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Bundesliga

Magath und van Gaal sind Geschichte

Matthias Nedoklan | Donnerstag, 10. März 2011 7 Kommentare

Schalke 04 steht im Viertelfinale der Champions League. Trotzdem soll Felix Magath so schnell wie möglich gehen. Außerdem: Die Trainerdiskussionen der Bundesliga

Philipp Selldorf (SZ) sieht den Viertelfinal-Einzug der Schalker als Nebensache: „Sähe er noch eine gemeinsame Zukunft, hätte Tönnies den Meldungen vehement widersprochen. Stattdessen degradierte er den als Heilsbringer Verpflichteten zu einem Ahnungslosen. Entscheidungen werden auf Schalke inzwischen ohne Magath getroffen. Bei dem ist die Botschaft längst angekommen, doch öffentlich mag auch Magath darüber nicht reden. Anders als Tönnies aber konnte er sich den Fragestellern am Mittwochabend nicht entziehen. Zumindest nicht räumlich, schließlich sind Fernsehinterviews und eine Pressekonferenz nach Profispielen fest verabredet.“

Richard Leipold (FAZ) analysiert die Lage auf Schalke: „Felix Magath stemmte sich schon vor dem Anpfiff gegen unangenehme Widersacher, gegen jene Kräfte, die aus dem Aufsichtsrat des FC Schalke 04 heraus versuchen, den Trainer und Manager spätestens zum Saisonende loszuwerden. Doch der große Zampano versuchte den Eindruck zu vermitteln, als prallten die Indiskretionen aus dem Kontrollgremium des Klubs an ihm ab. Nur einmal war die Aufregung vor einem Champions-League-Spiel des FC Schalke noch größer als an diesem Mittwoch. Das war am 11. September 2001 nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York.“

Lächerliche Argumente

Sven Flohr (Welt) schimpft: „Schalke 04 trennt sich zum Saisonende von Trainer Felix Magath. Kein Satz der Welt könnte diesen chaotischen Verein mit seinen wankelmütigen, eitlen und von Emotionen bestimmten Protagonisten besser beschreiben. Die Argumente, die dieser Entscheidung zu Grunde liegen, sind beinahe so lächerlich wie der Zeitpunkt und die Art und Weise des Rauswurfs. Magath wurde von Klubchef Clemens Tönnies als allmächtiger Trainer-Manager geholt, der Schalke ohne Rücksicht auf Verluste führen soll. Mit Erfolg übrigens: Der Klub wurde in der erstens Saison Zweiter und zog direkt in die Champions League ein, wo er heute Abend gegen Valencia das Viertelfinale erreichen kann. Zudem steht Schalke im Pokal-Endspiel und kann dort gegen einen Zweitligisten den ersten Titel seit neun Jahren gewinnen. Man könnte also meinen, der Klub sei trotz einer schwachen Bundesliga-Saison zufrieden. So wie 1997 als Schalke den Uefa-Cup gewann und Platz 12 in der Liga zur Nebensache geriet.“

Roland Zorn (FAZ) lauscht auf der Geschäftsstelle: „Zu grau mutet der Liga-Alltag an, zu grell sind die Dissonanzen zwischen dem mit einem Höchstmaß an Kompetenzen ausgestatteten 57 Jahre alten Zampano und einer Vielzahl von Fans; dazu kommt eine gewachsene Entfremdung zwischen den Spitzenrepräsentanten des „alten“ Schalke, voran der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies, und Magath, der den Verein in seinem Sinne zu einem modernen Unternehmen ummodeln wollte und bei diesem Vorhaben längst gescheitert ist.Begleitet wird der Prozess des Auseinanderdriftens von atmosphärischen Störungen, die das Betriebsklima in diesem westfälischen Großverein zunehmend belastet haben. Magath, der mit einer Reihe loyaler Mitarbeiter nach Gelsenkirchen gekommen ist, soll, heißt es hinter vorgehaltener Hand, einen rigiden Herrschaftsstil gepflegt haben. Von einer ‚Besatzungsmacht‘ ist in der Geschäftsstelle der Schalker gern die Rede, wenn gerade mal kein Magath-Vertrauter in der Nähe ist.“

Umgangsformen von früher

Klaus Hoeltzenbein (SZ) sucht nach Gemeinsamkeiten der drei Trainerwechsel in der Bundesliga: „Es ist diese erste Internats-Generation, die gerade in der Liga das Kommando übernimmt. Diese Generation braucht aber auch die Brachialreize autoritärer Trainerfiguren immer weniger. Sie will mitgenommen, eingebunden, überzeugt werden und sich nicht mehr nur auf Befehl die Lunge aus dem Leib rennen. Wer den gemeinsamen Nenner sucht, der die aktuellen Turbulenzen in der Bundesliga erklärt, der findet ihn im Selbstbewusstsein dieser jungen Hochbegabten. Drei Klubs sind dabei, sich spektakulär von ihren Trainern zu trennen – und trotz aller Unterschiede im Einzelnen: Die Vorgänge um Louis van Gaal (FC Bayern), Felix Magath (Schalke04) und Armin Veh (HSV) haben zwei Charakteristika gemein. Zum einen sind alle drei mit ihren Umgangsformen erheblich aus der Zeit geraten. Sie trafen nicht mehr den Ton, in dem die neue Generation unterrichtet werden will. Zum anderen betrifft es drei Großklubs, Dinosaurier der Liga, die fürchten müssen, den Übergang zu einer moderneren, toleranteren Betriebs-Kommunikation zu verpassen.“

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) fasst zusammen: „Die Schalker haben sich Magath regelrecht ausgeliefert – um dann nach anderthalb Jahren mit Schrecken festzustellen, dass der Klub Magath ausgeliefert ist. Selbst das wäre noch zu ertragen, wenn der allmächtige Magath wenigstens erfolgreich wäre. Genauso ist es bei van Gaal, dessen Ego dem des Schalker Kollegen in nichts nachsteht. Vor allem ihr Alphatiergehabe hat Magath und van Gaal bei den anderen Alphatieren ihrer Klubs unbeliebt gemacht. Als Schutz gegen verletzte Eitelkeit helfen eben nur Titel.“

Magath und van Gaal fehlen die Soft Skills

Christian Spiller (Zeit Online) sucht nach Gründen: „Magath kam als Typ Unternehmensberater. Er rationalisierte, optimierte. Und opferte für den Erfolg Vieles – Assistenz-Trainer, Publikumslieblinge, Fanbeauftragte. Doch Schalke ist ein besonderer Verein, mit einer Leidenschaft, die für die halbe Liga reichen würde. Wer die Vereinsseele auf dem Altar des Erfolgs opfert, muss irgendwann selbst gehen. Spätestens, wenn Siege ausbleiben. Es ist wohl Zufall, dass zwischen den Rauswürfen Felix Magaths und Louis van Gaals nur einige Stunden liegen. Beide Entlassungen mögen sich im Detail unterscheiden, sie machen aber deutlich: Im Profifußball zählen auch weiche Faktoren. Mit Soft Skills, heute Bestandteil jeder Stellenanzeige, waren weder der Bayern- noch der Schalke-Trainer ausreichend gesegnet.“

Wolfgang Hettfleisch (FR)versucht es mit Humor: „Kuckucksente Felix: Ja, die Spezies gibt es wirklich, wenn auch eigentlich in Südamerika. Heteronetta atricapilla, so der lateinische Name der Art, tut, was ihr Name verspricht. Sie ist einzigartig unter den Entenvögeln: ein Brutschmarotzer. Kuckucksenten bauen keine eigenen Nester, sondern legen ihre Eier in die Gelege anderer Enten. Wie sie das anstellen, wird manchem Schalke-Fan irgendwie bekannt vorkommen: Der Erpel schwimmt drohend auf ein Nest zu, die dort brütende Ente flieht, schwupps, schon sind die fremden Eier eingeschleust. Das muss den Bruterfolg nicht zwingend beeinträchtigen, tat es in Gelsenkirchen aber doch. Weil sich wohl selbst der mit allen Wassern gewaschene Altvogel Felix in dem Durcheinander am Ende nicht mehr richtig auskannte. Um die Kuckucksentenküken muss man sich nach seinem Abflug übrigens keine übertriebenen Sorgen machen. Die Natur hat es so eingerichtet, dass sie jedem Entenvater hinterherwatscheln.“

Van Gaal macht einfach weiter

Andreas Burkert (SZ) besucht das Bayern-Training: „Van Gaal macht einfach weiter wie gehabt: Keine Defensivübungen, und Gustavo verteidigt selbstredend hinten links; in der Mitte spielen Schweinsteiger und Kroos. Ribéry wirkt lustlos, klar, Gomez kriegt wieder keinen Elfmeter, wie gegen Schalke. Und Robben, es ist wirklich verhext, ihn stellen die Blauen außen zu, als hätten sie zuletzt gut bei den Dortmundern, Schalkern und 96ern zugeschaut. In den Pausen redet van Gaals Co Andries Jonker auf Orange ein, der Chef hört zu, auch der Teampsychologe. Bei Blau steht nur Hermann Gerland, der andere Assistent. Geredet wird dort nichts, Butt schaut rüber zu Kraft.“

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Kommentare

7 Kommentare zu “Magath und van Gaal sind Geschichte”

  1. Manni
    Donnerstag, 10. März 2011 um 14:33

    Wenn dieser Satz „Sie trafen nicht mehr den Ton, in dem die neue Generation unterrichtet werden will.“ zutrifft, dann haben auch Littbarski und Pezzaiuoli keine guten Chancen – wer auf das „Sie“ umsteigen muss, um sich scheinbaren Respekt zu verschaffen, kann es gleich knicken.

  2. Ulfert
    Freitag, 11. März 2011 um 10:00

    Schalke und HSV: Lächerlich.
    Bayern: Reflexhaft.

    Besonders schön aber dass alle drei Trainer bis Saisonende weitermachen dürfen. Was soll da noch Gutes bei rauskommen?

  3. Marvin Nash
    Freitag, 11. März 2011 um 11:47

    Es könnte bei Bayern einen Effekt haben, dass die Spieler zumindest nicht gegen den Trainer spielen müssen. Es muss ihnen jetzt nur um den eigenen Erfolg gehen. Könnte meiner Meinung nach klappen. Die Frage ist, ob die Kindsköpfe (die Fussballer oft sind) so weit blicken können und ihrem Trainer noch folgen in seinen Anweisungen. Vielleicht wären die Bayern besser gefahren, wenn Gerland einfach übernommen hätte.

  4. Ulfert
    Freitag, 11. März 2011 um 11:59

    Mal ne andere Frage: Wie sicher ist die Trennung von Schalke und Magath eigentlich? Auf der offiziellen Seite von Schalke klingt es eher wie Zurückrudern von Tönnies: http://www.schalke04.de/aktuell/news/einzelansicht/artikel/toennies-laedt-magath-zu-gespraech-ein.html

  5. Kai Butterweck
    Freitag, 11. März 2011 um 12:19

    Das frag ich mich auch

  6. Marvin Nash
    Samstag, 12. März 2011 um 19:27

    Das zeigt nur mal wieder die Inkompetenz von Tönnies. Wie kann man denn die Richtung des gesamten Vereins, die Philosophie und das Personal je nach Tagesform des Teams über den Haufen werfen? Und am nächsten Tag wieder in die andere Richtung. Klar, Fussball ist ein Tagesgeschäft, aber so wird das nie was mit Schalke.

  7. Iva
    Montag, 14. März 2011 um 16:38

    In der Zusammenkunft geht es meiner Meinung nach nur noch um die Höhe der Abfindung. DASS er geht, steht felsenfest sicher.

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