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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Muss man sich Sorgen machen?

Kai Butterweck | Dienstag, 29. Mai 2012 2 Kommentare

Die Nationalmannschaft kommt zwei Wochen vor EM-Beginn gegen die Schweiz unter die Räder. Die Presse setzt all ihre Hoffnungen in die Rückkehr der Münchner Nachzügler

Nach der historischen Pleite gegen die Eidgenossen herrscht Unruhe in der Republik. Thomas Hummel (SZ)kratzt an der Oberfläche: „Wenn es Klose und Mertesacker nicht schaffen, wenn die Dortmunder nicht bald den Hochfrequenz-Klopp-Modus in den geordneten Löw-Modus überführen und dazu der ein oder andere Münchner doch ein psychologisches Problem mit aus dem Champions-League-Finale mitbringt, gefährdet das die ganze DFB-Mission. Die Frage lautet nun: Wie tief und dunkel ist das Loch bei jedem einzelnen?“

Die fehlenden Bayern waren die Gewinner des Testspiels

Christian Spiller (Zeit Online) erklärt Abwesende zu den Gewinnern des Abends: „Zu Löws Erleichterung stoßen jetzt die Bayern-Spieler zum Team. Sie waren so etwas wie die Gewinner des Testspiels. Einfach nur, weil sie nicht dabei waren. Mindestens fünf von ihnen, Neuer, Lahm, Badstuber, Schweinsteiger und Müller werden es wohl in die EM-Stammelf schaffen – eine halbe Mannschaft. Auch Boateng und Gomez, selbst Kroos gegen sehr defensive Gegner, dürfen hoffen. Nach diesem Spiel mehr denn je.“

Christian Kamp (FAZ) nimmt sich die Defensivabteilung zur Brust: „Mertesacker, der wegen einer Verletzung seit Februar kein Spiel mehr bestritten hatte, war weit davon entfernt, die Abwehr lenken zu können – er wusste selbst oft nicht, wo er zu stehen hatte. Hummels spielte so, wie er meist in der Nationalmannschaft spielt – und das hat mit dem Hummels aus der Dortmunder Double-Mannschaft wenig zu tun. Und sein Kollege Schmelzer bestätigte die bisherigen Eindrücke der Vorbereitung: Dass es doch ein gewisses Vabanque-Spiel wäre, ihm den Platz links in der Viererkette zu geben.“

Lustloser Götze

Mathias Schneider (stern.de) zeigt sich enttäuscht vom Auftritt der Dortmunder: „Unter all den lässigen Lustlosen ragte vor allem der Dortmunder Götze heraus, der gemächlich durchs Mittelfeld trabte, und sorgenvoll musste man sich fragen, ob dies nun der eigenen Fitness oder wirklich fehlender Motivation geschuldet war. Überhaupt die Dortmunder, Meister mit Rekordpunktzahl sind sie geworden, und mancher Journalist fragte zuletzt bereits vorsichtig, ob nicht lieber der eine oder andere der acht im Champions-League-Finale kollabierten Münchner Nationalspieler ganz von der Auswahl ferngehalten werden sollte. Um die seligen Westfalen und den Rest nicht mit seinem Frust anzustecken. Das Thema kann seit Samstag erledigt betrachtet werden. Die Dortmunder selbst zerstreuten die Sorge mit schier unendlicher Fehlerzahl.“

Peter Ahrens (Spiegel Online) legt die Stirn in Sorgenfalten: „Über die Wertigkeit von Testspielen wird in jedem Fall ausgiebig und gerne gestritten. Und über die Bedeutung einer Partie, in der 14 Tage vor der ersten EM-Aufgabe noch sieben von elf Stammspielern nicht bereitstehen, muss man an erst recht nicht diskutieren. Über die Form einiger Nationalspieler, die sich Hoffnungen auf die Startelf machen dürfen, allerdings schon.“

Kein Fehler im Innern des Systems

Aus der Schweiz kommen überraschend beruhigende Worte. Michele Coviello (NZZ) erinnert an die Nachzügler: „Was sich im St.-Jakob-Park ereignet hat, war kein schwerwiegender Fehler im Innern seines Systems. Die äußeren Umstände haben vielmehr dazu beigetragen. Da liegen die ersten 14 Tage Arbeit, mehrheitlich harter Arbeit, hinter dem Team, das auf  Sardinien und in Südfrankreich viel geschwitzt hat und mit müden Beinen in die Schweiz gereist ist. Da waren vor allem aber die zahlreichen und schwerwiegenden Absenzen. Acht potenzielle Stammspieler der Bundes-Elf,  werden erst am Montag ins Training eingreifen.“

Bereits einen Tag nach der Pleite gegen die Schweiz sortiert Jogi Löw seinen Kader aus. Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) verabschiedet sich von Cacau: „Für den Stürmer bedeutet das den finalen Tiefschlag am Ende einer völlig verkorksten Saison. Cacau trifft die Ausbootung härter als die anderen drei Spieler – nicht nur weil sie sich an frustrierende Monate im Verein anschließt. Während Marc-André ter Stegen (20), Sven Bender (23) und Julian Draxler (18) am Anfang ihrer Karriere stehen und noch mehrere Turniere vor sich haben, dürfte das Kapitel Nationalmannschaft für Cacau beendet sein.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Muss man sich Sorgen machen?”

  1. fußballfrak
    Donnerstag, 31. Mai 2012 um 15:29

    Ich glaube nicht das wir uns große Sorgen machen müssen. Wir sind schon immer mehr eine tuniermannschaft gewesen.

  2. HUKL
    Freitag, 1. Juni 2012 um 15:38

    Deutschland am Scheideweg?

    T.Hummel (SZ) sieht es richtig, dass selten so viele unterschiedliche Spekulationen bei Journalisten und Anhänger im eigenen Land im Vorfeld eines großen Turnieres zum Abschneiden der eigenen Mannschaft vorherrschen.

    Nach dem Desaster gegen die Schweiz war das Auftreten der umgekrempelten Mannschaft gestern in Leipzig vor wirklich erwartungsvollen Zuschauern im Stadion und Millionen vor den Fernsehschirmen bestimmt kein großer Fortschritt, obwohl sich das Resultat wesentlich freundlicher gestaltete.

    Der beliebte Ex-Fußballer und jetzige Co-Fernsehkommentator N.Scholl brachte es auf den Punkt, indem er in seiner Zwischeneinschätzung feststellte, dass jeweils in der Mitte ein Tor steht, das möglichst ab und zu auch einmal anvisiert werden sollte, statt den Ball nur von links nach rechts zu passen oder umgekehrt. Zwei Einzelaktionen in beiden Halbzeiten ist es zu verdanken, dass dieses auch zweimal getroffen wurde. Es ist schon bezeichnend, wenn das Umarmen von Klose für den zweiten Torschützen Schürrle als seine beste Leistung eingeschätzt wurde.

    Ob es an der fehlenden Frische, der Angst vor Verletzungen, am wieder eingebauten, evtl. noch nachgeschädigten, Bayernblock, an den Langzeitverletzten, die auch im Ausland ihr Geld verdienen oder am zu defensiven Gegner lag, ist schwierig, herauszufinden.
    Ein Favorit für die angestrebte Mission Europameisterschaft müsste sich eigentlich eine Woche vor den entscheidenden Spielen wesentlich frischer und dominanter präsentieren!

    Mich würde abschließend sehr interessieren, was sich unser in den Qualifikationsspielen sehr erfolgreicher Trainer J. Löw bei der gestrigen Einwechslung der Spieler Reus, Götze und Bender 7, 4 und 2 Minuten vor Spielende gedacht hat. War es aus seiner Sicht das Proben einer fiktiven Spielverzögerung im erhofften Endspiel, um einen angenommenen Vorsprung über die Zeit retten zu können?

    Weil bei der vergangenen Frauenweltmeister-schaft in unserem Land Deutschland eigentlich schon auch vor Beginn der sichere Sieger war und „nie wieder Dritter“ werden wollte, was auch eintrat……, könnten bei dieser völlig unnormalen Vorbereitung die Männer ebenfalls ganz schnell nur Zuschauer sein, wenn es im Endspiel um die Krone geht.

    Dann erst kann die europäische Fußballwelt erkennen, wer wirklich „hart gearbeitet (trainiert)“ hat!

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