedeihliche Arbeit gelegt werden konnten. Die Hertha war sich in Anspruch und Ausgaben immer eine Spur zu weit voraus, als dass sie ein vernünftiges Bremsmanöver hinbekommen hätte können. Die ‚verlorene Dekade‘, von der die Medien mit Blick auf die ‚Nullerjahre‘ sprechen, gab es auch bei der Hertha. Ein tragfähiges Selbstverständnis hat sie auch nicht entwickelt. Sie war, fast niemand hat es bemerkt, eines der Gesichter dieses Jahrzehnts, weil auch Hertha es letztlich verloren hat.“

Auch Peter Ahrens hat noch mal, viel Zeit bleibt ja nicht mehr, das Thema „Hertha“ und die Gründe (Spiegel Online): „Preetz ist die tragische Figur in Herthas Niedergang. Als Spieler eine Ikone im Gedächtnis der Fans, danach ein Prinz Charles der Hertha, der Jahr um Jahr warten musste, bis er das lange versprochene Erbe von Vorgänger Dieter Hoeneß antreten durfte. Und da hatte Hoeneß den Verein in seinen zehn Jahren der Politik der offenen Hand dermaßen finanziell in die Malaise gesteuert, dass Preetz als Manager ohne Mittel im Hemd dastand. Ein Traditionsverein steigt ab, und die Stadt nimmt es lediglich zur Kenntnis. Man muss in Berlin nur einmal eine Fußballkneipe aufgesucht haben und die Häme mitbekommen, mit der die Zugezogenen ein Gegentor der Hertha quittieren, um zu wissen, was dem Verein fehlt: ein Rückgrat in der Stadt.“

Im Juni den sauberen Schnitt machen

Michael Skibbe zündelt schon länger in Frankfurt, immer wieder bekäme er nicht die Spieler, die er brauche und nach seinen größeren Seitenhieben nach der deutlichen Niederlage in Leverkusen sowie diesem aktuellen Interview weiß man nicht genau, ob er tatsächlich noch um Eintracht Frankfurt und ein Aufbrechen der Verhältnisse bemüht ist oder seinen Abgang inklusive Gesichtswahrung vorbereitet.

Ralf Weitbrecht sprach mit Michael Skibbe (FAZ), der sich unter Anderem so äußert: „Wir müssen einfach damit leben, dass wir als Eintracht Frankfurt nicht die Möglichkeit haben, uns weiterzuentwickeln, sondern auf dem Punkt verharren, auf dem wir jetzt mit der Mannschaft angekommen sind. Das macht eine perspektivische Entwicklung unglaublich schwer. (…) Der Substanzverlust ist einfach zu groß, um dauerhaft guten Fußball zu spielen. Wir sind jetzt absolut an eine Grenze gestoßen, die wir leider mit unserem Verein nicht überspringen können. Und durch mehr Training ist nicht mehr rauszuholen. Es ist nicht möglich, eine perspektivische Entwicklung der Mannschaft aufzuzeigen.“ Gleichzeitig betont Skibbe, wie gerne er mit der Mannschaft arbeite, dass nun mal ein „guter“ Stürmer für Eintracht nicht zu bezahlen sei, was aber wiederum nichts an seiner positiven Einschätzung der vorhandenen Stürmer ändere, die sich alle „unglaublich bemühen“, und dass er selbst natürlich nicht an Rücktritt denke, denn das sei für einen Trainer „nicht richtig“, sich derlei Gedanken zu machen.

Die Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit solchen Äußerungen weiß Ingo Durstewitz in der FR. Durstewitz glaubt nicht, dass man Skibbe vor dessen Anstellung getäuscht habe: „Sind ihm große Versprechungen gemacht worden? Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Er hätte wissen müssen, worauf er sich einlässt. Er hätte erahnen können, dass da Welten aufeinanderprallen. Nun, ein halbes Jahr später, wäre es nur konsequent, das Missverständnis zu beenden, im Juni einen sauberen Schnitt zu machen und sich zu trennen. Es scheint der einzig gangbare Weg. Für Michael Skibbe. Und für Eintracht Frankfurt.“

Lesen Sie dazu natürlich auch die jeden denkbaren Aspekt beleuchtenden Diskussionen im passenden Beitrag bei Blog-G sowie einer spannenden Wendung im „Fall Skibbe“.

Das Jahr des offenen Tores

Es wird viel passieren, in den Toren dieser Liga, weiß Christof Kneer (SZ) gänzlich unabhängig von den Ausgängen der Spiele: „Am 1. Januar ist das Jahr des offenen Tores angebrochen. Am 30. Juni 2010 enden alleine in der ersten Bundesliga unglaubliche 30 Torwartverträge – prominente Torhüter werden dann ebenso in die Ablöse-Freiheit entlassen wie mittelprominente (Nikolov, Pröll) und solche, die nur jenen bekannt sind, die das Kicker-Sonderheft auswendig lernen. So wird eine ganze Ladung von Zweit- und Dritt-Torhütern auf einen Schlag auf den Markt gekippt.“ Klarheit herrsche wohl nur beim HSV, wo mit Frank Rost verlängert wurde. Doch am wichtigsten für den deutschen Markt sei die Lage im Tor von Manchester United, welches Edwin van der Sar in Kürze nicht mehr hüten werde. Dafür kämen auch Manuel Neuer und René Adler in Frage. „Das ist die extrakuriose Note auf dem kuriosen Markt der ungebundenen Torhüter: dass auch Keeper mitmischen, die bis 2012 gebunden sind. (…) So hängt derzeit alles mit allem zusammen, jede Frage provoziert eine neue.“ Rensing, Butt, Hildebrand, Lehmann, Ulreich, Mondragon jongliert Kneer weiter und weiß auch nur, dass allein eins klar ist in den vielen T-Fragen dieser Liga: nichts.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Der Prinz Charles der Hertha”

  1. Enno
    Mittwoch, 13. Januar 2010 um 07:58

    Übrigens ist Bert Rebhandl nicht nur irgendein Österreicher, sondern der geschätzte Blogger-Kollege marxelinho.

  2. Frank Baade
    Mittwoch, 13. Januar 2010 um 08:28

    Da sieh mal einer an.

    Steht ja sogar in seinem Wikipedia-Eintrag… hätte man als normal recherchierender Mensch demgemäß herausfinden müssen. Hab ich aber nicht, deshalb: Danke für die Aufklärung.

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