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EM 2016

EM 2016 – Auftakt nach Maß?

Kai Butterweck | Montag, 13. Juni 2016 Kommentare deaktiviert für EM 2016 – Auftakt nach Maß?

Manuel Neuer präsentiert sich wie eine Wand, Jerome Boateng mimt den Abwehrakrobaten und Bastian Schweinsteiger benötigt nur eine Minute um sich wieder ins Rampenlicht zu katapultieren: Deutschlands EM-Auftaktsieg gegen die Ukraine fördert drei Heldengeschichten zu Tage

Deutschland startet mit einem über weite Strecken glanzlosen Sieg in die EM. Der gerade erst eingewechselte Bastian Schweinsteiger macht kurz vor dem Schlusspfiff den Deckel drauf. Oliver Fritsch (Zeit Online) kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Nein, das war nicht Forrest Gump, der das Fußballspiel zwischen Deutschland und der Ukraine entschied. Es war nicht Forrest Gump, der da unten lief und lief und lief. Es war Bastian Schweinsteiger. Erst in die eine Richtung, dann in die andere. Und das in solchem Tempo, dass sich mancher Fan von Manchester United, seinem Club, fragte: Gibt es eigentlich zwei Schweinsteigers? Andere höhnten: Nicht schlecht für einen ergrauten 45-Jährigen!“

Ohne Aura und Überzeugungskraft

Christian Kamp (FAZ) hält den Ball flach: „Im Mittelfeld fehlte es an Überzeugungskraft, obwohl Toni Kroos um Struktur bemüht war, und vorne zeigte Mario Götze zwar viel Engagement, davon, eine Bedrohung für das ukrainische Tor zu sein, war er jedoch ein gutes Stück entfernt. Alles in allem stellte diese Mannschaft bei weitem noch nicht das dar, was sie möchte. Ohne Aura und Überzeugungskraft kamen diese Deutschen phasenweise wie eine schmalbrüstige Sparversion des Weltmeisters daher, auch wenn sie sich in der zweiten Hälfte zu steigern wussten.“

Michael Horeni (FAZ) ist guter Dinge: „Mit der Aufarbeitung der Fehler – dazu gehört auch der mangelnde Zugriff im Mittelfeld, der dann vor allem die Außenverteidiger schlecht aussehen ließ – sollte auch die Überzeugung wachsen, sich von diesem Startniveau aus deutlich steigern zu können. Das wird möglich und auch nötig sein. In der Vergangenheit ist das jedenfalls immer wieder gelungen. Die Deutschen, und das kann man nun wirklich nicht von vielen Mannschaften sagen, haben in dieser Beziehung ein ziemlich gutes Timing. Dieser Sieg mit Schattenseiten wird dem Weltmeister weder den Ruf eines Turnierfavoriten noch den einer Turniermannschaft kosten.“

Es blieb oft beim Bemühen

Peter Ahrens und Rafael Buschmann (Spiegel Online) knöpfen sich nicht nur die deutsche Abwehr vor: „An Mesut Özil und Mario Götze lief vieles vorbei, Julian Draxler mühte sich um Effektivität, und es blieb oft beim Bemühen. Mario Gomez musste wieder einmal wie so oft unter Löw auf der Bank Platz nehmen. Und selbst einer, der sonst Mister Zuverlässig ist – Thomas Müller – wirkte über weite Strecken wie abwesend. Es war beileibe nicht nur die Defensivabteilung, die für die nächste Partie nachbessern darf.“

Freistoß, Kopfball: Tor. Klaus Hoeltzenbein (SZ) erfreut sich an der Simplifizierung des Spiels: „Wie gut es sich mit den einfachen Lösungen leben lässt, wenn die komplizierten nicht greifen, wie sehr es hilft, mit einer simplen Freistoß-Tor-Variante alle Unsicherheiten am Turnierstart übertünchen zu können, hat dieses 1:0 gezeigt. Auch Wales (Gareth Bale) und England (Erik Dier) schönten ihren Auftakt mit Hilfe eines Freistoßes. Die Briten pflegen ihre Tradition – der Weltmeister liegt seinem Standard gemäß im Trend.“

Der Fußball eint nicht nur Unschuldslämmer, sondern auch Gewalttäter

Bereits nach wenigen EM-Tagen zeigt sich vor und in den Stadien die hässliche Fratze der Gewalt. Peter Hess (FAZ) ist geschockt: „Auch ohne die schlimmen Szenen im Stade Vélodrome wäre das vorläufige Bild von einer EM voller Gewalt und Schrecken entstanden. Die Eindrücke wirken um so stärker, da die Terrorbedrohung durch den IS schon Ängste ausgelöst hat. Im Moment ist der Fußball in Frankreich noch in der Defensive. Das muss nicht so bleiben. Ein paar begeisternde Spiele in den Stadien, ein paar ruhige Tage auf den Straßen und die Stimmung würde sich ins Positive verkehren. Doch um das zu erreichen, muss reichlich Präventivarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit geleistet werden. Der Fußball eint nicht nur Unschuldslämmer, sondern auch Gewalttäter.“

Auch Ulf Schlüter (swp.de) ist fassungslos: „Wie kann es sein, dass es russischen Hooligans gelingt, Leuchtraketen und Böller ins Stadion zu bringen, mehr oder weniger ungehindert den benachbarten englischen Block zu stürmen und Jagd auf die Fans zu machen? Zentrale Punkte des Sicherheitskonzepts haben nicht funktioniert. Auch in der Innenstadt von Marseille ist der Polizei trotz aller vorherigen Übungen nicht gelungen, die rivalisierenden Gruppen auseinanderzuhalten.“

Matthias Kerber (abenzeitung-muenchen.de) zeigt gewaltbereiten Schwachköpfen den Stinkefinger: „Wer mit Füßen auf den Kopf eines wehrlos am Boden liegenden Menschen eintritt, wer mit Waffen aufeinander einprügelt, nimmt den Tod eines Menschen billigend in Kauf. Das sind keine Körperverletzungsdelikte, das sind Mordversuche, denn das Mordmerkmal des niederen Beweggrundes ist zweifelsfrei erfüllt. Verbrechern, die Gewalt, ja, die Zerstörung von Körpern und Seelen als Zeitvertreib betrachten, kann man nur mit aller Härte entgegentreten. Als Staat, als Gesellschaft.“

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