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Deutsche Elf

Erste Texte über das 1:1 gegen Brasilien

Oliver Fritsch | Donnerstag, 9. September 2004 Kommentare deaktiviert für Erste Texte über das 1:1 gegen Brasilien

9. September

Erste Texte über das 1:1 gegen Brasilien: „auferstanden gegen Brasilien“ (FTD) / „neues Deutschland“ (FR) / „neuer Geist mit Klinsmann“ (NZZ) – Sebastian Deislers „Leidenschaft für dieses Spiel, Lust an diesem Spiel“ (Tsp) – Oliver Bierhoff auf allen Kanälen

„Neues Deutschland“, jubelt Jan Christian Müller (FR 9.9.): “Immer wieder rauschte Beifall der fast 75 000 Zuschauer durch das für 270 Millionen Euro runderneuerte Olympiastadion. Nicht, wie zuvor erwartet, für die nach langer Anreise vielleicht noch etwas müden Brasilianer, sondern, oh Wunder, für die Spieler der deutschen Nationalmannschaft. (…) Mitunter mochte man kaum glauben, dass der Stürmer, der so aussah wie Gerald Asamoah, auch tatsächlich der Schalker war. Rechts raste Hinkel die Außenlinie auf und ab, dass es Roberto Carlos ganz schummrig wurde, links wuselte Lahm auf und ab, und Barcelonas Belletti wusste nicht recht, wie ihm geschah. Im Zentrum klaute Frings Ronaldinho einen Ball nach dem anderen. Ballack, Deisler und Schneider nutzten es weidlich aus, dass das brasilianische Spiel zwar mit Ball Weltklasse, ohne Spielgerät jedoch nicht einen Deut besser ist als jenes deutscher Fußball-Facharbeiter.“

Ein Freundschaftsspiel war diese Partie nicht

Martin Hägele (NZZ 9.9.) entdeckt „neuen Geist mit Klinsmann“: „Das war nicht mehr jene deutsche Nationalmannschaft, die sich nach dem gegnerischen Führungstreffer in ihr Schicksal ergab wie an der letzten EM, zuletzt besonders gegen die zweite Garnitur der Tschechen. (…) Für die spektakulärsten Szenen waren weniger die Vertreter des fünffachen Weltmeisters als vielmehr die Deutschen verantwortlich, die gleich im ersten ihrer WM-Vorbereitungsspiele jenen Stil fanden, oder die richtige Einstellung, die so dringend benötigt wird, zumal die WM-Gastgeber vom Ernst der Qualifikationsaufgaben befreit sind. Ein Freundschaftsspiel war diese Partie wirklich nicht, auch Referee Urs Meier fand nicht immer die richtige Tonart. Es ging schon richtig zu wie im wirklichen Turnierleben, vor allem wenn Michael Ballack und Ronaldinho aneinander gerieten. Keiner wollte verlieren, jeder wollte sich Respekt verschaffen.“

„Auferstanden gegen Brasilien“, lesen wir in der FTD (9.9.): „Ausgerechnet gegen diese als „Brasilian Globetrotters“ bewunderte Elf bot Deutschland über weite Strecken den besten Fußball seit Jahren. Vor allem Sebastian Deisler ließ sein Talent, auf das die Nationalelf mehr als ein Jahr verzichten musste, immer wieder aufblitzen. Mit starken Dribblings und Hackentricks brachte er sogar etwas brasilianisches Flair ins deutsche Team.“

Leidenschaft für dieses Spiel

Sebastian Deisler am Ball, und Armin Lehmann (Tsp 9.9.) schnalzt mit der Zunge: „Wenn er den Ball hat, ist er schnell im Kopf, das ist wichtig im internationalen Fußball. Er ist aber auch mit den Füßen schnell, kann auf den ersten Metern beschleunigen wie kaum ein anderer im deutschen Team, dabei behält er auch unter Druck meist die Übersicht, selbst wenn zwei, drei Gegenspieler um ihn herumstehen. Wenn es in der ersten Halbzeit gefährlich wird, dann ist immer Deisler beteiligt. Er bietet sich früh in der eigenen Hälfte an, spielt dann den Ball oft klug weiter und bietet sich sofort wieder an. Einmal wartet er an der rechten Außenlinie, Deisler bekommt den Ball halbhoch zugespielt, manch einer würde ihn ins Aus tropfen lassen, aber Deisler jongliert ihn kurz mit dem rechten Fuß in der Luft, dann nimmt er den Ball schnell herunter und entzieht sich seinem heraneilenden Gegenspieler. Es sind diese kleinen Momente, in denen klar wird, was in Deisler steckt: Leidenschaft für dieses Spiel, Lust an diesem Spiel, seinem Spiel, wie er es liebevoll nennt.“

mehr über das Spiel: morgen auf indirekter-freistoss

God bless the good guys

Oliver Bierhoff öffnet alle Kanäle, erfahren wir von Armin Lehmann (Tsp 9.9.): „Die neue Lockerheit ist eine Art Kulturschock für den DFB, selbst DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sieht das so, aber freut sich über die „Jungen Wilden“, weil sie leidenschaftlich seien. Das Interessante an Bierhoffs Aufgabe ist, dass er sie sich selbst ausfüllen kann. Dass er sich herantastet an das, was möglich ist. In den Tagen vor dem Spiel hat er viel ausprobiert, „von morgens um acht bis Mitternacht“. Er ist betont locker nur mit T-Shirt unterwegs gewesen mit der Aufschrift „God bless the good guys“, er hat bei McDonalds Kindern vorgelesen, er hat Sponsoren gesprochen, er hat mit Anzug und weißem Hemd, aber ohne Krawatte den brasilianischen Botschafter begrüßt, und er hat Fragestellern erklärt, warum zum Beispiel das Hotel Grand Hyatt am Potsdamer Platz eine gute Wahl war. Eine der Begründungen war überraschend: Das Hotel habe einen High-Speed-Internetzugang. Künftig nämlich wolle Trainer Jürgen Klinsmann alle Spieler vernetzen, um so leichter mal intern Informationen auszutauschen. Für Bierhoff eine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen jedes Kleinkind mit dem Internet umzugehen versteht. Aber er war schon verblüfft, dass es so etwas vorher innerhalb der Nationalmannschaft gar nicht gab. Es sei schon verwunderlich, sagt er, dass man anscheinend sehr wenig kommuniziert habe. Mit Kommunikation allein, das wissen Bierhoff und Klinsmann, werden sie 2006 nicht Weltmeister. Aber beide wollen die Kommunikation als Instrument nutzen, um der „Mannschaft eine Identität zu geben“.“

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