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Bundesliga

Ereignis des Fußball-Wochenendes

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Ereignis des Fußball-Wochenendes

Über dasjenige Ereignis des Fußball-Wochenendes, welches die größte öffentliche Aufmerksamkeit absorbiert haben wird, ist am heutigen Montag noch recht wenig im deutschen Blätterwald zu finden: Die sonntägliche 0:2-Niederlage der Bayern in Bremen wird durch Redaktionsschlüsse bedingt erst morgen bewertet werden.

Dass der FC Bayern dennoch mit zwei Punkten Vorsprung als Tabellenführer ins kommende Spitzenspiel gehen wird, ist dem erneuten Patzer der international glorreichen Dortmunder im grauen Alltag zu schulden. „Nach Dortmunds Höhenflug gegen Arsenal kam es bei der Landung auf dem Bundesliga-Rollfeld, wie es alle hatten kommen sehen” lesen wir in der SZ.

Der (für die Bayern mittlerweile nicht mehr nur lokale) Konkurrent 1860 München nutzte am Samstag die Gelegenheit, um mit einem 3:1-Sieg gegen Bielefeld sich ins Rampenlicht zu spielen. Noch nie sah man Fernsehstudios von „Löwen“ derart bewildert. Doch angesichts dieses überraschenden Höhenflugs ist die FAZ skeptisch: „Erst der VfL Bochum, dann Hansa Rostock und nun München 1860. Die Bundesliga hat in ihrer noch jungen Saison schon so manchen Außenseiter nach oben gespült. Der Aufsteiger von Trainer Peter („der Große“) Neururer und die Schweden-Enklave an der Ostsee haben sich in der Hierarchie schon wieder an den für sie reservierten Plätzen eingeordnet. Wie lange können sich die „Löwen“ auf dem dritten Platz halten?”

Zur Diskussion um Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld wirft Wolfgang Hettfleisch (FR 4.11.) ein. „Dankbarkeit aber darf der leitende Angestellte nicht erwarten. Für einen Topklub wie die Bayern sind Trophäen schon am Tag, nachdem sie von glückstrunkenen Mannsbildern in den Himmel gestemmt wurden, kaum mehr als schmucke Staubfänger. Die Vergangenheit, in diesem Metier doch so oft und gern beschworen, ist nichts weiter als ein Steinbruch für wohlfeile Legenden. Er wird bevorzugt dann aufgesucht, wenn jemand schweres Material benötigt, um es einem anderen über den Schädel hauen zu können. Und so kann der November-Hitzfeld 2002 dieser Tage wahrhaftig seinem eigenen Mythos begegnen – in Stein gemeißelt, von anderen drohend über seinem Haupt geschwungen. Einer muss selbiges ja hinhalten, wenn die Dinge nach den überaus strengen Maßstäben der Bayern-Verantwortlichen aus dem Ruder laufen. Hatte nicht Hitzfeld freie Hand, anzuheuern, von wem auch immer er sich sportliche Rendite versprach? Hat nicht der 53-Jährige vor dieser Saison in Michael Ballack den torgefährlichsten deutschen Mittelfeldspieler und in Zé Roberto die höchste in der Liga verfügbare B-Note bekommen (…) Einem anerkannten Meister seiner Kunst, einem mit vielen Meriten und tadelloser Reputation, schießt man nicht auf offener Bühne in den Rücken. Da gibt es andere Möglichkeiten. Fortwährendes Geschwätz kann töten. Kaltblütiges Schweigen auch. Im Fußball und in etlichen fälschlich Redaktion geheißenen Garküchen drumherum sind derlei Techniken vertraut. Und Mathe-Lehrer Hitzfeld kann allemal zwei und zwei zusammenzählen. Was da um ihn herum läuft, ist die Inszenierung seines angekündigten Todes. Trainer-Mord auf Raten.“

1860 München – Arminia Bielefeld 3:1

Joachim Mölter (FAZ 4.11.). „Die Münchner siegten 3:1 und verteidigten damit nicht nur den dritten Tabellenplatz, auf den sie sich vorige Woche nahezu unbemerkt geschoben haben. Sie boten gegen den keineswegs enttäuschenden Aufsteiger auch eine Halbzeit lang einen munteren Angriffsfußball, wie man ihn im Münchner Olympiastadion seit längerem nicht gesehen hat (…) Die Münchner haben derzeit ihre Stärke in der Offensivabteilung. Sie können es sich leisten, den Torschützenkönig der Weltmeisterschaft 1998, den Kroaten Davor Suker, ins Mittelfeld zu stellen und den Bundesliga-Torschützenkönig der vergangenen Saison, Martin Max, zunächst einmal auf die Bank zu setzen. Die jungen Schroth (bislang sechs Saisontore) und Lauth (fünf) gleichen das problemlos aus. Auch die Abwehr um die Innenverteidiger Tomas Votava und Rodrigo Costa ist stärker als in den vergangenen Jahren, was nicht heißen soll, daß sie unbezwingbar ist. Aber dank Simon Jentzschs derzeitigem Formhoch haben die Münchner schon fünfmal zu null gespielt.“

Christian Zaschke (SZ 4.11.). „Die Sechziger haben in der ersten Halbzeit der Partie gegen Bielefeld teilweise hervorragenden Kombinationsfußball gezeigt. Sie spielten schnell nach vorne, manchmal bauten sie gar einige Schnörkel ein. 1860 und Schnörkel, diese beiden Wörter gehörten seit einiger Zeit schon nicht mehr in einen Satz. Die Frage vor der Begegnung war: Würden die Löwen in der Lage sein, gegen einen nominell schwächeren Gegner das Spiel zu machen? Nach 45 Minuten lautete die Antwort: ja. Aber zu welchem Preis? Peter Pacult nennt den Preis: „Lücken.“ Er kann Lücken nicht leiden. Das Mittelfeld rückte für seine Begriffe zu weit auf, so dass sich für Bielefelder Gegenangriffe einiger Platz öffnete (…) Der Trubel begann erst nach dem Spiel: 1860 München auf allen Kanälen. Lauth saß bei ran, Jentzsch im Sportstudio, Pacult beim Stammtisch des DSF. Man kann also sagen, dass 1860 München zumindest an diesem elften Spieltag die Hoheit über die Fußballsendungen des deutschen Fernsehens übernommen hatte. Es war ganz lustig zu sehen, dass die Fernsehmenschen nicht so recht wussten, was sie Lauth und Jentzsch fragen sollten, weil sie wenig über den Verein und über seine Spieler wissen. Allein bei Trainer Peter Pacult gab es keinen Mangel an Fragen. Er hatte seine gute Laune wiedergefunden, munter sprach er davon, dass man schnell 40 Punkte erreichen wolle, es sei längst nicht alles rosig, und immer so weiter. Was für ein herrlicher Tiefstapler.“

Kathrin Zeilmann (taz 4.11.). „Rund ein Jahr ist Pacult nun deren Trainer, nach Werner Lorant war er zunächst als Übergangslösung geplant. Doch der Österreicher hat die Mannschaft umgebaut, ihr funktionierenden Konterfußball und spielerische Klasse beigebracht. Dazu hat er auch immer wieder kämpferischen Fußball gefordert. Und erhat die nötige Ruhe in Training und Umfeld gebracht: Der ehemaliger Weltklassestürmer Davor Suker weicht klaglos dem jungen Benjamin Lauth und leistet nun im Mittelfeld wertvolle Dienste. Auch Torjäger Martin Max, angesichts des Erfolgs von Schroth und Lauth auf die Bank verbannt, beschwert sich nicht, zumindest nicht öffentlich. Benjamin Lauth wiederum ist ein erfrischendes Energiebündel, das mit seiner jugendlichen Lockerheit dem oft als graue Maus bezeichneten Verein ein bisschen Farbe gibt.“

Daniel Pontzen (Tsp 4.11.). „Die Sympathien der meisten Münchner gehören ohnehin 1860. Selbst in Zeiten, als der Marienplatz dem Meister zu Ehren alljährlich in tiefem Rot versank und Sechzig in der Bayernliga der SpVgg Plattling und dem TSV Ampfing trotzte, war das nicht anders. Auch der Vergleich der sportlichen Führung spricht derzeit nicht für die Bayern. Beckenbauer, nach der AG-Umwandlung aus dem Tagesgeschäft verdrängt, geißelt wortreichalles und jeden, der an der Säbener Straße Verantwortung trägt. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Manager Uli Hoeneß verweigern beharrlich Rückendeckung für den Trainer. Geordnete Kompetenzverteilung sieht anders aus. Etwa so wie bei 1860: Ein Organigramm der Entscheidungsgewalt beim TSV 1860 ließe sich mit einem Kreis und einem darin stehenden Namen darstellen. Mit dem von Karl-Heinz Wildmoser. Der Präsident, der für seine kickende Belegschaft regelmäßig charmante Kosenamen wie „Haubentaucher“ oder „Halberwachsene“ erfindet, herrscht in großmütiger Gutsherrenart an der Grünwalder Straße. Jüngst ließ er verkünden: „Der Peter Pacult, der kann doch froh sein, dass er einen Bundesligisten trainiert.“ Dabei macht Pacult – nimmt man Beckenbauers Forderungen zum Maßstab – seine Sache sehr manierlich. „Ich als Trainer würde es als große Herausforderung ansehen, mal einen jungen Spieler auszubilden und den in die erste Mannschaft zu bringen“, moserte der einstige DFB-Teamchef in Richtung Hitzfeld – ein Vorwurf, der Pacult kaum zu machen ist. Bedingungslos setzt der Österreicher auf junge Spieler wie Martin Stranzl, Remo Meyer und vor allem Benjamin Lauth, der bereits als nationaler Hoffnungsträger gehandelt wird. Owen Hargreaves und Roque Santa Cruz dagegen, erwiesenermaßen ausgestattet mit erheblichem Talent, haben selbst nach drei Jahren im Bayern-Kader noch keinen Stammplatz.“

Detlef Dresslein (Tsp 2.11.) beschreibt die Münchner Stadtmeisterschaft. „Es sind dies die Tage des stillen Genießens für alle Fans des TSV 1860 München. An der Säbener Straße, beim stets so superioren FC Bayern, findet ein Inferno statt, blamiert man sich sportlich wie administrativ. Und das ewig im Schatten stehende weiß-blaue Münchner Fußball-Unternehmen von der Grünwalder Straße ist derweil unbemerkt auf Platz drei der Bundesliga-Tabelle geklettert. Für gewöhnlich dürfen sich die Sechziger wie ein überflüssiges Anhängsel fühlen. Bestenfalls beachtet man sie, wenn es darum geht, ein neues Stadion zu bauen. Sonst wird der TSV 1860 vom FC Bayern ignoriert. Was ja fast schon schlimmer ist, als bekämpft zu werden. Aber im Gegensatz zu den Bayern hat der TSV 1860 in dieser Saison alles richtig gemacht. Und das mit weit weniger finanziellem Aufwand und ohne überhöhte Erwartungen zu wecken. Trainer Peter Pacult spricht nie vom besten Kader aller Zeiten. Ob er das ist, sei dahingestellt. Ein guter ist es auf jeden Fall.“

Thomas Becker (FR 2.11.) erkennt einen Emanzipationsprozess. „Diesen Möchte-Gern-FC-Bayern, die früher nur ins Fernsehen kamen, weil sie ein Rumpelstilzchen auf und vor allem vor die Trainerbank platziert hatten? Wegen ihres Präsidenten, der nicht nur eine Gaststätte hatte, sondern auch eine heftige, gern auch öffentlich schwankende Männerfreundschaft zu eben diesem Rumpel-Trainer? Die in den vergangenen acht Jahren (mit einer Ausnahme: Rang vier im Jahr 2000) stets im Tabellen-Niemandsland zwischen sieben und 14 landeten. Die lange vor allem wegen des kleinen, säbelbeinigen Ex-Weltstars und seiner untreuen Manager-Gattin in der Zeitung standen. Deren kaum mehr als 20.000 Fans wieder zurück ins kuschlig-baufällige Grünwalder Stadion wollen, bald aber mit den ungeliebten großkopferten Nachbarn vom FC Ruhmreich in den schon vor Grundsteinlegung gehassten Kaiser-Palast in Fröttmaning ziehen müssen. Dieser so offenkundig merkwürdige Verein scheint sich gemausert zu haben. Hat einen Trainer (meist auf der Bank), der zwar ein bisschen komisch redet (er ist Österreicher), sich aber nicht aufführt, sondern still seine Philosophie von Fußball umsetzt, statt wie ein Angeschossener durch die Gegend zu blaffen (…) Pacult, dem etwas zäh wirkenden Wiener, trauten viele nicht allzu viel zu. Zu lange hatte er als Co-Trainer unter Lorant gedient und wohl auch gelitten. So wundert es nicht, dass die Emanzipation langsam von statten ging. Doch wer sich heute den Löwen-Kader anschaut, findet darin Namen und Geburtsdaten, die es unter Lorant nie gegeben hätte.“

Energie Cottbus – Schalke 04 0:1

Christian Ewers (FAZ 4.11.). „Der vom Präsidenten Dieter Krein und Manager Stabach veranlaßte Umbau des Kaders bringt derzeit nichts außer Verunsicherung. Die personalpolitischen Fehler sind vor Saisonbeginn gemacht worden; jetzt können sie während des laufenden Spielbetriebs nicht mehr korrigiert werden. Geradezu panikhaft hatte der FC Energie nach einem Stürmer gefahndet. Geholt wurde schließlich Paulo Rink, ein arbeitsloser Angreifer, der sich in den Verhandlungen mit seinem alten Klub 1. FC Nürnberg verspekulierthatte. Für Rink griff Stabach tief in die Vereinskasse – zurückgezahlt hat der ehemalige deutsche Nationalspieler bislang wenig. Gegen den FC Bayern schoß er ein schönes Tor, das ist aber auch schon alles. Im Spiel gegen Schalke fremdelte er wieder mit seinem Sturmpartner Marko Topic und wurde schließlich ausgewechselt. Die Misere in der Offensive ist groß: Mit nur fünf erzielten Toren stellt Cottbus die angriffsschwächste Mannschaft der Liga. In der vergangenen Saison war der FC Energie zumindest im eigenen Stadion eine Macht gewesen. Zu Hause wurden die Punkte geholt, da konnten die Gegner noch so berühmte Namen tragen. Jetzt können die Cottbuser noch nicht einmal auf ihre Heimstärke bauen – der letzte Erfolg datiert vom 30. März gegen den SC Freiburg.“

Frank Ketterer (taz 4.11.). „Das Schalker Spiel kam frei von jeglicher Spielidee daher. Weder dem jungen Dänen Christian Poulsen noch Sven Kmetsch gelang es, das Dirigat im Mittelfeld zu übernehmen, davor mühte sich Marc Wilmots mehr, als dass er spielte, die Spitzen Sand und Varela wiederum waren von Beeck und Löw weitgehend abgemeldet. Der Tabellenletzte aus Cottbus wirkte in einem alles in allem armseligen Kick über weite Strecken frischer, schneller, engagierter, kurzum: besser. Zumindest bis Möller kam, das Gewürge der Kollegen wenigstens im Ansatz ordnete – und dann auch noch den entscheidenden Freistoß um die allerdings nur halbherzig gebaute Mauer und ins Tor trat. Dem FC Schalke 04 hat der Sieg den Anschluss an die Sonnenplätze der Liga erhalten, den FC Energie Cottbus hat er noch weiter ins Tal der Tränen gestürzt.“

Javier Cáceres (SZ 4.11.). „Zu den Gesetzmäßigkeiten im Fußball zählt, dass Talent oft entscheidend ist, wenn sich zwei Mannschaften gegenüberstehen, die ein Spiel allein der Willkür der Muskeln unterwerfen – wie am Samstag in der Lausitz. Schon deshalb wirkten die 22 Minuten, die Möller mitspielte, entschädigend, und sie waren eine Lektion für Neubarth, der zuvor auf Möllers vermeintlich unzulängliche Kampfkraft verwiesen hatte, um dessen Reservistenrolle zu rechtfertigen. Zwar lässt sich Möllers Beitrag nicht als brillant beschreiben. Doch mit ihm hatte Schalkes Spiel plötzlich eine Achse. Und sein Freistoß-Treffer war ein Kunststück, das selbst Fußballverächtern gefallen musste.“

Bayer Leverkusen – VfB Stuttgart 0:1

Im Rahmen des 1:0-Erfolgs in Leverkusen analysiert Peter Heß (FAZ 4.11.) die Stuttgarter Personalpolitik. „Den Luxus der ungehemmten Nachwuchspflege kann sich nur Felix Magath wegen der finanziellen Not seines VfB Stuttgart leisten. Hinkel, Wenzel, Hleb, Kuranyi, Amanatidis und Tiffert spielen und spielen und werden dabei immer besser und besser. Der VfB ist mittlerweile im Bereich der Uefa-Cup-Ränge angekommen. Das muß nicht heißen, daß die Entwicklung sich geradlinig fortsetzt oder wenigstens das Erreichte gesichert wird. Aber der Jugendkult ist eine preiswerte und Identifikation schaffende Alternative zu den hektischen Einkäufen eines 1. FC Kaiserslautern, Hamburger SV, Energie Cottbus oder 1. FC Nürnberg. Die Bundesliga ist in diesem Jahr so ausgeglichen, daß mindestens acht Mannschaften noch den ersten Rang hinter Bayern München und Borussia Dortmund erobern können. Der VfB Stuttgart wird, falls es dazu nicht reicht, zumindest preiswert scheitern.”

Zum Vorschlag des VfB-Managers Rüssmann, Spieler sollten in Anbetracht der Finanzlage des Vereins zu dessem Wohle auf Teile ihres Gehalts freiwillig verzichten, meint Erik Eggers (Tsp 4.11.). „Das allgemein gültige Bild des Fußballprofis als profitorientierter Angestellter, einer, der nur auf Mammon und Moneten schielt, war lange Zeit in Stein gemeißelt. Muss dieses Bild, da die geplatzte Luftblase der New Economy nun auch den Fußball betrifft, nun plötzlich revidiert werden? Findet gerade eine seltsame Metamorphose statt, wandelt sich der fiese und in Verhandlungen unnachsichtige Fußballprofi zu einem barmherzigen Samariter? Aber, lieber Herr Rüssmann: Ist das nicht Sozialromantik? Herr Rüssmann findet diese Nachfrage fast unverschämt. Er klärt auf über die momentane Lage in der Industrie, darüber, dass Arbeitnehmer heute Zugeständnisse zu machen haben, wollen sie ihren Arbeitsplatz behalten.“

Richard Leipold (FAZ 4.11.). „Vier Tage nach dem umjubelten Einzug in die Zwischenrunde der Champions League wirkten die Leverkusener verkatert. Sie bezahlten das Fortkommen in der europäischen „Königsklasse“ mit einem, wie Toppmöller sagte, „bitteren Rückschlag“ im Alltagsgeschäft. Nach dem internationalen Festakt hatte mancher Profi offenbar angenommen, der VfB Stuttgart böte leichte Kost, genau richtig für ein bekömmliches Katerfrühstück. Die Vorstellung, mit übermüdeten Schwaben leicht fertig zu werden, war so trügerisch wie verlockend. Während die europäische Pflicht Bayer schon am Dienstag gerufen hatte, hatte der VfB in weniger als zwei Tagen ein Pflichtenheft abzuarbeiten, dessen Termine für Regeneration so gut wie überhaupt keinen Platz ließen. Gerade sechsundvierzig Stunden waren zwischen den Auftritten in Budapest und Leverkusen vergangen. Dennoch zeigten sich die Stuttgarter bis zur Pause putzmunter; ihre Frische fiel um so mehr ins Auge, weil die vergleichsweise ausgeruhten Leverkusener ihren Wettbewerbsvorteil ins Gegenteil verkehrten.“

Christoph Biermann (SZ 4.11.). „Gerade einmal 46 Stunden vor der Partie bei Bayer waren sie noch im Uefa-Cup bei Ferencvaros Budapest tätig gewesen und wirkten dennoch so frisch wie der neue Morgen. „Wenn man müde ist, ist der Wille gefragt“, sagte Krassimir Balakov. Aus dem ergab sich schön anzuschauender Fußball, vom toll haltenden Keeper Ernst über deneleganten Abwehrchef Meira, den starken Soldo und den hinreißend eleganten Hleb. Auch Balakov hatte einen seiner guten Tage, an denen der 35-Jährige mit seiner Mischung aus Eleganz und väterlicher Sorge ums Team fast rührend wirkt. VfB-Trainer Felix Magath fand hinterher, dass der Klub den Spielern nun ruhig mal wieder Prämien bezahlen könnte. „Das würde ich gerne“, sagt Rolf Rüssmann. Nur fehlt halt immer noch Geld, weshalb der Manager des VfB Stuttgart eine besondere Prämienlogik aufmacht. „Die Spieler haben verstanden, dass Erfolge ihre Gehälter sichern“, sagt er. Das hat die Mannschaft auch geschluckt, „weil die meisten hier brave Typen sind“, wie Torhüter Thomas Ernst findet. Die junge Sturmhoffnung Kevin Kuranyi ist jedoch der Ansicht: „Mit Prämien würde ich noch besser spielen.“ Das gilt vielleicht auch für Viorel Ganea, den ein bemerkenswerter Fall von Torjägerwahnsinn überfiel. Vier Chancen bester Qualität vergab er nach seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit innerhalb von sechs Minuten. Unfassbar war das und in der Bundesliga ungesehen. Seine Kollegen tobten, und Felix Magath nahm den Rumänen mit entschuldigendem Achselzucken nach nur 22 Minuten wieder vom Platz.“

Hansa Rostock – 1. FC Kaiserslautern 2:2

Friedhard Teuffel (FAZ 4.11.). „Dieser kleine Erfolg ist wohl auf einen Bewußtseinswandel der Pfälzer zurückzuführen. „Langsam hat es jeder kapiert, wo wir stehen“, sagte Ciriaco Sforza. Es ist der tiefste Abstiegssumpf, aus dem es mit leichten, feinen Schritten kein Entkommen gibt, sondern nur mit Kraft und Willensstärke. Offenbar haben jetzt alle Lauterer einen Blick nach unten getan und gesehen, was sich unter ihren Füßen auftut. So wie sie sich am Samstag anstellten, wollen die Spieler endlich weg vom Rande des Abgrunds. Es war jedenfalls keiner mehr auf dem Platz zu sehen, der sich nicht die Schuhe schmutzig gemacht hätte. Einzelne von ihnen ließen bei allem Kampf noch spielerische Qualitäten erkennen. Mario Basler zum Beispiel grätschte in der eigenen Hälfte die Rostocker Angriffe ins Seitenaus und spielte vorne die Bälle paßgenau auf seine Mitspieler. Basler bleibt auch im härtesten Abstiegskampf einer der größten Flankenspezialisten der Bundesliga. Weil sich die Rostocker ebenfalls größte Mühe gaben, Anschluß nach oben zu halten, wenn auch nach weiter oben als die Lauterer, kam ein sehr unterhaltsames Spiel zustande. Kaum hatte eine Mannschaft einen Angriff mit einem Torschuß abgeschlossen, war die andere am Zug. Beide Teams trugen ihre Spielzüge schnell und mit einigen Überraschungseffekten vor. Das entschuldigte selbst zahlreiche Fehlpässe.“

Werder Bremen – Bayern München 2:0

Martin Hägele (NZZ 4.11.). „Wenn ein Goalie beim Herauslaufen die Kugelverfehlt, werden ihm die Folgen schon automatisch angekreuzt. Dass die Fehler und Aussetzer ihres Captains ausgerechnet in jener Phase treffen, da im Kader des FC Bayern nach Männern gesucht wird, die Verantwortung übernehmen, verschärft die eh schon kritische Situation noch mehr. Nun gibt es gar keine feste Grösse mehr, dafür jene Experten, die schon länger behaupten, Kahn, im Sommer zur überragenden Persönlichkeit der WM gewählt, habe seither nur noch seinen Kult und Status gepflegt. Statt jene Paraden zu zeigen, die den Gegner zermürben und das Selbstbewusstsein der Kollegen steigern. Umgekehrt kann solch ein Prozess fatale Folgen haben: Die Werder-Professionals haben nämlich keineswegs überragend gespielt. Doch das Gefühl, dass den Bayern diesmal ein Anführer fehlte, einer, der sich richtig gegen die Niederlage stemmt, machte sich schon bald auf dem Platz und auf den Rängen breit. Hitzfeld, Kahn und Co. steht nun eine harte Woche bevor. Alle werden sie nun an den trotzigen Parolen ihres Torhüters gemessen, der nach dem Aus in der Champions League verkündet hatte: „Jetzt zählt nur noch das Double.“ Teil eins des Saisonziels kann sich bereits am Mittwoch erledigen, wenn mit Hannover 96 und Goalgetter Bobic ein äusserst ambitioniertes Team im Olympiastadion aufkreuzt.“

Spielbericht Werder Bremen – FC Bayern (2:0) SZ FR

Hannover 96 – VfL Wolfsburg 3:1

Raimund Witkop (FAZ 4.11.). „Die Mannschaft war dabei, sich einen Ruf als erfolglose Schönspieler zu erarbeiten, und hat nun offenbar rechtzeitig einen Mittelweg gefunden. Das ist vor allem das Verdienst jener Spieler, die nach mißglücktem Saisonstart unter Umständen nachgeholt wurden, die man für eine Panikreaktion hielt. Auch wenn da etwas dran ist: Die Auswahl überzeugt immer mehr. Fredi Bobic hielt seine imponierende Torquote im siebten Einsatz bei einem Treffer pro Spiel und sprühte derart vor Spiellaune, daß man sich fragen muß, wer derzeit – von deutscher Nationalität – besser sein soll. Der Spanier Jaime, Leihgabe aus La Coruña, ist ein zugleich stabilisierender und antreibender Faktor im Mittelfeld. Und der Grieche Kostas Konstantinidis, der bei Hertha BSC Berlin aussortiert war, unterstrich mit seinem Tor zum 3:1 seine Ambitionen auf allen Teilen des Spielfelds (…) Was könnte wohl der Wolfsburger Trainer Wolfgang Wolf seinem Regisseur Stefan Effenberg am Montag aufgeben, wenn er auf solche Ideen käme? Nun, vielleicht hundertmal zu schreiben: „Ich soll nicht sowenig laufen, nicht so viele Zweikämpfe verlieren und vor allem nicht alle mit meiner Lethargie anstecken.“ Effenberg, zumal auch nicht schwächer als seine durchweg schwachen Mitspieler, würde sich bedanken. Sicher aber hat eine Wolfsburger Darbietung, die man nur schlapp nennen kann, viel dazu beigetragen, daß die notorisch anfällige und auch diesmal nicht sichere Abwehr von Hannover 96 nicht überfordert wurde.“

Jörg Marwedel (SZ 4.11.). „Genau betrachtet, hat der riesige Pressesaal in der AWD-Arena zu Hannover den Charme einer Turnhalle. Und wenn Ralf Rangnick dort oben auf dem Podium sitzt, an einem Tisch mit gestärkter weißer Decke, mit Limonade und Tafelwasser, und über das Spiel seiner Mannschaft doziert, dann kann man ihn sich gut als den dazugehörigen Lehrer vorstellen. Nach dem 3:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg hat der Trainer von Hannover 96 derartige Fantasien keineswegs enttäuscht. Beflügelt von dem historischen Erfolg – es war der erste Heimsieg des Aufsteigers in dieser Saison und überhaupt der erste in der Bundesliga seit dem 2:0 gegen Stuttgart am 25. Februar 1989 – hat er mal wieder einen Einblick in sein pädagogisches Wirken gegeben. Also referierte der Fußballlehrer am Beispiel des Mittelfeldspielers Nebojsa Krupnikovic, wie er es geschafft habe, endlich Stabilität in die bis dato so anfällige Defensivabteilung (25 Gegentore in zehn Spielen) zu bekommen, die das ansehnliche Offensivspiel so stark in seinem Wert minderte. Krupnikovic also, ein durchaus begnadeter Techniker, habe von ihm nach dem 3:3 beim FC Bayern am vergangenen Wochenende „als kleine Beschäftigung für den Nachmittag“ ein Video von jenem Spiel erhalten mit der Maßgabe, alle Szenen zu notieren, in denen er selbst einen Ball erobert habe. Und was habe er, der Trainer, zurück bekommen? „Ein leeres weißes Blatt.“ Das Ergebnis derartiger Reflexionsaufgaben ließ sich gegen Wolfsburg Bestaunen (…) Die erfreulichen Perspektiven aus 96-er-Sicht hatten freilich ihre negative Entsprechung beim Gegner dieses Du-ells der Niedersachsen. In den Memoiren, die Stefan Effenberg demnächst zu schreiben gedenkt, wird dieses Spiel wohl kaum vorkommen – es sei denn, er würde dort beschreiben wollen, wie es ist, als alternder Star in einer Mannschaft ohne Leidenschaft mit unterzugehen und auswärts eine Niederlage nach der anderen zu erleiden. Die angepeilte Entwicklung zum Spitzenteam wurde erneut so heftig unterbrochen, dass Manager Pander sich zur Abrechnung mit den Profis genötigt sah.“

Borussia Dortmund .- Hamburger SV 1:1

Roland Zorn (FAZ 4.11.). „Metzelder, der sich nach einem Nasenbeinbruch vor zwei Wochen gegen weitere Deformationen seines Riechorgans schützt, gehörte am Samstag zu den vielen Dortmunder Profis ohne Frische und Fortüne. Am Ende einer Woche, die für den BVB mit einem 4:1 in Bremen triumphal begann und sich beim 2:1 gegen den FC Arsenal und der damit gesicherten Qualifikation für die zweite Champions-League-Runde ideal fortsetzte, stand eine Enttäuschung. Statt den Bayern eine Woche vor dem Gipfeltreffen auf die Pelle zu rücken, wirkten die in der Bundesliga noch immer unbesiegten Borussen uninspiriert, unkonzentriert und am Ende sogar undiszipliniert. „In einer solchen Schlußphase muß man nicht jeden Angriff so abzuschließen versuchen, als ginge es um Sein oder Nichtsein“, kritisierte Sammer die Unfähigkeit seines Teams, Rhythmus und Verlauf der über die längste Zeit sterbenslangweiligen Partie auch in der Schlußphase zu bestimmen.“

Über das enttäuschende Heim-Remis der Dortmunder heißt es bei Felix Meininghaus (FR 4.11.). „Dass sie sich so schwer taten und 69 Spielminuten benötigten, ehe Tomas Rosicky den Ball im gegnerischen Tor unterbrachte, hatte auch Sammer mitzuverantworten. Durch seine Rotation (Heinrich, Reuter, Amoroso rein, Ricken, Ewerthon, Kehl raus) trat der BVB im Vergleich zum Arsenal-Spiel mit defensiverer Grundformation an. Damit hatte Dortmunds Trainer seinen Spielern die Marschroute für ihre verhaltene Spielweise quasi vorgegeben. Und das ausgerechnet gegen den Hamburger SV, der die Reise nach Westfalen als harmloseste Auswärtsmannschaft der Bundesliga antrat. So plätscherte das Spiel vor allem in der ersten Hälfte vor sich hin, und der HSV hatte es leicht, sich in der eigenen Hälfte einzurichten. Sammer wird seine Lehren ziehen: Wer im Mittwoch-Samstag-Rhythmus bestehen will, muss nicht nur in der Königsklasse, sondern auch im Bundesliga-Alltag mutig aufstellen und couragiert agieren.“

Freddie Röckenhaus (SZ 4.11.). „Obendrein hatte Sammer in Kehl und den beiden in Bremen und gegen Arsenal besonders aktiven Ewerthon und Ricken gleich drei kreative Spieler aus dem Team rotiert. Das erwies sich als Fehler. Denn erst als die drei in der letzten halben Stunde endlich aufs Feld durften, hatten Frust und Ratlosigkeit kurz ein Ende. Folge: Rosickys Tor. Nach Meinung des Dortmunder Trainers hätte seine mental matte Mannschaft danach nur noch das Ergebnis halten sollen: „Dieses 1:0 hätten wir dann über die Zeit schaukeln müssen. Stattdessen haben wir uns durch die Hektik des HSV anstecken lassen, der ja noch etwas wollte.” Dortmunds Team dagegen war offenbar zwiegespalten. Die Eingewechselten wollten sich offensichtlich profilieren und weitere Tore erzielen – und machten im Übereifer mehr falsch als richtig. Die anderen waren mit der Konzentration zu dieser Zeit bereits am Ende. So kam der bis dahin ausschließlich verteidigende HSV plötzlich ins Spiel. Und hatte in der Schlussphase mehr Chancen als Dortmund im ganzen Spiel.“

1. FC Nürnberg – Borussia Mönchengladbach 2:1

Philipp Selldorf (SZ 4.11.). „Die Borussen: wurden Mitte der 90er von der rasenden Krise befallen; zwei Spielzeiten im komatösen Zustand folgte ’98 der Abstieg. Danach zwei Jahre zweite Liga. Aufstieg. Starkes Debütjahr. Und jetzt? Sind sie 16., erstmals in der laufenden Serie auf einem Abstiegsplatz. Der 16. Rang liegt am Rande des Geschehens, man sieht das grüne Ufer, und es ist doch so fern, während man forttreibt in die schwarze Unterwelt. Platz 16 ist das negative Abbild von Platz 3, wo sich derzeit die Münchner Löwen dem Gipfel nahe fühlen und von wo sie nie wieder fortwollen. Mag sein, dass sie über dem Wert gehandelt werden, doch die Gladbacher sollten das Signal der Vorsehung erkennen. Sie glauben, dass die Saison noch jung und launisch und die Tabelle nur der Ausdruck einer windigen Jahreszeit sei. Aber wie oft hat es die Klubs im verflixten zweiten Jahr nach dem Aufstieg fortgerissen, wenn sie sich gesichert wähnten und wenn der Alltag die Begeisterung einholt?“

Gerald Kleffmann (SZ 4.11.). „Nach der Pause allerdings entwickelte sich mal wieder eines dieser typischen Nürnberg-Syndrome. Gladbach wurde stärker, drängte den Club in die eigene Hälfte und ging energischer in die Zweikämpfe, wie Trainer Meyer in der Halbzeitansprache gefordert hatte. Nachdem Ciric, Belic und Anthony Sanneh ein Festival an Chancen nicht nutzen konnten und in der 75. Minute Jeff Strasser aus vier Meter den Ball zum 1:2 in das Tor hämmerte, war es wieder da: das Psycho-Spiel des Clubs. Vorne im Sturm wurden bis zum Schluss beste Möglichkeiten nicht verwertet, hinten patzte plötzlich die Abwehr.“

Europäischer Fußball: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen NZZ

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