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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2010

Brasilien entgeht knapp der Blamage, Neuseeland schreibt Geschichte

Matthias Nedoklan | Mittwoch, 16. Juni 2010 2 Kommentare

Die Presse vermisst beim 2:1 der Brasilianer gegen Nordkorea die Kreativität, beim 0:0 zwischen Portugal und der Elfenbeinküste die Tore; nur im fernen Neuseeland erklingen Lobeshymnen auf die „All-Whites“

Solch einen Lobgesang stimmt Chris Rattue (NZ Herald) an. Der Autor preist das späte 1:1 von Neuseeland gegen die Slowakei als „historischen Punktgewinn. Winston Reids Name wird für viele Jahre in den Geschichtsbüchern weiterleben.“ Der kleine Traum vom Achtelfinale geht für die Kiwis weiter, zusammen mit dem ersten Punkt in der Geschichte des Landes, in dem Rugby den Volkssport Nummer eins darstellt. „Das Stadium explodierte vor Freude, sogar die Vuvuzelas wurden für einen Moment übertönt. Ich habe schon viele tolle Momente in der neuseeländischen Sportgeschichte erlebt, aber nichts kommt an diesen Treffer heran.“  Die „All-Whites“ würden sich nach dem Erfolg nicht mehr in der Rolle des Davids gegen Goliath fühlen, „eher im Duell kleiner David gegen großer David. Natürlich sind Italien und Paraguay der Favorit für das Achtelfinale. Aber die  Neuseeland-Fans verließen das Stadion in Rustenburg mit erhobenen Köpfen und dem Glauben, auf diesem Level mithalten zu können.“

Torloses Spiel auf hohem Niveau

Christian Eichler (FAZ.net) vermisste beim ersten Spitzenspiel der WM zwischen Portugal und der Elfenbeinküste die Tore: „Beide Seiten neutralisierten sich fortan auf hohem Niveau und wurden fast nur noch nach Standardsituationen gefährlich.“ Cristiano Ronaldo glänzte einzig durch einen Pfostenschuss: „Seit 16 Monaten ist der teuerste Fußballprofi der Welt, der für seine Vereine regelmäßig pro Saison über dreißig Tore erzielt, ohne Treffer für Portugal geblieben und dafür in der Heimat kritisiert worden.“ Didier Drogba musste nach seinem Ellenbogenbruch erst auf der Bank Platz nehmen. Seine Einwechslung brachte das Stadion zum toben: „Sofort begann er seine Mitspieler zu einem Pressing zu dirigieren. Nun waren die Ivorer zwar mit einem echten Torjäger ausgestattet, doch brachten sie nicht mehr so viel Druck aus dem Mittelfeld wie zuvor.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) bescheinigt den Teams trotz des torlosen Remis ein gutes Spiel gezeigt zu haben: „So blieb als Erkenntnis des ersten Gipfeltreffens dieser WM, dass auch Spiele ohne Tore durchaus ihren Reiz haben können. Das ist bisher gewiss noch kein Markenzeichen dieser Weltmeisterschaft, aber dieses Spiel am Dienstag zeigte, was noch alles möglich sein kann in den kommenden Wochen Südafrika.“ Sowohl Didier Drogba als auch Cristiano Ronaldo, beides Spieler, die das Turnier prägen könnten, hätten ansatzweise ihr Können unter Beweis gestellt: „Ronaldo zeigte manche Mätzchen, aber auch viele wunderschönen Dinge, die diesen mit allen Gaben gesegneten Fußballspieler nun mal zu einem ganz besonderen machen. Schon nach ein paar Minuten lief er Didier Zokora so unwiderstehlich davon, dass der Verteidiger vom FC Sevilla beim Hinterhereilen nur noch die Beine des Weltstars traf und sich dafür die Gelbe Karte abholte.“

Sorgen um Dunga

Für Matthias Linnenbrügger (Welt) entgingen die Brasilianer beim 2:1 gegen Nordkorea nur knapp einer Blamage: „Die Temperatur in Johannesburg fiel pünktlich zur Premiere der Südamerikaner erstmals bei dieser WM unter den Nullpunkt – ähnlich verhielt es sich über weite Strecken der ungleichen Partie mit ihrer Stimmung.“ Der Autor sorgt sich vor allem um Nationaltrainer und Ex-Stuttgarter Carlos Dunga: „Der Trainer hatte sich am Tag vor dem Spiel einmal mehr mit den brasilianischen Medienvertretern angelegt. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag sperrte der 46-Jährige die mitgereisten Reporter vom Training aus. Damit reagierte er vergrätzt auf die harsche Kritik an seiner für brasilianische Verhältnisse so defensiv geprägten Ausrichtung. Erfüllt Brasilien die Erwartungen nicht, dürfte er nach der WM arbeitslos sein.“

Sean Ingle (The Guardian) fror im Ellis Park von Johannesburg bei Temperaturen um den Gefrierpunkt: „Brasilien hatte Probleme die Herzen der Zuschauer zu erwärmen. Vielleicht sollten einen die Probleme der Brasilianer gegen so kompakt stehende Mannschaften nicht überraschen. In der Qualifikation ergatterte die Selecao nur einen Punkt gegen Bolivien – die ebenfalls mit fünf Verteidigern spielten.“ Bei den Nordkoreanern beeindruckte ihn besonders „Jong Tae-Se aus der der japanischen J-League. Sein Spitzname:  Rooney des Volkes. Bereits bei der Nationalhymne brach der Stürmer in Tränen aus, auf dem Feld war er lange die einzige Offensivkraft der Koreaner.“

Hoffnung bei den Eidgenossen

Auf ein mögliches Achtelfinale zwischen Brasilien und der Schweiz blickt Peter Birrer (NZZ) nach dem müden Auftakt des Rekordweltmeisters: „Zu solchen Abschweifungen verleitete eine nordkoreanische Supportergruppe auf der Tribüne, wenigstens von hinten. Alle waren völlig gleich, wie x-fach geklont: rote Mütze, roter Schal, rote Kleider, Fähnchen (ohne Kreuz, mit Stern). Die WM bietet allerhand Welten, Zukunftsszenarien und Gedankensprünge darüber, was wohl wo und wie dahintersteckt.“ Und der couragierte Auftritt der spielerisch limitierten, aber beherzten verteidigenden Nordkoreaner wecke Hoffnung bei den Eidgenossen. Denn, „wenn Brasilien kickt, kehren Projektion und Wunschdenken ein. Ob jeweils das gehalten wird, was auf irgendwelchen Kanälen laut versprochen und penetrant herbeigeredet wird, steht auf einem anderen Blatt.“

Kommentare

2 Kommentare zu “Brasilien entgeht knapp der Blamage, Neuseeland schreibt Geschichte”

  1. Lena
    Mittwoch, 16. Juni 2010 um 23:17

    Bei den Nordkoreanern bin ich mir fast sicher, dass die geblutdoped sind. Das Gute ist, dass so ein Turnier lange dauert und man nicht mehr so richtig nachlegen kann. Daher werden die spätestens im Viertelfinale gehen.

    Dennoch faszinierend wie hübsch die NK laufen und passen können, auch fast faulfrei verteidigen, nur wenns ans schießen geht, da haperts, da knallen die quer durchs Stadion. Ausgerechnet. Da erwartet man doch, dass die das könnten.

    Naja, meine Theorie ist, dass die in der Jugend fast alles Leichtathleten in der Kimjongil Jugend waren. Später dann umgeschult, weil die Schußtechnik unter Stress, die lernt man doch früh oder eher weniger… und die begnadetsten Schützen haben alle viel auf der Straße oder im Kleinfeldgetümmel gekickt.

    Einzig der Jong Tae-Se, also der mit dem inneren Reichsparteitag bei der Nationalhymne, arg, immer noch nicht vergessen… der ist in Japan groß und fußballerisch stark geworden. Aber auch er kommt bisschen aufgepumpt rüber.

  2. Stefan
    Donnerstag, 17. Juni 2010 um 01:42

    Doping gibt es nicht nur bei den Kommunisten. Hierzu ein hervorragender Beitrag des ARD radiofeature „Außer Kontrolle. Doping im Fußball“ von Lorenz Rollhäuser.

    Link: http://web.ard.de/radio/radiofeature/#awp::?page_id=266

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