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Bundesliga

Skibbe und Bruchhagen: Ein Fall für Zwei

Frank Baade | Montag, 9. November 2009 7 Kommentare

Hoffenheims Projekt erwacht auch abseits des Platzes zu Leben; bettelt Michael Skibbe schon um seinen Rauswurf? – Mainz, das erfolgreiche Anti-Bayern; Soldo, der Schweiger; Reus, der Uber-Marin

Es war an diesem Wochenende etwas leichter zu übersehen als sonst, aber Fußball gespielt wurde neben den diversen Interview-Veröffentlichungen auch noch. Der FC Bayern habe sich dabei „ganz ordentlich“ präsentiert, ohne schließlich zu siegen, dabei aber auch eben jene von Lahm bemängelte fehlende Kreativität an den Tag gelegt. Felix Magath wird für den nächsten Glücksgriff aus der Schalker Jugend gelobt, ansonsten wundert man sich vor allem über den sich vom Team distanzierenden Auftritt Michael Skibbes nach seiner Niederlage in Leverkusen.

Rheinischer Rumpelfußball

Noch vor dem Sieg in Berlin war sich Richard Leipold (FAS) nicht sicher, ob Soldo nicht seinen Kredit bald verspielt hätte: „In der Mannschaft schienen zuletzt Misstöne die Musik zu bestimmen wie bei einem verstimmten Klavier. Sollte der rheinische Rumpelfußball auch in der Hauptstadt kein Sicherheitsupdate erhalten, dürfte Soldo in Bedrängnis geraten. In sich ruhend, wirkt dieser Trainer auf seine Art aber auch unkommunikativ, jedenfalls bei öffentlichen Auftritten. Zu oft weicht er aus, als dass er den Eindruck erwecken könnte, Herr der Lage zu sein.“ Zuletzt habe Präsident Overath mit einer Rede die Spieler an Leidenschaft und Verantwortung erinnert. „Warum das der Präsident den Spielern klarmachen muss, leuchtet nicht jedem sofort ein.“

Drei Alleinstellungsmerkmale im Mittelfeld

Christoph Ruf (Spiegel Online) malt den Frankenstein aller Fußball-Traditionalisten an die Wand. Hoffenheim, der Retortenklub, erwache zu Leben. „Der Klub hat es in kürzester Zeit geschafft, vom ambitionierten Konstrukt zu so etwas wie einem echten Fußballverein zu werden. In der Rhein-Neckar-Region ist er bereits ähnlich verwurzelt wie Arminia Bielefeld in Ostwestfalen. Bundesweit neu gegründete Fanclubs zeigen: Der vermeintliche Retortenklub hat überraschend schnell angefangen zu atmen.“ Dafür gebe es allerdings auch Gründe: „Die rangnicksche Philosophie des kompromisslosen Pressings hinter der Sturmreihe und des schnellen Spiels nach vorne sorgt ganz nebenbei für hohen Unterhaltungswert. Zumal das Team mit Carlos Eduardo, Sead Salihovic und Chinedu Obasi im Mittelfeld großartige Einzelkönner hat. In der Bundesliga, der es an herausragenden Individualisten mangelt, sind die drei fast schon ein Alleinstellungsmerkmal.“ Und auch wenn die Mannschaft derzeit immer wieder Nachlässigkeiten zeige: „Stellt man die Probleme ab, sind nach oben keine Grenzen gesetzt.“

Das Ballyhoo nervt

Aus Mainz weist Tobias Schächter in der Berliner Zeitung auf die Unterschiede im Duell zweier Neulinge: „Besonders in der ersten Hälfte wurde deutlich, dass der Mitaufsteiger (Mainz) längst in der Liga angekommen ist, während die Nürnberger sich erst langsam akklimatisieren. Mit Selbstvertrauen dominierte Nullfünf und hätte nach 45 Minuten höher als 1:0 führen müssen. Die Mainzer stehen nach diesem fünften Heimsieg in Serie völlig verdient auf Rang sechs. Ob die Mannschaft ihre Grenze erreicht oder gar schon überschritten hat, ist nun eine spannende Frage.“

Frank Hellmann (FR) zieht das beherrschende Thema das Wochenendes heran, um die Mainzer Art zu verdeutlichen. Manager Heidel wird es nicht gerne lesen: „Am Bruchweg gibt es im Gegensatz zu den hypermodernen Arenen der Konkurrenz keine Tiefgarage und keine Hinterausgänge, durch die Profis entkommen können – der Fankontakt ist nur ein Unterscheidungsmerkmal eines Klubs, der dieser Tage getrost als Gegenentwurf des FC Bayern durchgehen darf. Während in München gerade demonstriert wird, wie mit maximalen Mitteleinsatz nur Minimales herauskommt, feiert in Mainz das umgekehrte Prinzip fröhliche Urständ. Mit einem Gesamtetat, der ungefähr der Ablöse eines Arjen Robben entspricht, steht der Aufsteiger auf Platz sechs – einen Punkt vor dem Rekordmeister.“ Einen nerve die mangelnde Aufmerksamkeit besonders, erwähnt Hellmann: der Mainzer Manager Heidel habe wenig Verständnis dafür, dass es stets nur um das „Ballyhoo an der Säbener Str.“ gehe. Schließlich sei Mainz eine der vielen anderen, in dem Fall wunderschönen Facetten der Liga. Was Hellmann bestätigt: „Ein Jungtrainer mit klarem Plan und einem lernwilligen Kader.“

Allan-Simonsen-Nachfolge

Matti Lieske (Berliner Zeitung) jubelt den Gladbacher Marin-Nachfolger gleich mal über seinen Vorgänger hinaus: „Möglicherweise ist Reus sogar noch besser, weil zielstrebiger, in jedem Fall ist er ein Beweis dafür, dass die Borussia bei allen Problemen nach wie vor ein Gespür dafür hat, quirlige Angreifer in direkter Allan-Simonsen-Nachfolge aufzutun. Die Defensive des VfB stürzte Reus von einer Verlegenheit in die nächste und ließ sich auch nicht durch eine ominöse Verletzung bremsen, die fast seine Auswechslung nach starken 20 Minuten bewirkt hätte. Die Kollegen wussten, wie sie ihn zu kurieren hatten: Sie gaben dem Hinkenden einfach den Ball, und schon ging sie weiter, die Reus-Show.“

In Frankfurt nicht weit her mit der heilen Welt

Michael Jahn (Berliner Zeitung) erinnert an eine ZDF-Serie, in der Frankfurts Manager Heribert Bruchhagen einst eine kleine Rolle übernehmen durfte: „‚Der Fall für Zwei‘ nimmt in Frankfurt am Main dank Privatdetektiv Josef Matula immer ein gutes Ende, doch jetzt hat sich Eintracht-Trainer Michael Skibbe ungefragt eingemischt und sich ausgerechnet als Kritiker von Bruchhagen profilieren wollen. Dieser neue Fall für Zwei könnte ein schlimmes Ende nehmen: für Skibbe. Beobachter glauben, Skibbe habe mit seiner heftigen Kritik beinahe um seine Entlassung gebettelt. Es bleibt nun abzuwarten, wie Heribert Bruchhagen, der serienerfahrene Mann, reagiert. Beim ZDF-Quotenhit ‚Ein Fall für Zwei‘ werden unliebsame Schauspieler schnell aus dem Drehbuch geschrieben. Sie verschwinden oder werden zum Opfer.“

Roland Zorn (FAS) findet ebenfalls keine eindeutige Erklärung für Skibbes absonderlichen Auftritt: „Michael Skibbe, der Cheftrainer des hessischen Fußball-Erstligaklubs aus der Grauzone der Bundesliga, versuchte am Freitagabend den richtungweisenden Befreiungsschlag, indem er seine Angriffsziele zwar nicht konkret benannte, wohl aber die Vereinsführung um den Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen gemeint haben dürfte. Aussagen, die gegenüber Bruchhagen illoyal waren und ein deutliches Indiz dafür, dass das Verhältnis zwischen den beiden mehr als ramponiert ist. Während sich Bruchhagen zu der neuesten von inzwischen mehreren Skibbe-Attacken noch nicht öffentlich äußern wollte, nutzte der Trainer die Bühne BayArena zur Generalattacke.“

Die Stuttgarter Krise wird zum Normalzustand

Marko Schumacher vermutet, dass man sich in Stuttgart langsam in den unteren Regionen akklimatisiert habe: „Es sagt viel aus über den derzeitigen Zustand des Champions-League-Teilnehmers VfB, wenn der Torhüter im Spiel gegen einen Abstiegskandidaten der mit Abstand beste Mann ist.“ Man sei dennoch zufrieden beim VfB. „Zwei torlose Unentschieden gegen kriselnde Bayern und limitierte Gladbacher, ein 1:1 beim sorglosen FC Sevilla nach desaströser erster Halbzeit – das genügt also schon, um sich auf dem richtigen Weg zu wähnen. Der Eindruck verfestigt sich, dass die Stuttgarter Anspruchshaltung Stück für Stück sinkt. Der VfB hat sich vorerst eingerichtet in den Niederungen, in denen ein Punkt beim Tabellennachbarn in Ordnung ist. Aus der Krise, so scheint es, ist ein Normalzustand geworden – auch für die Fans, die unverdrossen feiern.“

Noch einmal Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) hält Markus Babbel nach der Reaktivierung Yildiray Bastürks seine Wankelmütigkeit vor: „Bastürk ist ein weiterer Beleg für Babbels nicht immer ganz nachvollziehbare Personalpolitik. Der Mittelfeldspieler ist der mittlerweile 26. Profi, den der Teamchef in zwölf Ligaspielen ausprobiert hat. Kein anderer Club hat so viele Spieler eingesetzt. Leverkusen und Hamburg etwa sind mit bisher 20 Mann über die Runden gekommen – und stehen wohl auch deshalb ganz oben in der Tabelle. Flache Vier, Raute, Fünfermittelfeld, ein Stürmer, zwei Stürmer, drei Stürmer, hängende Stürmer: es gibt mittlerweile nicht mehr viele Grundformationen, die der VfB in dieser Saison nicht schon ausprobiert hätte.“

Veh wäre der Vierte

Thomas Haid liefert mit Hilfe von Vehs neuen Aufgaben den nächsten Beweis dafür, dass Felix Magath wohl ein cleveres Kerlchen ist (Stuttgarter Zeitung): „Magath hatte seine Motive, als er nach der Meisterschaft zu Schalke 04 abwanderte. Es war nicht nur das Geld, das lockte, sondern wohl auch die Erkenntnis, dass eine Bestätigung des Triumphs in Wolfsburg schwierig ist. Sollte Veh den Coup dennoch wiederholen, hätte er Geschichte geschrieben – als erst achter Coach, der es seit Gründung der Bundesliga 1963 schafft, mit zwei verschiedenen Clubs den Titel zu gewinnen. Unter den bisherigen sieben Trainern sind wiederum nur drei, die das ohne eine Meisterschaft mit dem FC Bayern erreichten. Veh wäre der vierte.“

Neue Wege, neue Namen

Und zu guter Letzt verfasst Tobias Schall in der Stuttgarter Zeitung einen Abgesang auf die altbekannten Namen, die jahrzehntelang immer wieder in verschiedenen Städten, dabei jedoch stets an der selben Stelle auftauchten: Auf der Trainerbank. „Ein Generationswechsel. Die alten Schlachtrösser bekommen ihr Gnadenbrot, der reflexartige Griff in die Schublade mit Neururer, Röber, Berger, Rausch, Lorant, Lienen, Möhlmann und so weiter ist verpönt. Es hat, wenn auch nicht überall (siehe Berlin mit Funkel), ein Umdenken stattgefunden. Neue Wege, neue Namen. Gras fressen war gestern, die neue Garde spricht von ‚target playern‘, von in der ‚Box‘, was wohl der Strafraum ist, und verwechselt Laptop nicht mit Kutzop. Konzepttrainer sind die Trainer der Stunde.“

Kommentare

7 Kommentare zu “Skibbe und Bruchhagen: Ein Fall für Zwei”

  1. Die Eintracht, die Macht!
    Montag, 9. November 2009 um 14:08

    Die Berichterstattung der Frankfurter Zeitungen zur Eintracht zeigt schon seit langem: Nicht nur die SGE ist in unserer Stadt eine graue Maus!
    Rundschau und FAZ beten einfach runter, was ihnen Bruchhagen und lange Zeit Funkel vorsagten. Jetzt kommt mit Skibbe endlich mal jemand, der mit seinem Vorwärts-Denken eine seit langem notwendige Ergänzung zur konservativen Sparkassen-Politik von Bruchhagen bildet (Bad Cop und Good Cop, Harry und Derrick, oder wie auch immer man das Paar darstellen will) – und Skibbe kriegt von Funkels Hofschreibern nur auf den Sack. Nach was sehnen die sich? Dass sie wieder Funkels 0:0-Fußball sehen dürfen und dann danach selig mit ihrem Maestros Funki und Bruchi ein Bier trinken dürfen?! Sollen sie nach Berlin auswandern, da kriegen sie den Superdupa-Funkel-Fußball live zu sehen. Null Punkte, null Tore, oh, wie bist du schön, Funki!

  2. Malte
    Montag, 9. November 2009 um 14:31

    „Unter den bisherigen sieben Trainern sind wiederum nur drei, die das ohne eine Meisterschaft mit dem FC Bayern erreichten. Veh wäre der vierte.“

    Weisweiler, Rehagel und wer noch?

  3. Frank Baade
    Montag, 9. November 2009 um 14:44

    Max Merkel, 1966 mit 1860 München, 1968 mit dem 1. FC Nürnberg.

  4. heinzkamke
    Montag, 9. November 2009 um 14:49

    @Malte
    Merkel, denke ich. 60 und Nürnberg.

  5. heinzkamke
    Montag, 9. November 2009 um 14:50

    Ok, der Trainer war natürlich schneller. Wie konnte ich zweifeln?

  6. Nixwisser
    Dienstag, 10. November 2009 um 08:34

    Skibbe hat gestern Abend in hr3 noch mal was gesagt. Besser gesagt, er hat eigentlich inhaltlich nichts gesagt, aber er hat mir glaubhaft den Eindruck vermittelt, daß er es ernst meint und weg will vom bisherigen „weiter so“. Und wollte das nicht auch die Eintracht? Ich bin jetzt nicht der größte Skibbe-Freund, aber dem Verein kann doch nichts Besseres passieren, als einen ambitionierten Trainer zu haben, der mehr will als die jahrelange Mangelverwaltung. Bruchhagen und Funkel kommt der Verdienst zu, aus dem Chaotenverein wieder einen bundesligatauglichen gemacht zu haben. Das ist bei der verheerenden Ausgangslage eine Heldentat. Und nun muß der nächste Schritt kommen. Daß das nicht so geht, wie es bisher gehandhabt wurde, leuchtet mir ein. Bruchhagen wird bestimmt auch nicht gefallen, was er zu hören bekommt, aber er täte gut daran, in Ruhe mal drüber nachzudenken und nicht überspannt auf Kritik zu reagieren (wie es weiter südlich derzeit zelebriert wird). Es sieht so aus, daß er seiner bisherigen Linie treu bleibt. Gut so.

    Nixwisser

  7. Martin
    Donnerstag, 12. November 2009 um 12:12

    Skibbe, Skibbe, Skibbe… ich hör überall nur Skibbe.
    Man, da hat halt mal einer die Wahrheit öffentlich angesprochen.
    Aber jetzt ist auch mal gut. der bruchhagen auch reagieren, ohne dass er von den Medien heiß gemacht wird.
    Was die Presse da alles draus macht (siehe http://sportnachrichten.net/tag/skibbe ),
    ist echt wahnsinn…
    hört doch mal auf und lasst die beiden einfach mal in Ruhe….

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