Bundesliga
Werder Bremen – Verschollen im Niemandsland
| Montag, 4. März 2013Nach der Heimniederlage gegen den FC Augsburg brennt in Bremen der Baum. Außerdem: Trainer-Zwistigkeiten, angenehme Überraschungen, hoffnungslose Fälle und Déjà-vus
Nach der fünften Pleite im siebten Rückrundenspiel geht in Bremen die Angst um. Auch Frank Hellmann (taz) blickt sorgenvoll in die Zukunft: „Mehr als biederes Mittelmaß ist derzeit nicht drin. Immerhin 13 aktuelle Nationalspieler vereint das Aufgebot – das müsste gemeinhin reichen, um Freiburg und Mainz, allemal aber Düsseldorf oder Nürnberg auf Distanz zu halten. Oder um Augsburg zu schlagen. Einige Spieler werden übrigens ihre eigenen Lehren aus der Talfahrt ziehen. Mit etlichen Abgängen ist am Saisonende bei Werder zu rechnen, wenn dieser einstige Vorzeigeverein wieder zu dem schrumpft, was er bei Schaafs Amtsantritt darstellte: eine kleine Nummer.“
Aus dem Künstler von einst ist ein einfacher Arbeiter geworden
Kai Niels Brogena und Patrick Grull (Welt Online) ziehen dem Werder-Coach den roten Teppich unter den Füßen weg: „Für Thomas Schaaf, den einst erfolgsverwöhnten Liebling der Massen, ist das wie eine Entziehungskur. Teile des Fanlagers geben ihm nicht mehr, was jeder als Bestätigung braucht: Anerkennung. Applaus ist das Brot des Künstlers, als der sich Schaf lange fühlen durfte. Doch er fällt längst nicht mehr so hingebungsvoll aus. Aus dem Künstler von einst ist ein einfacher Arbeiter geworden. Sein Ritual bei den Heimspielen ist, vor die Tribüne der Fans zu treten. Es ist seine Art, Zwiesprache mit den Anhängern zu halten. Es gab Zeiten, da wurde er gefeiert. Mittlerweile ist der Applaus nur noch höflich. Er wird von einigen nicht mehr als Tribun anerkannt, sondern als das wahr genommen, was er jetzt ist: ein nicht sonderlich erfolgreicher Trainer.“
Klaus Wille (derwesten.de) präsentiert die Bremer Problemzonen: „Der Verein kann sich nicht neu erfinden, es wird aber von Jahr zu Jahr ohne Geld aus dem europäischen Wettbewerb schwieriger, den Teufelskreis zu durchbrechen. Was Thomas Schaaf anbelangt: Sein Freund Klaus Allofs ist kürzlich auch zum VfL Wolfsburg gewechselt, weil er wusste, dass er sich in Bremen abzunutzen drohte. Thomas Schaaf ist seit Mai 1999 Werders Trainer. Er wird sich ähnliche Gedanken machen. Und andere für ihn.“
Warum? Warum? Warum?
Nach den Plagiats-Vorwürfen von Jürgen Klopp in Richtung München pendelt die Öffentlichkeit zwischen Empörung und schmunzelndem Gelächter hin und her. Auch Daniel Meuren (FAZ) kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Statt des wenig weltoffenen und stark klischeebehafteten Vergleichs mit den Chinesen, hätte Klopp am Freitag eigentlich im Land bleiben können. Warum hat er nicht eine gerade Linie von Karl-Theodor zu Guttenberg oder wenigstens Annette Schavan zu Heynckes gezogen? Warum hat er ihn nicht direkt des akademisch behafteten Plagiierens statt des schnöden industriellen Kopierens bezichtigt? Warum hat Klopp nicht direkt in prominenter Runde für seine neue Plagiatsseite MiaSanMiaPlag.de geworben und ausgewiesene Experten aufgefordert, deutliche Hinweise auf abgekupferte Matchpläne oder wenigstens fehlerhafte Zitierweisen im Umgang mit Klopps Taktik-Vokabular von „Umschalten“ bis „Gegenpressing“ zu ermitteln? Aber Obacht! Am Ende könnte der Schuss nach hinten losgehen und die Meute der Taktikfüchse noch Elemente des FC Barcelona im Dortmunder Spiel entdecken!“
Jan Mohnhaupt (Tagesspiegel) buddelt im Archiv: „Klopps Vorwurf ist großartige Polemik, die gerade im Ruhrgebiet gut ankommen dürfte, wo tatsächlich reihenweise Zechen und Hochöfen abmontiert und in China wieder aufgebaut wurden. Allerdings keine neue Technik, sondern Industrieruinen. Doch er vergisst dabei die jüngere Vereinsgeschichte des BVB. Es ist noch nicht lange her, da kaufte sich Borussia eine teure Mannschaft um Jan Koller und Marcio Amoroso zusammen, gewann die Meisterschaft 2002 und stand kurz darauf vor der Insolvenz. Seine Kritik zeigt vor allem eins: Der BVB kann mittlerweile genauso schlecht verlieren wie der FC Bayern. Der Rest sind olle Kamellen.“
Die Freiburger sind exakt da, wo sie sind, weil sie wissen, wer sie sind
Der SC Freiburg gehört zu den Überraschungsteams dieser Saison. Marcel Reif (Tagesspiegel) ist begeistert: „Die Freiburger sind exakt da, wo sie sind, weil sie wissen, wer sie sind. Sie kennen ihre Mittel, die sind bescheiden, und dafür haben sie ein Konzept. Das setzt auf die eigene Jugend, nach Lage der Dinge ist das ein geschicktes Konzept. Der geistige Überbau des Konzeptes lautet, dass alles gut wird, und wenn es nicht gut wird, ist das auch keine Katastrophe, stürzt den Klub nicht ins Elend. Damit sind sie nahe an Europa herangerückt. An Europa? Das sollte man Trainer Streich besser nicht mitteilen.“
Beinahe schon abgehängt
Auch gegen den FC Bayern ziehen die Hoffenheimer den Kürzeren. Tobias Schächter (FR) winkt ernüchtert ab: „Zwar steigerten sich die Sinsheimer gegenüber den desolaten Auftritten zuletzt, doch um richtig Selbstvertrauen zu tanken, reichten Leistung und Ergebnis dann doch nicht. Denn nach dem Sieg des FC Augsburg sind die Hoffenheimer im Abstiegskampf beinahe schon abgehängt.“
Ob sich Geschichte wiederholt?
Der FC Augsburg schwimmt sich weiter frei. Anja Schramm und Tobias Kimmel (Welt Online) erinnern sich: „Im Grunde ist es ein Déjà-vu, das sie in Augsburg erleben. Schon in der vergangenen Saison hatte in der Winterpause kaum einer noch einen Pfifferling auf sie gesetzt, so weit waren sie abgeschlagen. Die Aufholjagd in der Rückrunde endete mit Platz 14, weit entfernt von jeglichen Abstiegssorgen. Ob sich Geschichte wiederholt? Wenn dieser Tage über Augsburg geredet wird, fallen immer wieder Begriffe wie Seele und Charakter, oft schnell daher gesagte Phrasen. Es mögen vordergründig nur Kleinigkeiten im großen Gebilde sein. Doch sie erklären die bislang wundersam erscheinende Rückrunde.“
Kommentare
5 Kommentare zu “Werder Bremen – Verschollen im Niemandsland”
Montag, 4. März 2013 um 12:30
Schön, dass Dortmund trotz der Niederlage seinen Schneid nicht verloren hat. Die beiden Hiebe von Klopp („Was machen Robben und Gomez nächste Saison“ – genial) und der Plagiatsvorwurf (weniger genial) sprechen dafür, dass im nächsten Jahr wieder angegriffen wird. Das ist auch gut so. BVB ist nun Werder Reloaded.
Bayern hat aus den beiden fatalen Niederlage (Pokal- und CL-Finale) im letzten Sommer die richtigen Lehren geozegn.
Das sind vor allem Investition in robuste Typen (Martinez, Mandzukic und Matthias Sammer). Bayern ist ein kein Verein von romantischem Offensiv-, Hurra- oder Systemfußball. Bayern lebt von bessesenen Charismatikern – und scheitert ohne diese. Man denke an die Vize-Jahre vor Effenberg in den 90ern. Jetzt ist es wiederso. Es sind nicht die braven Phillip Lahms (früher Thomas Helmer), die Titel gearantieren. Da können die Fußballfeuilletons noch lange rumblabern. Von September bis April kann man nämlich alles mögliche zusammenfabulieren. Im Mai entscheiden dann die Drogbas – für einen Moment wieder das deutlich, und dann wieder vergessen. Bis zum nächsten Jahr im Mai. Oder dazwischen bei der EM- bzw. WM, wenn Jogis Elf wieder taktisch naiv an einem zähen Gegnern scheitert.
Montag, 4. März 2013 um 14:37
Einen Kai Nils Bogena hier zu ziteren spricht nicht wirklich von Kompetenz des Verfassers. Jeder der sich ein wenig mit Werder beschäftigt weiß, dass Bogena ein ewiger Neider des Vereins ist. Hatte er sich doch 1999 ernsthaft um das Amt des Präsidenten bei Werder beworben. Da er (zurecht) nicht ernst genommen wurde führt er seit dem einen ewigen Kreuzzug gegen den Verein. Überall wittert er Verschwörungen und Imkompetenz. Letzteres ist allerdings ausschließlich bei ihm selbst zu finden. In Bremen jedenfalls lacht man über diese Person und ist weit davon entfernt ihn ernst zu nehmen. Vielleicht sollte Herr Butterweck dies bei seiner nächsten Recherche berücksichtigen.
Montag, 4. März 2013 um 23:07
@augelibero: Auch wenn ich nicht immer den Lahm-Verteidiger geben will. Ich finde ihn in den wichtigen Spielen oft am stärksten.
Dienstag, 5. März 2013 um 09:02
@augelibero: „Im Mai entscheiden dann die Drogbas.“ Schon mal nachgezählt, wer die meisten Titel der letzten Jahr gewann? Die – für Dich ja so braven, physisch schwachen – Xavi, Iniesta, Messi.
Leute wie Du sehen immer nur, was sie sehen wollen. Aber Fußballspiele und Fußballtitel kann man auf völlig unterschiedliche Art gewinnen, und Leute wie Du werden sich weiterhin immer lächerlich machen, wenn sie behaupten, nur eine Art sei die richtige. Philipp Lahm – und ich bin sicher kein Freund seiner Person – spielte zum Beispiel ein überragendes Champions-League-Finale gegen Chelsea. Aber da hast Du wahrscheinlich nur auf dein Effenberg-Poster an der Wand gestarrt.
Dienstag, 5. März 2013 um 11:12
[…] sieht vor allem ein katastrophales Defensivverhalten beim Klub von der Weser. Kai Butterweck (Indirekter Freistoß) hat eine Presseschau zu den Bremern […]