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WM 2010

Oranje boven

Jan-Carl Ronnecker | Mittwoch, 7. Juli 2010 Kommentare deaktiviert für Oranje boven

Holland zieht mit einem 3:2-Sieg über Uruguay zum dritten Mal in ein WM-Finale ein, die deutsche Presse ist sich in der Spielbewertung einig – spannend war’s, begeisternd nicht

Neben der neuen Effizienz, stimme diesmal auch der Beitrag Fortunas, stellt Christian Eichler (FAZ) fest: „Mit einem kühl erarbeiteten 3:2-Sieg gegen Uruguay im Halbfinale in Kapstadt setzte die neue, nüchterne Oranje-Generation den Weg fort, den ihre spielerisch brillanteren Vorväter nie bis zum ganz großen Triumph, dem WM-Titel, hatten abschließen können. Im richtigen Moment half auch das Glück, denn alle drei Tore fielen, nachdem der Ball vom Pfosten in die richtige Richtung weitergeprallt war, ins Netz nämlich.“

Sonntagsschuss statt Zauberpass

Wenig angetan vom Dargebotenen zeigt sich Constantin Wissmann (taz): „Die Deutschen werden sich das Spiel am Fernseher ganz genau angeschaut haben. Denn das erste Halbfinale dieser Weltmeisterschaft bot der deutschen Mannschaft den genauen Blick auf den definitiven nächsten Gegner, ob im kleinen oder großen Finale entscheidet sich am Mittwoch beim Spiel gegen Spanien. Es muss ein entspannter Abend im Hotel Velmore Grand gewesen sein. Angst und Schrecken verbreitete keiner, auch nicht Holland, welches das Spiel mit 3:2 gewann. Es war eine zerfahrene Partie mit vielen, oft grotesken, Fehlpässen auf beiden Seiten.“

Moritz Kielbassa (SZ) zeichnet den ersten Höhepunkt des Spiels nach und stellt eine gewagte These auf: „Beim 1:0, einem famosen Schuss von Giovanni van Bronckhorst, hatten alle im Stadion den selben Gedanken. Der Gedanke war: Jabulani! Aus weiter Distanz jagte der niederländische Kapitän Jabulani in Uruguays Tor, den schon jetzt berühmtesten Ball der WM-Geschichte. Wie am Lineal gezogen, rauschte Jabulani schräg in den rechten oberen Giebel, Torwart Muslera konnte das Flugobjekt noch mit den Fingerkuppen touchieren, aber nichts mehr retten. Oft war ja zu hören in Südafrika, dass nicht nur die Torsteher Jabulani so gerne mögen wie ihren Zahnarzt oder Steuersachbearbeiter, weil er dauernd kurz vor der Landung in ihrer Nähe in unmöglichste Kurven abbiegt. Auch viele Fern- und Freistoßschützen nölten, man könne die Flugbahn dieses Balles ohne handelsübliches Drall-Verhalten nicht kontrollieren. Vielleicht aber sind reifere Fußballer Jabulani-Versteher, es wirkte zumindest so an diesem Halbfinal-Abend.“ Als weiterer Beleg für diese These diene der Ausgleich durch Forlán.

Pragmatismus als Leitmotiv

Nach diesem Tor zeigte sich das neue Gesicht der Holländer, so Sven Goldmann (Tagesspiegel): „Die Holländer sind nicht mehr die ungestüm anrennende Mannschaft, die einen knappen Sieg als Makel empfindet und erst nach dem zweiten, dritten oder vierten Tor zufrieden ist. Unter Bert van Marwijk erfreuen sie sich zur Not auch der Kunst des erfolgsorientierten Verwaltens. Entsprechend zurückhaltend gestalteten sie das Spiel nach dem unverhofft guten Start, im festen Vertrauen darauf, ein technisch und taktisch eher minderbemittelter Gegner wie Uruguay könne ihnen nicht mehr gefährlich werden (…). Doch so einfach machte es ihnen der Außenseiter aus Südamerika nicht. Die Uruguayer zeigten sich überhaupt nicht beeindruckt und nahmen die von den Holländern ausgesprochene Einladung zum längeren Verweilen in deren Platzhälfte dankend an.“

Der Doppelschlag Mitte der zweiten Halbzeit sei dann jedoch die Entscheidung gewesen, schreibt Twan Bovée (De Telegraaf): „Drei magische Minuten stellten für Bert van Marwijk und Co. die Weichen Richtung Finale. In der 70. Minute schaufelte Sneijder den Ball, der noch leicht von Maximiliano Pereira abgefälscht wurde, überlegt in die lange Ecke. Unmittelbar darauf versetzte Robben den Uruguayern den Todesstoß. Einen Vorstoß Kuyts über den Flügel schloß er per Kopf ab. Diesmal blieb keiner mehr cool und die ekstatische Freude brach aus.“

Spiel nach vorn mit Luft nach oben

Einen durchaus verdienten Sieg Hollands hat Christian Spiller (Zeit Online) gesehen. Die Offensivbemühungen haben ihn jedoch nicht überzeugt: „Gegen Brasilien half den Holländern ein bisschen Glück, heute half ein limitierter Gegner. Im Gegensatz zu den beiden anderen Halbfinalisten Deutschland und Spanien konnte man bei den Niederländern bisher keine echte Spielidee erkennen, zumindest keine offensive. Das Defensivspiel organisierte Mark van Bommel wie immer prächtig, die größere Disziplin in der Abwehr scheint aber zu Lasten der Kreativität zu gehen. Wie so oft. Heute mussten ein Sonntagsschuss und ein doppelt abgefälschtes Abseitstor herhalten. Einzig der dritte Treffer, ein Kopfballtor von Arjen Robben, war herausgespielt.“

Auch Willem Vissers (De Volkskrant) sieht bei den Schlüsselspielern für die Offensive Steigerungsmöglichkeiten: „Eigentlich spielte niemand so richtig gut und das ist ein bisschen wenig im Halbfinale einer Weltmeisterschaft. Wesley Sneijder machte trotz des entscheidenden Treffers sein schwächstes Spiel, Robin van Persie zeigte sich unverändert kraftlos und Arjen Robben bekam zu wenig Ballkontakte.“

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