indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Der „Friedensgipfel“

Oliver Fritsch | Dienstag, 25. Oktober 2005 Kommentare deaktiviert für Der „Friedensgipfel“

Der „Friedensgipfel“, eine Nummer kleiner geht’s nicht im deutschen Fußball – heute treffen sich Jürgen Klinsmann und seine Freunde in der DFB-Zentrale, um .. ja um was denn? Vor allem, um dem Willen oder besser: dem Trotz der Bundesliga-Manager zu entsprechen, der Inhalt der Gespräche wird schon nicht so wichtig sein. Hauptsache, das Bürschchen gehorcht! Das Bürschchen, Jürgen Klinsmann, werde aber an seiner Arbeit und an seinem Wohnsitz nichts ändern, prognostiziert die Presse. Zu Recht, wie die argumentierenden Zeitungen im Allgemeinen finden. Die Bild-Zeitung hingegen kann Klinsmann nicht anders als vergiftet loben; sie zitiert, wie immer und ausgerechnet, Lothar Matthäus: „Der Bundestrainer macht im großen und ganzen gute Arbeit.“

Die Manager wollen, dass Klinsmann auf sie hört

Matti Lieske (BLZ) bemerkt zur Gesprächsbereitschaft Klinsmanns: „Die Diskussion um seinen Wohnort und die Vorwürfe mangelnder Kommunikationsfähigkeit haben ihn geärgert. Als er nach dem 1:0 gegen China bereit war, seinen Rückflug nach Los Angeles einen Tag zu verschieben, um mit den Managern zu reden, konnte einer der wichtigsten keine Zeit erübrigen, was sich durchaus als Affront werten lässt. Je mehr man ihn drängt, desto sturer werde er, sagen viele, die den Bundestrainer kennen, angesichts des gewaltigen Wirbels in den Medien und wohl nicht zuletzt wegen der in jüngster Zeit armseligen Darbietungen seines Teams ließ er sich jedoch überzeugen, dass ein Gespräch mit den Kritikern unumgänglich ist. In der Sache, daran gibt es keinen Zweifel, wird Klinsmann hart bleiben. (…) Auch wenn das Friedensgespräch friedlich verläuft, ist weiterer Ärger programmiert. Die Manager wollen ja nicht, dass Klinsmann mit ihnen redet, sondern, dass er auf sie hört.“

Lippenbekenntnis?

Ralf Köttker (Welt) rügt die Klinsmann-Kritiker für ihren scharfen Ton: „Natürlich läßt sich über die Experimente des Bundestrainers streiten. Trotzdem spielte die sachliche Kritik in einer immer emotionaler geführten Debatte eine immer untergeordnetere Rolle. Angreifbar hat sich Klinsmann durch seine Wohnortwahl gemacht. Daneben aber war auch vieles durch ein Mißtrauen gegenüber dem polarisierenden Trainerneuling motiviert. Klinsmann tut gut daran, der vorhandenen Skepsis mit mehr Offenheit zu begegnen und die für ihn so wichtigen Vereine für sich zu gewinnen. Die Liga sollte sich ihrerseits mit dem Bundestrainer arrangieren, wenn das als gemeinsames Ziel ausgegebene gute Abschneiden bei der WM nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll.“

Ertappt

Getroffene Hunde bellen, meint Stefan Hermanns (Tsp): „Wenn die Nationalmannschaft miserabel spielt wie zuletzt, hängt das weniger mit Klinsmanns Fitnesstests zusammen als mit dem bescheidenen Niveau der Bundesliga. Der Bundestrainer hat nur den richtigen Schluss aus dieser Misere gezogen. Einen Schluss, den der deutsche Fußball vor spätestens zehn Jahren hätte ziehen müssen: Wir müssen besser werden. In allen Bereichen. Was ist dagegen zu sagen? Vielleicht reagiert die Bundesliga so heftig, weil sie sich ertappt fühlt.“

Moderne Trainer geben Verantwortung ab

Das Thema, das die Berichte um den DFB und die deutsche Elf begleitet ist, wie der indirekte freistoss (v. 24.10.) vorausgesagt hat, das Training der Bundesliga, das deutsche Fußballtraining. Insbesondere das Konditionstraining ist auf dem Prüfstand. Der kicker entlockt Matthias Sammer Forderungen, wenn auch umständlich formulierte, an das deutsche Trainer-Wesen: „Wir müssen den Grundlagenaufbau überdenken: Wie schafft man Fitness für eine ganze Saison? In den anderen Ländern sind die physischen Voraussetzungen da. In Fragen des Spielsystems haben diese Länder zwanzig Jahre Vorsprung. (…) Der deutsche Fußball befindet sich in Spielweise und System im Umbruch; aber wir haben nicht mehr die frühere Athletik – oder die anderen haben aufgeholt. (…) Die Spitze liegt aktuell nicht in Deutschland, sondern bei den Klubs in England, den Nationalteams in Südamerika.“ Der Tagesspiegelbefragt Pedro Gonzalez, der eine Doktorarbeit über den Zustand des Konditionstrainings in der Bundesliga geschrieben hat ( siehe indirekter-freistoss v. 24.10.); Gonzalez wiederholt, doch mit anderen Worten: „Die Bundesliga steht, was die Nutzung sportwissenschaftlicher Erkenntnisse betrifft, auf dem Stand von 1978. Training ist nicht ausschlaggebend dafür, ob der Ball vom Oberschenkel ins Tor prallt oder an den Pfosten. Ein Ronaldinho kann auch mit Grippe den entscheidenden Pass spielen. Nur: Die einzige berechenbare Komponente im Fußball sind athletische Fähigkeiten. Es ist unverständlich, warum man nicht das Haus aufs Fundament setzt. (…) Das Fitnesstraining muss in den Händen von speziell ausgebildeten Leuten liegen, wie in England oder Holland. Das Problem ist, dass die deutschen Trainer alle Fäden in der Hand haben wollen. Die würden am liebsten noch den Bus fahren. Moderne Trainer geben Verantwortung ab.“

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