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WM 2014

WM 2014 – Alles Müller, oder was?

Kai Butterweck | Dienstag, 17. Juni 2014 3 Kommentare

Vier Tore gegen Portugal: Die deutsche Nationalmannschaft startet mit einem fulminanten Sieg ins WM-Turnier. Die Presse ist entzückt. Außerdem: Angst vor dem Promi-Overkill

Nach dem überzeugenden Auftaktsieg gegen Portugal klatscht die Presse artig Beifall. Klaus Hoeltzenbein (SZ) klopft dem Bundestrainer anerkennend auf die Schultern: „Für Joachim Löw wird die Arbeit etwas leichter, er stand in der Kritik nach dem EM-K.o. 2012 gegen Italien. Jetzt hat der Bundestrainer die Mannschaft – trotz aller Widrigkeiten in der Vorbereitung – bestens präpariert an den Start und ins 100. Spiel einer DFB-Elf bei einer WM-Endrunde gebracht. Einiges deutet darauf hin, dass es später in der Rückschau weit mehr gewesen sein könnte als nur ein schönes Spiel zum Jubiläum.“

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Auch Florian Hagemann (HNA)sendet Glückwünsche in Richtung Trainerbank: „War noch was? Ein Trainingslager in Südtirol, das nicht reibungslos ablief, Verletzte im Vorfeld, der Ausfall von Marco Reus – all das ist seit gestern vergessen. Deutschland gegen Portugal 4:0 – welch Ausrufezeichen und welch Sieg für Bundestrainer Joachim Löw. Noch nie ging er in ein großes Turnier mit so viel Gegenwind wie in diese Weltmeisterschaft. Mit dieser einen Partie hat er die meisten Kritiker schon widerlegt.

Aus vielen Fragezeichen machten die Deutschen ein großes Ausrufezeichen

Michael Horeni (FAZ) reibt sich verwundert die Augen: „Der großen Ungewissheit um die deutsche Mannschaft ist ein WM-Start gefolgt, wie er besser kaum sein konnte. Aus den vielen Fragezeichen, die sich um Personal und Positionen in den vergangenen Wochen und Monaten angehäuft hatten, machten die Deutschen in Salvador da Bahia ein großes Ausrufezeichen. Einen Start in die WM gegen die Nummer vier der Welt schon mit drei Toren in der ersten Halbzeit war der Stoff, von dem selbst kühne Optimisten kaum zu träumen gewagt hatten.“

Stefan Osterhaus (NZZ Online) zeigt sich enttäuscht vom Auftritt der Portugiesen: „Cristiano Ronaldo blieb effektlos, ihm half auch wildes Gestikulieren nicht. Einzig Nani, der andere Außenstürmer, hatte eine gute Möglichkeit, doch zu ihrem Konterspiel fanden die Portugiesen nie. Lahm und Khedira fingen die Konter ab, und die Verteidigung kam so nur selten in Bedrängnis. Und im Offensivspiel zeigten sich die Deutschen variabel – das Trio Götze, Müller, Özil spielte Kombinationsfußball auf hohem Niveau, ein Mittelstürmer wurde nie vermisst.“

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Wer braucht schon eine „falsche Neun“, wenn er auch eine richtige haben kann

Thomas Klein (dw.de) rollt Matchwinner Thomas Müller den roten Teppich aus: „Der WM-Torschützenkönig von 2010 traf zweimal im Stile eines typischen Mittelstürmers und verwandelte zudem noch einen Elfmeter sicher. Wer braucht schon eine „falsche Neun“, wenn er auch eine richtige haben kann? Denn egal wie oder von wem der Ball in den portugiesischen Gefahrenbereich befördert wurde, Müller stand immer am richtigen Fleck, bereit den Ball im Tor zu versenken – unorthodox, simpel, ohne sich großartig Gedanken zu machen. Genauso wie einst sein Namensvetter und Stürmer-Ikone Gerd Müller!“

Lars Wallrodt (Welt Online) schiebt grinsend die erste Hürde beiseite: „Es war ein rauschhafter, ein wunderbarer Sieg, über den wir uns von Herzen freuen sollten. Natürlich kann er nur der erste Schritt auf dem Weg zum Gipfel sein, auf dem der goldene Pokal steht. Aber es war ein großer Schritt. Denn er bringt die deutsche Mannschaft nicht nur drei Punkte näher an das Achtelfinale, sondern beweist ihr, dass sie die Stärke hat, auch einen erstklassigen Gegner aus den Schuhen zu spielen.“

Für den Titel sind weitere Glanzleistungen nötig

Jörg Runde (t-online.de) hofft auf einen Nachschlag: „Den giftigen Thomas Müller als Mittelstürmer auf die portugiesischen Innenverteidiger loszulassen, war ein wichtiger Schachzug des Bundestrainers. Der Münchner machte schlussendlich den Unterschied. Es wird nun spannend sein zu sehen, wie das Team mit der Euphorie des Superstarts umgeht. Bloß nicht abheben, möchte man Löw und seinen Spielern zurufen. Für den WM-Titel sind weitere Glanzleistungen nötig. Und weitere clevere Schachzüge des Bundestrainers.“

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Selbst in Österreich (standard.at) werden Hüte gezogen: „Deutschland hat – rechtzeitig, wie so oft – einen quasi fliegenden Start hingelegt. Einen, der nicht das uralte piefkische Glück zu zwingen versuchte, sondern das schöne Spiel betonte. Wie 2010 in Südafrika, wo man im Rückgriff auf die Bemühungen der Heim-WM 2006 versuchte, das Neue am deutschen Kick zu beschreiben und das Land „Schland“ zu nennen anfing. So ein Schland machte in Salvador kurzen Prozess mit den so Hochgerankten.“

Wer wirbt eigentlich für was?

Die Superstars des WM-Turniers laufen nicht nur auf dem grünen Rasen zu Hochform auf. Auch in den TV-Werbeblöcken legen sich Neymar, Ronaldo und Co mächtig ins Zeug. Ingo Rentz (horizont.net)warnt vor dem Promi-Overkill: „Spots wie Nikes „Winner Stays“ aber auch „The Game before the Game“ sind großartige Werke, die zu Recht millionenfach angeklickt werden. Doch sowohl die jeweiligen Marken als auch die Testimonials müssen sich fragen, ob der Promi-Overkill in der Werbung nicht letztendlich zu einem Abnutzungseffekt führt – und der Konsument gar nicht mehr zuordnen kann, ob Ronaldo jetzt für Adidas, Nike, Samsung oder alle drei wirbt bzw., was eigentlich die Aussage der Kampagnen ist. Und derartige Beliebigkeit kann ja nicht das Ziel sein, wenn man einen Weltfußballer bucht. Dann das viele Geld doch lieber in eine gute Idee investieren, statt in ein teures Testimonial.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “WM 2014 – Alles Müller, oder was?”

  1. Pumukel
    Dienstag, 17. Juni 2014 um 11:39

    Zwei lustige Kommentare internationaler Gazetten:

    AS (Spanien): „Thomas Müller tötet Portugal…“

    The Times (England):

    „Müller übernimmt die Hauptrolle von Ronaldo. Cristiano Ronaldo ist eine diamantenbehangene 24-Karat-Ikone, ein perfekt gestylter, wohlgeformter Adonis. Müller sieht aus, als sei er gerade aufgewacht.“

  2. augelibero
    Dienstag, 17. Juni 2014 um 11:46

    Löw hat gestern alles richtig gemacht und Fortune gehabt. Gratulation! Der Auftakt gibt allen Anlass, auf ein gutes Turnier zu hoffen. Ob er ein Meistertrainer ist, muss an Titel gemessen werden. Fakt ist: Im Finale 2008 und den Halbfinals 2010 und 2012 war der jeweilige Gegner taktisch haushoch überlegen. Auch Trainer können lernen und sich steigern – müssen es aber nicht. Unabhängig davon: Für den deutschen Fußball – man erinnere sich an das Jahrzehnt des Rumpelfußballs – hat sich Löw bereits gute Verdienste erworben. Ob er eine Mannschaft zu einem bedeutenden Titel führen kann, werden wir AB DEN HALBFINALSPIELEN sehen können.

  3. [WM 2014] Turniertagebuch Tag 6 - Hemmungslose Begeisterung | Männer unter sich
    Dienstag, 17. Juni 2014 um 13:13

    […] die Pressestimmen zum gestrigen Zauberspiel verweise ich auf die Kollegen vom “Indirekten Freistoß“. Ich bin weiterhin hemmungslos begeistert und geh nachfeiern. Euch allen viel Spaß, schöne […]

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