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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2010

Kopflos in Richtung Südafrika

Christoph Asche | Montag, 18. Januar 2010 1 Kommentar

Fifa-Chef Joseph Blatter trägt fünf Monate vor der WM in Südafrika interne Machtkämpfe aus; sein wichtigster Mitarbeiter musste nun gehen, wohl auch, weil er Blatter gefährlich nahe kam

Jens Weinreich weist in der Berliner Zeitung darauf hin, dass die Entlassung des Direktors für Internationale Beziehungen, Jérôme Champagne, durchaus ein Wagnis darstellt. Champagne habe den Laden zusammengehalten und sei „Blatters Troubleshooter“ gewesen, „der zahlreiche Probleme in Nationalverbänden löste“, schreibt Weinreich. Zudem habe sich Champagne ein hohes Ansehen erworben und sei überaus beliebt. Dies schien Joseph Blatter nicht zu gefallen: „Jérôme Champagne verhielt sich Blatter gegenüber zwar loyal, doch der Präsident, dessen Aggregatzustand das Misstrauen ist, fürchtete einen Putsch. Dabei will er im Sommer 2011 – im stolzen Alter von 75 Jahren – seine vierte Amtszeit als Fifa-Präsident antreten.“

Obwohl sich Champagne immer in die Dienste Blatters gestellt hat, wurde er bereits die Jahre zuvor mit Missachtung gestraft, wenn es um die Besetzung von wichtigen Ämtern ging. So habe sich Blatter bei der Vergabe des Generalsekretär-Postens sowohl 2002 als auch 2007 jeweils für einen anderen Kandidaten entschieden – für Weinreich sind die Beweggründe klar: „Blatter war selbst von 1981 bis 1998 Fifa-Generalsekretär und hatte in der Funktion seine Präsidentschaft vorbereitet. Er fürchtete, Champagne würde ähnlich verfahren.“

Gefahr für Sepp

In seinem Blog schildert Weinreich zudem weitere persönliche Eindrücke zu der für ihn nur semi-überraschenden Entlassung Champagnes: „Es ist erst fünf Wochen her, dass ich auf Robben Island mit Jérôme Champagne gesprochen habe, der einen durchaus relaxten und selbstbewussten Eindruck gemacht hat. Aber was weiß ich schon. Damals – fünf Wochen sind in Sepps Reich wirklich eine Ewigkeit – hätte ich vermutet, dass Jérôme einigermaßen fest im Sattel sitzt. Wenngleich mir schon klar war, dass er sich eine Position erarbeitet hat, die auch nach ganz oben führen könnte – und dass er damit eine Gefahr für Sepp wird. Ich hätte aber nicht gedacht, dass Sepp noch vor der WM in Südafrika handeln würde. Doch siehe: Am Freitag hat Jérôme Champagne die FIFA verlassen. Der Direktor für Internationale Beziehungen, Blatters wichtigster Mann nicht nur im Presidential Office, muss den Dienst quittieren. Wenn man so will ist das eine der wichtigsten Personalien des Weltsports.“

Im Deutschlandradio gibt es zudem einen Audio-Beitrag von Jens Weinreich zum selbigen Thema.

Die Neue Zürcher Zeitung erinnert zunächst an die Entlassung des Fifa-Kommunikationsdirektors Hans Klaus Anfang Dezember 2009, um im gleichen Atemzug klarzustellen, dass die Entlassung von Jérôme Champagne weitaus schwerwiegendere Folgen haben könnte: „Sie bedeutet nichts anderes, als dass zum ungünstigsten Zeitpunkt, wenige Monate vor der Weltmeisterschaft in Südafrika, der wichtigste politische Kopf der Fifa verschwindet. Seine Rolle für das Turnier war nicht zentral, aber er deckte die humanitären Veranstaltungen rund um den Anlass ab, aus denen die Fifa so viel von ihrem weltverbesserischen Selbstverständnis bezieht.“ Im Fifa-Umfeld sei man erstaunt über die Entscheidung Blatters, da Champagnes Loyalität sowie seine „Schlüsselrolle im Kontakt zu politischen Behörden“ geschätzt wurden, erfuhr die NZZ. Über die neuen Tätigkeiten des ehemaligen „Außenministers“ der Fifa wird auch schon spekuliert: „Es heisst, Champagne habe sich in Position gebracht, um für die nächsten Präsidentschaftswahlen zu kandidieren, zu denen auch Blatter antritt. Das wäre aus dessen Sicht unverzeihlich.“

Kommentare

1 Kommentar zu “Kopflos in Richtung Südafrika”

  1. Hans Wurscht
    Dienstag, 19. Januar 2010 um 17:51

    Danke für den interessanten Artikel!

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