indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Hat Rummenigge den Daumen schon gesenkt?

Oliver Fritsch | Montag, 20. April 2009 1 Kommentar

Das Verhältnis Jürgen Klinsmanns zu den Bayern scheint auch durch Sieg und Titel nicht mehr zu kitten / Stuttgart greift mit deutschen Talenten an / Hamburg teilt sich seine Kraft gut ein / Wolfsburgs Fitness-Überlegenheit / Friedhelm Funkels Realo-Kurs rettet Eintracht

Die SZ geht davon aus, dass Jürgen Klinsmann der 1:0-Sieg in Bielefeld und auch eine mögliche Meisterschaft den Arbeitsplatz über das Saisonende nicht hinaus retten werden. Trainer und Klub führten eine „fragile Beziehung auf Zeit“, schreibt Andreas Burkert und kontrastiert Jürgen Klinsmanns zur Schau gestellten Optimismus mit der Skepsis der Entscheider: „Uli Hoeneß hat zwar nicht direkt bestätigt, dass der Trainer mal wieder seinen Job rettete; aber man sah ihm diese Gedanken an. Zumindest Karl-Heinz Rummenigge soll ja bereits den Daumen gesenkt haben, doch angesichts der Unklarheiten über die künftigen Machtverhältnisse in der Führungsetage glaubt Klinsmann offenbar, noch einen Fuß in die Tür zu bekommen, die für ihm fürs nächste Jahr eigentlich schon verschlossen ist.“ Angesichts der auch schwierigen Beziehung zu den Fans freut sich Burkert auf die „erste Meisterfeier auf dem Marienplatz, bei der der Erfolgstrainer wohl etwas Mut benötigte, um vors zwiegespaltene Volk zu treten“.

Der kleine Bruder sagt: „Die Kritik an Klinsmann ist unsachlich, persönlich und antiamerikanisch. Die Frage, ob er ein guter Trainer ist, bleibt auf der Streceke.“

Roland Zorn (FAZ) wertet Bayerns neue sportliche Nüchternheit als vielversprechende Rückkehr zu den Wurzeln: „Nach einer etwas selbstgefälligen ersten Hälfte präsentierte sich der Meister sperrig, wehrhaft und wild entschlossen, das Spiel zu einem guten Ende zu bringen. Die Bayern haben sich in Bielefeld zu einer neuen Nüchternheit bekannt – und sind damit zu den Wurzeln ihrer Erfolgsgeschichte zurückgekehrt.“

VfB Deutschland

Mit dem VfB Stuttgart, obwohl nur Tabellenfünfter, rechnen viele Journalisten im Titelrennen, denn eine Aufholjagd ist ihm vor zwei Jahren auch geglückt. Gefallen findet Christof Kneer (SZ) vor allem daran, dass Stuttgart mit neun deutschen Spielern gewonnen hat, während der Gegner Köln mit elf Ausländern in der Startelf auflief: „In der Krise hat der Klub eine neue Identität entwickelt: Befreit von den konservativen Personalvorstellungen des Meistertrainers Armin Veh, ist Manager Horst Heldt dabei, den Klub in einen VfB Deutschland umzubauen – eine Anlaufstelle für inländische Begabungen, die sich bei der unaufgeregten Autorität des Teamchefs Markus Babbel aufgehoben fühlen.“

Babbel muss ab Sommer seine DFB-Lizenz nachholen. In der Diskussion um die Notwendigkeit dieser Maßnahme nimmt Markus Lotter (Berliner Zeitung) sogar den Stuttgarter Titelgewinn vorweg: „Sollte sich der VfB tatsächlich für die Champions League qualifizieren, ist Babbels Doppelbelastung bei all den kleinen Erleichterungen, die er genießt, nicht mehr nur ein Stuttgarter, sondern eben ein deutsches Problem. So wäre es Unsinn, wenn man den Deutschen Meister mit einem gehetzten Übungsleiter in den Wettbewerb mit den Besten Europas schicken würde. Und es wäre sinnvoll, wenn man eine Stuttgarter Meisterschaft als das Meisterstück eines Lehrlings betrachten würde.“

Fitness-Überlegenheit

Frank Heike (FAZ) führt den Erfolg der Wolfsburger, 2:1-Sieger gegen Leverkusen, auf eine gute Grundlage zurück: „Zum dritten Mal nacheinander war die Fitness-Überlegenheit der Magath-Schüler offensichtlich: Die Bayern hatten sie in der zweiten Halbzeit beim 5:1 überrollt, in Mönchengladbach fiel der Siegtreffer spät, und gegen Leverkusen raffte sich Wolfsburg in der letzten Viertelstunde dermaßen auf, dass der Eindruck eines an sich glücklichen Sieges noch verwischt wurde.“

Herkulische Kraftanstrengung

Am vorigen Donnerstag Einzug ins Uefa-Pokal-Halbfinale, übermorgen DFB-Pokal gegen Werder Bremen und zwischendrin ein schmuckloser 2:1-Sieg gegen Hannover – Rainer Schäfer (Berliner Zeitung) bestaunt die Hamburger Effizienz: „Für den HSV ist die Endphase der Saison inzwischen wie für kein anderes Team zur Frage der Ressourcen geworden. Spiele im Drei- oder Vier-Tages-Rhythmus zählen zu den Strukturelementen einer verrückten Saison. Jetzt scheint alles möglich zu sein. Der HSV schleppt sich mit einer herkulischen Kraftanstrengung durch drei Wettbewerbe, meistert unter enormem Kraftaufwand Aufgabe für Aufgabe und bricht einfach nicht ein.“

Sehnsucht Grabowski, Detari, Bein

Peter Heß (FAZ) erkennt in der Kritik an Trainer Friedhelm Funkel und in dem Wunsch nach Caio die Frankfurter Seele. Doch tendiert er dazu, Funkels Realo-Kurs zu billigen, denn nach dem 4:1 gegen Mönchengladbach ist die Eintracht so gut wie gesichert: „Ist Funkel der Meister des Machbaren, der das Maximum aus den Frankfurter Gegebenheiten macht? Oder steht er einer Vorwärtsentwicklung im Wege, weil er vornehmlich auf Disziplin, Kampf und Ordnung hält? Nimmt man den Fall Caio als Maßstab, dann kann man sich nur auf die Seite Funkels schlagen. An dem Brasilianer, der sich als klassischer Spielmacher versteht, entzünden sich die größten Diskussionen. Caio ist die personifizierte Sehnsucht vieler nach der Rückkehr eines Jürgen Grabowski, Lajos Detari oder Uwe Bein. Doch Caio gefährdet mit seiner Fußballkunst eher den Erfolg, als dass er ihn wahrscheinlicher macht.“

Reinhard Sogl (FR) spricht den Karslruher Trainer Edmund Becker, dessen Rauswurf Fans fordern, frei: „Bei aller berechtigten oder unberechtigten Kritik an Beckers Arbeit sollten die Anhänger nicht vergessen, dass die Mannschaft meist guten Fußball spielt, aber zu wenig aus den Chancen macht. Fürs Toreschießen aber sind die Spieler zuständig, die mangels finanzieller Möglichkeiten nicht die Qualität von Spitzenprofis haben können.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Hat Rummenigge den Daumen schon gesenkt?”

  1. OFC-Fan
    Mittwoch, 22. April 2009 um 16:21

    Wieder einmal (vor kurzem auch schon beim kleinkarierten Fahnenstreit mit dem FSV) legen viele Eintrach“fans“ ihre Maske ab und zeigen jedem ihre hässliche Fratze.

    Keine Frage: Emotionen gehören zum Fußball, auch anderswo werden immer wieder Trainer und Manager von den Fans zum Teufel gejagt. Aber wenn z.B. auf Schalke die sportliche Führung von den Fans heftig kritisiert wird, dann ist das angesichts der hohen Ansprüche, die der Verein mit seinem teuren (zweitteuerste in der Liga) Kader und den Erfolgen der jüngeren Vergangenheit (regelmäßige Teilnahme im Europapokal, Champions-League-Viertelfinale in der letzten Saison) noch nachvollziehbar.

    Ich frage mich aber: Woher kommt dieser hohe Anspruch bei den Eintrachtfans? In der Spitzengruppe der 1. Bundesliga waren die in den letzten zwanzig Jahren doch nur kurzzeitig, oder habe ich etwas verpasst?

    Wahrscheinlich ist es in der Tat diese unersättliche Gier einer Regionalmetropole und ihrer Politiker und Bewohner nach Grandezza, die dieser steuerfinanzirte Fußballbetrieb als Mittel zum Zweck immer wieder bedienen soll.
    Das Funkel-Bashing in der jetzigen Situation zeigt uns wieder einmal aus was für einer explosiven Mischung aus Großmannssucht und Minderwertigkeitskomplexen die Frankfurter Fanszene besteht.

    Wie auch immer, Funkel ist nicht (ganz) alleine. Gestern in Breidenbach beim Hessenpokalspiel haben die OFC-Fans „Friedhelm Funkel“-Sprechchöre angestimmt.

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