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Bundesliga

Sturmreif geschossen von den Enttäuschten und Unzufriedenen

Frank Baade | Mittwoch, 25. November 2009 4 Kommentare

Bremen ist dank Diegos Weggang Meisterkandidat, Hertha ächzt weiter erfolglos, Bayern ist sportlich „gesichtslos“ und ein „wilder Hühnerhaufen“

Christoph Ruf (FR) nennt das Bremer Spiel „Allegro-Fußball“ und ist co-begeistert: „Das liegt auch daran, dass der Weggang von Diego Werder nicht geschwächt, sondern Kräfte freigesetzt hat. Statt nur über ihn läuft Werders Spiel jetzt vor allem über Özil, aber auch mal über Hunt und Marin. Die drei schwirren regelmäßig aus wie ein Schwarm Bienen, tauschen gern ihre Positionen, sie arbeiten auch mehr nach hinten als der nach Turin verkaufte Brasilianer. Wer Özil dieser Tage sieht, ahnt, warum der Hamburger Piotr Trochowski sich derzeit solche Sorgen um sein WM-Ticket macht.“

Daniela Frahm definiert den Freiburger Anteil am Spektakel (FAZ): „Es war beste Fußballunterhaltung – die für die Freiburger mit der höchsten Saisonniederlage endete. Der Grund dafür war einleuchtend und liegt am Freiburger System: Der Sport-Club hatte versucht, gut Fußball zu spielen – und Werder hatte dem Neuling gezeigt, wie das geht. Dass sich die Freiburger auch nach dem 0:3-Rückstand nicht auf die Defensive konzentrierten, sondern weiter versuchten, nach vorne zu spielen, erklärte Dutt mit der Freiburger Spielphilosophie. Für die aber sei gerade gegen die Topmannschaften deutlich mehr Ballsicherheit notwendig.“

Das gewisse Nichts

Jürgen Löhle kann sich nicht am Berliner Pünktchen erfreuen (taz), auch wenn Gegner Stuttgart auch nicht besser war: „Es gibt einen markanten Unterschied: Während Berlin im Sommer mit Simunic (Hoffenheim), Pantelic (Amsterdam) und Woronin (Liverpool) drei Spitzenspieler verlor, ersetzten die Schwaben den Bayernflüchtigen Gomez durch Pogrebnyak, Kuzmanovic und Hleb – allerdings ohne Erfolg. Trotzdem war der VfB am Sonnabend zunächst hoch überlegen, die Hertha ‚viel zu passiv‘, wie Trainer Friedhelm Funkel monierte. Er wusste allerdings auch, warum das so war. ‚Stuttgart war am Anfang einfach zu gut.‘ Aber nicht erfolgreich. Hertha? Verströmte 45 Minuten das gewisse Nichts, von der spielerischen Dominanz des Spiels gegen Köln zwei Wochen zuvor war nichts zu sehen.“ Funkel wisse selbst, „dass sein Team am kommenden Wochenende gegen Frankfurt nachlegen muss. Denn an der fatalen Lage hat sich kaum was geändert: Fünf Punkte nach 13 Spielen, und nach der Partie gegen die Hessen heißt das Restprogramm vor Weihnachten: Auf Schalke, gegen Leverkusen und in München. Da weiß auch Kapitän Friedrich: ‚Wenn wir mit fünf Punkten in die Winterpause gehen, wird es richtig eng.‘“

Michael Jahn weist noch einmal auf die Fehler der Berliner Einkaufspolitik (Berliner Zeitung): „So zeigt sich am Beispiel Ramos trefflich, wie das Team von Funkels Vorgänger Lucien Favre und von Manager Michael Preetz zusammengestellt worden ist.“ Für die Zukunft nämlich. „Es wurde vor allem auf junge, entwicklungsfähige Leute gesetzt, die zudem noch äußerst vielseitig sein sollten. Dass Profis auch psychisch und physisch tauglich sein müssen für ungewohnte Situationen wie den brutalen Abstiegskampf, hatten Herthas Einkäufer vergessen. Hertha kann keinen Abstiegskampf – so musste man den Auftritt in der ersten Halbzeit im Stuttgarter Stadion überschreiben. Es hat sehr lange gedauert – in Stuttgart und auch im Laufe der Saison – bis die Mannschaft die prekäre Lage tatsächlich angenommen hat.“

Keinen Gesamtplan

Michael Neudecker mag kaum hinsehen, wenn er in der Berliner Zeitung den Bayern zusehen muss: „Die Vorgehensweise des FC Bayern war jedoch keine, mit der man Spiele gewinnt: Die Münchner schienen keinem Gesamtplan zu folgen, sie kämpften und hofften und rannten, manchmal sah es aus, als wollten sie ihre Krise kaputtrennen. Normalerweise ist das die Spielweise von Mannschaften im Abstiegskampf, aber Tabellen-Achter der Bundesliga, das fühlt sich in München an wie ein Abstiegsplatz. Es war ein eigenartiges Fußballspiel, eines mit unzähligen Fehlern auf beiden Seiten, und mit Torchancen, die zufällig zu entstehen schienen. Die Zuschauer pfiffen, mal wieder. Rummenigge war um Ruhe bemüht: ‚Wir versuchen gemeinsam mit Louis van Gaal die Kurve zu kriegen‘, sagte er, ‚wir führen öffentlich keine Diskussion über den Trainer.‘ Intern aber wohl.“

Thomas Hummel kommentiert in der SZ: „Die Münchner Spieler wirken derzeit verunsichert, wie man das selten erlebt hat in den vergangenen Jahrzehnten.“ Neben der „Brachial-Psychologie“ van Gaals liege das schwache Abschneiden natürlich auch den Ausfällen Riberys und Robbens. „Doch durch ihre Ausfälle tritt die ansonsten missratene Einkaufspolitik der vergangenen Jahre zum Vorschein. Vor allem im zentralen Mittelfeld tut sich seit Jahren ein erschreckendes Kreativloch auf.“ Mark van Bommel und Anatolij Timoschtschuk seien „schwerfüßig“ und „ohne Talent für den entscheidenden Pass“, was man auch immer mal wieder über Bastian Schweinsteiger sagen könne. Doch auch, dass die Autorität der beiden Hitzfeld-Nachfolger Klinsmann und van Gaal immer wieder durch Interviews und Äußerungen untergraben werden dürfe, trage zur Krise bei. Das hätte es bei Hitzfeld nicht gegeben, erinnert Hummel an die Konsequenz einer leisen Kritik durch Demichelis: in der nächsten Partie saß er auf der Tribüne. „Wenn ein Klubvorstand seine Trainer derart beschädigt oder beschädigen lässt, darf er sich nicht wundern, wenn plötzlich all die Enttäuschten und Unzufriedenen ihrem Unmut freien Lauf lassen. Klinsmann war irgendwann sturmreif geschossen, van Gaal droht nun Ähnliches.“

Inspirationsfrei und lustentwöhnt

Frank Nägele (FR) fasst sich etwas kürzer, kommt aber zum selben Schluss: „Dieses Team ist zu hundert Prozent inspirationsfrei und lustentwöhnt, ohne Ribéry und Robben wirkt es wie eine totale Fehlkonstruktion. Dass der Schaufelbagger Luca Toni gar nicht dabei war – er meldete sich mit Leistenschmerzen ab – half auch nicht wirklich.“

Bei Sebastian Winter gackert’s aus dem Stadion (Spiegel Online): „Nun kann Hoeneß den Mitgliedern zwar wegen der Vertragsverlängerungen der beiden Hauptsponsoren eine goldene Zukunft des FC Bayern im wirtschaftlichen Bereich versprechen. Sportlich wirken die Bayern dagegen wie ein wild gewordener Hühnerhaufen. Das muss Hoeneß in seinem Stolz verletzen und auch Beckenbauer, der zum Ehrenpräsidenten gekürt werden soll. Wenn sie Pech haben, scheiden die Bayern zwei Tage vor der Hauptversammlung aus der Champions League aus. Die Trainerdebatte droht dann sogar, die wegweisenden Wechsel an der Bayernspitze zu überlagern.“

Christian Gödecke stellt noch mal klar, wer denn den vermeintlichen Druck überhaupt erzeuge (Spiegel Online): „Der ins Erdrückende gewachsene ‚öffentliche Druck‘ ist vor allem hausgemacht. Da werden vor dem Leverkusen-Spiel durch Franz Beckenbauer taktische Vorschläge gemacht, die wie Anweisungen klingen. Jede Woche aufs Neue wird der kurzfristige Erfolg beschworen, ein vermeintliches Schicksalsspiel folgt aufs nächste. Selbstkritik findet sich nirgendwo. Bei Jürgen Klinsmann führte dieser Prozess zur Entlassung. Und er führte zur Verpflichtung des Fußballlehrers van Gaal. Dem man vertraute, dem man Zeit geben wollte. Natürlich hat auch der selbstbewusste Holländer van Gaal seinen Beitrag zur sportlichen Malaise geleistet. Jede Woche gibt er der Mannschaft ein anderes Gesicht, taktisch, personell – das Ergebnis ist ein gesichtsloser FC Bayern München mit verunsicherten Akteuren.“

Soldo bietet keine Lösungen zu Konflikten

Gregor Derichs würde gerne mehr vom Kölner Trainer Soldo hören, doch der kann offenbar nicht mehr als das bislang gezeigte (FAZ): „Jede Mannschaft sollte wissen, was bei taktischen Änderungen zu tun ist, aber wenn sie die Lektionen aus dem Training nicht beherrscht, arbeitet sie jeder Trainer mit Gesten und Zeichen nach. Bei Soldo fand nichts in dieser Art statt. Er fordert den mündigen und selbständigen Profi. In seiner Rolle als Führungsspieler beim VfB Stuttgart reichten begrenzte verbale Fähigkeiten. In Köln wird immer auffälliger, dass seine Deutschkenntnisse recht begrenzt sind. Nachdem das Umfeld es zunächst als angenehm empfand, dass der Vielredner Christoph Daum durch einen Coach mit rudimentärer Gesprächsführung abgelöst wurde, stellt sich heraus, dass Soldo wenig zu Lösungen ständig neu auftretender Konflikte beitragen kann. Andererseits ist er auf eine Mannschaft getroffen, die wenig Zusammenhalt aufweist. Auf dem Spielfeld würde überhaupt nicht kommuniziert, jeder spiele für sich und nicht für die Mannschaft, sagte Pezzoni. Er klagte, die erfahrenen Spieler gäben zu wenig Impulse.“

Gladbacher Aufwärts-Trend

Ralf Weitbrecht empfindet zwei Gegner am Scheidepunkt für die Wege ihrer Trends, als Mönchengladbach beinahe unfassbar zwei Mal in einem Monat auswärts gewinnt, diesmal in Frankfurt (FAZ): „Kaum zu glauben: Dreizehn Jahre lang mussten die Kicker vom Niederrhein auf diese fruchtbare Schaffensperiode im November warten, in der ihr zwei Auswärtssiege in Folge glückten. Im Oktober noch herrschte Tristesse – nach sechs Pflichtspielniederlagen nacheinander. Anders die Eintracht. Sie hat seit Wochen schon ein Sturmproblem und ist nicht in der Lage, durch personelle Verschiebungen für Verbesserungen zu sorgen. Ohne Ioannis Amanatidis, Martin Fenin und den gegen Gladbach wegen eines Todesfalls fehlenden Nikos Liberopoulos mangelte es der Offensive ‚eindeutig an Durchschlagskraft‘, wie der angriffslustige Verteidiger Patrick Ochs kritisierte. Dass die Eintracht erstmals seit Jahren zu Hause gegen einen sogenannten Klub auf Augenhöhe verloren hat, wollte Traineroptimist Skibbe nicht überbewertet wissen.“ Man habe immer noch ein Punktepolster. Kritischer äußerten sich Skibbes Spieler. Der Frankfurter Trend zeige eindeutig nach unten, wird Pirmin Schwegler zitiert. „Der Trend der wiedererstarkten Borussia hat deutlich aufsteigende Tendenz.“

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Kommentare

4 Kommentare zu “Sturmreif geschossen von den Enttäuschten und Unzufriedenen”

  1. Matthias Hanel
    Mittwoch, 25. November 2009 um 13:04

    Wie befürchtet: die Bayern-Diskussion in den Medien ist eine Trainerdiskussion. Keine Diskussion um den unwuchtig zusammengestellten und schlecht gescouteten Kader, um die fehlende „sportliche Identität“, um das seit Jahren klaffende Loch im zentralen offensiven Mittelfeld – mit anderen Worten: um die Klubführung. Stattdessen das beliebte Spiel „Trainerdiskussion“. Als hätte es das Lahm-Interview niemals gegeben.

  2. Heffer
    Mittwoch, 25. November 2009 um 13:24

    @Matthias:

    Bei dem was ich grad gelesen hab stand was anderes drin:

    „Doch durch ihre Ausfälle tritt die ansonsten missratene Einkaufspolitik der vergangenen Jahre zum Vorschein. Vor allem im zentralen Mittelfeld tut sich seit Jahren ein erschreckendes Kreativloch auf.“ Mark van Bommel und Anatolij Timoschtschuk seien „schwerfüßig“ und „ohne Talent für den entscheidenden Pass“, was man auch immer mal wieder über Bastian Schweinsteiger sagen könne.“

    Die Überschrift über dem Ganzen heißt „Kein Gesamtplan“

    Und über van Gaal wird auch nicht so viel gesagt.
    Ich weiß nicht wie du zu diesem Urteil gekommen bist.

  3. Matthias Hanel
    Mittwoch, 25. November 2009 um 14:02

    @Heffer:

    Stimmt: Der von Dir bzw. vom Indirekten Freistoß zitierte SZ-Kommentar ist sehr deutlich.

    Aber: Er ist „nur“ online erschienen (oder er ist mir bei der Zeitungslektüre durch die Lappen gegangen. Das glaube ich allerdings nicht – den Sportteil lese ich immer aufmerksam…;-)). Die Artikel in der gedruckten SZ am Montag und Dienstag hießen: „Van Gaals Position bleibt gefährdet – Spiel ohne Vertrauen“ und „Nur noch traurig: FC-Bayern-Trainer Louis van Gaal wirkt angeschlagen – öffentlicher Zuspruch des Vorstands bleibt aus.“ Und da ging es halt doch um den Trainer und um seine Position. Ähnlich in anderen Zeitungen.

    (Einen Artikel mit der Überschrift „kein Gesamtplan“ würde ich gerne lesen, habe ihn aber nicht gefunden. Vielleicht kannst Du ihn nochmals verlinken.)

    Ich gebe zu, dass die Klubführung inzwischen stärker im Fokus der Kritik ist als früher. Vielleicht bin ich bei diesem Thema auch zu leicht in Rage zu bringen. Ist wahrscheinlich enttäuschte Liebe – und die Trauer darüber, dass der einzige deutsche Verein, dem ich in absehbarer Zeit ein CL-Halbfinale zugetraut hätte, gerade so auf dem absteigenden Ast ist…

  4. Heffer
    Mittwoch, 25. November 2009 um 15:00

    ich habe mich eigentlich bloss auf die IF Zusammenfassung bezogen (auch mit der Überschrift), klar gibts da ansonsten genug Leute – vor allem auf dem Boulevard – die nur auf dem Trainer rumreiten können.

    Das überlese ich im Grunde schon automatisch.
    Printausgabe der SZ kenn ich auch nur die von Heute und da war jetzt nix besonderes drin

    Ich versteh aber die Vereinsführung überhaupt nicht, die sich da jedesmal vor die Kamera stellen und irgendwelche Wasserstandsangaben mitteilen.
    Die sollten sich einfach mal ein wenig einigeln und schauen, dass intern wieder mehr Ruhe einkehrt.
    Der Beckenbauer übernimmt dann deren Part gerne noch zusätzlich.

    Bei Schalke gabs doch mal sowas wie ein Interviewboykott, oder? Muss ja nicht so schlimm sein wie da, aber besser als jeden Tag irgendeinen Mist zu erzählen…

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