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Bundesliga

Die Großen Drei haben noch keinen Plan für die neue Saison

Oliver Fritsch | Montag, 18. September 2006 Kommentare deaktiviert für Die Großen Drei haben noch keinen Plan für die neue Saison

Pressestimmen zum 4. Spieltag: Alle Champions-League-Teilnehmer verlieren, Folge der WM und des Verlust an Führungsspielern / Die Bielefelder kämpfen mehr und besser als die Bayern / Schlecht spielen und gewinnen – das können die Bremer nicht / Thomas Doll sucht nach einer Therapie für seine kranken Hamburger / Der Club ist kein Depp mehr / Sieger Cottbus, Tiefpunkt der Fußball-Ästhetik u.v.m.

Alle drei Champions-League-Teilnehmer verlieren – Christian Eichler (FAZ) findet zum ersten in der WM einen Grund für die Erschöpfung der Großen: „Wenn es einen äußeren Grund gibt für die Ausfallerscheinungen, dann ist es nicht die Champions League. Sondern die WM, die ihre zehrenden Spätwirkungen zu zeigen scheint: mit Verletzungen wie bei Klose oder Hargreaves, mit einem Mangel an Frische und Freude wie bei Podolski. Mancher Star wirkt, als sei er vom großen WM-Kino noch nicht wieder im kleinen Fernseh-Spiel der Liga angekommen.“ Die Welt stimmt zu: „Die WM und ihre einzigartigen Erlebnisse haben aber auch psychische Wirkung gezeigt. Polizisten machten am Mannschaftsbus die Welle. Zehntausende belagerten bis in die Nacht das Hotel. Ein ganzes Volk war Fan. Und nun? Pokal beim FK Pirmasens.“

Zum zweiten sei, laut Eichler, der Verlust der wichtigsten Spieler Ursache der Hamburger, Bremer und Münchner Schwäche: „Noch mehr hat die Schwankungsbreite mit den personellen Änderungen zu tun. Bayern mit Ballack, Bremen mit Micoud und Hamburg mit Barbarez verloren jenen Typus Spieler, der das Spiel, den Stil, die innere Verfassung eines Teams prägt. Es sind die Autoritäten am Ball, die von Mitspielern im Zustand der Verunsicherung gesucht werden – jene vielbeschworenen ‚Führungsspieler‘, die Stress aus einem Team absorbieren, weil sie Ball und Initiative anziehen. Sie sind der Magnet im inneren Kraftfeld einer Elf. Wenn solche Spieler gehen, brauchen Teams oft lange, ihre Gravitation neu zu tarieren. Es ist noch nicht stabil, das neue Kraftfeld der Top-Teams – und damit der ganzen Bundesliga.“

Weniger vorhersehbar, weniger langweilig, weniger Beckmann

Volk ohne Raumdeckung vermißt die Freude über die neue Hierarchielosigkeit der Bundesliga: „Reinhold Beckmann, Ahnungslosester der Ahnungslosen nannte in der Sportschau die Tabelle ‚durchwachsen‘, weil der Erste nur zwei Siege und zwei Unentschieden auf dem Konto hatte. Der Anfang der Saison läßt hoffen, daß diesmal vieles anders sein wird, weniger vorhersehbar, weniger langweilig, weniger Beckmann.“ Die FAZ fügt hinzu: „Es sieht aus, als habe von den großen drei der letzten Saison noch keiner einen Plan für die neue.“

Lücken

Roland Zorn (FAZ) beschreibt den Hergang der Münchner Niederlage in Bielefeld: „Vier Tage nach ihrem überzeugenden Einstand in die neue Champions-League-Spielzeit hatten einige der Münchner Meisterprofis den untauglichen Versuch unternommen, mit halbherzigem Spätsommerfußball irgendwie über die Runden zu kommen. Das aber klappte nicht gegen ein Team, das den Kampf gegen die eigenen Selbstzweifel, die sich nach dem Pokal-Aus in Pfullendorf massiv verstärkt hatten, überzeugend gewann.“

Mathias Klappenbach (Tsp) fügt an: „Es sieht so aus, als ob dem FC Bayern in der Neufindungsphase gerade ein Teil seiner selbstverständlichen Souveränität verloren geht.“ Philipp Selldorf (SZ) ergänzt: „Selten hat man eine so ungenau strukturierte Bayern-Mannschaft erlebt.“ Die Welt gibt den Bayern-Stürmern schlechte Noten: „Neben der nicht geschlossen Lücke, die Ballack im Mittelfeld hinterläßt, sind die Angreifer das Hauptproblem. Vier gibt es, gefährlich ist derzeit keiner. Lukas Podolski findet sich in der neuen Welt noch nicht zurecht. Claudio Pizarro ist unkonstant wie eh und je. Roque Santa Cruz reift nur an Jahren, nicht an Können. Und der einstige Superstar Roy Makaay darf nicht mal mehr den Joker geben.“ RundBlog hält Podolski für überbewertet: „Wen man für zehn Millionen alles hätte kaufen können. Horrorvorstellung: Hoeneß mit Allofs‘ Händchen.“

Seifenoper

Schlecht spielen und gewinnen – diese Fähigkeit gehe Werder Bremen nach wie vor ab, meint Frank Heike (FAZ) nach dem 2:3 gegen Stuttgart: „Dieser Rückschlag schmerzte die Bremer besonders, weil das 0:2 beim FC Chelsea intern als beste Saisonleistung gewertet worden war und den Weg an die Bundesliga-Spitze ebnen sollte. Doch bei der Niederlage gegen erst in der zweiten Halbzeit gute Stuttgarter ließ Werder etwas vermissen, was Spitzenmannschaften auszeichnet: Cleverness. Hier haben die Bremer traditionell Nachholbedarf gegenüber Bayern München und erst recht gegenüber europäischen Top-Teams. Trainer Thomas Schaaf arbeitet seit Jahren daran, seinem Team das Maß an Aufwand und Ertrag auf dem Spielfeld beizubringen. Doch irgendwie läßt sich Ergebnisfußball wohl nicht mit dem Bremer Erlebnisfußball paaren.“ Jörg Marwedel (SZ) notiert die Enttäuschung der Bremer Fans: „Kaum jemand konnte sich daran erinnern, wann ein Werder-Team zuletzt eine vermeintlich sichere Führung derart schlampig verwaltet hat.“

Marwedel fällt zudem die Disharmonie zwischen den Bremer Spielern auf: „Daß es derzeit nicht stimmt im Team, hatte schon unter der Woche Kloses Schelte am Kollegen Klasnic ahnen lassen, dem der WM-Torjäger unverblümt vorhielt, er solle sich ein Beispiel an seiner, Kloses, Arbeitsmoral nehmen. Auf dem Platz wiederum wurden erneut Dissonanzen zwischen Frings und Diego sichtbar.“ Die Welt fühlt sich wie im Film: „Die Bremer inszenieren seit Wochen eine Seifenoper, die sich problemlos mit dem Vorabendprogramm der ARD messen kann. Streit und Neid haben Einzug gehalten. Frings unterstellt Diego zu viel Eigensinn, Owomoyela beschimpft seine Mitspieler, und Torwart Reinke mosert über seine Reservistenrolle. Selbst die Harmonie im einstigen Traumsturm ist dahin, seitdem das eine K (Klose) dem anderen K (Klasnic) mangelnde Motivation vorwarf. Schaaf und Allofs erleben erstmals in ihrer Bremer Zeit derlei Unheil. Bislang wirken sie überfordert.“

Innenleben der Männergruppe außer Takt

Richard Leipold (FAZ) beobachtet Thomas Doll, 0:1-Verlierer in Dortmund, bei einer erfolglosen Therapie: „Die dritte Niederlage in acht Tagen macht es ihm noch schwerer, den daniederliegenden HSV zu kurieren. Ob gegen die Stuttgarter Kickers, Arsenal oder Borussia Dortmund: Unabhängig von der Schwere des Gegners findet der Trainer derzeit kein Rezept, das einen Behandlungserfolg verspricht. Doll steht vor einer Aufgabe, die neu für ihn ist. So viele Niederlagen in so kurzer Zeit hat er als Cheftrainer noch nie bewältigen müssen.“ Den Dortmundern hingegen attestiert Leipold Fortschritte in der Gesundung: „Der Weg zu wahrer Größe ist noch weit, aber die Richtung scheint wieder zu stimmen in Dortmund. Gegen Hamburg genügte die Fußball-Tugend Kampf, um die bessere von zwei schlecht spielenden Mannschaften zu sein. Während der BVB vor allem den künstlerischen Ausdruck verbessern will, müssen die Hamburger an den Grundlagen arbeiten und, wie es heißt, auch am Zusammenhalt der Männergruppe, um deren Innenleben es nicht zum besten bestellt sein soll.“

Tsp: Der HSV spielt sich unaufhaltsam in die Krise

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