indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

20. Spieltag

Oliver Fritsch | Montag, 6. Februar 2006 Kommentare deaktiviert für 20. Spieltag

Gegenentwurf

Gibts was Spannendes zu berichten? Was Neues oder wenigstens was Lustiges? Die Kommentatoren, von der Herrschaft der Bayern gelangweilt, suchen in den Krümeln. Richard Leipold (FAZ) versucht sich, an dem Kulturwettbewerb zwischen Bayern und Werder zu erwärmen: „Die Bremer begegnen dem Titelverteidiger als einzige mit einem Gegenentwurf. Ihr Erlebnisfußball erhellt selbst einen dunklen Februarspieltag. Aus einem 0:2 gegen die forschen Mainzer binnen zehn Minuten einen Vorsprung zu machen und am Ende 4:2 zu gewinnen: das hat den Charme, der den Münchnern im Alltagsgrau oft fehlt, weil sie zu gut sind, während es die Mitbewerber zu gut machen wollen. Der Vergleich zwischen Bremen und Bayern gehört zu den wenigen aufregenden Momenten, die der kommerzielle Fußball noch zu bieten hat. Während die Erfolge des Rekordmeisters aus maschineller Fertigung zu stammen scheinen, präsentieren die Bremer ihre Siege meist als Ergebnis solider, technisch anspruchsvoller Fußarbeit, ohne daß die gefühlte Qualität geeignet wäre, die Koordinaten der Bundesliga in Richtung Norden zu verschieben. Der HSV als unsichtbarer Dritter kommt über eine Nebenrolle nicht hinaus. Aus Richtung Westen droht schon gar keine Gefahr, wie das Derby zwischen Schalke und Dortmund vor Augen geführt hat.“

„Die Mitte wird unterschätzt“, höhnt Christof Kneer (SZ) über Hertha, Stuttgart und deren Verfolger: „In der Bundesliga gibt es so viel Mittelstand wie nirgendwo sonst, er beginnt bei Platz 5 und endet auf Platz 16. Besonders ums Land verdient gemacht haben sich wieder mal Hertha und Stuttgart; seit Jahren hätten sie die Chance, den Mittelstand nach oben zu verlassen, aber nein, sie kaufen lieber falsche Mittel-Stürmer oder Mittelalter-Trainer, und vorbildlich reihen sie ein mittelprächtiges Remis ans nächste. Es spricht nicht für die Qualität der Bundesliga, dass solche Stehversuche immer noch gut genug sind, um auf den Uefa-Cup zu spekulieren; auch Gladbach oder Hannover haben keine Teams, von denen man sich dringend international vertreten lassen möchte. Zu erkennen ist derselbe Trend, der auch andere europäische Ligen prägt: Während sich Chelsea, Barcelona, Turin oder München in einer Art Europaliga messen und dahinter zwei, drei Ambitionierte Anschluss suchen, ist der Rest so eng zusammengerückt wie nie.“

Werder Bremen-FSV Mainz 4:2

Fußball wie im Drogenrausch

Die Bremer stürmen, und Ralf Wiegand (SZ) läuft ihnen tanzend entgegen: „Ähnlich einer Seiltänzer-Familie, die mit verbundenen Augen und ohne Netz einbeinig von Kirchturm zu Kirchturm hüpft, hatte sich die Elf des SV Werder ins Spiel gestürzt und befand sich nun im freien Fall. 0:2 stand es da. 4:2 fertigten die Bremer Mainz am Ende ab und hatten dabei die wahrscheinlich spektakulärste Halbzeit dieser Saison überhaupt abgeliefert. Fußball wie im Drogenrausch. Die künstlerische Grundlage des Bremer Fußball-Kabaretts ist die Eigenart der Mannschaft, regelmäßig viel zu viel Fußball in viel zu wenig Zeit packen zu wollen; gerade so, als ob die grün-weißen Artisten die Angst umtriebe, sie wandelten nicht mehr lange genug über die Rasenflächen dieser Welt, um alle Tricks zu zeigen.“ Uwe Marx (FAZ) reiht sich ein: „Bei den Bremern wird das Spiel mit schöner Regelmäßigkeit zur Show.“

Hamburger SV-Arminia Bielefeld 2:1

Ein Held und ein Schurke

Frank Heike (FAZ) betrachtet das Spiel unter dem Eindruck der Vertragsverhandlung Sergej Barbarez‘ und den Fouls Khalid Boulahrouz‘: „Wenn es um seine Zukunft geht, zeigt er die besten Spiele. Man muß nicht für Barbarez sein, dessen launisches Gehabe oft nervt (Unbeherrschtheit, Schiedsrichterschelte, Publikumsbeschimpfung), doch gegen ihn zu sein ist fast unmöglich: Dieser Mann lebt Fußball. Oft genug in den dürren Jahren unter Jara und Toppmöller war er der Lichtblick im Mittelmaß. Seine Rolle als Gesicht des HSV hat sich Barbarez stets fürstlich bezahlen lassen. Wer wollte ihm das verdenken? Der riskant wirtschaftende Verein werkelt derzeit erfolgreich an einem Team der Zukunft. Barbarez hat nur eins und eins zusammengezählt und wird nun das Gefühl nicht los, daß das bei ihm und beim zweiten Oldie Stefan Beinlich eingesparte Geld anderen überwiesen werden soll, die entweder schon da sind oder im Sommer kommen sollen. (…) Sicherheit und Spielkultur hat der HSV irgendwo im alten Jahr liegengelassen. (…) Dieses Spiel hatte einen Helden, und es hatte auch einen Schurken, Khalid Boulahrouz. Die Härte des Niederländers wird beim HSV geschätzt, doch wie er Vata und Wichniarek aus dem Spiel trat, tat beim Zuschauen weh.“ An einem „etwas schmutzigen Sieg“ leiden auch Jörg Marwedel (SZ) und der HSV-Trainer: „Drei Arminia-Profis waren verletzt ausgeschieden, weil die Hamburger versucht hatten, mangelnde Form mit äußerst rüden Umgangsformen zu kompensieren. Thomas Doll sah sich veranlasst, bei Thomas von Heesen um Entschuldigung zu bitten. Er wusste, dass man eben diesen unschönen Eindruck hätte gewinnen können. Es war bewundernswert, wie ruhig von Heesen angesichts des Schadens blieb, der seiner über weite Strecken besseren Mannschaft entstanden war.“

Bayern München-Bayer Leverkusen 1:0

Erinnerung

Over-dressed – Andreas Burkert (SZ) etikettiert Leverkusen: „Der Abschied gelang den Leverkusenern mit Stil. Rudi Völler folgte die übrige Belegschaft in einem Aufzug, den wohl nicht einmal die Schnösel von Real Madrid gediegener hinbekommen hätten. Denn außer den Spielern schlenderten auch die treuen Seelen der Muskelkneter und Kistenträger im dunklen Anzug und der schwarz-roter Klubkrawatte davon. Dieser Anblick erinnerte dann doch noch daran, dass Bayer 04 vor nicht langer Zeit mit einer Hand Europas Krone berührt hat. Ansonsten wies beim 0:1 nichts darauf hin, dass die Münchner einst aus ihren Augenwinkeln sich eifrig streckende Leverkusener erspähten.“

1. FC Köln-VfB Stuttgart 0:0

Schwyzophil

„FC Halbherzig gegen VfB Hasenherzig“ – Bernd Müllender (taz) kann und will den Kölner Abstiegskampf nicht ernstnehmen: „Der FC hat in der Winterpause ein Schweizer Quartett zugekauft. Zwei neue Spieler (Streller, Cabanas), dazu Cotrainer und Trainer, den der Express ‚Bergdoktor‘ nennt, weil er Heilung bringen soll. Gleichzeitig gibt sich Köln nun schwyzophil. Die Stadionzeitung spricht die Fans mit ‚Grüezi!‘ an. Und am Sonntag headlinete der Sonntags-Express nach dem torlosen Festival der Erbärmlichkeiten: ‚Ein Pünktli Hoffnung.‘ In Köln läuft ein Versuch in Kulturenmischung. Auch umgekehrt zeigen sich die Neuen gut assimiliert im FC-Umfeld, in dem jeder gelungene Querpass wie die unfallfreie Vorbeifahrt eines Rosenmontags-Wagens bejubelt wird. (…) Richtig stark war Alpay. Er war in höherer Mission unterwegs. Mit Leibeskräften verteidigte er stellvertretend für Abermillionen Muslime den Islam gegen Stuttgarts Dänen Tomasson (kein Torschuss) und Gronkjaer.“

Christoph Biermann (SZ) befasst sich mit den redenden Kölnern und den hadernden Stuttgarter: „Dass beim 1. FC Köln derzeit von Aufbau und Entstehung die Rede ist, darf man für verwegen halten. Schließlich läuft beim Abstiegskandidaten seit Wochen ein permanentes Notprogramm, dessen einziges Ziel es ist, am 34. Spieltag so eben noch die Nase über Wasser zu halten. (…) Der VfB schlurft weiter als irgendwie missmutigstes Team der Liga durch die Saison. ‚Wir haben andere Ansprüche“, sagte Timo Hildebrand und hatte in großen Lettern Achtung, schlechte Laune! auf der Stirn stehen. Beim 1. FC Köln hätte sich auch niemand beschwert, wenn die Stuttgarter nach starker zweiter Halbzeit noch gewonnen hätten, doch ist es kein Zufall, dass nur drei Mannschaften in der Liga weniger Tore erzielt haben als Trapattonis Team. Warum das so ist, konnte man in letzter Minute sehen, als Mario Gomez eine große Chance hatte. ‚Wenn wir die machen, gehen wir in typischer Bayern-Manier als Sieger vom Platz‘, sagte Horst Heldt. Aber Gomez vergab in typischer VfB-Manier, der deshalb nur etwas mehr als halb so viele Punkte wie die Bayern und nicht mal halb so gute Laune hat.“

NZZaS: Köln – die auf der Stelle treten

MSV Duisburg-1. FC Kaiserslautern 2:2

15 Minuten Ruhm

Holger Pauler (taz) glaubt, dass Necat Ayguen irgendwas misserverstanden habe: „15 Minuten Ruhm hatte Andy Warhol einmal der Menschheit prophezeit: ‚Everybody is a star.‘ Das Happy-End ist dabei allerdings nicht unbedingt vorgesehen. Diese Erfahrung musste Duisburgs Necat Ayguen machen. 15 Minuten vor dem Spielende durfte der Neuzugang von der Spielvereinigung Unterhaching sein Bundesligadebut geben. Er kam für Dirk Lottner. Lottner wurde mit stehenden Ovationen verabschiedet: Er hatte die Mannschaft zu einem 2:0 geführt – der deutlichste Vorsprung der laufenden Saison. Die Meidericher schienen im Abstiegskampf die ersten Big Points einzufahren. Der MSV war nach Meinung der euphorisierten Fans ‚wieder da‘. Leider nur bis zur 79. Minute. Necat Ayguen versuchte bei seinem zweiten Ballkontakt am eigenen Fünfmeterraum Gegenspieler Daniel Halfar zu umspielen – dieser nahm Ayguen den Ball ab und verwandelte zum 1:2. Drei Minuten später traf Halfar von Ayguen beobachtet zum 2:2. Statt der Befreiung erlebte Fußball-Duisburg einen vielleicht vorentscheidenden Rückschlag im Kampf um den Klassenerhalt. Die Fans, die eben noch lautstark wie selten zuvor ihr auferstandenes Team feierten, verließen nun fluchtartig das Stadion. Pfiffe gab es keine, statt dessen: stumme Resignation und entsetzte Minen.“ Roland Leroi (FR) empfiehlt Wolfgang Wolf einen gesitteten Ton: „Man mag nachvollziehen können, dass Wolf zur Schiedsrichterschelte ansetzte. Aber mit der Vehemenz seiner Kritik verschafft er sich keine Freunde in der sensiblen Zunft. Durch diese Diskussion wurde zumindest kaschiert, dass beide Mannschaften wie Abstiegskandidaten auftraten.“

Schalke 04-Borussia Dortmund 0:0

An der spielerischen Armutsgrenze

Richard Leipold (FAZ) trifft ein hartes Urteil über Schalke: „Gegen diszipliniert, aber keineswegs großartig kickende Dortmunder sind die Schalker an ihre Grenze gestoßen, ohne auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür zu liefern, diese Grenze überschreiten zu können – oder zu wollen. Gemessen an ihren hohen, vielleicht überhöhten Ansprüchen sind sie spielerisch an der Armutsgrenze angekommen. Es sind Ansprüche, die von finanziellen Zwängen diktiert, aber nicht von sportlicher Leistung gedeckt sind. Dennoch läßt Mirko Slomka, der sich auf eine fast unlösbare Aufgabe eingelassen hat, Maßstäbe gelten, die spätestens nach diesem Spieltag unrealistisch erscheinen. Fünfzehn Runden vor Ultimo sehe er keinen Grund, im Kampf um die Qualifikation zur Champions League die gerade erst angeblasene Jagd auf Werder Bremen und den Hamburger SV schon wieder abzublasen, sagte der Fußball-Lehrer. Der Trainer kämpft um die Chance seines Lebens. Die Spieler des FC Schalke aber waren nicht einmal beim Ruhrgebietsderby vom Jagdfieber gepackt. Insofern muten Slomkas Worte an wie Jägerlatein.“

Welt: erste Pfiffe für Slomka

Ich nehme mich bereits zurück, das hat nur noch keiner gemerkt

Krokodilstränen – WamS-Interview mit Rudi Assauer über Rangnicks Entlassung und seine
WamS: Ihre Vorstandskollegen haben die Außendarstellung des Vereins in der Hinrunde gerügt. Sind sie da selbstkritisch?
Assauer: Wir hätten uns sicher anders darstellen sollen.
WamS: Sie haben mit der harschen Kritik nach dem ersten Champions-League-Spiel in Eindhoven die Trainerdiskussion entflammt.
Assauer: Dort hätten wir die Basis fürs Weiterkommen legen können. Wie diese Partie verlorenging, hat mich maßlos geärgert. In diesem Spiel haben wir einige Millionen Euro in den Sand gesetzt. Das tat richtig weh.
WamS: Dem Trainer haben Sie mit Ihrem Wutausbruch das Leben schwer gemacht.
Assauer: Nein. In erster Linie war es Kritik an der Mannschaft, die die Arbeit eines ganzen Jahres in leichtfertiger Weise zunichte gemacht hat. Daß man nach so einer Leistung auch mit dem Trainer reden muß, ist doch normal.
WamS: Diese Ankündigung hat aber ausgereicht, daß die Boulevardpresse den Trainer in Frage gestellt hat.
Assauer: Für die Medien bin ich nicht zuständig.
WamS: Aber Sie kennen das Geschäft.
Assauer: Es muß doch möglich sein zu sagen, daß die Leistung schlecht war. Im übrigen gab es innerhalb des Vereins keine Trainerdiskussion. Ralf hat ja gute Arbeit gemacht.
WamS: Sie bedauern, daß er nicht mehr Schalkes Trainer ist?
Assauer: Ja. Das hätte nicht sein müssen.
WamS: Warum haben Sie ihm nie öffentlich Rückendeckung gegeben?
Assauer: Er muß doch genug Rückenwind gehabt haben. Es war unser erfolgreichster Trainer der vergangenen Jahre. Der Tabellenplatz war okay. Was seine Vertragsverlängerung angeht, haben wir ganz fair gesagt: ‚Ralf, zu Beginn der Rückserie setzen wir uns an einen Tisch und verhandeln.‘ Er hat sich nicht daran gehalten, indem er seinen Abgang mitgeteilt hat. Warum, weiß ich bis heute nicht.
WamS: Er vermißte das Vertrauen des Arbeitgebers.
Assauer: Wir hatten doch eine Vereinbarung. Dann sagt er plötzlich, daß er den Vertrag nicht verlängern will, und macht seine Ehrenrunde.
WamS: Er hat damit auf einen Zeitungsbericht reagiert, dem gemäß es im Vorstand keine Mehrheit für seine Vertragsverlängerung gibt.
Assauer: Das stimmt nicht! Wir hätten uns an die Absprache gehalten.
WamS: Den Bericht in der Bild-Zeitung gab es.
Assauer: Die Bild-Zeitung ist nicht der Vorstand von Schalke 04.
WamS: Mit dem zuständigen Sportredakteur sind Sie gut befreundet.
Assauer: Auch wenn ich ihn 25 Jahre kenne, er wird trotzdem behandelt wie jeder andere auch. Ich werde doch nicht Vereinsinterna an die Öffentlichkeit bringen, da müßte ich doch bescheuert sein.
WamS: Fühlen Sie sich mitschuldig an Rangnicks Entlassung?
Assauer: Mit Sicherheit nicht.
WamS: Sie selbst sind deshalb in Frage gestellt worden.
Assauer: Das habe ich nicht so empfunden. Und wer austeilt, muß auch einstecken. Noch kann ich das.
WamS: Aus Vorstand und Aufsichtsrat ist zu hören, daß Sie sich künftig zurücknehmen sollten.
Assauer: Solange ich noch sprechen kann, werde ich genau das sagen, was mir auf der Zunge liegt. Das kann mir keiner verbieten. Man kann nicht immer nur streicheln. Man muß die Wahrheit nur vertragen können.
WamS: Probleme kann man aber auch intern regeln.
Assauer: Ich nehme mich doch bereits zurück. Das hat nur noch keiner gemerkt. Schon seit geraumer Zeit habe ich mich Stück für Stück aus dem Tagesgeschäft Profifußball zurückgezogen.
WamS: Was wird auf Schalke anders, wenn Sie im Sommer Präsident werden?
Assauer: Stand heute: nichts.

taz: Die Elfenbeinküste gewinnt gegen Kamerun mit 12:11 nach Elfmeterschießen – ausgerechnet der hoch gelobte Samuel Eto‘o jagt den Ball über das Tor

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