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WM 2018

WM 2018 – Abschiedsgrüße aus Moskau

Kai Butterweck | Dienstag, 17. Juli 2018 Kommentare deaktiviert für WM 2018 – Abschiedsgrüße aus Moskau

Die WM in Russland ist Geschichte. Die Fußball-Karawane zieht weiter. In vier Jahren trifft man sich dann in Katar wieder

Zwei Tage nach dem großen Finale werden die letzten Bilanzen, Meinungen und Geschichten verewigt. Christoph Rieke (n-tv.de) gratuliert dem russischen Staatschef: „Wladimir Putin hat sein Prestigeprojekt erfolgreich vollendet. Die Teilnehmer lobten die Organisation, ranghohe Staatsmänner wie der französische Präsident Emmanuel Macron oder die Könige aus Spanien sowie Belgien entschieden sich gegen einen Boykott und reisten nach Russland. Der seit der Vergabe im Jahr 2010 feststehende WM-Plan wurde auf der Zielgeraden sogar übererfüllt: Im Turnier marschierte das russische Nationalteam bis ins Viertelfinale durch – wider Erwarten, denn nur wenige hatten der Sbornaja mehr als einen Achtungserfolg zugetraut.“

Russia first?

Als während der Siegerehrung starker Regen einsetzt, hat Wladimir Putin schnell einen Bodyguard mit Regenschirm zur Hand. Florian Naumann (merkur.de) wundert sich: „Fußball-Fans und Politik-Deuter dürfen rätseln. Was wollte Polit-Profi Putin der Welt sagen? War er der einzige, der sich auf eine Offensichtlichkeit wie nahenden Regen vorzubereiten weiß? Ging es um ein subtiles „Russia first“, weil Putin die anderen Staats- und Verbandsgranden im Nassen stehen ließ? Oder hat der für seine bisweilen martialische Selbstinszenierung russische Präsident gar ein großartiges Fotomotiv sausenlassen – wäre eine WM-Ehrung im strömenden Regen ein Klassiker wie Putins oberkörperfreie Reitstunde geworden?“

Ralph Grosse-Bley (focus.de) stellt brisante Fragen: „Immer wieder habe ich in den vergangenen Wochen versucht, mit Leuten darüber zu sprechen, warum sie (freundlich, hilfsbereit, offen, wie sie sind) diesen Autokraten, der Gewalt als normales Mittel der Politik sieht, der tausendfach töten lässt, Minderheiten unterdrückt und Oppositionelle einsperren lässt, warum sie diesen Putin nicht loswerden wollen. Ergebnis: Die Russen, mit denen ich darüber sprechen konnte, haben mit sich selbst genug zu tun. Es ist nicht ihr Problem, das Leben (und Sterben) der Anderen.“

Gianni Costa (RP Online) ist nicht zum Feiern zumute: „Russland hat geliefert, was man sich vom Fußball-Weltverband Fifa erhoffte: ein Turnier ohne größere Störgeräusche. Eine perfekte Inszenierung. Die Entwicklung geht genauso weiter. Katar wird sogar noch einmal alles steigern. Es geht in dieser Branche um Geld und nicht ums Gewissen. Der Fußball hat sich längst seine eigene Blase erschaffen. Er fühlt sich darin sehr wohl, weil die Zuschauer ihm nicht die Gefolgschaft verweigern, sondern weiter mitspielen. Mögen muss man das nicht.“

Man hätte ahnen können, dass in Russland Menschen leben

Andreas Rüttenauer (taz) stellt den russischen Bürger ins Rampenlicht: „Man hätte ahnen können, dass in Russland Menschen leben. Doch es hat dieses Turnier gebraucht, um aus Russen Leute werden zu lassen. Dafür hat es sich gewiss gelohnt, die WM in dieses doch so fremde Land zu vergeben. Es könnte das größte Erbe dieser vier Wochen sein. Das wäre umso nachhaltiger, wenn der Blick nach Russland auch in Zukunft öfter auf diejenigen gerichtet würde, die in dem Land leben, und nicht allein auf den, der es beherrscht.“

Frank Hellmann (FR) erinnert sich an trostlose Stunden in Samara: „Was man über die Landbevölkerung in den abgehängten Regionen Russlands hört, ist das eine, was man sieht, das andere: Hier sind die Straßen schlecht, die Häuser trist, die Menschen grau. Im Norden von Samara wartet ein sündhaft teures Raumschiff, das Kosmos-Arena heißt und das nach der WM niemand brauchen wird. Ein bisschen mehr Teer wenige Kilometer weiter wäre vermutlich die bessere Investitionen gewesen. Von schöneren Gebäuden ganz zu schweigen.“

Der WM-Triumph lässt ganz Frankreich jubeln. Nadia Pantel (SZ) steht auf dem Pariser Marsfeld und genießt das Wir-Gefühl: „Man könnte es angesichts der täglichen Meldungen über Krieg und Vertreibung fast vergessen, aber: Menschen mögen Menschen. Es ist ja nicht so, als hätten Franzosen keine Fernseher zu Hause und seien deshalb gezwungen, sich vor wenigen öffentlichen Übertragungsgeräten zusammenzurotten. Fußballschauen und Biertrinken kann man auch gut zu Hause. Aber Fremde umarmen, sich gemeinsam heiser singen, die eigene Stadt zum riesigen Spielplatz machen – dafür muss man auf die Straßen gehen. Millionen Franzosen haben einander gestern bewiesen, dass es so etwas wie ein Wir gibt. Ein ausgelassenes und stolzes Wir.“

Ein gewachsenes Selbstwertgefühl

Axel Veiel (Berliner Zeitung) gesellt sich dazu: „Auch wenn die Blauen keine Zeitenwende herbeiführen dürften, Zeichen gesetzt haben sie sehr wohl. Seit jenem 1998 errungenen ersten Weltmeistertitel haben sich die Franzosen nicht mehr so einig gezeigt wie bei den am Sonntagabend ausgebrochenen Jubelfeiern. Zurück bleibt die Gewissheit, dass es funktionieren kann, dass die ethnisch und religiös auseinanderdriftende Nation die Reihen schließen kann, wenn sie nur will und dass alle dabei gewinnen können. Zurück bleibt, wie der Philosoph Roger-Pol Droit herausstreicht, ein gewachsenes Selbstwertgefühl.“

Georg Blume (Spiegel Online) nimmt sich deutsche Miesepeter zur Brust: „Wie Frankreich mit seinen Pogbas und Mbappés umgeht, wie selbstverständlich und unvoreingenommen das Land die beiden Finaltorschützen, noch dazu den jüngsten seit dem großen Pelé, zu seinen Helden kürt, sollte der im Streit um ihren deutsch-türkischen Nationalspieler Mesut Özil erstarrten deutschen Fußballöffentlichkeit eine Lehre sein. Es geht eben nicht mehr oder nur schlechter ohne Multikulti im Fußball.“

Ex-Nationalspieler und WM-Kolumnist Kevin Kuranyi (dw.com) packt gelangweilt die Koffer: „Es war aber eine WM, in der es nicht so schwer war, Weltmeister zu werden. Es gab nur ein paar Spiele auf spielerisch hohem Niveau. Bei Spanien gegen Portugal zum Beispiel ging es richtig hin und her. Ansonsten war das Niveau okay, aber nicht auf höchstem Level. Der Unterhaltungsfaktor war in vielen Spielen nicht sonderlich hoch.“

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