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Bundesliga

Andreas Hinkel bleibt in Stuttgart, Shooting-Star Gambino

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Andreas Hinkel bleibt in Stuttgart, Shooting-Star Gambino

VfB Stuttgart – Hannover 96 3:1

Das lang ersehnte Zeichen

Michael Horeni (FAZ 24.11.) klopft Andreas Hinkel auf die Schulter: “Es lohnte, über den Torjubel im Wandel der Zeiten soziologische Studien anzustellen. Dabei ließe sich Aufschlußreiches erfahren über das Individuum, seine Rolle in Gesellschaft und Gemeinschaft und die daraus resultierenden Wechselwirkungen. Die Formen des Jubels nahmen über die Bundesliga-Jahrzehnte hinweg immer exzentrischere Formen an, aber seit einiger Zeit erfreut sich eine früher unbekannte Geste besonderer Beliebtheit, die sich auf neue Weise wieder traditioneller Fußballwerte bemächtigt. Als etwa der Bremer Ailton eines seiner nun dreizehn Saisontore bejubelte, zeigte er mit dem Finger demonstrativ auf das Klubwappen Werder Bremens, den Verein, den er im Sommer in Richtung Schalke 04 verlassen wird. Auch andere begehrte, schon abgeworbene oder fast verdrängte Profis verspüren mittlerweile immer stärker den Drang, das Emblem ihres Vereins zu küssen oder in anderer Weise zu ehren (…) Wenn Dinge demonstrativ gezeigt werden, verrät dies vor allem etwas über den damit verbundenen Mangel. Die modernen, stets wandernden Klubstars, diese Avantgarde der globalisierten Arbeitsverhältnisse, machen mit ihren Gesten daher auch deutlich, was sie eigentlich zu verschleiern suchen: daß sie Profis sind, die besten Einsatz für ihren Klub zeigen – aber eben nur so lange, wie sie von ihm bezahlt werden; und daß sie das Geschäft verstanden haben, indem sie Treuebekenntnisse gleich mitliefern. Die Zuschauer in Stuttgart hatten dagegen mit ihrem herzlichen Jubel vor dem Anpfiff ein sicheres Gespür dafür, daß solch eindeutige Taten mehr zählen als zweideutige Gesten: Das könnte wirklich einer von uns werden war die Botschaft, die von den Zuschauern, dem mittlerweile größten Treuefaktor im Bundesliga-Geschäft, ausging – neben der Hoffnung, daß die Unterschrift des Nationalspielers aus Leutenbach das lang ersehnte Zeichen war, um diese außergewöhnliche Mannschaft nicht den Gesetzen des Marktes anheimfallen zu lassen.“

Sternstunde für VfB-Fans

Martin Hägele (taz 24.11.) fügt hinzu: „Für die Fans des finanziell nicht auf Rosen gebetteten Klubs bedeutete Hinkels Bekenntnis eine Sternstunde: Man kann auch daheim und mit geschätzten zwei Millionen Euro Jahresgehalt glücklich werden. Es müssen nicht unbedingt 3,5 Millionen sein, wie sie in Offerten an die zwei 21-Jährigen Hinkel und Kuranyi herangetragen wurden bzw. noch immer werden. Vorstand Erwin Staudt sieht Hinkels Zusage als Signal dafür, dass die Märchengeschichte vom Aufstieg der jungen Talente fortgeschrieben werden kann. Felix Magath wertet es als Zeichen von großem Sportsgeist und zugleich auch ein Zeichen für ganz Fußball-Deutschland und die Arbeit von Rudi Völler. Dass ein junger Nationalspieler nicht dem Lockruf des Geldes erlegen ist, sondern seine sportliche Entwicklung in den Vordergrund stellt, bestätigt die These des Erfolgstrainers. Allerdings war Magath in den vergangenen Wochen, in denen der Poker um seine Jung-Stars schon den ganzen Klub zu spalten schien, nicht immer vom klaren Kurs der Hinkel-Familie überzeugt. Magath entschuldigte sich deshalb öffentlich bei Herbert Hinkel dafür, dass er ihn während der Vertragsverhandlungen um Gehalt und Laufzeit falsch interpretiert habe. Diese Geste hatte Stil, kein Mensch hatte dies von Magath verlangt. Doch sie zeigt auch, auf welche Weise nun mit Zvonimir Soldo, Marcelo Bordon, Timo Hildebrand und Kevin Kuranyi weitere Leistungsträger langfristig an den VfB gebunden werden sollen. Der VfB möchte eine internationale Topfirma werden, allerdings ein vernünftiges und kalkulierbares Unternehmen – ganz gewiss keine Traumfabrik mit wahnsinnigen Gagen für Ballkünstler und deren Agenten.“

Borussia Dortmund – Bayer Leverkusen 2:2

Ulrich Hesse-Lichtenberger (taz 24.11.) ist hingerissen: „Wir haben ein super Spiel gesehen!, sagte der gut gelaunte junge Mann. Er strahlte in die Runde und fügte hinzu: Mir ist so ein 2:2 lieber als ein doofes 0:0. An fast jedem Ort des Westfalenstadions hätte in diesem Moment – eine Stunde nach Ende des Bundesligaspiels zwischen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen – jemand zustimmend gerülpst und ein weiteres Bier bestellt, um einen kurzweiligen Nachmittag zu begießen. Der junge Mann aber hatte soeben den Kabinentrakt verlassen, um mit Leuten zu reden, deren Beruf es ist, Fußballspiele zu analysieren. Und die waren sich nicht ganz sicher, ob seine Begeisterung angebracht schien. Immerhin war Christian Wörns erst vor Wochenfrist dafür kritisiert worden, dass er als Verteidiger der deutschen Nationalelf seinen Job nur unzureichend versehen hatte – einen Job, von dem man sagen könnte, er besteht darin, für ein doofes 0:0 zu sorgen. Und nun waren schon wieder 90 Minuten vergangen, in denen seine Elf eigentlich ein halbes Dutzend Tore kassieren musste. Trotzdem nahm Wörns zum dritten Mal den Ausdruck super in den Mund, und so langsam begannen die Umstehenden zurückzugrinsen, weil es nicht schien, als versuchte Wörns, Kritik im Keim zu ersticken. Er hatte offenbar tatsächlich Spaß gehabt. Und warum auch nicht? Es gibt Tage, an denen man meckern muss, und solche, an denen man am besten nur grinst – und dies war einer der Letzteren. Zwischen der 24. und 37. Spielminute etwa konnte man gar nicht anders, als das Lexikon der Verbotenen Phrasen zu bemühen und den Terminus Chancen im Minutentakt nachzuschlagen. Während dieser 840 Sekunden boten die beiden Mannschaften der atemberaubenden Kulisse von 81.500 Zuschauern nicht weniger als zwölf exzellente Torgelegenheiten. Wer auch immer das Ganze dramaturgisch inszeniert hatte, verdient Respekt.“

Es wird Spiele geben, in denen er keine Tore schießt

Richard Leipold (FAZ 24.11.) porträtiert den „Mann des Tages“: “Samstagsspiele haben für Salvatore Gambino einen Vorteil. Der junge Italiener braucht am nächsten Tag nicht zur Schule zu gehen. Das heißt aber nicht, daß er die ersten Erfolge in seiner gerade beginnenden Karriere als Fußballspieler in vollen Zügen genießen soll, mag er die Rolle des jugendlichen Helden auf der großen Rasenbühne noch so mitreißend interpretieren. Die große Kulisse machte dem bald zwanzig Jahre alten Offensivspieler mit Blick für Ball und Raum nichts aus, auch wenn er sonst zumeist vor ein paar hundert Zuschauern in der Regionalliga-Mannschaft der Borussia kickt. Neben seiner Technik fiel vor allem die Selbstverständlichkeit auf, mit der er seine ersten beiden Torchancen in der Bundesliga nutzte. Nach dem Ausgleich der Leverkusener hätte Gambino sogar den Siegtreffer erzielen können. Dann wäre es dem übermäßig fürsorglichen Sammer noch schwerer gefallen, das neue Sternchen am Dortmunder Fußballfirmament vor all dem Lob zu schützen, das der Trainer so fürchtet wie Verletzungen. Der Trainer versuchte die unumgängliche Würdigung der außergewöhnlichen Leistung so gering zu dosieren wie möglich. Gambino besitze Spielintelligenz und habe gut gespielt, keine Frage, sagte Sammer. Aber es wird auch Spiele geben, in denen er keine Tore schießt. Wie leicht oder schwer der offensive Mittelfeldspieler seinen Aufstieg bewältigt, bleibt vorerst geheim. Sammer hat ihn angewiesen, Kameras und Mikrofone zu umdribbeln wie die Gegenspieler auf dem Platz.“

Fremdgesteuerter Amoroso

Richard Leipold (FAS 24.11.) schildert den Konflikt zwischen Amoroso und seinem Arbeitgeber: “Große Spieler neigen des öfteren zur Exzentrik. Ihre Unberechenbarkeit ist Stärke und Schwäche zugleich. Und es zeugt von höchstem Geschick, wenn Freunde und Vorgesetzte es fertigbringen, die Kreativität des Ausnahmeathleten zu fördern, ohne daß die Gemeinschaft allzusehr unter seinen Extratouren zu leiden hat. Manchmal gelingt diese Gratwanderung auf der grünen Ebene nur für eine Weile. Irgendwann verliert der Klub die Kontrolle, und das Drama nimmt seinen Lauf. Die Koordinaten der soeben noch vorhandenen erfolgreichen Zusammenarbeit geraten durcheinander. Und es tun sich Abgründe auf – sportliche, menschliche, wirtschaftliche und manchmal auch medizinische. Von solchen Abgründen handelt die Geschichte des genialen Fußballstürmers Marcio Amoroso von Borussia Dortmund. Der 29 Jahre alte Brasilianer hat sich mit fremder Hilfe im Berufsleben verdribbelt und steht nun im Abseits. Tragische Züge erhält Amorosos Leidensgeschichte erst durch die Hilflosigkeit, die seine Lage kennzeichnet. Sein Abseits läßt sich nur schwer aufheben, weil das Spielfeld des Lebens nicht so überschaubar ist wie ein Sportplatz (…) Amorosos Abseits ist an einem fernen Ort namens Campinas nahe der brasilianischen Großstadt Sao Paulo. Dort betreibt sein engster Vertrauter Nivaldo Baldo eine Klinik. Wie es heißt, ist er gar kein Arzt, sondern Physiotherapeut. Seinen Professorentitel soll er seinen Verdiensten um die Literaturwissenschaft verdanken. Aber Baldo hat Amoroso zweimal in dessen Karriere nach schweren Verletzungen wieder fit für den Spitzensport gemacht. Seitdem vertraut der Stürmerstar dem Therapeuten wie einem Guru. Freunde und Kollegen sehen in der Beziehung zu Baldo die Wurzel des Übels. Wenn man mit Amoroso persönlich spricht, ist er eigentlich ganz vernünftig, sagt Verteidiger Christian Wörns. Er könne sich nicht vorstellen, daß die verbalen Ausfälle der letzten Tage auf Amorosos Mist gewachsen sind. Wörns hält seinen Kollegen für fremdgesteuert. Vertraute in Deutschland sehen es ähnlich. Ein Bekannter sagt, am Telefon habe Amoroso zuletzt nervös und völlig durcheinander gewirkt. Das war nicht der Marcio, der hier abgeflogen ist. Amoroso sei mit dem Vorsatz nach Brasilien gereist, alsbald zurückzukehren; er habe darauf gehofft, noch in der Hinrunde wieder spielen zu können. Doch dann riet Baldo zu einer Knie-Operation in den Vereinigten Staaten und ließ den BVB über die Medien wissen, er befürchte eine Zwangspause von acht Monaten. Vordergründig beruft sich Baldo, inzwischen eine Art Lebensberater des Fußballprofis, auf medizinische Erkenntnisse oder auf das, was er dafür hält. Er kann aber auch anders. In der vergangenen Saison behauptete er, der Dortmunder Cheftrainer Matthias Sammer verabreiche in der Kabine Dopingmittel. Und Baldo scheute auch nicht davor zurück, den in der DDR aufgewachsenen Prinzipienreiter Sammer als Nazi zu bezeichnen. Seit diesen Entgleisungen hat Baldo bei der Borussia Hausverbot – wie bei Amorosos vorherigem Arbeitgeber AC Parma.“

Werder Bremen – VfL Bochum 3:1

Frank Hellmann (FR 24.11.) erweist Ailton Respekt: „Der Fan der Fans hatte die Forderung erhoben. Ailton hat die Wahl: Zwei Spiele ohne Tor – dann ist hier Ende. Trifft er weiter, dann ist alles vergessen. Dieter Zeiffer, seit über einem Jahrzehnt für die grün-weiße Sache im Einsatz, ließ es im Oktober nicht an markigen Worten fehlen, als Ailton seinen Abgang zum FC Schalke 04 erklärt hatte. Anderthalb Monate später üben sich Ailton und seine Anhänger in Variante zwei. Neben dem Fanbeauftragten huldigt halb Bremen dem Abtrünnigen. Selbst treue Dauerkartenbesitzer können sich kaum daran erinnern, dass ein Spieler bei seiner Auswechslung einen derartigen Applaus einheimste.“

Schalke 04 – Hansa Rostock 0:1

Richard Leipold (FAZ 24.11.) findet, dass Victor Agali es nicht verdient hat, zum Sündebock gemacht zu werden: “Die Fußballwelt ist hart und manchmal auch ungerecht. Nicht wenige Fans des FC Schalke 04 haben es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Enttäuschung über das Versagen des Kollektivs an einzelnen Spielern auszulassen. Am Samstag richtete der Volkszorn sich wieder auf Victor Agali. Als Stürmer ist der Nigerianer nur noch eine Zweitbesetzung. Wenn er aber mitkicken darf und die wenigen guten Chancen seiner Elf verstolpert wie beim 0:1 gegen Hansa Rostock, ist er für die Rolle des Prügelknaben weiter erste Wahl. Nach der Niederlage verspürte ein Teil der Schalker Anhänger das Bedürfnis, Agali mit Schimpf und Schande vom Platz zu jagen. Der empfindsame Profi fühlte sich getroffen und schimpfte zurück. Gestik und Mimik ließen auch von weitem die gegenseitige Geringschätzung erkennen. Der Arbeitstag endete für den verhinderten Torjäger so unerfreulich, wie er begonnen hatte. Manche Fans hatten ihn schon ausgepfiffen, als der Stadionsprecher ihn ankündigte. So etwas gehört sich nicht, sagte Manager Rudi Assauer später. Wenn es um Agali geht, lassen die Fans sich ihren Mißmut nicht einmal von dem Mann ausreden, der nicht nur die Meinungshoheit im Klub besitzt, sondern auch an der Basis als Respektsperson gilt. Die sportliche Ehre des Victor Agali wird auch Assauer mit seinen Aufrufen nicht mehr retten können. Die Anhänger sind es leid, den Angreifer regelmäßig am Tor vorbeischießen zu sehen.“

1860 München – Bayern München 0:1

Bekenntnis zum Pragmatismus

Andreas Burkert (SZ 24.11.) erläutert die Äußerungen der Sieger: “Tatsache ist, dass den Bayern ihr hässlicher Auftritt ziemlich egal gewesen ist. Sie haben ja gewonnen. Und nichts anderes zähle vor der Partie in Schottland, in der es um den Verbleib an der Geldquelle Champions League geht, um die Reputation des Teams und womöglich auch um die mittelfristige Zukunft des Trainers. Bixente Lizarazu nennt den Showdown bei Celtic (Samstag 5:1 bei Dundee United, der zwölfte Sieg in Serie) „das vielleicht wichtigste Spiel des Jahres“ – und die Münchner Stadtmeisterschaft „eine gute Vorbereitung, denn das war ein Match mit viel Zweikampf“. Der französische Weltmeister sagte das alles in Englisch, nur das Wort „Zweikampf“ sprach er deutsch aus – es ist bei den Bayern fraglos als Kurzformel für den Lösungsansatz ausgegeben worden, mit dem man in der Not der spielerischen Krise begegnen möchte. Lizarazu sagt: „Der Stil des FC Bayern ist Gewinnen – egal, wie es aussieht.“ Am Samstag haben die Bayern demnach ein Bekenntnis zum Pragmatismus abgelegt.”

Er hat die Kränkungen des DDR-Systems nicht vergessen

Christian Zaschke (SZ 22.11.) porträtiert Falko Götz, Trainer von 1860 München: „Es geschieht selten, dass Götz Kompromisse macht. Seit seinem Amtsantritt als Cheftrainer beim TSV 1860 München am 12. März 2003 hat er gezeigt, dass er eine klare Vorstellung hat von dem, was er will, und dass er wenig akzeptiert außerhalb dieser Vorstellung. Er muss manchmal kleine Kompromisse machen, weil die Mannschaft noch nicht so weit ist, wie er sich das wünscht, weil zudem manche Spieler nicht genügend Talent haben, um seine Idee vom Fußball umzusetzen. Aber das sind Kompromisse, mit denen er leben kann. Die reine Form des Fußballs beschreibt Falko Götz so: „Gute Organisation, attackiert.“ Er hat drei Wörter gebraucht, um sein Ideal zu beschreiben. Und sich selbst. Götz sagt: „Ich bin ein Mensch, der nach einem Plan arbeiten muss.“ Götz sagt: „Ein Konzept ist ein Weg zum Ziel. Das Konzept muss getragen werden von Strukturen.“ Alles Wörter, die nicht gerade vor Leben bersten, Plan, Konzept, Struktur, das klingt nicht nach Abwehrschlacht und Angriffsfußball, nach Leidenschaft, doch für Götz verbirgt sich all das hinter diesen Begriffen. Er ist dabei, ein organisches Gebilde, den TSV 1860 München, diesen Begriffen zu unterwerfen. Sein Ziel: „Die Erfolge wie Champions League oder Uefa-Cup, die 1860 in der Vergangenheit eher zufällig erreicht hat – das sind Ziele, die der Verein langfristig planvoll erreichen könnte.“ Bislang sträubt sich das organische Gebilde noch (…) Etwa, als er mit 18 wusste, dass er in den Westen fliehen würde, drei Jahre, bevor er im November 1983 bei einem Europapokalspiel seines Klubs Dynamo Berlin bei Partizan Belgrad tatsächlich floh. Mit 18 wollte er nicht fliehen, „dann hätten sie mich im Westen wie einen A-Jugendlichen behandelt“. Er erspielte sich geduldig einen Namen. Dann floh er. „So war der Plan“, sagt Götz, und er lacht, vielleicht, weil ihm beim Erzählen klar wird, wie unglaublich konsequent das klingt. Er hat die Kränkungen des Systems nicht vergessen. Die DDR hat ihm keinen Abiturplatz gegeben, weil er nicht Offizier werden wollte, die DDR hat ihm keine Wohnung gegeben, als er längst Oberliga-Spieler war, weil er West-Verwandtschaft hatte. „Da habe ich mir meinen eigenen Text gemacht“, sagt Götz. In seiner Handschrift.“

Nina Klöckner (FTD 24.11.) hat Oliver Kahn nach seiner Meinung zum Spiel gefragt: „Man hat ja in den vergangenen Monaten schon geahnt, dass der Torhüter Oliver Kahn in seiner eigenen Welt lebt. Seit Samstag ist das nun so gut wie gesichert. Nach dem 1:0-Sieg trat der Kapitän vor die Mikrofone und erklärte aufgeräumt, wie tapfer sein Team den knappen Vorsprung nach dem Platzverweis von Hasan Salihamidzic ins Ziel gerettet habe. Dass bei der Aktion in der 60. Minute auch der 1860-Profi Andreas Görlitz wegen wiederholten Foulspiels zum Duschen geschickt wurde, hatte der Torhüter einfach nicht mitbekommen. „Ich war so konzentriert“, sagte er hinterher entschuldigend. Nun ist es aber nicht so, dass dem Torhüter alle pikanten Details entgangen wären. Er hat sehr wohl bemerkt, wie viel Mühe seine berühmten Vorderleute damit hatten, den kleinen Nachbarn in die Knie zu zwingen.“

Worst Case

Daniel Pontzen (Tsp 24.11.) beschreibt die Worthülsen von Karl-Heinz Rummenigge: „Wenn der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das Wort ergreift, dann ist die FC Bayern AG häufig ein bisschen mehr AG als FC. Technokratische Vokabeln finden in der Sprache des ehemaligen Mittelstürmers Verwendung, Vokabeln wie „Profitabilitätskriterien“ oder „Joint-Venture-Aufgaben“ schleichen sich immer wieder in seine Sätze ein. Nach dem glücklichen 1:0 der Bayern gegen den TSV 1860 aber beschränkte sich Rummenigge auf allgemein verständliche Worte. „Für uns ist im Moment wichtig, dass wir gewinnen, für die Tabellensituation und fürs Selbstvertrauen“, sagte er nach dem schwachen Spiel seiner Mannschaft. Erkenntnisse im Hinblick auf das vorentscheidende Champions-League-Spiel bei Celtic Glasgow? „Jedes Spiel ist anders. Das in Glasgow wird sicher noch mal schwerer sein als das Derby.“ Vor allem wichtiger. Gelingt kein Sieg, ist das zweite frühzeitige Ausscheiden in Folge wohl kaum mehr abzuwenden: „Worst Case“ heißt der Begriff, den Rummenigges Sprache für diesen Fall bereithält.“

Nicht einmal einen Eckball

Joachim Mölter (FR 24.11.) ist enttäuscht: „In vielerlei Hinsicht war das 198. Fußball-Derby zwischen dem TSV 1860 und dem FC Bayern typisch für die Aufeinandertreffen der Münchner Bundesliga-Clubs: Es gab zwei Platzverweise, für jede Mannschaft einen; die Löwen waren engagierter, die Bayern erfolgreicher. Makaays siebter Bundesliga-Treffer resultierte aus dem ersten von insgesamt nur drei gefährlichen Angriffen; sie waren derart harmlos, dass sie nicht einmal einen Eckball herausholten. Die Profis des FC Bayern trabten am Samstagnachmittag so gedankenverloren über den Rasen, dass Hitzfeld sinnierte, mit wie wenig Leidenschaft man doch dieses Derby bestreiten kann. Es wäre allerdings nicht verwunderlich gewesen, wenn die Bayern-Akteure sich mit anderen Themen beschäftigt hätten. Am Freitagabend waren sie informiert worden über den Fall Sebastian Deisler.“

Kommentare zu Sebastian Deisler

1. FC Köln – Hamburger SV 0:1

Christoph Biermann (SZ 24.11.) leidet mit den Kölnern: „Es ist eine schmerzhafte Kunst, die der 1. FC Köln in diesem Jahr zu grausamer Perfektion bringt. Als wolle der Bundesligaaufsteiger enzyklopädisch komplett alle Formen des Verlierens durchdeklinieren, reiht er verlorenes Spiel an verlorenes Spiel. In zehn von 13 Partien dieser Saison gingen die Fakire des Fußballs als die unterlegene Mannschaft vom Platz. Das summiert sich nicht nur zum schlechtesten Saisonstart der Klubgeschichte, die Kölner haben auf fast alle erdenklichen Weisen verloren. Es gab zum Saisonstart die unglückliche Niederlage (in Mönchengladbach), dann die blöde (gegen Kaiserslautern) und die tragische (in Schalke), die verdiente (bei München 60), die verrückte (gegen Wolfsburg) und die erschreckende (gegen Bremen), die deprimierende (in Frankfurt), die groteske (gegen Hannover) und die desolate (in Bochum). Das 0:1 gegen den Hamburger SV aber war die schlimmste von allen (…) Der Trainer durfte eine „bessere Leistung in der Defensive“ feststellen, aber beim Zusammenkramen der positiven Aspekte klang der Schweizer wie ein Autofahrer, der nach einem Unfall vor dem kokelnden Wrack seines Wagens steht und feststellt, dass der linke Vorderreifen und das Lenkrad noch zu gebrauchen sind. Schlimm machte die Niederlage gegen eine bestenfalls durchschnittliche Hamburger Mannschaft nämlich, dass sie irgendwie normal wirkte.“

VfL Wolfsburg – Borussia Mönchengladbach 1:3

Achim Lierchert (FAZ 24.11.) teilt mit: „Nichts lesen, nichts hören, nichts sehen – so hatte Holger Fachs Maxime in dieser Woche vor der Begegnung gelautet. In die Abgeschiedenheit der Südheide hatte sich die Borussia vier Tage vor dem Spiel zurückgezogen. Das Kalkül, sich im Trainingslager auf die Partie in Wolfsburg einzustimmen, ging auf. Voll konzentriert löste die Mannschaft die Aufgabe gegen die offensiv so gefährlichen Wolfsburger, traf diese an ihren empfindlichen Punkten in der Defensive (…) Tristesse pur in Wolfsburg. Der angestrebte Platz im oberen Tabellendrittel ist vorerst aus dem Blick der Niedersachsen geraten. Und daß man mit Hilfe des potenten Sponsors, des Volkswagen-Konzerns, nun in der Wintertransferperiode noch einmal in neue Spieler investiert, gilt als unwahrscheinlich.“

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