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Champions League

Bayern im Finale: Nahe der Perfektion

Jan-Kristian Jessen | Donnerstag, 29. April 2010 2 Kommentare

Während die Medien sich nach dem 3:0-Sieg der Münchner in Lyon gegenseitig mit Superlativen überschlagen, bleibt Louis van Gaal ganz gelassen. Denn gewonnen ist noch nichts.

Knapp neun Jahre nach dem Triumph im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion hat der FC Bayern wieder das Finale der Champions League erreicht. Birger Hamann (Spiegel Online) sah eine „Gala-Vorstellung der Bayern, ein Signal der Stärke“. Der Bundesliga-Tabellenführer sei in allen Belangen überlegen gewesen und ziehe hochverdient ins Finale der „Königsklasse“ ein. „Mann des Abends war Ivica Olic, der mit seinen drei Toren „das Spiel quasi im Alleingang entschied.“

Dass die Bayern auch ohne Geniestreiche von Arjen Robben entscheidende Spiele gewinnen können, stellt die SZ fest: „Robben heißt jetzt Olic.“ Das Endspiel in Madrid steigt nun am 22. Mai – an einem für die Bayern passenden Ort: „Zurzeit spielen die Münchner fast so erhaben und königlich, wie es der im Bernabeu-Stadion ansässige Klub namens Real gerne täte.“ Randnotiz: Real Madrid ist im Achtelfinale gegen eben jene Franzosen ausgeschieden, die in van Gaals Elf ihren Lehrmeister fand.

Der Star ist die Mannschaft

Das Erfolgsrezept des Teams beruht allerdings nicht auf einzelnen Spielern, sondern auf der Spielweise der gesamten Elf: „Van Gaals Spieler hatten sich erkennbar vorgenommen, wie eine van-Gaal-Elf zu spielen – sie wollten ‚die Ordnung halten‘, wie ihr Chef das nennt, sie wollen auf kontrollierte Art Dominanz ausüben.“

Entscheidend für das defensiv starke Spiel war laut Hamann von Spiegel Online das zentral-defensive Mittelfeldspiel: „Weil Bastian Schweinsteiger und der im Hinspiel noch gelbgesperrte Kapitän Mark van Bommel die Zweikämpfe im Mittelfeld gewannen, konnte Lyon kein durchdachtes Angriffsspiel aufziehen und agierte zumeist nur mit langen Bällen.“

Jörg Hanau von der FR stellt dementsprechend fest, dass Bayerns Trainer nicht Olic zum Mann des Abends kürte, auch wenn dieser „in der Ordnung fantastisch gespielt hat“, sondern die ganze Mannschaft. Der Ex-Hamburger habe nur das getan, wofür er gut bezahlt werde: „Olic ist Stürmer, immer nah am Tor. ‚Es ist also normal, dass er ein Tor macht. Tut mir leid, aber so denke ich’, erklärte van Gaal.“ Für ihn sei Fußball eine moderne Form des Schachs: „Eine intellektuelle Herausforderung. Jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen. Wenn das gelingt, werde es für jeden Gegner schwer, diese Bayern zu schlagen.“

Keine spielentscheidende Gelb-Rote Karte

In die gleiche Kerbe schlägt Markus Bark (taz), der den Münchnern eine tadellose Leistung attestiert: „Ballbesitz, Spielkontrolle, präzise Diagonalbälle, aggressives Pressing, perfektes Positionsspiel – das sind die Bayern im Frühjahr des Jahres 2010.“ Dass Lyons Trainer Claude Puel davon sprach, die Gelb-Rote Karte gegen Cris in der 59. Minute sei mitentscheidend für das Ausscheiden gewesen, wirke grotesk: „Die Bayern von Dienstagabend wären auch in das Finale spaziert, wenn Puel nach einer Stunde noch einen Spieler zusätzlich hätte aufs Feld schicken dürfen.“

Triple – war da nicht was?

Meisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Sieg in einer Saison – bis zum ersten Triple der Vereinsgeschichte sind es nur noch vier Spiele, es ist zum Greifen nahe. Helmut Schümann vom Tagesspiegel erinnert sich allerdings an 1999: „Der FC Bayern war dem Triple ganz nah – am Ende stand er mit leeren Händen da. Nach dem Meistertitel verloren die Münchner damals das Champions-League-Endspiel mit 1:2 gegen Manchester United und dann das Pokalfinale gegen Werder Bremen im Elfmeterschießen.“

Auch Moritz Kielbassa weist in seinem Kommentar für die SZ darauf hin, dass noch nichts gewonnen sei: „Mit Hymnen sollte man trotzdem vorsichtig sein. Noch ist die Titelernte nicht eingebracht, und auch glückliche Fügungen hielten die Bayern über Wasser auf ihrer Reise über Bordeaux, Turin, Florenz, Manchester, Lyon.“ Fast schon in Vergessenheit sei auch schon van Gaals Vorgänger Jürgen Klinsmann geraten, der exakt 365 Tage vor dem Finaleinzug seine Ära beenden musste.

Ehrliche Franzosen

Im Gegensatz zu Lyons Trainer Puel zeichnen die französischen Medien ein ähnliches Bild vom Spiel wie die deutschen. Emery Taisne schreibt für die L‘Equipe: „Ein Abend wie ein Alptraum für Lyon. So hatten die Lyonnais gegen ganz starke Bayern keine Chance – sie wurden schwer aus der Bahn geworfen und hart getroffen.“ Lauren Perrin von der Pariser Boulevardzeitung Le Parisien stimmte zu: „Es gibt keine Ungerechtigkeit, und auch nichts zu bedauern. Die Bayern waren einfach zu stark für dieses schwache OL. Lyon hat es nicht verdient, in das Finale einzuziehen.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Bayern im Finale: Nahe der Perfektion”

  1. boysetsfire
    Donnerstag, 29. April 2010 um 19:45

    Herr Schürmann,
    von wem wurde Bayern denn 1999 die Meisterschaft geklaut? Das nenn ich mal schlecht selbst konstruierte Analogie…

  2. Borscht
    Donnerstag, 29. April 2010 um 22:03

    An dem Satz habe ich auch gehangen. Meister geworden sind sie, doch die anderen beiden Titel haben sie nicht geholt.
    Da der Meister-Titel für Bayern jedoch eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint – vielleicht meint er da, standen sie mit „leeren“ Händen da.

    Doch: die Analogie ist noch möglich!
    who knows?

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