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Bundesliga

Die Bundesliga hat nicht die Trainerseuche, sondern die Managerkrankheit

Oliver Fritsch | Montag, 5. Februar 2007 Kommentare deaktiviert für Die Bundesliga hat nicht die Trainerseuche, sondern die Managerkrankheit

In den Kommentaren der Sportseiten bekommen immer mehr die Vereinsführungen ihr Fett weg, derzeit vor allem die Hamburger und Münchner

Andreas Burkert (SZ) vermißt die Ideen der Vereinsführung Bayern Münchens: „Sechs Jahre nach dem Champions-League-Triumph bleibt festzustellen, daß den Bayern der schon länger notwendige Umbruch bis heute nicht nachhaltig gelungen ist. Ein Comeback von Jens Jeremies scheint wahrscheinlicher als die innovative Inventur eines Kaders, dessen Hierarchien so flach daherkommen wie Nürnberger Lebkuchen. Die Bayern hatten zwar angekündigt, ein Jahr des Übergangs akzeptieren zu wollen, aber als Chance für mutige Eingriffe haben sie das nicht verstanden. Die Methode, nationalen Mitbewerbern Leitfiguren abspenstig zu machen oder vorzuenthalten, wie diesmal geschehen mit van Buyten, Podolski und zuletzt Schlaudraff, wirkt eher wie das routinierte Verwalten eines Monopols.“

Klaus Hoeltzenbein (SZ) bedauert die Scheinheiligkeit Uli Hoeneß‘ und die Art, Felix Magath seine Entlassung über die Bild-Zeitung zu vermitteln: „In Stilfragen lassen sich die Bayern ungern die Meisterschaft rauben. Das hatte Uli Hoeneß am vergangenen Sonntag noch einmal bei Sabine Christiansen bekräftigt, wo er als Anwalt für seinen Landesvater Stoiber wirkte: ‚Einen Mann mit diesen Verdiensten in nur vierzehn Tagen abzuschießen, das stinkt zum Himmel!‘ Sprach’s, und zeigte drei Tage später, wie es anders geht. Wobei die Zeit, in der die Bayern von Felix Magath zu Ottmar Hitzfeld wechselten, für die Rekordbücher schwer zu messen ist. Nimmt man jene Zeit, in der die Meldung via Bild ad hoc öffentlich gemacht wurde (14.30 Uhr)? Oder jene (15.30 Uhr), zu der Magath von der Gattin zur Säbenerstraße chauffiert wurde, um dort bestätigt zu bekommen, was er schon im Autoradio gehört haben dürfte? Entlassung via Verkehrsfunk – in jedem Fall war der interessierte Fan vor dem erfolgreichen Doppel-Double-Trainer offiziell unterrichtet, und das ist kniggetechnisch schon unschlagbar stillos. Wenn die Münchner nun zur Spiegelschau schreiten und dort nicht nur sehen wollen, wie toll sie sind, so wird die Suche nach der undichten Stelle am schnellsten abgeschlossen sein. Präsident Beckenbauer ist langjähriger und hoch dotierter Bild-Mitarbeiter, generell geht da Exklusivität vor Pietät. Wer bei den Bayern unterschreibt, der nimmt diese folkloristischen Seltsamkeiten in Kauf, abgerechnet wird deshalb nicht streng nach der Trainer-Tariftabelle, seelische Grausamkeit (Verkehrsfunk!) wird angemessen kompensiert.“

Daniel Theweleit (SpOn) pocht auf Hoeneß‘ Fehler: „Die Verantwortung für Krisen, deren Ursache in einer schlechten Personalpolitik liegt, wird einfach dem Trainer zugeschoben. Sportdirektoren, die zurücktreten oder entlassen werden, weil sie die Mannschaft falsch zusammengesetzt haben, oder einen unpassenden Trainer einstellten, muß man in dieser Bundesliga mit der Lupe suchen. Peter Pander hat ebenso erfolglos Millionen verjubelt wie Dietmar Beiersdorfer und viele Kollegen. Ganz besonders furchtbar war das Jahr 2006 aber für Uli Hoeneß. Es fing an mit dem schlimmen Champions-League-Ausscheiden gegen Milan, setzte sich fort mit der finanziellen Pleite von 1860 München, was die gesamte Finanzierung der Allianz-Arena ins Wanken brachte (und die Bayern zahlen nun kräftig drauf), Oli Kahns Verbannung aus dem Nationalmannschaftstor störte das Selbstverständnis des Clubs ebenso empfindlich wie der konsequente Abschied Michael Ballacks. Und im Sommer wurden dann lauter Spieler verpflichtet, die diese Mannschaft nicht wirklich besser machten. Die Hauptschuld für die Folgen bei Magath zu suchen, war ziemlich unfair.“

Christian Eichler (FAZ) kritisiert die Transferpolitik der Bayern: „Der deutsche Manager hat sein persönliches Macht-Risiko-Profil perfektioniert. Er hat die Macht über die Personalentscheidungen und den Trainer; das Risiko für Manager-Fehler aber trägt der Trainer. So mußte Magath ausbaden, daß das alte Rezept von Hoeneß, das Abgrasen der Spitzengewächse anderer Bundesligaklubs, zuletzt nicht mehr zog. Dem Modell einer zusammengekauften Liga-Elite haftet eine satte Selbstzufriedenheit an, die sich aufs Spiel überträgt. Es fehlt die spielerische Infusion mutiger Personalauffrischungen aus dem Ausland, wie sie Bremen immer wieder schafft. (…) Die Bundesliga hat nicht die Trainerseuche, sondern die Managerkrankheit.“

Anti-Doll

Claudio Catuogno (SZ) rügt die HSV-Führung, die bereits mit Huub Stevens einig schien, wegen des Flirts mit Magath: „Da hat ihm sein neuer Arbeitgeber gleich eine schöne Hypothek aufgeladen. Stevens muß sich vorkommen wie ein Bräutigam, dessen Auserwählte sich kurz vor der Hochzeit noch ein Treffen mit dem Ex ausbedingt (der ist nämlich frisch geschieden und hat vielleicht noch oder wieder Interesse). Beiersdorfer hat seinem Klub mit den überstürzten Magath-Avancen wohl eher keinen Gefallen getan – ebenso wenig wie dem Ansehen des neuen Mannes, der bei der verunsicherten Mannschaft ab sofort als unumstrittene Autorität gelten soll. (…) Die Frage ist, wie dankbar Huub Stevens jetzt ist über diesen Job, den ihm der HSV, anders als Magath, offenbar ohne Skrupel wieder weggenommen hätte.“ Stefan Hermanns (Tsp) stellt die Hamburger Auswahlkriterien in Frage: „Daß der Hamburger SV in seiner Verzweiflung Stevens engagiert hat, folgt einem bewährten Verhaltensmuster: Ein neuer Trainer sollte sich nicht nur in Nuancen von seinem Vorgänger unterscheiden, er sollte sein genaues Gegenteil sein. Thomas Doll konnte bis zum Schluß nicht aus seiner Haut; er blieb ein Spielerversteher. Stevens ist der Anti-Doll, so wie es übrigens auch Magath gewesen wäre.“

BLZ: Heiteres Würfelspiel in Hamburg
zeit.de: Interview mit Fredi Bobic über den Sinn von Trainerwechseln aus Spielersicht

FAZ-Portrait Manuel Neuer, Schalker Tormann

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