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Bundesliga

Assauer am Ziel: Ralf Rangnick entlassen

Oliver Fritsch | Montag, 12. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Assauer am Ziel: Ralf Rangnick entlassen

Assauer ist am Ziel

Die Zeitungen haben es geahnt: Ralf Rangnick ist soeben entlassen worden. Sein Scheitern werten die Kommentatoren als Schuld Rudi Assauers, dem viele vorwerfen, sich und seine Zigarre wichtiger zu nehmen als den Verein und dessen Erfolg. „Mission completed – Assauer ist am Ziel: Rangnick gibt zermürbt auf“, schreibt die Financial Times Deutschland in Anbetracht der Antipathie Assauers gegen Rangnick. Michael Eder (FAZ) hört Assauer auf der Pressekonferenz und rümpft die Nase; dem Trainer gratuliert er zu seinem Rückgrat: „Assauer in Cäsarenpose, so gefällt er sich. Wer den selbstverliebten Auftritt Assauers sah, verstand ein wenig besser, was Rangnick meinte, als er seinen angekündigten Abschied mit ‚politischen Possenspielen’ begründet hatte. Der Schalker Manager bediente die Frager mit spottgetränkten Kommentaren, in denen Rangnick immer als das dastand, als was Assauer ihn gerne hätte: als kleiner, austauschbarer Angestellter. Doch der Trainer hatte für sich beschlossen, keine Marionette des Managers und des Vorstands mehr zu sein, hatte die Schnüre gekappt und war vor dem Spiel alleine zu zwei Ehrenrunden aufgebrochen – auch das ein Affront gegen den schillernden Assauer und den farblosen Teammanager Müller. (…) Sein Abgang freilich wird in Erinnerung bleiben. Der Schwabe hat mit seinen Mitteln den Aufstand geprobt, er wird Schalke mit erhobenem Kopf verlassen, was noch nicht vielen Trainern gelungen ist; er hat den Assauers die Stirn geboten, nur eines konnte er natürlich nicht: die Verhältnisse auf Schalke ändern. Aber immerhin: Daumen hoch, Daumen runter – die Demontage eines Trainers als Massenbelustigung, sie hat diesmal nicht funktioniert.“

Viele Beobachter widerrufen ihr Urteil über Assauers Verlust an Macht und Wortgewicht. Allerdings werde sich der „Sieg“ nachträglich wohl als Niederlage erweisen. Thomas Haid (StZ) stört sich an Assauers Heuchelei: „Assauer tut so, als sei mit Rangnick nichts gewesen. Er versucht, den Eindruck zu erwecken, der Trainer habe die Schalker und speziell ihn, den Manager, im Stich gelassen. So schlüpft der Mann in die Rolle des Opfers. Dabei war es umgekehrt. Irgendwann wird der Revierkönig Rudi den Rangnick-Nachfolger präsentieren – vielleicht Huub Stevens. Und dann geht alles weiter in Assauers Sinne.“ Friedhard Teuffel (Tsp) verweist auf das Votum der Fans, die Rangnick in Ehrenrunden gefeiert haben: „Assauer konnte Rangnicks Entschluss zunächst als persönlichen Sieg verbuchen. Es war zunehmend ein Kampf zwischen Trainer und Manager, und Assauer mag es erst einmal vorgekommen sein, als habe Rangnick klein beigegeben. Doch in seine Machtpolitik hat Assauer den Bauch des Klubs nicht einbezogen. Die Fans nehmen ihm und seinen Vorstandskollegen nicht ab, dass der Rückzug eines Fußball-Gelehrten ein Sieg des Verstandes sein soll.“ Udo Muras (Welt) hält Schalke für einen schwierigen Arbeitsplatz: „Der Ruf des Klubs ist beschädigt. Spitzentrainer werden sich gut überlegen, ob sie es riskieren, sich in diesem Klüngelklub ihren Namen zu ruinieren. Die entscheidende Frage lautet ja: Welcher Trainer paßt zu Assauer?“ Jan Christian Müller (FR) resümiert: „Für den hoch verschuldeten FC Schalke ist das eine Niederlage. Für Rangnick allerdings auch.“

Will Schalke Deutschlands größter Provinzverein bleiben?

Wie soll es weitergehen mit Schalke, das ja zu Höherem und Weiterem strebt? Christoph Biermann (SZ) fordert Schalke zum Nachdenken, zur Reform auf: „Rangnick hat Schalke durch seine Flucht nach vorn unversehens wieder vor die Frage gestellt, wie dieser Klub eigentlich sein möchte. Will er Deutschlands größter Provinzverein bleiben, wo es stets zünftig zugeht und unter großem Jubel als tollste Attraktion ein Schleudersitz für Trainer aufgebaut ist? Oder will Schalke endlich sein Potenzial ausschöpfen und ein deutscher, vielleicht sogar internationaler Spitzenklub werden?“ Daniel Theweleit (SpOn) gibt zu bedenken, das Scheitern Rangnicks entschlüsselnd: „Er muss gehen, weil er mit seiner Art des Modernisierens am heiligen Schalker Selbstbild kratzte. Denn ein Erneuerer hat immer auch etwas Oberlehrerhaftes, wirkt schnell arrogant und besserwisserisch. Rangnick spricht in komplizierten Sätzen und verwendet Fremdwörter. Das passt nicht zum Bild des volksnahen Ruhrpottclubs. (…) Reformer haben es eben schwer in Deutschland. Jürgen Klinsmann gibt sicher gerne Auskunft.“

Man muss solche Situationen zur Selbstkritik nutzen

Josef Schnusenberg, Schalkes stellvertretender Vorstandsvorsitzender, im Interview mit Biermann (SZ)
SZ: Ging es angesichts von Assauers grundsätzlicher Antipathie gegenüber Rangnick darum, wie Andreas Müller sich entscheidet?
JS: Ja, im Grunde kann man das so sagen.
SZ: Die Überlegungen in dieser Frage sind aber aus dem sehr übersichtlichen Kreis öffentlich geworden. Wie bedenklich ist das?
JS: Man muss solche Situationen auch zur Selbstkritik nutzen. Dass wir nicht immer mit einer Zunge geredet haben, kann man sicher beanstanden. Dann muss man zum Leidwesen der Presse die Konsequenz ziehen und die Klappe halten.
SZ: Wird eine Folge dieser Affäre sein, dass der direkte Draht von Schalke zur Bild-Zeitung gekappt wird?
JS: Da sprechen Sie den Falschen an.
SZ: Warum? Sie sitzen als Vorstand in dem Gremium, wo auf diese Frage Einfluss genommen werden kann.
JS: Sicher müssen wir uns beim Umgang und bei den Äußerungen nach Außen verbessern.
SZ: Vor ein paar Monaten haben Sie im Vorstand genau diesen Beschluss schon einmal getroffen. Verhindert die misslungene Umsetzung, das Schalke ein Spitzenklub ist?
JS: Das ist eine provokante Frage.
SZ: Die sich derzeit viele Fans des FC Schalke stellen.
JS: Ich kneife auch nicht davor, sie zu beantworten. Wir müssen noch viel lernen, um ein Spitzenklub zu sein. Das beziehe ich durchaus auch auf mich selbst, manche Äußerung würde ich gerne wieder zurückholen.
SZ: Gibt es von Ihrer Seite ein persönliches Bedauern gegenüber Rangnick?
JS: So eine Situation wünsche ich mir selber nicht, das tut jedem Menschen weh. Rein menschlich gesehen ist ein Bedauern da.

Hamburger SV – Hertha BSC Berlin 2:1

Ein wunderbares HSV-Jahr

Wenn Spieler sich öffentlich über Mitspieler beschweren, ist das ein dankbares Thema für die Presse. „Die Profis von Hertha hadern mit Marcelinho“, stellt die SZ nach Niko Kovac’ Rüge im Fernsehen fest; die Berliner Zeitung spürt einen Zwiespalt: „Das Gros der Hertha-Profis hat die Launen Marcelinhos satt, weiß aber, dass dieser die seltene Fähigkeit besitzt, jederzeit allein ein Spiel entscheiden zu können.“ Frank Heike (FAZ) lenkt den Blick auf den Sport und die Überlegenheit der Hamburger: „Es schien so, als hätten die Berliner ein willkommenes Bauernopfer gefunden, um die verschlafene Anfangsphase und kaum bessere Zeit danach im Nebel der Marcelinho-Schelte zu verhüllen. (…) Thomas Doll hätte sich für ein maßgeschneidertes taktisches Konzept feiern lassen können. Andere hätten ohne ihren besten Mittelfeldspieler wohl eine defensive Aufstellung gewählt. Doll flüchtete nach vorn. Auch wegen dieser mutigen Variante führte der HSV so schnell und hätte durch Mpenza (unheimlich, was er vergibt) drei weitere Tore schießen müssen. Mancher sieht Doll nur als Motivator, der die Sprache der Spieler spricht. Doch längst hat er dem HSV ein variables taktisches Gewand angelegt. (…) Es war ein wunderbares HSV-Jahr.“ René Martens (FTD): „Der Sieg der Hamburger war auch ein Erfolg des Taktikers Doll über Götz.“

taz-Spielbericht

Eintracht Frankfurt – Borussia Dortmund 2:0

Vom Straßenköter zum Leitwolf

Tobias Schächter (SZ) anerkennt Jermaine Jones und die Führung der Eintracht: „Seine Wandlung vom ‚Straßenköter’, als den ihn Reiner Calmund bezeichnet hatte, zum Leitwolf von Eintracht Frankfurt bleibt ebenso erstaunlich wie die des gesamten Vereins. Die Eintracht präsentiert sich weit entfernt von dem negativen Image, das diesem Traditionsverein lange anhaftete. Seit zwei Jahren bekleidet Heribert Bruchhagen die Position des Vorstandsvorsitzenden und verkörpert seitdem eine neue Sachlichkeit in der Chefetage. Keine inneren Grabenkämpfe lähmen seither den ehemaligen Chaosklub, und auch die Zeiten finanziellen Hasadeurtums scheinen vorbei. (…) Auch der dienstälteste Trainer der Liga ist auf dem Weg, sich von übler Nachrede zu befreien – wonach er einer ist, dessen Mannschaften antiquierten Defensivfußball spielen. Immer die Offensive suchend, gefällt Friedhelm Funkels Eintracht durch Spielwitz und Selbstvertrauen.“

Neugier auf Zwischenmenschliches auch in Frankfurt: „van Marwijk attackiert Funkel“, lesen wir in der FAZ, die das Wortduell nach dem Spiel dokumentiert: Bert van Marwijk wirft Funkel vor, die Gelb-Rote Karte für Tomas Rosicky – erfolgreich – gefordert zu haben: „Der Platzverweis war natürlich dumm. Aber ich bin mir sicher, daß der Schiedsrichter nicht gepfiffen hätte, wenn die Provokationen von der anderen Bank nicht gekommen wären. Mein Stil wäre das nicht.“ Funkel verteidigt sich: „Ein Trainer kann niemals einen Platzverweis verantworten. Wir haben zwar an der Seite reagiert, aber keinen Platzverweis gefordert.“

VfL Wolfsburg – VfB Stuttgart 0:1

Magerkost

Schimpfe, auch für den Sieger: „Dank Silvio Meißner wird der VfB von Trapattonis Magerkost satt“, stichelt die FAZ, die FR spottet: „Der VfB nähert sich dem, was Trapattoni sich unter Fußball vorstellt.“ Achim Lierchert (FAZ) destilliert das neue Stuttgarter Motto: „Wolfsburg erlebte an diesem tristen Dezembernachmittag das neue Gesicht des VfB Stuttgart und seines umstrittenen Trainers. Wenig spielerischer Glanz, allerdings höchste Effizienz einer Mannschaft, die in allen acht Auswärtsspielen ohne Niederlage blieb. Und plötzlich schaut alles wieder positiver aus bei den zuvor kriselnden Schwaben.“ Ronny Blaschke (SZ) befasst sich mit dem Verlierer: „Es ist ein offenes Geheimnis in Wolfsburg, dass Strunz bei der Mannschaft nicht den besten Stand hat. Profiteur dieses Streits ist Holger Fach, dessen Anteil an der Krise in der Debatte eine Nebenrolle spielt.“

taz-Spielbericht

MSV Duisburg – Arminia Bielefeld 1:1

Zu wenig

Das Interesse für Duisburg ist durch die Entlassung Norbert Meiers zumindest kurz gewachsen. Holger Pauler (taz) freut sich über die Medienschelte der Duisburg-Fans: „Die MSV-Fans hatten ihre eigene Sicht: ‚Wer frei von Sünde ist, werfe den ersten Stein – gegen übertriebene Medienhysterie’, stand auf einem Transparent, das die gesamte Stehplatz-Kurve der Heimfans ausfüllte. Darunter prangten die Logos von DSF, Premiere und Sport Bild. Das sonst eher Meier-kritische Sitzplatz-Publikum bedachte die Aktion der Duisburger Ultras mit Applaus. Seltene Rückendeckung für den nur mäßig beliebten und sportlich nur bedingt erfolgreichen Ex-Trainer.“ Ein Zwischenfazit von Richard Leipold (FAZ): „Zu wenig: Diese beiden Worte kennzeichneten aus Duisburger Sicht nicht nur diesen Spieltag, sondern auch die Bilanz nach sechzehn wenig einträglichen Bundesligarunden. Gemessen am Spielverlauf, erschien das Remis sogar wie ein gewonnener Punkt. Der geringe Ertrag macht die Arbeit für den bald zu benennenden neuen Trainer nicht leichter, sondern schwerer. Wer den nur formal erstklassigen Werdegang der Mannschaft verfolgt, muß sich fragen: Welcher Trainer von Format ist so gierig und mutig, zugleich aber qualifiziert genug, den Arbeitsplatz zu besetzen, der frei ist, weil der vorherige Cheftrainer mit einer Sperre von drei Monaten rechnen muß? Als Favorit für den Job gilt Jürgen Kohler.“

1. FC Nürnberg – Bayer Leverkusen 1:1

Begeisterung klingt anders – Iris Hellmuth (SZ): „Es war ein Spiel zweier Mannschaften, die nicht besser konnten als sie wollten, für Bayer Leverkusen ist diese Situation deutlich schwieriger zu ertragen als für den Club.“

Hannover 96 – Borussia Mönchengladbach 1:1

Gladbachs Fohlen und Hannovers Rotwild im Galopp

Trainer enttäuscht, Zuschauer glücklich, eine klassische Wertung – Jörg Heynlein (taz): „Von Zeit zu Zeit kann mangelndes Fachwissen auch ein Segen sein. Was ein durchschnittliches Fußballpublikum erwärmt und unterhalten hat, fanden die Trainer eher grottig und fehlerhaft. Ungestüm und temporeich waren Gladbachs Fohlen und Hannovers Rotwild über den Platz galoppiert und hatten ihren beiden Trainern wenig Grund zur Freude geboten. Dem spaßorientierten Erlebnispublikum wurde ein offensiver Schlagabtausch zweier Mannschaften geboten, die ihre Defensive vernachlässigten und ordentlich einstecken mussten, ohne jedoch k.o. zu gehen.“

Mittelschichtpublikum

Bernd Müllender (FTD) wundert sich über die geringe Zahl an Heimsiegen in der Hinrunde: „Ob sich abgebrühte Spieler nicht mehr so leicht verunsichern lassen durch Gebrüll in der Fremde? Siegt intelligentes Konterspiel über Heimwucht? Vielleicht ist es das: Wo mehr event-orientiertes Mittelschichtpublikum in die Stadien kommt als Fans alten Schlages mit bedingungsloser Vereinsliebe, wird Enttäuschung schneller artikuliert. Bestes Beispiel ist Kaiserslautern: Die gefürchtete Bastion nennt Wolfgang Wolf ‚Klotz Betzenberg’ – wegen der aggressiven Stimmung gegen die eigene Elf.“

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