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EM 2020

Euro 2020 – Morata am Boden – Der Sturz des Helden

Kai Butterweck | Mittwoch, 7. Juli 2021 Kommentare deaktiviert für Euro 2020 – Morata am Boden – Der Sturz des Helden

Erst schießt Álvaro Morata die Spanier in die Verlängerung, dann versagt der umstrittene Stürmer vom Elfmeterpunkt. Während ganz Spanien weint, träumt man in Italien vom ersten EM-Titel seit 1968

Italien besiegt Spanien im Elfmeterschießen. Tobias Nordmann (n-tv.de) nimmt Fehlschütze Morata in Schutz: „Es ist eine Heldengeschichte, die nun tragischer nicht enden könnte. Morata hat wie 2016 drei Tore für Spanien erzielt. Mit nun sechs Treffern ist er der erfolgreichste Spieler der EM-Geschichte der Furia Roja. Anerkennung bekommt er dafür nicht. Sein Fehlschuss überlagert alles. Dabei ist es in Wahrheit nicht seine Schuld, dass die Mannschaft von Luis Enrique nach einem großartigen Spiel gegen Italien gescheitert ist. Allein Mikel Oyarzabal, der in der Sturmmitte dieses Mal den Vortritt bekam, hatte vier Szenen, die er besser, die er hätte viel besser hätte ausspielen können.“

Benjamin Knaack (spiegel.de) fast das Gesehene kurz und bündig zusammen: „Etwas verkürzt vielleicht, aber dennoch passend: Zumindest in der regulären Spielzeit dominierten die Spanier, hatten deutlich mehr Ballbesitz. Die Italiener wiederum lauerten auf schnelle Vorstöße. Beide Teams erspielten sich mit ihren Taktiken einige Torchancen.“

Ein erhebendes Gefühl

Florian Harms (t-online.de) ist hin und weg: „Selbst wenn es nur ein Spiel ist. Selbst wenn es unvernünftig ist, in Zeiten von Corona-Delta derart viele Zuschauer in ein Stadion zu lassen. Trotz allem bleibt etwas nach so einem Abend: ein erhebendes Gefühl in den Herzen aller, die das Spektakel gesehen haben. Die Gewissheit, dass einige der mitreißendsten Momente unseres Lebens durch einen ganz einfachen Vorgang ausgelöst werden können: Ein Fuß tritt gegen einen Ball – in ein Netz oder eben nicht in ein Netz. Dafür kann man durchaus dankbar sein. Grazie, Ragazzi!“

Bei Philipp Köster (11Freunde) steigt der Appetit: „Italien und Spanien begegnen sich ja nicht nur auf dem Fußballplatz als Konkurrenten. Auch auf kulinarischem Gebiet besteht durchaus ein angespanntes Verhältnis, weil die beiden Nationen jede für sich besondere Errungenschaften für sich reklamieren. Fragen wie ​„Pasta oder Paella?“ konnten gestern Abend nicht geklärt werden, ein italienischer Anhänger versuchte aber zumindest eine andere Grundsatzfrage anzusprechen: ​„Proscuttio crudo ist besser als Jamón“ verkündete er auf seinem Plakat. Doch so gewinnend der Fan auch grinste, so wenig entschied Moratas Fehlschuss gestern abend den ewigen Kampf zwischen italienischem und iberischem Schinken.“

Purzelspaß

Christian Spiller (Zeit Online) haut auf den Schluss!Aus!Vorbei!-Buzzer: „Der starke Jorginho, der schon mit Chelsea die Champions League gewann, kullerte den entscheidenden Elfer ins Tor. Danach purzelten alle durcheinander in Wembley. Sie grüßten Leonardo Spinazzola, der sich im Spiel zuvor die Achillessehne gerissen hatte. Selbst der sonst eher beherrschte Roberto Mancini war mittendrin. Und haben wir da beim Jubeln etwa doch eine Falte im Hemd des bestangezogenen Trainers dieser EM gesehen?“

Sebastian Hochrainer (sportschau.de) prophezeit den Verlierern des Abends eine erfolgreiche Zukunft: „So gut Spieler wie Pedri und Dani Olmo jetzt schon sind, sie werden weitere Erfahrungen sammeln und dadurch noch mehr an Qualität gewinnen können. Hinzukommt, dass erfahrene Spieler wie Aymeric Laporte, Rodri, Koke und Alvaro Morata noch im besten Fußballeralter (alle unter 30 Jahre) sind und alle noch mindestens die WM 2022 und EM 2024 bestreiten können. Wenn also in drei Jahren beim Turnier in Deutschland der nächste Europameister ausgespielt wird, ist Spanien mit seinen weiter gewachsen Jungstars wohl einer der ganz großen Favoriten auf den Titel.“

Tobias Rabe (FAZ) adelt Spaniens Pass-Virtuosen Dani Olmo: „Trainer Luis Enrique hatte sich für den Abend in der britischen Metropole etwas einfallen lassen. Weder Alvaro Morata noch Gerard Moreno standen als wuchtige Spitze in der Startelf. Stattdessen bot der Coach den Leipziger Dani Olmo als spielerischen Angreifer auf, der überall zu finden war und seine technische Klasse immer wieder aufblitzen ließ. Olmo machte eine beeindruckende Partie. Und er entwischte den italienischen Haudegen um Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini im Abwehrzentrum oft. Anders als im Viertelfinale gegen Belgien, als sie sich am körperlich starken Romelu Lukaku abarbeiteten konnten, waren die Verteidiger etwas verloren.“

Intensive Achterbahnfahrt

Am Abend treffen im zweiten Halbfinale England und Dänemark aufeinander. Kit Holden (Tagesspiegel) streift sich das Dänemark-Trikot über: „Ich bin zu jung, um die Künstler des Danish-Dynamite-Teams gesehen zu haben. Auch die EM 1992 fand eigentlich ein Jahr vor meiner Geburt statt, ich kenne sie nur von dem Video. Und von den Erzählungen meines Vaters. Doch dieses Sommermärchen durfte ich miterleben. Und als Fußballfan habe ich selten so eine intensive, so erhebende Achterbahnfahrt erlebt. Womöglich geht die Reise am Mittwochabend ausgerechnet in meinem Land gegen meine Landsmänner zu Ende. Aber ich war nie stolzer, nie glücklicher, ein Dänemark-Fan zu sein.“

Sven Haist (SZ) beobachtet einen tiefenentspannten England-Coach: „Im deutlichen Kontrast zu seinen Vorgängern hat sich Southgate in seiner viereinhalbjährigen Amtszeit in die angenehme Lage gebracht, über einen Kader zu verfügen, bei dem er kaum mehr eine falsche Personalwahl treffen kann – weil sich jeder Spieler so integriert fühlt in dieses Team, dass er auf Abruf augenscheinlich sofort sein Leistungsvermögen ausschöpfen kann. Dabei hieß es in den zurückliegenden Pleiten-, Pech- und Pannenjahren bei Großereignissen, das Trikot mit den drei Löwen auf der Brust würde schwerer wiegen als die Leibchen anderer Nationen und daher das Potenzial der Spieler einschränken.“

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