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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2014

Deutschland ist Weltmeister!

Kai Butterweck | Montag, 14. Juli 2014 1 Kommentar

Sieben Minuten vor Ende der Verlängerung macht der eingewechselte Mario Götze mit einem Kunstschuss den WM-Deckel drauf. Die Presse klatscht begeistert Beifall

1954, 1974, 1990, 2014: Deutschland holt sich in Brasilien den vierten Stern. Michael Horeni (FAZ) freut sich über den erfolgreichen Abschluss einer jahrelangen Mission: “ So schwer er auch zu erringen war: Ein Wunder ist dieser wunderbare Erfolg nicht. Der Titel ist den Deutschen nicht wie eine Sternschnuppe in den Schoß gefallen. Diese Weltmeisterschaft ist das Ergebnis eines lange geplanten und akribisch angestrebten Erfolgs.“

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Das Unmögliche möglich gemacht

Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) spart nicht mit Superlativen: „Jetzt haben die Deutschen das Unmögliche möglich gemacht. Sie haben im Halbfinale den WM-Gastgeber zerlegt, im Endspiel Argentinien besiegt – und damit völlig verdient den Weltmeistertitel gewonnen. Die Mannschaft des Bundestrainers Joachim Löw war die mit Abstand beste Mannschaft des Turniers. Vielleicht ist sie auch die beste, die Deutschland je hatte.“

Marco Wedig (taz) erinnert an die Quelle: „Viele werden schreiben, dass Jogi und seine Jungs hier Geschichte geschrieben haben. Es sind jedoch nicht große Männer, die Geschichte schreiben, sondern Prozesse und Strukturen. Die Investitionen in den Nachwuchs, die der DFB nach der vergeigten EM 2000, tätigte, trugen am Sonntagabend multikulturelle Früchte.“

Ein Fußballspiel braucht keine Tore, um zum Thriller zu werden

Klaus Hoeltzenbein (SZ) wischt sich den Schweiß von der Stirn: „1954, 1974, 1990, 2014 – die Erweiterung dieser Ziffernfolge war das Resultat eines Gänsehaut-Kicks, mit dem kein ARD-Tatort mithält, der sonst diesen Sendeplatz am Sonntagabend belegt. Folge des gewiss nicht besten, vielleicht aber intensivsten Fußballspiels der Historie. Eine Aneinanderreihung von Zweikämpfen. Und mit jeder Sekunde, die verstrich, taumelten beide Teams mehr und mehr dem Lucky Punch entgegen – jeder wusste, wer den ersten Wirkungstreffer im eigenen Netz hat, der hat alles verloren. Nie zuvor wurde damit schlüssiger der Beweis geführt, dass ein Fußballspiel kaum Tore braucht, um zum Thriller zu werden.

Christian Gödecke (Spiegel Online) gerät ins Schwärmen: „Diese WM sah die beste deutsche Mannschaft der Ära Löw. Das Team des neuen Weltmeisters besteht aus großartigen Fußballern, taktisch flexibel, körperlich robust, technisch brillant. Das Spiel des neuen Weltmeisters ist dominant, kraftvoll, direkt, und wenn es sein muss auch geduldig. Es ist der perfekte Mix aus Tugenden und Traumfußball, aus Hurra und Hauruck.“

Ein Muster an Planung

Stefan Osterhaus (NZZ Online) adelt den Bundestrainer: „Löw scheute sich nicht, Vorbildern nachzueifern, allererst Spanien. Mithin stellt der Coach keinen Anspruch, ein Genie zu sein. Löw ist vielmehr begabt darin, Systeme neu zusammenzusetzen. Auch in acht Jahren Amtszeit hat er sich noch nicht verbraucht. Deutschlands Turniere wirkten oft wie von einem Generalstab geplant. Und so könnte man auch diesen WM-Titel als ein Muster an Planung hinstellen.“

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Oliver Fritsch (Zeit Online) überreicht Joachim Löw den Schlüssel zum Trainer-Olymp: „Er hat den deutschen Fußball mit Geduld und Strategie erneuert, er hat ihm Flügel verliehen und Bewunderer auf der ganzen Welt beschert. Nach 1954 dürfte der deutsche Weltmeistertitel von Rio der bedeutendste sein, sportlich war er verdient wie keiner der drei zuvor. Man darf Löw nun in einem Atemzug mit Sepp Herberger nennen.“

Löw ist ein Meistertrainer

Auch Friedhard Teuffel (Tagesspiegel) klopft dem deutschen Chefcoach anerkennend auf die Schultern: „Das Turnier im Ganzen und das Finale im Speziellen haben noch einmal viele Anhaltspunkte dafür geliefert, dass Joachim Löw ein Meistertrainer ist. Wer seinen formstärksten Spieler wegen einer Verletzung im letzten Testspiel nicht mitnehmen kann, angeschlagene Leistungsträger durchs Turnier schleppen muss, im Finale erst auf seinen Anführer Sami Khedira verzichten, dann kurzfristig auf Christoph Kramers Ausfall reagieren muss, hat auf jeden Fall nicht die besten Voraussetzungen. Trotzdem ist Löw der Sieg gelungen.“

Paul Hofmann (Zeit Online) verteilt breite Brüste: „Higuaín, Messi, Palacio – alle standen sie frei vor Neuer und knickten vor seiner Aura ein. Vor Manuel Neuer stehen hatte bei diesem Turnier eben nur bedingt etwas mit Freiheit zu tun. Und wer diesen Typen im Kasten hat, im Mittelfeld hinlangt und wieder aufsteht wie Schweinsteiger, in der Defensive wacht wie Boateng und vorne bei den Ecken und Pässen hinschaut wie Kroos, der ist zu Recht Weltmeister.“

Roland Zorn (FAZ) begleitet einen traurigen Lionel Messi aus dem Stadion: „Wenn in dem nach dem Wechsel nicht mehr ganz so intensiven Duell einer für die Sparte hohe Kunst am Ball zuständig war, dann allein Messi, der immer wieder Kostproben seiner Fähigkeiten aufblitzen ließ, auch auf engem Raum zwei, drei Gegenspieler narren zu können. Das half aber am Ende auch nichts mehr, nachdem der deutsche Mini-Messi, Mario Götze, sieben Minute vor dem Abpfiff Schürrles Flanke zum Schuss ins Glück genutzt hatte. Messi konnte nicht mehr kontern.“

Mit Witz und Leichtigkeit

Simon Pausch (Welt Online) hievt Mehmet Scholl auf den TV-Studio-Thron: „Er passte mit seinem Witz und der Leichtigkeit seiner Analysen perfekt ins Bild von der Copacabana, das die ARD seit Wochen als Hauptsendemotiv verwendet. Genau das macht ihn auch zum besseren WM-Experten als ZDF-Kollege Oliver Kahn. Der Ex-Torwart steigerte sich im Laufe des Turniers, wurde eloquenter und reagierte gelassener auf die nicht immer witzigen Witze seines Gespannpartners Oliver Welke. Aber die Kunst, beim denkbar unbeteiligten Zuschauer Lust auf die Partien zwischen Iran und Nigeria oder Uruguay und Costa Rica zu wecken, beherrschte Scholl mit seiner Sympathie für Außenseiter einfach besser.“

Die WM ist vorbei. Zeit für die ersten Fazits. Peer Vorderwülbecke (tagesschau.de) zeigt sich enttäuscht: „Der als korrupt bezeichnete brasilianische Fußballverband wird sicher Gewinn machen mit der WM. In den Fußball oder gar in die Gesellschaft wird er diesen Gewinn erfahrungsgemäß nicht investieren. Ja, es war ein großes, gelungenes Fußball-Fest. Aber wenn das Konfetti zusammengekehrt ist, wird wenig von dieser WM übrig bleiben. Weder für die brasilianische Bevölkerung noch für den Fußball.“

Fritz Neumann (standard.at) winkt ebenfalls ab: „Immerhin dürfte das gestrige Finale auf absehbare Zeit das letzte WM-Spiel in einem demokratischen Land gewesen sein. Viel wurde und wird über Katar geredet, das nepalesische Arbeiter ausbeutet, um die Endrunde 2022 zu veranstalten. Die nächste WM, jene 2018 in Russland, ist hingegen kaum ein Thema. Russland und Katar haben aus Fifa-Sicht den Vorteil, dass soziale Unruhen nicht einmal zu erwarten sind. Diese Turniere werden für die Fifa Kinderspiele.“

Stefan Menzel (handelsblatt.com) freut sich auf die Zukunft: „Der vierte Stern auf dem DFB-Trikot wird für neuen Schub im eigenen Land sorgen, mag es uns auch noch so gut gehen. Dieser Titel sorgt gewaltig für neuen Schwung. Wenn Deutschland den Champion in der weltweit wichtigsten Sportart stellt, dann geht es mit dieser Rückendeckung im Alltag leichter voran. Der Streit um die Rente, die hohen Strompreise, die mögliche Einführung einer Maut – alles geht leichter von der Hand mit einem Lächeln, ausgelöst durch den Titel.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Deutschland ist Weltmeister!”

  1. Der vierte Stern: 1:0 gegen Argentinien – Deutschland ist Weltmeister! > Fußball > Brasilien, DFB, Estádio do Maracanã, Finale, Mario Götze, Rio de Janeiro, Weltmeister, WM 2014
    Montag, 14. Juli 2014 um 12:14

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