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Bundesliga

Kein Platz mehr für Kleine

Oliver Fritsch | Dienstag, 13. Mai 2008 Kommentare deaktiviert für Kein Platz mehr für Kleine

33. Spieltag: Die Saison endet, die Presse bedauert es, ohne Überraschung / Ausnahme Cottbus / Rostock lethargisch / Duisburg inhomogen / Nürnberg kampflos / Lob für Bielefelds Trainer Michael Frontzeck / Wolfsburg kommt / Schalke siegt kärglich

Peter Heß (FAZ) leidet unter der erstarrenden Hierarchie der Bundesliga: „Auf Wiedersehen, Rostock und Duisburg, Willkommen, Mönchengladbach und Köln. Kleine Klubs mit kleinen Stadien verlassen die Eliteklasse, Traditionsvereine mit Arenen stoßen hinzu. Die Bundesliga wird noch größer, bunter, attraktiver, und langsam kriecht der Gedanke in den Kopf – sie ist mittlerweile so groß geworden, dass sie kleinen Vereinen keinen Platz mehr bietet, zumindest über das Aufstiegsjahr hinaus. Die ausgeglichenste Liga der Welt, dieses Prädikat gilt längst nicht mehr. Nicht nur die Spitze hat sich immer weiter abgesetzt, auch Unter- und Mittelschicht trennt mittlerweile ein Graben, der kaum noch überbrückbar scheint. Die Zentralvermarktung funktioniert nur noch als kosmetisches Mittel, Klassenunterschiede kann sie nicht mehr ausgleichen. Dass Duisburg und Rostock abgestiegen sind, erscheint beinahe zwangsläufig, dass Cottbus die Liga halten konnte, wirkt wie ein Wunder. Bei der finanziellen Potenz der Aufsteiger sieht es so aus, als hätten die Lausitzer das Unvermeidliche nur um ein Jahr hinausgeschoben.“

Milieu akzeptiert

Zum Klassenerhalt Energie Cottbus’ bemerkt Claudio Catuogno (SZ), Anpassungsfähigkeit und Klugheit des Trainers hervorhebend: „Was hat sich Jürgen Kohler da für eine Chance entgehen lassen! Ihn hatten die Cottbuser ja als Wunschtrainer auf der Liste, nachdem sich Petrik Sander, der Vorjahresheld, in Worten und Taten an einem heiligen Prinzip versündigt hatte: der Bescheidenheit. Aber Kohler hat schnöde verzichtet. Lieber ist er arbeitslos geblieben. Im Osten, das war die Botschaft hinter der Absage, gibt es für prominente Namen mehr zu verlieren als zu gewinnen. Nun zeigen die Bilder aus dem Stadion der Freundschaft, wie viel es im Osten zu gewinnen gibt. Die Frage ist aber, ob das Wunder, als das jeder Klassenerhalt in Cottbus verstanden wird, auch mit einem Jürgen Kohler funktioniert hätte. Oder ob es dazu schon einen Bojan Prasnikar brauchte. Einen, der sich zunächst einmal mit den Wahrheiten abfindet, die achtzehn Jahre nach dem Mauerfall zwar keiner mehr hören kann, die aber trotzdem wahr bleiben: Im Ostfußball gibt es weniger gewachsene Strukturen, kaum Geldgeber, und wenn, dann häufig die Falschen. Und es gibt ein Grundmisstrauen gegen Abkassierer aus dem Westen, weshalb der Slowene Prasnikar dem Cottbuser Fan im Zweifel näher ist als der Mannheimer Kohler. Man muss ein Milieu wohl zunächst akzeptieren, um seine spezifischen Stärken entfalten zu können. Das ist Prasnikar gelungen.“

Führungsschwäche

Nach dem Abstieg wirft Ronny Blaschke (Berliner Zeitung) den Entscheidern Hansa Rostocks Lethargie vor: „Es ist Rostocker Tradition, dass Probleme so lange verharmlost werden, bis sie nicht mehr zu beheben sind. In den vergangenen Wochen, als sich der dritte Abstieg nach 1992 und 2005 abzeichnete, kam an der Küste so viel Krisenstimmung auf wie bei einer Kaffeefahrt mit Heizdeckenverkauf, Misstöne blieben die Ausnahme. Und auch jetzt, da der Sturz besiegelt ist, verweigern die Verantwortlichen eine kritische Analyse für eine der schlechtesten Spielzeiten seit zehn Jahren. (…) Es liegt die Vermutung nahe, dass Frank Pagelsdorf nach einer Rückrunde mit zehn erspielten Punkten seinen Job vor allem deshalb behalten darf, weil sein Bonus nach zwei Aufstiegen nicht aufgebraucht ist. Das Argument, der Klassenerhalt sei aufgrund des kleinen Etats (27 Millionen Euro) kaum möglich gewesen, widerlegen Cottbus und Karlsruhe. Die Spieler, die Pagelsdorf vor der Saison verpflichtet hatte, Victor Agali, Heath Pearce, Benjamin Lense, Diego Morais und Addy-Waku Menga, enttäuschten, nur Stefan Wächter, Orestes und Fin Bartels erreichten Liganiveau. Dass Pagelsdorf noch immer als der starke Mann gilt, liegt an der Schwäche der Führungsmitglieder.“

Durchlauferhitzer

Ulrich Hartmann (SZ) bringt Duisburgs Schwächen auf den Punkt: „Menschlich zu unterschiedlich, sprachlich zu international, spielerisch zu disharmonisch und charakterlich zu egoistisch. Das ist keine ganz neue Duisburger Diagnose. Der MSV wirkt bisweilen wie ein Durchlauferhitzer, an dessen Ausgang allen schnell wieder kalt wird.“

Gute Arbeit und doch Absteiger?

Felix Meininghaus (FR) pocht, dem 2:2 gegen Dortmund zum Trotz, auf die Qualität der Arbeit Michael Frontzecks in Bielefeld: „In seiner zweiten Karriere wird das Wirken des Ex-Nationalspielers bislang in erster Linie darauf reduziert, es in der letzten Saison nicht geschafft zu haben, Alemannia Aachen zu retten. Eine angemessene Würdigung ist das nicht, weil dabei außer acht gelassen wird, dass Frontzeck mit bescheidenen Mitteln brauchbare Arbeit abgeliefert hat. Auch in Bielefeld sind sie mit Frontzeck zufrieden, schließlich hat er es nach langer Anlaufzeit geschafft, aus einem chaotischen Ensemble eine Einheit zu formen, die zwar nicht glanzvoll, aber zumindest stabil auftritt. Doch all das wird bei einem erneuten Scheitern im kollektiven Langzeit-Gedächtnis keinen Nachhall finden. Sollte Frontzeck auch mit Bielefeld durchfallen, würde ihm endgültig das Stigma des Abstiegstrainers anhaften.“

Peter Penders (FAZ) stimmt ein: „Vermutlich hätte Frontzeck diesen Abstieg nicht verdient, denn an seinem Beispiel lässt sich leicht veranschaulichen, wie ungerecht es in diesem Beruf mitunter zugehen kann. Als die Arminia seine Verpflichtung verkündete, war Frontzeck von den Fans nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden. Frontzeck ist es aber nach einigen Anlaufschwierigkeiten gelungen, die Arminia wieder wettbewerbsfähig zu machen. Die Zeiten der hohen Niederlagen sind lange vorbei, Bielefeld steht in der Abwehr wieder stabil, nur der Angriff ist eine Problemzone geblieben. Am Samstag aber war es fast so weit, dass dieselben Fans, die sich im März noch lustig über Frontzeck gemacht hatten, den Trainer vermutlich auf den Schultern über den Platz getragen hätten. Dann aber kam das Unglück über die Arminia, und nun schwebt Frontzeck in der Gefahr, dass auch sein zweiter Job als Cheftrainer so endet wie in Aachen und niemand über seine gute Arbeit reden wird. (…) Das 2:2, vielleicht der kurioseste Treffer der ganzen Saison, aber auf diese Bestmarke hätten sie in Ostwestfalen liebend gern verzichtet.“

Benebelt

Catuogno schreibt enttäuscht über die Leistung der Nürnberger beim 0:1 in Berlin: „Dass Manager Martin Bader behauptete, man habe sich ‚ein Endspiel erkämpft’, war nur teilweise richtig. Erkämpft haben sie sich die Chance, doch noch an Bielefeld vorbeizuziehen, allenfalls in den vorangegangenen Partien. Am Samstag, als es im Olympiastadion um alles oder nichts ging, war von einem Aufbäumen wenig zu spüren. Sie haben dieses Endspiel geschenkt bekommen, vom Schicksal, vom Bielefelder Torhüter Fernandez, der mit dem Pfosten Doppelpass spielte, von wem auch immer. Teilweise schien es, als hätten sich die Nürnberger einlullen lassen. Wie die ganze Saison schon: benebelt von dem Gerede, mit ihrer spielerischen Qualität könne man gar nicht absteigen. Dabei spielt Qualität im Abstiegskampf nur noch selten eine Rolle: Entscheidend ist die Frage, wie teuer man sich verkauft.“

Pfingstochse Rafati

Oskar Beck (Welt am Sonntag) verfasst eine Glosse über den Zusammenhang zwischen falschen Schiedsrichterentscheidungen und Schicksal: „Ohne den Ausgleich auf der Bielefelder Alm hätte Babak Rafati kein ruhiges Pfingstfest verbracht und vor allem das schöne Nürnberg für den Rest seines Lebens weiträumig umfahren müssen. Zwei Elfmeter der 100-prozentigen Sorte hat der Sehschwache dem ‚Club’ in Berlin unterschlagen und die ruhmreichen Franken schier in den Abstieg gepfiffen, und über den gepfefferten Schadensersatz, den einer für so was im richtigen Leben zu blechen hätte, wollen wir gar nicht reden. Als Pfeife hätte ihn ganz Fußballdeutschland beschimpft, mindestens aber als Pfingstochse – in entlegenen Alpengegenden ist es noch heute ein guter Brauch, die schlimmste Schlafmütze als Pfingstochsen auf der Schubkarre durch das Dorf zu fahren. Das alles ist Rafati erspart geblieben.“

Tradition kann man nicht kaufen, Erfolg schon

Frank Heike (FAZ) erkennt Wolfsburger Fortschritte nicht nur sportlich: „Knapp sechzig Millionen Euro Investitionen von Juni 2007 bis jetzt: Damit wäre der VfL Wolfsburg nicht mehr weit vom FC Bayern München entfernt. Und eben diesen Klub will der VfL angreifen – langfristig. An Werder und Schalke will man schon im nächsten Jahr ran. Das Modell Wolfsburg ist ein anderes als das der umsatzstarken Bayern, denn das Geld kommt ja fast ausschließlich vom Sponsor/Anteilseigner. Auffällig ist dabei, dass der VfL Wolfsburg langsam sein Plastik-Image verliert. Tradition kann man nicht kaufen, Erfolg schon, und auch das muss ein respektabler Weg sein im Fußball-Business. Mit den Siegen wächst eine neue Fan-Kultur in der ost-niedersächsischen Provinz. Zum wiederholten Male gab es echte Fußballstimmung in Wolfsburg; mal sehen, ob zum Saisonfinale mehr als die üblichen 76 Unerschrockenen mit zum Spiel nach Dortmund reisen.“

Hinter den eigenen Ansprüchen

Marc Heinrich (FAZ) nutzt das dünne 1:0 gegen Frankfurt, um auf Schalkes Mängel der letzten Saison zeigen: „Errungenschaften von bleibendem Wert hat es für Schalke 04 seit langem nicht mehr gegeben. Seit dem DFB-Pokalsieg vor sechs Jahren hinkt der Fußballverein mit schöner Regelmäßigkeit den eigenen Ansprüchen hinterher. Schalke besitzt noch die kleine Chance, einer abermals nur halbwegs zufriedenstellend verlaufenen Spielzeit etwas Positives abzugewinnen. Dank des schmeichelhaften Erfolgs über die Hessen, die sechs ihrer zurückliegenden sieben Spiele verloren, besteht die kleine Chance, auf den 2. Platz vorzurücken – es wäre für Schalke die perfekte Schlusspointe zum Ende turbulenter Monate, in deren Verlauf die ‚Königsblauen’ ihr eigentliches Vorhaben, dem Branchenprimus aus München auf Augenhöhe entgegentreten zu können, früh aufgeben mussten. Stattdessen vergeudeten sie viel Energie in internen Machtkämpfen, die in der Entlassung von Mirko Slomka gipfelten.“

Welt: Der Riss zwischen Trainer und Mannschaft beim Hamburger SV ist nicht mehr zu kitten, das Verhältnis zwischen Huub Stevens und seinen Profis zerrüttet. Er wird von den Spielern nur noch geduldet – und kündigt die Aufarbeitung seiner Hamburger Zeit in seinem Buch an

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