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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Fernsehgelder zwischen Erfolg und Sympathie

Martin Hauptmann | Freitag, 12. November 2010 3 Kommentare

Watzkes Vorschlag zur Umstrukturierung der Fernsehgelder erhitzt so manches Gemüt; Beckenbauers Rücktritt im Spiegel der Presse

Die Situation: Unter der Woche hatte der Dortmunder Geschäftsführer Hans Joachim Watzke in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung seine Überlegungen in der Frage der Verteilung von Fernsehgeldern kundgetan. Vereine der ersten und zweiten Bundesliga sollten demnach künftig nicht mehr nur gestaffelt nach dem Solidaritätsprinzip des sportlichen Erfolgs ausbezahlt werden, sondern angeschlossen an einen festen Sockelbetrag zu 50 Prozent auch über „weiche Faktoren“ wie Sympathie und Tradition. Wichtig ist ihm vor allem, Traditionsvereine wegen ihrer kulturellen Bedeutung für den Fußball stärker mit Fernsehgeldern zu berücksichtigen als Nichttraditionsvereine.

Thomas Hahn (SZ) bereitet diese Idee des Dortmunder Geschäftsführers Unbehagen: „Traditionsverein ist auch so ein großes Wort, das die Leute gelassen aussprechen, ohne genau zu wissen, was sie damit meinen. Es wird nicht funktionieren, den Wert von Vereinen nach ihrer Tradition zu bemessen, nach einem weichen Kriterium also, das sich angeblich in einem besonders großen Zuschauerzuspruch ausdrückt. Es wäre ungerecht. Es würde einen Standortvorteil belohnen. Denn nüchtern betrachtet gibt es auf den Spielfeldern des modernen Kommerzfußballs keine Traditionsvereine mehr. Und natürlich hat er das deshalb gesagt, weil er davon ausgeht, dass sein Arbeitgeber im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern in der Bundesliga ein Traditionsverein sei, was wiederum etwas seltsam wirkt, wenn man bedenkt, wer Watzkes Arbeitgeber ist: die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA nämlich, das erste und bisher einzige börsennotierte Fußballunternehmen Deutschlands, sozusagen der letzte Schrei der Sportgeschäftswelt.“

Roland Zorn (FAZ) betrachtet einen unerwartet angriffslustigen Wolfgang Holzhäuser: „Der Leverkusener Chefstratege, jahrelang selbst ein Mann mit ständigem Reformerehrgeiz, rechnete den Dortmundern gern vor, dass sie schon nach dem jetzigen Fernsehgeldverteilerplan derzeit um 1,3 Millionen Euro vor Bayer und um 3,4 Millionen Euro vor Hoffenheim lägen. Er habe auch eine Berechnung nach Watzkes holländischer Variante angestellt – und auch danach werde sich an den Verhältnissen wie sie sind nichts Entscheidendes ändern. Holzhäuser, der sich von Watzkes verbalem Vorstoß in die Ecke gedrängt fühlt, frage sich, wo denn der Unterschied sei zwischen einem Klub, der von einem großen Unternehmen gestützt werde und einem Verein, der von öffentlicher Subventionierung zehre: ‚Gerade Klubs wie Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim haben viel zum guten Ruf der Bundesliga beigetragen’, sagte Holzhäuser. Den Vorwurf, die Bindung dieser drei Klubs an potente Unternehmen oder einen steinreichen Mäzen schade dem Wettbewerb innerhalb der Bundesliga, nannte Holzhäuser eine ‚Neiddebatte’, hinter der er eine ‚Kampagne’ wittere, ‚um mehr vom Fernsehkuchen zu erhalten’. Schlagzeilen über Liquiditätsprobleme und Schuldenstände schadeten der Liga sicherlich mehr.“

Ist das reine Erfolgsmodell zu hart?

Die Idee der „weichen Faktoren“, bestehend aus Zuschauergunst, Sympathie- oder Markenwerte und die Zahl der Fans bei Auswärtsspielen, ist laut Oliver Fritsch (Zeit Online) nicht unbedingt neu: „Abgeschaut hat sich Watzke die Idee in der holländischen Ersten Liga. Seit zwei Jahren misst die ‚Eredivisie’ die Hälfte des TV-Gelds nach einem festgelegten System aus Image, Kundenzufriedenheit, Stadiongröße und -auslastung. Die zugrunde liegenden Daten werden von Marktforschern ermittelt. Auch Englands Premier League nimmt TV-Quoten zur Berechnungsgrundlage. In Spanien hingegen vermarkten sich die Vereine selbst, also nicht zentral über eine Liga. Da haben weiche Faktoren ohnehin eine größere Bedeutung.“ Ob es Watzke bei seinen Aussagen wirklich nur um das Interesse seines eigenen Vereins ginge, ist fraglich. Fritsch zufolge offenbare der Einwurf allerdings durchaus Eigensinn, denn Watzke selbst stehe Borussia Dortmund und damit einem der größten Traditionsvereine vor. „Das Westfalenstadion ist so gut wie immer ausverkauft, nicht erst, seit die Borussia Tabellenführer ist. Von seiner Regel würde wahrscheinlich Watzkes Verein, Bayern München, Schalke 04 oder Eintracht Frankfurt am meisten profitieren.“

Der Kaiser tritt weiter kürzer

Nach seinem Rücktritt als Präsident beim FC Bayern München im November 2009, zieht sich die Lichtgestalt aus familiären Gründen nun auch aus seinem Amt als FIFA-Exekutiv-Kommissar zurück – die Presse berichtet ausführlich.

Roland Zorn (FAZ) stellt bei Franz Beckenbauer einen Sinneswandel fest: „Früher hat er sich zur Übernahme aller möglichen Ämter und Aufgaben überreden lassen. Heute setzt er seine Überzeugungen konsequent in die Tat um – und verzichtet auf den Glanz der Macht. Vom „Kaiser“ des Fußballs zu einem bürgerlichen Leben als Vater und Ehemann Franz Beckenbauer: Der 65 Jahre alte Münchner mit Wohnsitz Salzburg nimmt sich die Freiheit, endlich auch Privatmann sein zu können. Nach seinem Abschied von der Präsidentschaft des FC Bayern München im November 2009 hat der Fußballweltmeister als Spieler (1974) und Teamchef (1990) am frühen Donnerstagabend seinen Rückzug aus der Exekutive des Internationalen Fußballverbandes (Fifa), wie von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im September gemeldet, angekündigt. Im Mai 2011 wird er sich beim Fifa-Kongress in Zürich aus der Fifa-Regierung offiziell verabschieden. Damit verliert der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in diesem wichtigsten Gremium des Weltfußballs die Stimme eines Weltmannes, der weltweit so populär ist wie es der Fifa-Präsident Joseph Blatter gern wäre.“

Das Amt des Kommissars

Auch der Tagesspiegel und die Frankfurter Rundschau nehmen sich dem Thema an und klären auf: „Seine Amtszeit läuft im Frühjahr 2011 turnusgemäß nach vier Jahren ab. Gewählt wurde er vom Kongress des Europäischen Kontinentalverbandes UEFA, der nun bei seiner nächsten Zusammenkunft am 22. März in Paris auch einen Nachfolger für die Mitgliedschaft im FIFA-Gremium bestimmen muss.“

Bei der Berliner Zeitung interessiert man sich für den Verbleib der deutschen Vertreter: „Beckenbauer war 2007 als Nachfolger von Gerhard Mayer-Vorfelder in die Weltregierung des Fußballs eingezogen. In den internationalen Gremien ist DFB-Präsident Theo Zwanziger als Mitglied der UEFA-Exekutive der einzige verbliebene Deutsche.“

Das Ende eines Weges

Und so verkündet die SZ: „Die letzte wichtige Amtshandlung des Ehrenpräsidenten des FC Bayern München wird die Abstimmung zur Wahl der WM-Gastgeber 2018 und 2022 am 2. Dezember in Zürich sein.“

Der Stern zitiert den DFB-Chef Zwanziger, um die Bedeutung der weitreichenden Entscheidung herauszustellen: „Beckenbauers Posten muss nicht zwingend von einem deutschen Repräsentanten wiederbesetzt werden.“ Zwanziger kündigte deshalb an, den vakanten Platz nicht kampflos zu opfern. „Wir werden jetzt ganz in Ruhe darüber nachdenken, wie wir uns für die im kommenden Jahr anstehende Wahl eines Nachfolgers aufstellen“. Gleichzeitig stellte er aber auch den Verlust des wohl erfolgreichsten deutschen Fußballspielers heraus: „Der Rückzug des international profiliertesten deutschen Fußball- Botschafters wurde mit Bedauern aufgenommen. Franz Beckenbauer ist ein exzellenter und in der ganzen Welt außerordentlich hoch geschätzter Vertreter des deutschen Fußballs.“

Der Mensch Franz Beckenbauer

Die Neue Zürcher Zeitung hört dem Kaiser, der künftig nicht mehr so viel umher reisen wolle, gerne zu: „Ich hatte und habe eine gute Zeit mit meinen Kollegen im Fifa-Vorstand, in der Uefa und habe ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Sepp Blatter und Michel Platini. Ich bitte um Verständnis für meine Entscheidung.“

Wie die Welt berichtet, bedeute das Erreichen des „Rentenalters“ für Franz Beckenbauer offenbar eine Zäsur in seinem Leben: „Ich will mein Leben aufräumen und werde meine Aufgaben drastisch reduzieren. Ich habe mir das Recht erarbeitet, in ein Rentenalter zu treten und weniger zu tun“, hatte Bayern-Ehrenpräsident Beckenbauer zu seinem Geburtstag erklärt. Die Familie solle künftig verstärkt im Mittelpunkt stehen. Die Fehler aus erster Ehe, in der er seine Frau und die Kinder doch arg vernachlässigt habe, wolle er nicht wiederholen: „Ich habe eine Familie mit zwei Kindern, die ich nicht versäumen möchte. Nicht, dass da plötzlich drei Kinder sind, so groß wie ich, und ich fragen muss: Wo kommt ihr auf einmal eigentlich alle her? Weil ich keine Zeit hatte.“

Korruption bei der FIFA

Wie nahe der Wert einer Sache und die notfalls zu ziehenden Konsequenzen sind, verdeutlicht in diesem Zusammenhang noch einmal Spiegel Online: „Das 24-köpfige Exekutivkomitee der Fifa gilt als wichtigstes Gremium im Weltfußball. Wegen Korruptionsvorwürfen um die bevorstehende Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 wurden im Oktober Reynald Temarii aus Tahiti und Amos Adamu aus Nigeria suspendiert.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Fernsehgelder zwischen Erfolg und Sympathie”

  1. Mattttt
    Freitag, 12. November 2010 um 17:46

    „nehmen sich dem Thema an“: Im Ernst? Sagt man so? Auch auf einem Portal für „Ich-hab-Abi-interessiere-mich-aber-trotzdem-für-Fußball“-Leute?

    ;-). Sorry. Nicht ganz ernst gemeint.

  2. Betzebubi
    Freitag, 12. November 2010 um 21:28

    Anruf in der Leverkusener Geschäftsstelle: „Wann ist denn das Heimspiel gegen Wolfsburg?“ Antwort: „Wann hätten Sie denn Zeit?“
    Die gähnend leeren Gästeränge bei Auswärtsspielen der Plastikvereine sieht ja jeder. Aber wie sieht es im Fernsehen aus? Wenn die Spiele der Konzernfraktion wirklich keinen interessieren, wäre Watzkes Vorschlag durchaus zu begrüßen.

  3. anderl
    Sonntag, 14. November 2010 um 01:15

    Franz Beckenbauer sieht sehr krank aus, oder?

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