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Deutsche Elf

Anmaßender Stratege Sammer

Oliver Fritsch | Donnerstag, 18. Juni 2009 14 Kommentare

Der Presse zufolge braut sich etwas zusammen zwischen Matthias Sammer auf der einen und Oliver Bierhoff und Joachim Löw auf der anderen Seite / Migranten und Migrantenkinder sind das Zentrum der U21

Zwei Presseberichten zufolge will Sportdirektor Matthias Sammer die Erfolge der DFB-Jugend-Teams nutzen, um seine Macht auszubauen. Seine Macht gegenüber Joachim Löw und Oliver Bierhoff. Es scheint Bierhoffs Aufgabe zu sein, diesen Kampf zu fechten.

Vorige Woche sagte Sammer in einem FAZ-Interview: „Wir machen noch große Fehler mit unseren jungen Spielern im Übergangsbereich. Damit werde ich mich nicht zufrieden geben. Meine Motivation ist es, den Zusammenhang zwischen Nachwuchs- und Männerbereich fließend und somit effektiver zu gestalten. Auch beim DFB weiß man, dass ich das in meiner Funktion als Sportdirektor anstrebe. Man darf da einiges beim DFB künftig nicht mehr trennen – weder gedanklich noch personell.“

Das lesen manche als Ansage an Löw und Bierhoff. Etwa Michael Horeni (FAZ), sich umgehört hat, um die Hierarchie im DFB auszuloten: „Der Manager und auch andere im Kreis der Nationalmannschaft empfinden es als anmaßend, wenn sich Sammer als ‚Vordenker und Stratege’ verstanden wissen will. Zumal der von Franz Beckenbauer befeuerte Machtanspruch des Sportdirektors auch noch in eine andere Richtung interpretiert wird: Sammer positioniere sich gleichzeitig schon für die Zeit nach der WM 2010 auch als möglicher Nachfolger von Löw.“ Das Verhältnis zwischen Sammer und Bierhoff gelte als „stark belastet“, Bierhoff stoße sich am Ehrgeiz Sammers, „eine konstruktive und vertrauensvolle Arbeit“ sei derzeit nicht möglich.

Weitere Zusammenhänge erläutert Christian Gödecke (Spiegel Online): „Die U21 ist das Ende des Machtbereiches vom Sportdirektor und der Beginn des Einflusses von Bundestrainer und Teammanager. Ein Kulminationspunkt. Alle sind irgendwie verantwortlich für die Jungprofis, die die Perspektivspieler für das A-Team sein sollen, aber in der Regel alle von Sammer verantworteten Mannschaften durchlaufen haben. Sammer ist innerhalb des DFB respektiert, gerade weil die U-Mannschaften derzeit sehr erfolgreich sind. Aber Bierhoff und Löw gelten als unantastbar – nicht umsonst will der Verband seit Monaten den Vertrag mit Bundestrainer und Teammanager verlängern, und auch Bierhoff hat vor einer Woche erneut den Wunsch bekräftigt, bis 2014 bleiben zu wollen. Einen Machtkampf kann Sammer nur verlieren. Es ist nicht vorstellbar, dass Bierhoff und Löw auf ihren Einfluss auf das U21-Team verzichten.“

Bunte Vielseitigkeit

Um die Migrationshintergründe vieler U21-Spieler des DFB offen zu legen, empfiehlt Thorsten Schabelon (Der Westen) den Telefonjoker: „Die richtige Antwort auf die folgende Frage dürfte bei Günther Jauchs ‚Wer wird Millionär’ mindestens 32.000 Euro einbringen: In welcher Stadt wurde der deutsche Fußball-Nationalspieler Andreas Beck geboren? A) Teheran (Iran), B) Gleiwitz (Polen), C) Gradiska (Bosnien-Herzegowina) oder D) Kemerowo, (Russland)? Na? Die richtige Antwort lautet D. Beck stammt aus Kemorowo in Sibirien. Aber keine Angst. Die Antworten A bis C sind mit Blick auf Becks Mit-Nationalspieler keineswegs abwegig. Denn in Teheran wurde Ashkan Dejagah geboren. Aus Gleiwitz stammt Sebastian Boenisch. Und der Geburtsort von Marko Marin ist Gradiska. Diese vier gehören zu den neun U21-Nationalspielern mit ausländischen Wurzeln, die in der deutschen Startelf gegen Spanien standen. Nur die Schalker Benedikt Höwedes und Manuel Neuer haben ein deutsches Elternpaar und wurden in Deutschland geboren.“

Auch Daniel Theweleit (Zeit Online) befasst sich mit dem Thema: „Vielleicht ist die bunte Vielseitigkeit das zentrale Erfolgsgeheimnis dieser hoch gelobten Nachwuchsmannschaft, doch natürlich identifizieren sich nicht alle Deutschen mit solch einem Konzept. Bierhoff etwa berichtet von Briefen an den Verband, in denen sich Leute beschweren, dass in der U21 besonders viele Spieler die Nationalhymne nicht mitsingen.“

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Kommentare

14 Kommentare zu “Anmaßender Stratege Sammer”

  1. erz
    Donnerstag, 18. Juni 2009 um 15:26

    Im Zusammenhang des Machtkampfes ist uns beim letzten U21-Spiel gegen Spanien die Defensive aufgefallen. Die hat nämlich in der 2. Halbzeit sehr erfolgreich zur Seitenauslinie hin verteidigt. Das heißt, die Balleroberung wurde nicht zentral vor dem Strafraum in einem Trichter angestrebt, sondern in Taschen, die am Spielfeldrand entstehen, wenn man einen Keil im Mittelfeld verschiebt.

    Das finde ich gegen Spanien auch gut nachvollziebar, weil deren Gefahr nach Flanken sicherlich niedriger ist, als nach Kurzpass und Ball in den Rücken der Abwehr durch die Mitte. Allerdings meine ich mich zu erinnern, dass die offizielle Spielausrichtung der A-Nationalmannschaft auf den Trichter vor der Abwehr ausgelegt ist.

    Weiterhin meine ich mich zu erinnern, dass sich die Jugendmannschaften an der Vorgabe des A-Teams orientieren sollten, damit unsere Nationalspieler früh an das System herangeführt werden.

    Unsere Überlegungen dazu sind noch lange nicht spruchreif und wir werden uns auch noch ein paar Spiele lang eine Meinung dazu bilden, aber ich wäre an anderen Meinungen dazu sehr interessiert: Kann es sein, dass sich die U21 nicht an die Löwschen Vorgaben zur Taktik hält? Oder habe ich das mit der Vorgabe zu strikt verstanden oder gar das Spiel gegen Spanien falsch interpretiert?

  2. Oliver Fritsch
    Donnerstag, 18. Juni 2009 um 15:51

    Unsere Überlegungen? Wer steckt noch dahinter, erz? Ein Fußballsyndikat? Oder der pluralis majestatis?

  3. erz
    Donnerstag, 18. Juni 2009 um 16:05

    Die am Montag beim gemütlichen Fußballgucken versammelten Redakteure der Kontextschmiede und ein paar Kollegen, die uns mit Fußballsachverstand (oder was wir dafür halten) und allgemeinem guter Kumpel sein zur Seite stehen. Da waren allerdings nicht alle von der Beobachtung mit dem Verteidigen nach außen überzeugt, deswegen suche ich in meiner verzweifelten Unsicherheit im Internet nach Bestätigung. Das mit dem Pluralis Maiestatis klingt allerdings verlockend…

    Soll er in Zukunft mehr dem Mesut Özil huldigen, Herr Fritsch! Wir verlangen Abbitte!

  4. Linksaussen
    Freitag, 19. Juni 2009 um 09:08

    Ich bin kein solcher Taktikfuchs, aber was mir aufgefallen ist: Die deutsche Viererkette wies ein katastrophales Stellungsspiel auf, was auf Abstimmungsprobleme hinweist: Löw/Bierhoff/Köpke perfekt auf einer Linie, aber Sammer mehrere Meter dahinter! Ja, Herr Sammer, wir spielen doch nicht mehr mit Libero! Die Einzelkämpferzeiten sind vorbei, und zu den deutschen Tugenden zählte doch auch immer, daß der Star die Mannschaft ist.

  5. Polonius
    Freitag, 19. Juni 2009 um 09:29

    Kommentare wie der von Erz erwecken bei mir die Lust, so etwas auch verstehen zu wollen. Ich glaube, ich verstehe ungefähr, was er meint, würde mir aber eine kompetente und ausgiebige Erläuterung von Taktik wünschen. Aber, seufz, wo findet man so etwas in der Sportmedienlandschaft mal abgesehen von kleinen Häppchen bei Christoph Biermann?

  6. Oliver Fritsch
    Freitag, 19. Juni 2009 um 09:52

    Hab ich gerade auf Zeit Online angelegt: ein sehr gelungenes Bild von der DFB-Sitzordnung:
    http://www.zeit.de/online/2009/26/u21-europameisterschaft-finnland-deutschland

  7. Matthias Sammer und die Entwicklung von jungen Spielern « Taktikbesprechung.
    Freitag, 19. Juni 2009 um 10:28

    […] mit Michael Horeni in der FAZ schlägt mittlerweile hohe Wellen (vgl. dazu etwa die Presseschau bei Indirekter Freistoss). Sammer wird Machtstreben unterstellt, er will angeblich nach der WM 2010 Bundestrainer werden und […]

  8. Linksaussen
    Freitag, 19. Juni 2009 um 11:00

    @OF: Ein sehr schönes Foto. Der grimmige (oder sehe ich da Neid?) Blick von Sammer zum Triumvirat, vergleichbar vielleicht mit Schröders Rütteln am Kanzleramtszaun. Interessant auch: Wo gucken die alle hin? Bierhoff auf die deutschen Stürmer (links), Köpke zu Neuer (rechts), Löw nachdenklich auf die Lücke zwischen Mittelfeld und Angriff?

  9. bt
    Freitag, 19. Juni 2009 um 12:48

    Und Sammer sieht auf dem Bild, im dunklen Schatten mit dem dunklen Dreireiher (nicht aus der DFB-Kollektion), ein bisschen aus wie der Imperator bei Star Wars.

  10. McP
    Sonntag, 21. Juni 2009 um 15:58

    Ich kann Sammer gut verstehen, die Gegenseite allerdings auch. Sammer will erfolgsbesessene Spielerpersönlichkeiten züchten. Löw/Bierhoff mögen Spieler lieber schön glatt gebügelt. Deren Glück ist natürlich, dass die Klinsmannsche Elle des Spielerbessermachenwollens bei ihnen nicht angelegt wird. Mit Spieltaktik hat das Ganze nicht viel zu tun. Es ist viel grundsätzlicher. Sammer will Titel. Löw/Bierhoff wollen gut dastehen; Titel möchten sie nur.

  11. Marvin Nash
    Sonntag, 21. Juni 2009 um 17:24

    Guter Punkt. Wobei Dein letzter Satz hauptsächlich auf Bierhoff zutrifft. Löw ist der Weicharsch zwischen den Stühlen.

  12. Ingrid
    Donnerstag, 25. Juni 2009 um 19:27

    Heute haben ja die U17-Mädchen die EM gewonnen. Geht also auch ohne Sammer. Ich nehme an, dass die Juniorinnen nichts mit Sammer zu tun oder doch?

  13. erz
    Montag, 29. Juni 2009 um 21:37

    Herr Friiiiiiitsch!
    Raten Sie mal…

  14. TheBigEasy
    Freitag, 3. Juli 2009 um 19:28

    Also ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass es mit Sammer beim DFB auch ein wenig Gegenwind für die Spätzle & Shampoo-Connection gibt.

    Wirklich überzeugt hat mich die Löw’sche Fußballschule bislang jedenfalls nicht. Schon gar nicht 2008, als es mal wieder darauf ankam. Ein gutes Spiel in einem großen Turnier. Mager, wie ich finde. Ganz anders die modische Außendarstellung der beiden, umrahmt von blumigen Worten.

    Dagegen können Sammer & Hrubesch richtige Erfolge vorweisen, auch wenn sie beide nicht dem Schönheitsideal heutiger Marketingstrategen entsprechen.

    Interessant ist also wohl die Frage, ob es sich mit dem Neid in Wirklichkeit nicht anders herum verhält?

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