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Bundesliga

Als hätte Slomka eine neue Mannschaft erfunden

Oliver Fritsch | Dienstag, 12. Dezember 2006 Kommentare deaktiviert für Als hätte Slomka eine neue Mannschaft erfunden

Nach dem 3:1 gegen Dortmund hat sich der Wind in der Presse endgültig für Schalke und seinen Trainer gedreht / Spott für Bayerns Einkaufspolitik (Berliner Zeitung) / Ein weiteres enttäuschtes 18-minus-1-Hinrundenfazit (stern.de)

Daniel Theweleit (BLZ) lobt Schalkes neuen Tormann und rückblickend Mirko Slomkas Mut, ihn einzusetzen: „Manuel Neuer ist seit dem elften Spieltag die Nummer 1, und langsam sind auch die Skeptiker überzeugt. Zwar ist immer noch rätselhaft, welches Ereignis Slomka in Wahrheit zu dem Entschluß führte, Rost Stunden vor dem Spiel gegen Bayern München seinen Stammplatz zu nehmen, doch mittlerweile sind die Vorzüge Neuers unübersehbar. Seine Strafraumpräsenz ist beeindruckend. Der modernere Torhüter löst den renommierteren ab.“ Auch daß die Schalker Spieler nicht mehr vor Mikrofonen und Kameras übereinander reden, sei ein Schlüssel zum Erfolg: „Von großer Bedeutung war zudem das Schweigegelübde, der Mannschaftsgeist war plötzlich intakt wie selten. Ohne die Stimmen der Spieler ließen sich keine Geschichten mehr über den zerstrittenen Kader erzählen, und diese waren der Renner des ersten Saisonviertels.“

An Christoph Biermanns (Spiegel Online) profunder Spielanalyse kommt man nicht vorbei: „Spätestens gegen Borussia Dortmund sah man, daß nicht nur ein paar Stellschräubchen verändert worden waren, sondern Schalke fast zu einem Neuentwurf seines Spiels gekommen ist. Wo die Schalker vorher oft kleine Kringel auf den Platz gezeichnet hatten, sind nun starke und deutliche Striche zu sehen. Das Spiel hat nun keinen Zug ins Südländische mehr, mit langen und oft getragenen Kombinationen, sondern es geht inzwischen fast britisch schnell und direkt zu. In der englischen Fußballsprache gibt es den Ausdruck ‚hunting in a pack‘, und genau das machte Schalke in den besten Momenten des 128. Revierderbys: Sie jagten im Rudel.“

Philipp Selldorf (SZ) findet mit den Fans Gefallen am „Relaunch“ Schalkes: „Vom Publikum wird die Mannschaft umjubelt wie ihre edelsten Ahnen, die ‚Eurofighter‘ und die ‚Meister der Herzen‘; und Mirko Slomka erhält nun Respekt für Mut und Weitblick. Es sind ja nicht die bewährten Größen Rost, Lincoln oder Bordon, die den Aufschwung besorgt haben, sondern das Gros, das sich hinter ihnen tummelte: der plötzlich ins Tor beförderte Teenager Neuer; die schweigsam zuverlässigen Kobiaschwili, Krstajic und Rodriguez; der schon zum Fehleinkauf erklärte Lövenkrands und der lange verfemte Kuranyi, der jetzt Sonderapplaus bekommt. Es ist, als ob Slomka während der Saison eine neue Mannschaft erfunden hätte, und dazu paßt, daß in deren Mittelpunkt einer stand, der schon sechs Jahre bei Schalke ist: Außenverteidiger Christian Pander.“ Den Blick nach Dortmund wendend, behauptet Selldorf, Bert van Marwijks Status sei geschwächt worden: „Noch ist nicht bekannt, wie die Trainerfrage genau geregelt wird, aber so viel steht fest: Auf Schalke haben alle Beteiligten auf eindrucksvolle Art dazu beigetragen, die Trennung zu beschleunigen.“

Die FAZ über Schalke: Schnell spielen – und langsam auch wieder reden
FAZ: Schalke und Dortmund und ihre Trainer

Dieser Klub schrumpft in Rekordzeit seine Spieler

Andreas Lesch (BLZ) nimmt die Ankündigung Karl-Heinz Rummenigges, Julio dos Santos nach Wolfsburg auszuleihen, zum Anlaß, Bayerns Sichtungs- und Einkaufsabteilung zu verspotten: „Es ist kein Zufall, daß die Profis aus Südamerika sich beim FC Bayern so selten durchsetzen. Sie sind schließlich ein Teil der Münchner Transferpolitik. Diese Politik ist so altbacken und so berechenbar, daß es fast niedlich wirkt. Zuerst kaufen die Münchner die Liga leer. Jeden Kicker der Konkurrenz, der eine ordentliche Saison spielt und dessen Verpflichtung risikoarm erscheint, ködern sie mit einem Vertrag. Dann schauen sie kurz beim eigenen Nachwuchs: Versteckt sich dort ein Talent? Nein? Dann schicken die Münchner ihre Scouts hinaus in die Welt. Aber deren Erfolg ist übersichtlich. Sie sollen Spieler finden, deren Verpflichtung mutig wirkt. Die den FC Bayern exotisch machen und flugs Weltklasse werden. Bis sie in Wolfsburg landen. Tja. (…) Der Klub ist ein Weltmeister der Versprechungen. Wer die Ankündigungen des FC Bayern mit den Leistungen seiner Zugänge vergleicht, stellt fest: Dieser Klub schrumpft in Rekordzeit seine Spieler.“

Malte Oberschelp (Rund/SpOn) stimmt ein: „Der FC Bayern hat noch gar keine Mannschaft – eine Folge der zuletzt wenig intelligenten Transferpolitik. Erst hat die Clubführung Michael Ballack mit ständigen Nörgeleien vergrault, dann wurde kein Ersatz geholt, weil Santa Cruz oder Schweinsteiger die Position ja genauso gut spielen können. Hieß es aus München. (…) Was den Bayern fehlt, sind überraschende Transfers, die Sinn haben. Verstärkungen, keine Namen. Der Herausforderung aus Bremen, der ernsthaftesten seit dem Dortmunder Größenwahn, haben die Bayern strategisch bisher wenig entgegenzusetzen.“

Lieblinge der Liga

Klaus Bellstedt (stern.de) zieht ein enttäuschtes 18-minus-1-Hinrundenfazit: „Ausklammern muß man die Schöne unter den Biestern, Werder Bremen. Die Mannschaft von Thomas Schaaf spielt wirklich in einer anderen Liga: attraktiv, modern und dabei niemals auf reine Ergebnisbemühung ausgerichtet. Das Erstaunliche daran: Die Lieblinge der Liga führen die Tabelle nicht etwa so souverän wie in England ein bärenstarkes Manchester United an, sondern müssen sich die Spitze mit Schalke 04 teilen. Auch der Abstand auf Platz 3 ist nicht eben komfortabel. Das spricht nicht für Werder, Stichwort ‚mangelnde Kontinuität‘. Für den Herbstmeister-Titel wird es wohl dennoch reichen. Für den neutralen Fan ist das die einzig gute Nachricht zum Ende einer mehr und mehr dahinsiechenden Hinrunde.“

Zeit: Im Sommer waren Thomas Doll und Jürgen Klopp noch Lieblinge der Fußballnation. Nun stehen sie mit ihren Mannschaften auf den letzten Plätzen der Bundesliga – doch keiner will sie feuern. Hat die Branche etwa Geduld gelernt?

SZ: Jan Schlaudraff ist zum umworbensten Spieler der Bundesliga geworden – und nun hin- und hergerissen von den Angeboten

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