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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Am Stock

Oliver Fritsch | Montag, 19. September 2005 Kommentare deaktiviert für Am Stock

5. Spieltag – Claus Dieterle (FAZ 19.9.) vermisst Elan und Spielfreude: „Wenn sich die Bundesliga tatsächlich als Teil der Unterhaltungsbranche versteht, dann sollte sie sich vielleicht wieder einmal mit dem Thema Unterhaltungswert beschäftigen. Spielfreude und Spaß ist Deutschlands Fußball-Elite in dieser zugegebenermaßen noch jungen WM-Saison bislang ihrem zahlenden Publikum jedenfalls mehr oder weniger schuldig geblieben. Am Wochenende war der – hoffentlich vorläufige – Tiefpunkt erreicht. Da ist die Liga gerade fünf Spieltage alt, und es drängt sich irgendwie der Eindruck auf, als gingen die Herren Profis schon jetzt am Stock. Müde, unkonzentriert und meist bar jeglicher Kreativität schleppen sie sich über die 90 Minuten, als läge schon eine lange Saison hinter ihnen. Dabei stehen sie erst am Anfang einer Spielzeit, die immerhin als rauschende Ouvertüre für das Unternehmen WM-Titel 2006 gedacht war. Doch der Vorwärtsgang, von Jürgen Klinsmann auch im Liga-Alltag als bevorzugtes taktisches Stilmittel propagiert, ist schon wieder zum raren Phänomen auf den Spielwiesen geworden, das Wort Erlebnisfußball offenbar aus dem Sprachschatz gestrichen.“

Gespalten

Udo Muras (Welt 19.9.) gibt die starre Rangordnung der Liga zu bedenken: „Die Bundesliga 2005/06: wenn Siege keinen Spaß mehr machen und Niederlagen nicht mehr wehtun, ist etwas nicht in Ordnung. Wenn immer dieselben gewinnen und immer dieselben verlieren, kann man schwerlich noch von einer (!) Liga sprechen. Sie ist schon jetzt wieder gespalten in die ewig Siegreichen, die alljährlich reicher werden durch die Gelder aus der Champions League, in das gehobene Mittelmaß jener, die nie absteigen und den Rest, der aus acht, neun Kandidaten drei Absteiger ermittelt. Es gibt keine Überraschungen mehr.“

Gruselig

Rainer Moritz (FTD 19.9.) duselt ein: „Da tönte es wochenlang, welche tollen ausländischen Kicker mit einem Mal das Bundesligageld entdeckt hätten, und dann langweile ich mich schon nach fünf Spieltagen zu Tode. Bayern München würgt sich von 1:0 zu 1:0 und ist auf dem besten Weg, mit Skonto Riga zu konkurrieren. Kennen Sie nicht? Das ist dieser großartige Klub aus Lettland, der die Meisterschaft 14-mal hintereinander gewonnen hat; einen anderen Champion hat es in Lettland überhaupt noch nicht gegeben. Selbst wenn wir alle Hoffnung auf Werder Bremen setzen, wird es nichts werden mit der Bayern-Verhinderungsfront. In den nächsten Wochen werden die Trainer fallen wie Kastanien im Wind – ganz so, wie es der Dichter Fritz Eckenga in ‚Trainerherbst’ beschrieben hat: ‚Der Wind schon Sturm, das Blatt schon Laub/und alle Tage nachtgleich dunkel./Wie bald liegt schon der erste Staub/am Trainerplatz von Friedhelm Funkel.’ Stuttgart spielt zum Steinerweichen, Wolfsburg wie Wolfsburg. Hannover mauert sich ein, Hamburg ist wieder auf dem Teppich, und wenn alle Spiele so gruselig sind wie Bielefeld gegen Lautern, wird Synchronschwimmen zur Leitsportart der Deutschen.“

Elend

Philipp Selldorf (SZ 19.9.) hat den 1:0-Sieg Bayerns über Hannover überstanden: „Die Verzweiflung über dieses mühselige, über weite Strecken elende Spiel, das so amüsant war wie ein Leseabend mit Texten aus dem Baugesetzbuch, hatte auch Felix Magath erfasst. Der Münchner Trainer ist eigentlich ein geduldiger Mann, 1:0-Siege betrachtet er als höchstes Zeugnis gelungener Trainerarbeit, doch dieser Nachmittag hatte ihn nervös gemacht. Seine Stimme zitterte, als er gleich nach dem Abpfiff die erste Stellungnahme zum Spiel abgab, der Blick flackerte vor Erregung. Magath redete nicht darüber, dass seine Mannschaft ihr 14. Punktspiel hintereinander gewonnen und einen Bundesligarekord aufgestellt hatte, dass sie eine anspruchsvolle Woche ohne ihren Vorarbeiter Michael Ballack erfolgreich überstanden hatte, und dass sie zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison schon einen ausgesprochen homogenen Zustand erreicht hat. (…) Niemand verlangt ja, dass Hannover im Auswärtsspiel beim Tabellenführer ein Spektakel inszeniert, aber muss es gleich das radikale Gegenteil sein?“

Rückfall in alte Zeiten

1:1 gegen Nürnberg – in Wolfsburg spielt die Musik nicht, stellt Achim Lierchert (FAZ 19.8.) ermattet fest: „Von einer Einheit weit entfernt ist man in Wolfsburg, wo der Gesamtverein, der allerdings nur noch zehnprozentiger Anteilseigner an der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH ist, seinen sechzigsten Geburtstag feierte. Nun, im fünften Saisonspiel, gab es statt der Steigerung nach dem 0:3 in Berlin einen Rückfall in alte Zeiten, ins graue Mittelmaß. (…) Zur Nagelprobe wird nun ausgerechnet das Gastspiel beim niedersächsischen Rivalen Hannover 96. Ein Derby, das die Region zwar mobilisieren wird, das Fußball-Herz im östlichen Niedersachsen aber schlägt derzeit in Wolfsburgs Nachbarstadt Braunschweig, wo zuletzt 18 500 Fans die Zweitliga-Partie gegen Greuther Fürth sehen wollten. In Wolfsburg verloren sich eine Spielklasse höher gerade einmal 16 000 Zuschauer in der schmucken Volkswagen Arena.“

Pyrrhussieg

2:1 in Mainz, aber die Stuttgarter Fans hadern – und Gerd Schneider (FAZ 19.9.) mit ihnen: „Schon nach fünf Spieltagen, so scheint es, haben Trapattoni und die Mannschaft ihren Kredit bei der VfB-Kundschaft verspielt. Daß der Sieg die unzufriedenen Fans auf Dauer gnädig stimmt, ist unwahrscheinlich. Wer so schlecht spielt wie die glänzend besetzten Stuttgarter und glaubt, der aktuelle Fußball habe nur etwas mit dem Nutzwert zu tun und nichts mit Unterhaltung, darf sich nicht wundern, wenn das Publikum auf Konfrontationskurs geht. Es könnte sein, daß sich der glorreiche Erfolg bald als Pyrrhussieg herausstellt.“

Miserabel

Tobias Schächter (taz 19.9.) fügt hinzu: „Dem VfB und Trapattoni schenkte dieser erste Saisonsieg ein wenig Zeit, ohne dass die Zweifel an den seltsamen Entscheidungen des Italieners beseitigt werden konnten. Dafür war die Leistung des VfB zu miserabel.“

FR: Der VfB Stuttgart kann sich die graue Gegenwart in rosaroten Farben malen, weil Talent Gomez mit Vollspann in den Winkel trifft

Grandios

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 19.9.) bejubelt das 3:2 Bremens gegen Dortmund: „Es war ein grandioses, bewegtes Hin und Her auf dem Rasen, ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wie es am Tag darauf für die Bundestagswahl vorhergesagt worden war.“

taz: Ein gefühltes 0:0 gegen Frankfurt ist ausreichend, um den HSV auf den Boden der grauen Realität zurückzuholen

taz: Der 1. FC Köln schlägt Borussia Mönchengladbach mit 2:1 und verschiebt vorerst den Ärger um Lukas Podolski

taz: Der 1.FC Kaiserslautern quält Arminia Bielefeld mit destruktivem Technokratenfußball zur Torlosigkeit

Trainerstimmen zum Spieltag, sueddeutsche.de
Bildstrecke, sueddeutsche.de

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