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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

In zwölf Runden ausgeknockt

Frank Baade | Dienstag, 10. November 2009 1 Kommentar

Hertha BSC verliert auch die nächste Partie, Trainer Funkel jedoch nicht die Hoffnung, Bremen stellt den wahren „SV Werder Deutschland“, Labbadias Souveränität und Autorität wirken schon angekratzt

Hertha BSC Berlin verliert gegen einen Gegner aus Köln, der „gar nicht gekommen war, um zu gewinnen“. Nur einen Punkt erreichte Friedhelm Funkel bislang, nach der Partie soll entsetztes Schweigen (sofern das möglich ist) in der Kabine geherrscht haben.

Abgesetzt vom Rest der Liga

Zur Lage der Hertha findet sich etwas überraschend nur eine einzige Anspielung an den Fall der Mauer. Michael Horeni klärt über Herthas Klassenerhaltschancen mit Blick in die Historie auf (FAZ): „Diese Mauer 2009 ist statistisch gesehen für die Hertha unüberwindlich: vier kümmerliche Pünktchen in zwölf Saisonspielen, die schlechteste Abwehr der Liga und der schwächste Angriff. Noch nie seit Gründung der Eliteliga hat es ein Verein geschafft, sich nach einer solch deprimierenden Zwischenbilanz noch zu retten. Die Blätter in der Hauptstadt haben die Hoffnung auf Fußball in der ersten Liga nach dem Sommer schon so gut wie aufgegeben.“

Horenis Einschätzung wird von Michael Rosentritts Beitrag im Tagesspiegel bestätigt: „Der Fußball-Klub, der in der Vorsaison ein paar Male ganz oben in der Tabelle stand, ist in zwölf Spielrunden auf die Bretter geschickt worden. Das 0:1 am Sonntag gegen den 1. FC Köln kommt einem schweren Knockout gleich. Hertha hat sich inzwischen richtiggehend abgesetzt vom Rest der Liga. Der Verfall des Vierten der Vorsaison geht unaufhaltsam weiter. Und bei den ausstehenden Gegnern bis zur Winterpause steht zu befürchten, dass sich das auch nicht mehr grundsätzlich ändern wird bis zum Ende der Hinserie. Die kommenden Gegner heißen: Stuttgart, Frankfurt, Schalke 04, Leverkusen und FC Bayern. Hört sich nicht gut an.“

Davon lässt sich der Trainer der Hertha nicht beirren, berichtet Michael Jahn in der Berliner Zeitung: „Funkel aber, unter dem erst ein Punkt in der Liga geholt wurde, begann sofort nach den düsteren Szenen in der Kabine, in die beinahe alle Berliner Profis wortlos gestürmt waren, mit dem psychologischen Aufbauprogramm. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Was die Spieler, die kämpften, die liefen, die ackerten, an Torchancen kreierten, war aber an den Fingern einer Hand abzuzählen. Das war eindeutig zu wenig. Im Angriff gibt es derzeit keinen Profi, der etwa bei Eckbällen oder Freistößen Kopfballgefahr ausstrahlt, es gibt keinen, der die individuelle Klasse besitzt, um einige Gegenspieler ausspielen zu können und danach erfolgreich den Abschluss zu suchen. Die Kölner besaßen in Torjäger Milivoje Novakovic einen Mann, der aus zwei Chancen ein Tor produzierte.“

Noch kein Tor aus dem Spiel heraus

Julien Wolff und Uwe Bremer (Welt) lauschen dem Ärger, der der Führung drohe: „Die Kritik der Basis richtet sich vor allem an Präsident Werner Gegenbauer. Unter seiner Führung kam der Managerwechsel von Hoeneß zu Preetz zu Stande.“ Doch diese ficht das nicht an: „Gegenbauer und seine Kollegen versuchen nun, Funkel und Preetz Geld für Zugänge zur Verfügung zu stellen. Keine leichte Aufgabe: Hertha hatte 33,5 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Hertha wird in der Winterpause wohl einen Verteidiger und einen Stürmer verpflichten.“ Bemerkenswerter Fakt nach 12 Spielen: „Die Angreifer der Berliner erzielten aus dem Spiel heraus in der aktuellen Ligasaison noch kein Tor.“

Dass das nun bevorstehende lange Nichtstun den Berlinern eher schadet als nutzt, vermutet Michael Jahn (Berliner Zeitung): „Die Pause in der Bundesliga kommt den abgeschlagenen Berlinern höchst ungelegen. Viele Profis hätten nach der 0:1-Niederlage am Sonntagabend gegen den biederen 1. FC Köln gern schneller eine Chance zur Bewährung bekommen – auch, um die quälende Situation am Tabellenende vielleicht etwas zu verbessern. So aber wartet der nächste Gegner erst am 21. November.“ Immer noch Kritik an Favres Wirken gibt es im Team selbst: „Einige Spieler sagen, das Training schlage an, sie seien wieder spritziger als noch zu Saisonbeginn. Funkel, das ist sicher, hat die Mannschaft wieder etwas selbstbewusster machen können, sie ist nicht mehr die Schießbude der Liga wie beim 0:4 gegen Freiburg oder beim 1:5 in Hoffenheim. Doch diese klitzekleinen Fortschritte reichen nicht aus, um den Abstand im Ligakeller zu verkürzen.“

Magisches Dreieck ist ein Viereck

Frank Hellmann zählt die Reisegruppen aus München und Bremen in Richtung Südafrika durch (FR). Der bayrische Versuch, den FC Deutschland aufzubauen, sei gescheitert. Aus München käme zwar Neuling Thomas Müller zur Nationalelf, dessen Begleiter Klose, Gomez, Lahm und Schweinsteiger nennt Hellmann aber „Sorgenkinder“, nicht zu vergessen der immerhin bayrisch beeinflusste Podolski. Aus Bremen hingegen würden mit Özil, Marin und Hunt echte Hoffnungsträger der Nationalelf erwartet. Özil werde immer besser und zwangsläufig auch begehrter. Zwei andere hätten wohl eher schlechte Chancen, in Südafrika dabei zu sein: Tim Wiese und Torsten Frings, Letzterer wirke selbst bei Bremen nicht mehr unersetzlich. Tim Borowski gar habe überhaupt keine Chance mehr im Nationalteam: zu phlegmatisch. Insgesamt spielte Werder zuletzt mit 9 Deutschen in der Startelf und sei damit dem SV Werder Deutschland näher, als es der FC Bayern seinem Ziel des FC Deutschland je gewesen sei.

Sven Bremer (Financial Times Deutschland) zählt ebenfalls durch und korrigiert geometrisch korrekt: „Das zuletzt schon als magisches Dreieck titulierte Trio Hunt, Marin und Özil ist in Wirklichkeit ein Viereck. Denn sie brauchen Pizarro als Anspielstation, als Fixpunkt im Sturmzentrum. Der Peruaner, der wegen einer Fußprellung ausfällt, kann wie wohl kein anderer Stürmer in der Liga die Bälle behaupten. Er kann das Tempo variieren, klug die Bälle ablegen auf die nachrückenden Mittelfeldspieler. In dieser Spielzeit hat er bereits zwölf Treffer erzielt.“ Pizarros Fehlen habe man im Spiel gegen Bremen deutlich gespürt, auch wenn die Spieler selbst angaben, „müde“ zu sein.

Hannover 96 – Hamburger SV

Der HSV erhält in der Schlussphase den Ausgleich von Hannover 96, welches die Hamburger zuvor beherrscht hatten. Christian Görtzen entdeckt allerdings nicht deshalb für die Welt „Schrammen an der Souveränität“ beim Hamburger Trainer: „Bruno Labbadia wirkt inzwischen angeschlagen und genervt.“ Zwar stelle sich die Lage auf dem Papier in der Europa-Liga und auch der Bundesliga weiter positiv dar. „Es ist aber die Erkenntnis, dass das Mögliche nicht mit dem Tatsächlichen im Einklang steht. Der HSV ist nicht nur seit vier Bundesliga-Partien sieglos, in den zurückliegenden drei Begegnungen wurden immer wieder Führungen leichtfertig aus der Hand gegeben.“ Vor allem durch die nicht erfolgte Auswechslung des verletzten Boatengs im Spiel gegen Mönchengladbach aber habe Labbadia Schaden genommen. Zé Roberto (der inzwischen übrigens ebenfalls verletzt ausfällt) hatte den Trainer danach kritisiert und so dessen Autorität untergraben. Labbadias Anspannung mündete in dem Tribünenverweis wegen seiner erregten Proteste im Spiel. Görtzen berichtet wie viele andere Quellen, dass Kevin Kuranyi beim HSV im Gespräch sei. Vor der Winterpause könne dieser zwar nicht mehr wechseln und somit helfen, die Verletztenmisere im Angriff des HSV zu beheben, aber Paolo Guerrero sei noch bis zum Frühjahr nicht einsetzbar, weshalb auch angesichts der Schalker Finanzlage ein Wechsel plausibel erscheine.

Christian Otto (Berliner Zeitung) fasst die Leistung des HSV knapp zusammen: „Wenn den Hamburgern noch etwas am Profil einer Spitzenmannschaft fehlt, dann ist das die Gabe, eine überlegen geführte Partie souverän zu Ende zu spielen.“

Auch im Misserfolg entscheidend

Inspiriert von Äußerungen Günter Netzers, welche ganz boulevardesk in einer Klickstrecke zusammengefasst werden, schließen Patrick Krull und Lars Gartenschläger (Welt), dass es auch 2009/2010 nur ein Team in der Bundesliga gebe, welches entscheide, wie sich die Tabellenspitze zusammensetze: „Die Ausgeglichenheit der Liga, von den Verantwortlichen als einmaliger Spannungsfaktor im Vergleich zu Europas Topligen gepriesen, ist deshalb wohl eher eine Frage des Niveaus – und der Schwäche des FC Bayern. Die Münchner sind der Taktgeber der Liga. Läuft es bei ihnen gut, enteilen sie der Konkurrenz, wie zuletzt in der Saison 2007/2008. Da hatten sie am Ende zehn Punkte Vorsprung auf den Zweiten Bremen. Läuft es dagegen schlecht wie in den vergangenen beiden Spielzeiten, dann tummeln sich ein halbes Dutzend Mannschaften in der Spitzengruppe, ohne die Bayern jedoch entscheidend abhängen zu können.“

Kommentare

1 Kommentar zu “In zwölf Runden ausgeknockt”

  1. Ulfert
    Dienstag, 10. November 2009 um 15:05

    Erstliga-Fußball in der Hauptstadt? Klar, mit Union Berlin! 🙂

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