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Bundesliga

Bayern vollbringen unter van Gaal inzwischen wagemutige Kunst

Oliver Fritsch | Montag, 1. Februar 2010 Kommentare deaktiviert für Bayern vollbringen unter van Gaal inzwischen wagemutige Kunst

Der Sieg im Rückspiel gegen Mainz verdeutlicht die Entwicklung des Vizemeisters; Kevin Kuranyi hat endlich und vielleicht kurz vor seinem Abschied die Zuneigung der Schalker gewonnen; Hannover 96 vermittelt Pessimismus; Bremen lernt unter Thomas Schaaf das Verteidigen wohl nicht mehr; Herthas Stürmer muss man zum Jagen tragen; Köln wird seriös – leider

Nach dem 3:0 gegen Mainz betont Moritz Kielbassa (SZ) die Fortschritte, die der FC Bayern in einem halben Jahr unter Louis van Gaal gegangen ist: „Anno dazumal, vor fünf Monaten, hatten waidwunde Bayern beim 1:2 in Mainz ihr ’schlechtestes Spiel seit zehn Jahren‘ (Vorstand Rummenigge) vorgetragen, diesmal war das 3:0 ein gnädiger Extrakt von 31:6 Torschüssen, 26:2 Flanken und 3:0 elfmeterreifen Szenen. Präsident Hoeneß hatte zur Jagderöffnung seinem Leverkusener Spezi Heynckes schon unter der Woche ‚ein schönes Halali vom Tegernsee‘ gesendet, die Tochter tippte die SMS ins Handy, Hoeneß ist kein Freund moderner Technik. (…) Der FC Bayern verinnerlicht nun offenbar des Trainers Ideen. Auf der Basis von Ordnung, mit und ohne Ball, erwächst – anders als noch im tristen Herbst – Produktives, Künstlerisches, Wagemutiges.“

Sebastian Gierke (Berliner Zeitung) befasst sich mit dem Verhältnis und der Rollenverteilung zwischen Arjen Robben und Franck Ribéry: „Robben spielte auf einem Niveau, mit dem er, was die künstlerische Umsetzung von Fußball angeht, in der Bundesliga neue Maßstäbe setzen würde, hätte nicht Ribéry das schon vor einiger Zeit getan. Der Franzose zeigte sich bei seinem zweiten Kurzeinsatz nach langer Verletzungspause zwar leicht verbessert. Doch der Chef auf dem Platz, das ist er noch lange nicht. Das war deutlich zu erkennen, als sich Ribéry kurz vor Schluss schon bereitstellte, um einen Freistoß zu treten, Robben jedoch einfach dazwischentrat, selbst ausführte – und ins Tor traf. Die Beziehung der beiden belastet das nicht.“

Lang ersehnte Akzeptanz

Manfred Hendriock (Der Westen) adelt den Schalker Sturm: „Schalke erlebt derzeit den besten Kuranyi aller Zeiten. In fünf der letzten sechs Spiele schoss er jeweils ein Tor – davon viermal das so wichtige 1:0. Eigentlich sind Flügelflitzer Farfan und Torjäger Kuranyi jedoch zusammen zu nennen – als das Duo Faranyi.“

Philipp Selldorf (SZ) berechnet Kuranyis Statusgewinn: „Die Tore macht in Schalke seit fast fünf Jahren Kevin Kuranyi, vielen fällt das jedoch erst jetzt richtig auf. Lange hatte ihn ein nicht unerheblicher Teil der Stammkundschaft für alle unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte verantwortlich gemacht, er wurde ausgebuht, ausgepfiffen, beschimpft und verlacht, was wiederum zu Grabenkämpfen mit jenem Teil der Anhängerschaft führte, der aus Loyalität mit der königsblauen Sache auch dann noch zu ihm hielt, als ihm im Laufe seiner stetig wiederkehrenden Krisenphasen die Bälle kilometerweit vom Schienbein sprangen. Mittlerweile erhält er wie ein großer Torero respektvollen Applaus.“

Richard Leipold (Tagesspiegel) fügt hinzu: „Schalke hat Spaß, und Schalke macht Spaß, auch ohne den zuweilen naiv anmutenden Spieltrieb sogenannter Spaßfußballer. Bei den Königsblauen artet das Kicken, passend zum Klischee, oft in harte Arbeit aus. Auch insofern passt Kuranyi zu dem Revierverein, bei dem er erst im fünften Jahr die Akzeptanz erlangt hat, die er sich von Anfang an gewünscht hatte. Kuranyi scheint endgültig angekommen in Gelsenkirchen. Aber wie lange will er, wie lange darf er bleiben? Die Ungewissheit jedenfalls scheint ihm nichts auszumachen.“

Glauben verloren

Die Heimniederlage gegen Nürnberg ist für Frank Heike (FAZ) ein weiterer Grund, für Hannover schwarz zu sehen: „96 wirkt derzeit wie eine Mannschaft, die den Glauben an sich verloren hat. Jeder möchte den Ball nur möglichst schnell loswerden oder am besten gar nicht erst bekommen. Der Club war bestimmt kein übermächtiger Gegner. Für den zweiten Auswärtssieg der Saison genügten ihm zwei Faktoren: eine gute Ordnung, die vor allem den Wintereinkäufen Tavares, Ottl und Breno zu verdanken war, und der ballsichere, schnelle Stürmer Albert Bunjaku.“

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) hebt einen der Sieger hervor: „Dennis Diekmeier, 20 Jahre jung, hat ein vorzügliches Spiel auf der rechten Abwehrseite gezeigt, er hat einen Treffer mit einer lehrbuchhaften Flanke vorbereitet, und er hat Anlass zu der gewagten These gegeben: Das Außenverteidigertum in Deutschland ist noch nicht ausgestorben.“

Biedere Ballpfleger aus dem Norden

Schon wieder vier Gegentore! Matti Lieske (Berliner Zeitung) rät dem Bremer Trainer, sein Spielsystem zu ändern: „Konsequent verweigert sich Thomas Schaaf dem seit der WM 2006 grassierenden Trend, hinten dichtzumachen und mit zwei defensiven Mittelfeldspielern zu spielen. Die Verteidigung des Angriffsfußballs gegen den Zeitgeist ist aller Ehren wert, birgt aber enorme Risiken, vor allem wenn es beim Umschalten nach Ballverlust hapert. Auch vorher hat Werder schon unanständig viele Gegentore bekommen, in der Saison 2006/07, als man am Ende Dritter wurde, nur vier weniger als Borussia Mönchengladbach, damals abgeschlagener Letzter. Doch inzwischen haben die anderen Teams gelernt, Mängel in der Rückwärtsbewegung gnadenlos auszunutzen. Diese werden jetzt härter bestraft, nicht mehr nur mit Gegentoren, sondern mit Niederlagen. Dass Angriff längst nicht mehr die beste Verteidigung ist, mussten die Bremer ja schon vergangene Saison erfahren. Da schossen sie die drittmeisten Tore – und wurden Zehnter.“

Ulrich Hartmann (SZ) gibt sich bei der Fehleranalyse nicht mit einfachen Schuldzuschreibungen zufrieden: „Weil alle vier Gegentore über die linke Abwehrseite und damit zu Lasten des tunesischen Zugangs Aymen Abdennour eingeleitet worden waren, stand der gleichermaßen orientierungslose wie bemitleidenswerte Linksverteidiger – wie schon gegen den FC Bayern – zwar als großer Verlierer da. Aber die Mannschaft stellt momentan kein Kollektiv dar. Dabei hatten die biederen Ballpfleger aus dem Norden im goldenen Herbst noch imponierende Helden dargestellt.“

Die Jäger schießen daneben

Nach dem 0:0 gegen Bochum wagt Christoph Biermann (Spiegel Online) keine optimistische Wetterprognose für Hertha: „Die Situation des Klubs gleicht der Wetterlage in der Hauptstadt. Die furchtbar eisigen Minustemperaturen sind zwar vorbei, zwischendurch hatte es sogar schon etwas getaut, doch letztlich steckt Berlin doch weiter unter einer dicken Schicht aus Eis und Schnee. Ein wirkliches Tauwetter ist so wenig in Sicht wie ein rettender Platz in der Tabelle. Für die Bürger Berlins ist klar, dass auch dieser knallharte Winter irgendwann ein Ende finden wird. Für die Fans von Hertha BSC sind die Aussichten nicht so gut. Sie wissen zwar ebenfalls, dass selbst diese schlimme Saison zu Ende gehen wird. Von der Garantie auf einen glücklichen Ausgang hingegen sind sie weit entfernt.“

Claudio Catuogno (SZ) ergänzt: „Die zwei Heimspiele gegen Mönchengladbach und Bochum, sie sollten der Kern der Aufholjagd werden – beide endeten 0:0. Statt wie Aufholjäger kommen die Hertha-Spieler wie ganz normale Jäger daher: Einmal in ihren Hochsitz geklettert, fallen sie nicht weiter auf. Und ab und zu schießen sie daneben.“

Michael Rosentritt (Tagesspiegel) beschreibt den Versuch des Berliner Trainers, Zuversicht auszustrahlen: „Friedhelm Funkel scharrt mit einem seiner Schuhe an der Schneedecke der Straße. Er sagt, wie fest er davon überzeugt sei, dass die Stürmer und Mittelfeldspieler demnächst wieder erfolgreich sein würden. Beispielsweise müsse Raffael mit seinen Schüssen auch mal das Tor treffen. Denn, so Funkel, ‚wenn er wieder das Tor trifft, dann wächst die Wahrscheinlichkeit, dass er auch wieder mal ins Tor trifft‘. Das, was Friedhelm Funkel sagt, wirkt ungewollt komisch. Er will keine Lacher provozieren, tut es aber wohl gerade deshalb. Und so geht es auch ein wenig seiner Mannschaft. Sie will in ihrer Aufholjagd ernst genommen werden, kann dem eigenen Anspruch aber irgendwie nicht gerecht werden.“

Ohne Wahnsinn

Markus Lotter (Berliner Zeitung) vermisst Kölner Kapriolen: „Es ist wirklich ein Jammer. Mittlerweile kann man nur noch vom Sportlichen berichten, von einer neu gewonnenen Stabilität, vom langweiligen Erfolg. Platz 12, Tendenz steigend. Tja, nichts ist mehr übrig von dieser einzigartigen Bereitschaft zum Wahnsinn. Alle so ernst, alle so seriös, so ehrgeizig und in sich ruhend – alle so wie Trainer Zvonimir Soldo, dem es offensichtlich leider gelungen ist, dass seine Wesenszüge auf den gesamten Klub abfärben.“

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