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Bundesliga

Pressestimmen zu Bruno Labbadias Entlassung beim Hamburger SV

Frank Baade | Dienstag, 27. April 2010 12 Kommentare

Ein zu starker Hoffmann gibt einem zu dickköpfigen Trainer keinen Sportdirektor zur Seite, so dass eine Mannschaft offen rebellieren kann und die Trennung unausweichlich wird

Als letztes i-Tüpfelchen dieser Krise spielten die Hamburger Spieler derart offensichtlich gegen den Trainer, wie es das selten zuvor in der Bundesliga gab. Philipp Selldorf staunt in der SZ: „Dem Zuschauer war es unmöglich, nicht an Bestechung zu denken. Aber es war wohl nur eine Verschwörung gegen den offenbar sehr, sehr unbeliebten Cheftrainer, und die zeugte zumindest von funktionierendem Mannschaftsgeist: Alle haben mitgemacht.“ Aber das sei unter Labbadia nun mal nichts Neues, auch in Leverkusen habe es „Zustände wie in einem Ehedrama von Ingmar Bergmann“ gegeben. Mit einem Unterschied: „Bayer versäumte es damals, das Schauspiel rechtzeitig zu beenden und verlor das Pokalfinale.“

Labbadia gnadenlos wie einst Felix Magath

Der HSV entließ Labbadia früher, allerdings ein wenig stillos, berichtet Iris Hellmuth (Berliner Zeitung): „Ein Busparkplatz ist so ungefähr der unpersönlichste Ort, den man in einem Stadion finden kann. Doch er passte. Er passte zu Bernd Hoffmann, dem stets nüchtern-analytischen Vorstandsvorsitzenden des HSV.“ Demgemäß seien dessen Worte auch „kühl und keimfrei“ gewesen. Beiersdorfer hätte diese Entlassung anders geregelt, aber der ist schließlich schon länger weg: „Spätestens im Winter hätte man ihn gebraucht, als deutlich wurde, dass da etwas nicht stimmte im Gefüge der Mannschaft, weil sich Führungsspieler wie Piotr Trochowski öffentlich über ihre Behandlung durch Labbadia beschwerten. Dass es nicht nur ihm so ging, sondern einer ganzen Mannschaft, konnte dann jeder miterleben, der sich für Grottenkicks im Bezahlfernsehen interessiert.“

Jan C. Müller (FR) findet einen spannenden Vergleich: „Labbadia hatte es sich mit seiner weitgehend gnadenlosen Art der Menschenführung ähnlich offenkundig verscherzt, wie dies Felix Magath einst in Hamburg, Bremen und Frankfurt getan hatte. (…) Die schwere Niederlage für Labbadia, der nach dem Scheitern in Leverkusen und Hamburg nahezu alles von seinem vormals guten Ruf aufgebraucht hat, ist auch eine heftige Niederlage für Hoffmann selbst.“

Die strukturelle Krise bleibt

In der taz zeigt Ralf Lorenzen beinahe Verständnis für die revoltierenden Spieler: „Beim Durchdrücken seiner Prinzipien ließ der für seine Akribie bekannte Jungtrainer (‚Ich spreche täglich mit dem Platzwart‘) jegliches Fingerspitzengefühl vermissen. Ohne Erfolge in der Tasche, aber mit dem Habitus eines italienischen Weltmeistertrainers – dieser Widerspruch wird von ausgebufften Bundesligaprofis gnadenlos abgestraft.“ Sollte jetzt dennoch die Europa-League gewonnen werden, könnte das „die strukturelle Krise des HSV wieder einmal überdecken. Der Club steht immer noch ohne starken Sportdirektor da, der dem mächtigen Präsidenten Paroli bieten könnte.“

Nicht allein am Trainer lag die Entwicklung in Hamburg, stellt Frank Heike (FAZ) fest: „Zur Neuausrichtung der Hamburger wird auch gehören, zukünftig pflegeleichtere Spieler mit integrem Charakter zu kaufen, keine schillernden Jungstars mit Allüren. Als Kandidaten gelten in Hamburg Typen wie die Wolfsburger Riether, Schäfer und Madlung. Es soll ein sommerliches Facelifting in Richtung Sympathie werden. Wen auch immer er dann anleitet, der nächste HSV-Trainer sollte unbedingt Autorität und Härte mitbringen.“

Trotz dritthöchster Gehälter nie ein Meisterkandidat

Martin Henkel erinnert daran, dass dies und Ähnliches sich ständig beim HSV wiederhole (Berliner Zeitung): „Eines hat beim HSV kein Trainer und kein Sportdirektor zu verantworten: Dass ein Verein, der die dritthöchsten Gehälter der Liga bezahlt und Besitzer eines neuen Stadions ist, in dem nicht einmal gegen spektakeltötenden Mannschaften wie Bochum und Hannover ein Sitz freibleibt, es in sieben Jahren nicht schafft, sich dauerhaft als Meisterschaftskandidat zu etablieren.“ Bleibe der Erfolg weiterhin aus, müsse auch für Hoffmann gelten, was dieser für seine Trainer anwendet: Erfolglose müssen gehen.

Und auch wenn es aktuell vielleicht nicht mehr ganz so wichtig ist, beantwortet die FAZ die Frage danach, wer Bruno Labbadia eigentlich ist: „Die Sätze von Labbadia haben keinen Punkt. Sie gehen immer weiter.“ Und: „Alles ist ernst in seiner Fußballwelt. So kommt er oft als Besserwisser rüber. Oder als Beleidigter. Oder als beides. Paradox ist, dass seine vorbildliche Geradlinigkeit und seine Ehrlichkeit in Hamburg eher hinderlich“ waren, ist heute zu berichtigen.

Kommentare

12 Kommentare zu “Pressestimmen zu Bruno Labbadias Entlassung beim Hamburger SV”

  1. Carl
    Dienstag, 27. April 2010 um 15:55

    Hallo,

    danke für die Zusammenstellung.

    Schade nur, das der indirekte Freistoß meist nur noch ein Mal in der Woche angesurft werden muss, da Ihr anscheinend nicht mehr hinterher kommt. Früher war ich mindestens einmal am Tag Besucher – heute eher sporadisch.

    Gibt es einen Silberstreifen am Horizont?

    Schönen Gruß
    Carl

  2. Tilman
    Dienstag, 27. April 2010 um 17:38

    Ja, finde es auch schade, dass die Anzahl der Artikel pro Woche recht überschaubar ist. Finde die Seite sehr gelungen, schöne Zusammenfassungen und spannende Diskussionen (sogar fast immer mit Niveau)! Mehr davon! Ich twitter euch mal, damit ihr mehr Ansporn habt 😉

  3. Tilman
    Dienstag, 27. April 2010 um 17:42

    p.s.: Facebook Einträge werden nicht korrekt erstellt und Twitter mit einer „tiny url“ wäre auch toll – ihr habt nämlich echt lange Links 🙂

  4. tafelrunde
    Dienstag, 27. April 2010 um 17:46

    @Carl: 100%ige Zustimmung. Es wäre schön zu erfahren, woran es liegt, dass der if in letzter Zeit nicht mehr so oft erscheint.
    Gerade die treuen Anhänger („Fans“ 😉 ) des if hätten für alles Verständnis. Aber wissen will man schon, warum.
    Muss man sich Sorgen machen?

  5. nedfuller
    Dienstag, 27. April 2010 um 20:38

    Mir fällt dazu nur ein:
    Trochowski hat sich auch unter Jol/Stevens/Doll über fehlende Unterstützung beschwert. Da hat Frau Hellmuth nicht gut recherchiert…

  6. Tinytimmi
    Dienstag, 27. April 2010 um 21:37

    Carl
    Dienstag, 27. April 2010 um 15:55

    Hallo,

    danke für die Zusammenstellung.

    Schade nur, das der indirekte Freistoß meist nur noch ein Mal in der Woche angesurft werden muss, da Ihr anscheinend nicht mehr hinterher kommt. Früher war ich mindestens einmal am Tag Besucher – heute eher sporadisch.

    Gibt es einen Silberstreifen am Horizont?

    Schönen Gruß
    Carl

    >>> dem kann ich mir nur anschließen. seitdem der gründer in hamburg-blankenese sein „unwesen“ treibt, ist es hier doch anders geworden. womit ich nicht unbedingt schlechter meine. anders halt… tja, früher war halt alles besser… grins.

  7. Oliver Fritsch
    Mittwoch, 28. April 2010 um 06:36

    Jungs, wir arbeiten daran, die Frequenz zu erhöhen. Mit nicht schlechten Aussichten.

    Gruß aus Blankenese

  8. Borscht
    Mittwoch, 28. April 2010 um 08:46

    @Carl, Tilmann usw.

    Ja, das ist wahr, doch im Grunde ist es doch gut: Fußball ist – im Grunde – eine Ablenkung. Eine nette und man sollte vielleicht nicht allzuviel Zeit darauf verwenden.

    Wenn ihr mal was wirklich interessantes – z.T. unglaubliches – lesen wollt, googlet doch mal
    Webstyle geschädigte

    einen schönen Gruß,

    Borscht

  9. Carl
    Mittwoch, 28. April 2010 um 14:02

    Es stimmt schon, das Fußball eine Nebensache ist…

    Doch ich habe den IF vor allem deshalb gefunden, weil ich mal internationale Pressestimmen zu einem Spiel googelte und da war der Freistoss und hatte Auszüge aus der NZZ usw.

    Das ist, was ich am meisten vermisse: eine gute Vorauswahl von Artikeln, die es lohnt zu lesen.

    und was das mit deinen Webstyle geschädigten zu tun hat: Keine Ahnung…

    Gruß Carl

  10. deGünder
    Mittwoch, 28. April 2010 um 15:22

    mal wieder eine prima Zusammenstellung !
    Bin gespannt, was die angesprochene Frequenz der Beiträge hier betrifft. Etwas mehr wäre ok, aber bitte kein „Gezwitscher“.

  11. Tinytimmi
    Mittwoch, 28. April 2010 um 15:57

    Oliver Fritsch
    Mittwoch, 28. April 2010 um 06:36

    Jungs, wir arbeiten daran, die Frequenz zu erhöhen…

    >>> antwort um 6:36…! fritsch ist magath! der lässt seine jungs schön das frühsommer-bier ausschwitzen. ein harter hund der fritsch. in blankenese um 6:36 fahren nur schiffe mit dem auflaufenden wasser in die stadt. alle anderen zählen noch im schlaf ihre euros, da in blankenese…

  12. Borscht
    Donnerstag, 29. April 2010 um 01:32

    @Carl

    und was das mit deinen Webstyle geschädigten zu tun hat: Keine Ahnung…

    um erhlich zu sein: nichts,
    will bloß darauf aufmerksam machen, bevor weiter 10.000 (!) darauf reingefallen sind!

    schon mal gegooglet?

    Gruß

    Borscht

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