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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Ein Sieg in Karlsruhe zählt dreifach

Matthias Nedoklan | Donnerstag, 28. Oktober 2010 12 Kommentare

Wer besitzt die Rechte an Videos von Amateurspielen? Diese Frage beantwortet der BGH heute in letzter Instanz. Das Urteil im Hartplatzhelden-Fall könnte weitreichende Folgen haben.

Zum Endspurt vor Gericht hat sich Oliver Fritsch im Hartplatzhelden-Blog bereits in eigener Sache geäußert. Im Hartplatzhelden-Prozess geht um weit mehr als die Frage, wer die Rechte an Videos von Amateurspielen besitzt. Auch Vorberichte in Rundfunk, Presse und Blogs deuten weitreichende Folgen an.

„Die TV-Rechtefrage ist in der Kreisklasse angekommen“, stellt Mathias Budzinski in seinem Film „Hartplatzhelden“, ausgestrahlt in der Sendung sport inside im WDR, fest. Für Herbert Rösch, Präsident des Württembergischen Fußballverbandes (WFV), ist es eine klare Sache, dass demjenigen, der die Spiele organisiere, die Rechte daran zuständen: „Es geht letztendlich ums Geld.“ Oliver Fritsch, der zwischen Trainingsplatz und WG-Küche von der „Schnapsidee Hartplatzhelden“ erzählt, entgegnet: „Bislang mussten wir keine Elefanten kaufen, die uns im Keller das Bargeld platttreten.“ Und Budzinski meint: „Die Verbände beanspruchen die Vermarktungsrechte für sich, und fordern, das Bildmaterial solle auf ihrem Portal fussball.de angeboten werden. In dieser Woche nun soll der Bundesgerichtshof die Frage klären: Wem gehört der Fußball? Den Verbänden oder denjenigen, die ihn spielen?“

Ein Urteil zugunsten des WFV dürfte weiterreichende Konsequenzen haben, schreibt hr online. „Weitere Landesverbände hätten bereits anklingen lassen, der Linie des WFV zu folgen, sagt Fritsch. Es wird ein Grundsatzurteil erwartet, das über die Grenzen von Baden-Württemberg und den Fußball hinaus gelten könnte.“

Christoph Wolf und Stefan Giannakoulis (n-tv.de) verdeutlichen die möglichen Folgen: „Wenn der Bundesgerichtshof die vorangegangenen Urteile in letzter Instanz bestätigt, würde das bedeuten, dass die Rechte an den Bildern im Amateursport – nicht nur im Fußball – ausschließlich beim jeweiligen Verband liegen. Sie alleine entscheiden als Monopolisten, wo diese Bilder zu sehen sind. Und wo nicht.“

Das wiederum entmachtet die Vereine. Leser Dr. Joe schreibt in den Kommentaren auf n-tv.de: „Ich trainiere meine Jugendmannschaft – ohne Bezahlung. Mein Lohn sind die Fortschritte der jungen Kicker und ihr Jubel bei gewonnen Spielen. Unser Platzwart hält den Platz super in Schuss – ohne Bezahlung. Für unsere Jugendmannschaften, und die erste und die Alten Herren. Viele Vereinsmitglieder opfern am Wochenende ihre Zeit für die Instandhaltung, Umbau, etc. von Vereinsheim, usw. Warum? Weil wir alle, und vor Allem unsere Kinder was davon haben. Und weil wir Spaß am Sport haben. Jetzt sagt der Verband, dass das Portal kommerzielle Interessen hat. Na und? Sollten die Hartplatzhelden jemals Millionen damit verdienen, dann könnten die Amateure jederzeit mit den Füßen abstimmen und die Filme woanders hochladen. Wenn der Verband damit Geld verdient, können die Vereine nichts mehr machen. Aus dem Verband oder DFB austreten? Kaum möglich wenn man mitspielen will. Welche kommerziellen Interessen die Verbände haben, oder zumindest deren Funktionäre, zeigen uns FIFA und UEFA ja gerade… Sorry, der Fußball gehört weder den selbstherrlichen Herren Blatter, Platini oder Zwanziger noch den Verbänden. Wenn man gut genug ist, kann man mit Fußball viel Geld verdienen. Aber Fußball selbst kann man doch nicht besitzen. Sonst würde ich das patentieren und sehr schnell sehr reich werden….“

Heinz Peter Kreuzer (Deutschlandfunk) zeigt mögliche Auswirkungen auf die Vermarktung des Profifußballs auf. Auch dieser beobachte das Verfahren in Karlsruhe mit großem Interesse: „In der Vergangenheit musste die Deutsche Fußball-Liga mit dem Bundeskartellamt um die Zentralvermarktung streiten. Die organisatorischen Leistungen der DFL wurden nicht anerkannt. Stattdessen hieß es, der Ligaverband würde ihm nicht zustehende Rechte sammeln und daraus ein Kartell bilden. Eine Entscheidung pro Fußball-Verband würde die rechtliche Situation gänzlich ändern […] Für die DFL würde das ganz neue Vermarktungs-Szenarien bedeuten. Die 20 Uhr-Grenze für Zusammenfassungen im frei empfangbaren Fernsehen könnte fallen.“

Mit derlei gravierenden Konsequenzen für den Profisport rechnet Sportrechtler Prof. Dr. Peter W. Heermann nicht. Auch er gehört zu den Juristen, „die sich gewundert haben, dass die ersten beiden Instanzen zu Ungunsten der Hartplatzhelden geurteilt haben. […] Die Entscheidungen hätten anders ausfallen müssen“, kritisiert er im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Jens Weinreich (JensWeinreich.de) fürchtet, der BGH werde das Monopol der Sportverbände erweitern. „Ich gehe vom Schlimmsten aus, wenngleich ich für und mit Oliver Fritsch und die Hartplatzhelden hoffe. Fritsch und sein Projekt haben weiter meine uneingeschränkte Solidarität.“

Tritt der schlimmste Fall ein, hat Oliver Fritsch schon einen Plan in der Tasche. Dem SPIEGEL verrät er: „Wenn wir verlieren, zeigen wir Videos mit wehenden Eckfahnen.“

Tobias Schall (Stuttgarter Zeitung) weiß von einem genervten WFV-Präsidenten Herbert Rösch zu berichten: „In der Stuttgarter Goethestraße, dem Sitz des WFV, hat man sich mit der Rolle des Buhmanns abgefunden, auch wenn man zunehmend genervt ist von der aus Verbandssicht einseitigen öffentlichen Skizzierung. Dort ein sympathisches Portal, das die schöne Seite des Amateurfußballs zeigt, hier der Verband, der die neue Zeit verschlafen hat und sich die Idee eines anderen sichern will.“ Zumindest die Rechtsprechung ist bislang auf Röschs Seite: „0:2, um in der Fußballmetaphorik zu bleiben, liegt der Betreiber des Internetportals Hartplatzhelden.de im Gerichtsduell mit dem Württembergischen Fußball-Verband (WFV) zurück. Doch ein Sieg in Karlsruhe zählt dreifach.“

Weiterhin lesenswert:

- Daniel Drepper (sport.zdf.de, ruhrbarone) berichtet über den Fall Hartplatzhelden  und führt Interviews mit Oliver Fritsch (ZDF.de) und WFV-Präsident Herbert Rösch (ZDF.de)

- Jürgen Kalwas (Carta) analysiert das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2009

- Matthias Tonhäuser (Neue Westfälische) „Letzte Chance für das Kreisklassen-YouTube“

ttp://www.wdr.de/tv/sport_inside/sendungsbeitraege/2010/1025/hartplatzhelden_video.jsp?ref=nf

Kommentare

12 Kommentare zu “Ein Sieg in Karlsruhe zählt dreifach”

  1. Dirk
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 11:42

    @Matthias Nedoklan

    Ein ernstes Thema, heute wie ich finde aber sehr unterhaltsam zusammenstellt!!!

  2. anderl
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 12:00

    Warum soll es denn unmöglich sein aus dem Verband auszutreten?

    Es gibt inzwischen immer mehr Freizeitligen, die sich unabhängig vom DFB ihren eigenen Sportbetrieb machen.

    Und wenn der DFB weiterhin sein Volk mit den Füßen tritt, dann wäre eine konsequente Reaktion an der Reihe.

  3. Ingrid
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 15:37

    Nur eine Urteilsverkündung scheint es heute ja nicht zu sein, wie man im neuesten Artikel des Kicker erfährt:
    http://www.kicker.de/news/fussball/amateure/544169/artikel_Wem-gehoeren-die-Bildrechte-im-Amateurfussball.html

  4. MS
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 17:03

    Eben die PM beim BGH gelesen:

    1. YESYESYES!

    2. Hauptsache, die Vereine machen jetzt keinen Unsinn oder reagieren duckmäuserisch.

    3. Bleibt wohl nur abwarten und Tee trinken

  5. Ingrid
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 17:08

    Habe es auch gerade gelesen:
    Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Amateurfußballspiele
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2010&Sort=3&nr=53789&pos=0&anz=206

    Glückwunsch an Oliver Fritsch und „seine Mannschaft“ – das Durchhaltevermögen hat sich gelohnt, nicht nur die Hartplatzhelden selbst.

  6. MS
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 17:16

    Ingrid – abwarten. Kommt darauf an, ob und was für Knebelkniffe die Verbände den Vereinen „anbieten“, damit die per Hausrecht die Videohandys verbieten…. Die ersten Versuche des Hessischen FV vs. SV Rüblingshausen (? – oder so ähnlich) deuteten ja schon in diese Richtung.

    Ach scheiße, klingt so negativ. Ich freu‘ mich ja auch, aber die PM ist eben nicht das Urteil.
    Aber trotzdem schieße ich hier den Glückwunsch nach. Gut gemacht und weitermachen.

  7. Biko
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 17:52

    Ja strike, eine Entscheidung für das Spiel und die Persönlichkeitsrechte, das es so was heutzutage noch gibt.
    Vielen Dank an das Team der Hartplatzhelden für ihren langen Atem und die Überzeugung.

  8. abiszet
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 17:58

    Prost! Ihr seid wahre (Hartplatz)Helden, Oliver Fritsch!

  9. rebel
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 18:36

    Auch wenn ich kei nFußballfan bin, so habe ich doch auch für die Hartplatzhelden gespendent. Und natürlich bin ich froh das das Urteil so ausgegangen ist.
    Doch leider vermute ich, das die Verbände schon bald Knebelbedingungenen gegen die Vereine in Stellung bringen werden.
    Da kann es nur noch heißen, raus aus dem Verband und die Kreisliga selber durchziehen. Das sollten die Vereine doch hin bekommen.
    Der Sport gehört den Menschen die ihn auch machen!

    bis denne
    rebel

  10. Konrad
    Freitag, 29. Oktober 2010 um 01:33

    Herzlichen Glückwunsch! Macht weiter, eure Kraft und euer Durchhaltevermögen haben sich jetzt schon gelohnt!

  11. KAH
    Freitag, 29. Oktober 2010 um 10:03

    Ich drücke alle Daumen für Hartplatzhelden. Es darf nicht sein, dass Verbände in für sie typischer Strategie, sich die kreative Leistung Anderer dann monopolisieren, wenn sie merken, dass sie selbst mal wieder die eigentliche Sache aus den Augen verloren haben, auch, weil sie den Amateurfußball zumeist am wenigsten als ihre Vision betrachten. Geschieht im Übrigen nicht zum ersten Mal: Das Portal Training online ist auch erst entstanden, als befürchtet wurde, FD21.de könnte einen Markt erschließen (Kinder- und Jugendfußball), der vielleicht doch was werden kann. Das entsprechende Konzept lag dem DFB sogar vor. Also nicht aufgeben, denn v. a. die kreative Umsetzung und Gestaltung der Hartplatzhelden hat doch erst die Aufmerksamkeit hervorgerufen. Eine adäquate Umsetzung des Themas traue ich den wenigsten Verbandsagenturen zu … In diesem Sinne: toi, toi, toi

  12. Nixwisser
    Freitag, 29. Oktober 2010 um 12:11

    Ein Lichtblick!
    Gratulation.

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