indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Königsklasse für Bettler

Matthias Nedoklan | Mittwoch, 8. Dezember 2010 2 Kommentare

Schon vor dem letzten Spieltag standen fast alle Achtelfinalisten der Champions League fest. Die Presse plädiert für Reformen

Moritz Kielbassa (SZ) beleuchtet den FC Bayern, genau ein Jahr nach der Wende in der Champions League gegen Juventus Turin: „Nein, dieser 8. Dezember 2010 wird für den FC Bayern kein magischer Tag werden wie der 8. Dezember 2009. Denn es geht den Münchnern in der Champions League viel, viel besser als vor 365 Tagen. Damals drohte das Vorrunden-Aus, diesmal tänzelte man mühelos durch die Gruppe E, Platz eins ist vorzeitig sicher. Das Basel-Spiel findet daher frei von Druck und Gefahren statt. Aber eben auch: ohne Sternstunden-Potential. Manager Nerlinger wettete soeben um 10.000 Euro, dass die Bayern trotz aller Unpässlichkeiten noch Platz zwei in der Liga schaffen werden. Die Zulassung zur Champions League ist das Mindestziel, und in dieser Saison könnte die Sternenliga sogar Bayerns Bilanzen retten. Dürftig in Deutschland, super in Europa – dieser Widerspruch wäre historisch nicht neu. Um die aktuelle Tabellenmisere zu entschärfen, bemüht van Gaal ja gerne den Vergleich zu 1974/75, als die Bayern mit vielen WM-Helden nur Bundesliga- Zehnter wurden; dass sie damals aber nebenbei den Europapokal der Landesmeister verteidigten, erwähnt er nicht.“

Jörg Strohschein (Tagesspiegel) entdeckt – mal wieder – einen Aufwärtstrend der Schalker: „Das hatte zum einen damit zu tun, dass die Mannschaft von Felix Magath offenbar beflügelt durch den jüngsten Erfolg gegen den FC Bayern in der Bundesliga von Beginn an überaus selbstbewusst wirkte und gewillt war, das Spiel als Sieger zu beenden. Zum anderen hatte diese Schalker Souveränität aber auch damit zu tun, dass Benfica eine geradezu klägliche erste Hälfte angeboten hatte und die wenigen Zuschauer im Stadion des Lichts damit verärgerte. Die Benfica-Anhänger unter den rund 20.000 Besuchern pfiffen ihr Team zeitweise gnadenlos aus. Gerade einmal drei Minuten lang gelang es den Portugiesen in den ersten 45 Minuten Druck auf die Schalker Defensive auszuüben.“

Wehmut im Weserstadion

Frank Hellmann (Tagesspiegel) verabschiedet Werder Bremen aus dem internationalen Wettbewerb: „Ein Hauch von Wehmut hatte sich am Dienstagabend über das tiefgekühlte Weserstadion gelegt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum das hanseatische Publikum diesen melancholischen Europapokal-Abend auf besondere Art zu zelebrieren – permanent machte auf den Rängen die Welle die Runden, während auf dem Rasen eher eine Art Freundschaftsspiel ablief, weil Inter bereits fürs Achtelfinale qualifiziert war und Werder als Gruppenletzter feststand. Süßer Trost für den bitteren Bremer Abschied sind 800.000 Euro Punktprämie von der Uefa. Es war wohl auf absehbare Zeit der letzte große Zahltag. Weit mehr als 100 Millionen Euro hat Werder bei den sechs Champions-League-Teilnahmen binnen sieben Jahren eingenommen.“
Raphael Honigstein (SZ) sorgt sich um den englischen Meister: „Seitdem der Klub- Eigentümer Roman Abramowitsch den West-Londonern immer stärker seine Millionen vorenthält, gibt es dort überhaupt keine (Reservisten-)Bank mehr, und das einst gefürchtete blaue System röchelt schwer vor sich hin. Fünf Punkte aus den vergangenen sechs Ligaspielen haben sie nur erzielt, das ist Chelseas schlechteste Ausbeute seit einem Jahrzehnt. Beim verstörend-schwachen 1:1 am Samstag gegen den FC Everton wurden als Ersatzspieler Gaål Kakuta, 19, Jeffrey Bruma, 19, Joshua McEachran, 17, Dean Sturridge, 21, Paulo Ferreira, 31, und Ramires, 23, geführt. Die Namen zeigen, dass von der aus feinstem Cashmere gestrickten Personaldecke des Vorjahres bis auf ein paar Flicken nichts übrig geblieben ist. Neben dem Brasilianer Ramires kam nur der Israeli Yossi Benayoun (vom FC Liverpool, momentan aber verletzt) vor Saisonbeginn als Zugang an die Stamford Bridge, renommierte Kräfte wie Michael Ballack, Ricardo Carvalho, Deco, Joe Cole und Juliano Belletti wurden verabschiedet. Der Russe Abramowitsch hat unter dem Eindruck der demnächst in Kraft tretenden Financial-Fairplay-Regeln des europäischen Fußballverbandes Uefa, durch die die Großklubs zu vernünftigerem Wirtschaften genötigt werden sollen, einen Spar- und Verjüngungskurs ausgerufen.“

Gruppenphase ohne Spannung

Sven Flohr (Welt) will die Gruppenphase der Champions League direkt abschaffen: „Selten war die Königsklasse des europäischen Fußballs so langweilig wie in dieser Saison. Nach fünf von sechs Spieltagen ist quasi alles gelaufen, 12 von 16 Achtelfinalteilnehmern stehen bereits fest. In den anderen Spielen geht es eher noch theoretisch um etwas. So könnte der FC Basel am Mittwoch noch auf Rang zwei der Tabelle springen. Dazu müssten die Schweizer allerdings beim FC Bayern (20.45 Uhr, Sat1 live) gewinnen und der AS Rom gegen den Letzten CFR Cluj verlieren. Eine höchst unwahrscheinliche Konstellation, wie es sie noch in zwei weiteren Gruppen gab. Gründe für die Abschaffung der Gruppenphase sind vorhanden. Zuvorderst der, dass es seit ihrer Einführung im Jahr 1991 praktisch keine Sensation gegeben hat. Natürlich gibt es immer wieder Geschichten über aufständische Kleinklubs wie Artmedia Bratislava (2004), FC Thun (2005) oder Unirea Urziceni (2009). Sie konnten überraschen, der Achtelfinaleinzug gelang aber nicht. In einem K.o.-Duell wäre die Chance ungleich höher. Da aber alle Vereine finanziell von der Gruppenphase profitieren – diese Saison sind 15 Millionen Euro garantiert – wird es diese Reform nicht geben.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Königsklasse für Bettler”

  1. anderl
    Donnerstag, 9. Dezember 2010 um 10:32

    Interessant ist doch folgendes:
    Kein Autor bemerkt, dass sich der deutsche Fussball unglaublich entwickelt hat. Schalke und Bayern kämpfen in der Bundesliga um ihren Status, während sie auf europäischer Ebene fast lockerleicht durch die Gruppenphase tanzen. Es kann ha jemand sagen, es gehe nur gegen Haifa oder Basel. Aber diese Mannschaften werden abgefrühstückt. Lyon und der AS Rom sind auch keine Frühstücksgegner.
    Selbiges in der EuroLeague. Da ist nur Dortmund zu 70 Prozent raus, weil sie gegen Sevilla spielen und PSG ihre Chancen nicht machen.

    Ansonsten ist sogar der VfB sicher durch.

    Würde mich interessieren, woran das liegt.
    Nur Bremen ist definitiv raus und entspricht

  2. anderl
    Donnerstag, 9. Dezember 2010 um 10:41

    Fortsetzung:

    seinen Leistungen in der Bundesliga auch in der CL.

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