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Deutsche Elf

Ballgeschiebe in Baku

Frank Baade | Donnerstag, 13. August 2009 Kommentare deaktiviert für Ballgeschiebe in Baku

Nach dem 2:0-Sieg in Aserbaidschan wird die Vokabel „glanzlos“ ein wenig überstrapaziert, gleichzeitig so manchem ein wenig bang vor dem Spiel in Russland, Löw wird erneut Weichheit vorgeworfen

Konzentrieren und kontrollieren

Hartmut Scherzer beginnt bei Spiegel Online den Reigen: „… so glanzlos, dass es auch Joachim Löw manchmal nicht mehr aushielt. Gegen Russland muss da mehr drin sein – sonst wird es hässlich. Die einzige überraschende Aktion des Abends hatte Löw zu bieten: Serdar Tasci bezog in der Innenverteidigung die Position neben Per Mertsacker. Eine überraschende Nominierung, war doch Arne Friedrich als Partner des Abwehrchefs erwartet worden. Die deutsche Mannschaft, dirigiert vom umsichtigen Michael Ballack, spielte nach der Devise: konzentrieren und kontrollieren. Das sah nicht immer souverän, manchmal gar holprig aus und weckte nicht gerade Begeisterung. Wie der Torwart strahlte auch der starke Mertesacker Ruhe und Routine aus. Auf rechts setzte sich Philipp Lahm nicht so eindrucksvoll ins Szene, wie man es auf links von ihm gewohnt ist. Was Thomas Hitzlsperger vom Tempo her als ‚Sechser‘ bot, hätte wohl auch Torsten Frings gekonnt. Warum der Stuttgarter vor dem Bremer laut Löw ‚die Nase vorn hat‘, war in diesem Spiel nicht festzustellen. Die deutsche Mannschaft hatte, wie von Ballack angekündigt, ihre Hausaufgaben gemacht und drei Punkte in Baku eingesammelt. Mehr nicht. Mehr war aber auch nicht nötig.“

Problemzone Abwehr

Die Financial Times Deutschland schaut auf den Gegner und sorgt sich um die direkte Qualifikation: „Und Vogts‘ Aserbaidschaner, das Team ohne Stars? Es bemühte sich redlich, zog manchen schön anzusehenden Angriff auf, überbrückte das Mittelfeld mitunter schnell – und versagte in Strafraumnähe ein ums andere Mal. Und die Deutschen gaben ihnen viele Gelegenheiten, sich zu blamieren – mehr, viel mehr als, sie sich das bei einem höherklassigen Gegner erlauben dürften. Phasenweise entwickelte sich die deutsche Abwehr zu einer echten Problemzone. (…) Es mag ja stimmen, dass ein Länderspiel zum Saisonbeginn zu früh kommt für die Deutschen. Ein Team wie das von Aserbaidschan aber müsste deutlicher dominiert werden von einer Mannschaft, in der immer öfter und immer lauter über den Titelgewinn bei der WM 2010 nachgedacht wird. In der Form von Baku wird es schon schwer werden, sich überhaupt direkt für Südafrika zu qualifizieren.“

Karlheinz Wagner (Berliner Zeitung) lässt ebenfalls kein gutes Haar an der deutschen Abwehr: „Diese Lösung brachte nicht die erhoffte Stabilität. Gleich in den ersten zehn Minuten wurde die Defensive über rechts, über links und durch die Mitte beinahe beliebig überlaufen, Per Mertesacker und Torwart Robert Enke mussten gleich mehrfach rettend eingreifen.“ Auch nach dem Führungstor „änderte sich gar nichts. Die Abwehr schwamm fröhlich vor sich hin; im Mittelfeld ging Ballack den Dingen weiträumig aus dem Weg. Trochowski und Schweinsteiger hatten alle Hände und Füße damit zu tun, ihre eigenen Patzer auszubügeln. Und wenn der Ball nach vorne gelangte, wurde er von Mario Gomez mit hoher Verlässlichkeit vertändelt.“

Özils Einwechslung als Höhepunkt des Abends

Alexander Laux führt in der Welt fort: „Souverän, doch ohne jeden Glanz hat die deutsche Nationalmannschaft ihre Pflicht erfüllt. Dabei konnte der Vize-Europameister aber nicht überzeugen.“ Und hält eine Einwechslung für das Bemerkenswerteste der Partie: „Ein bemerkenswertes Ereignis gab es aber noch: Löw wechselte in der 84. Minute Mesut Özil von Werder Bremen ein. Da es sein erster Einsatz in einem Pflichtspiel der A-Nationamannschaft war, kann er in Zukunft nicht mehr für das Heimatland seiner Eltern auflaufen.“

Die SZ lenkt ihren Blick aufs Sturmpaar Klose und Gomez. Die beiden hätten bislang wenig harmoniert, viele Stimmen forderten Podolski an Kloses Seite, da sich Gomez und Klose zu ähnlich seien. Doch Klose habe schon im Zusammenspiel mit Luca Toni bewiesen, dass er nach außen ausweichen könne. Und da die beiden, Klose und Gomez, auch bei Bayern gesetzt scheinen, werden sie sich ohnehin arrangieren müssen. Löw berichtete davon, dass die beiden dabei seien, ihre Laufwege abzustimmen. Viel Potenzial sieht Christian Zaschke ohnehin in dieser Konstellation, wie sie es beim 2:0 angedeutet habe. Und bleibt dennoch vage, was die Zukunft der beiden angeht: „Wenn es ihnen gelingt, ihr Zusammenspiel zu verfeinern, dann werden sie solche Treffer künftig auch gegen stärkere Mannschaften erzielen als die Auswahl Aserbaidschans.“

Leise Verpuffung statt großem Knall

Im Tagesspiegel erläutert Stefan Hermanns den Problemlösestil Jogi Löws in Personalfragen der Nationalmannschaft: „Löw will den verdienten Nationalspieler Torsten Frings loswerden – indem er ihn ignoriert. In den elf Länderspielen seit dem EM-Finale im Sommer 2008 war Frings nur zweimal dabei. Für das defensive Mittelfeld hat Löw statt Frings die beiden Stuttgarter Thomas Hitzlsperger und Sami Khedira nominiert. Man kann aus all dem einiges ableiten. Dass Torsten Frings, der alte Wolf, für den Bundestrainer noch eine unentbehrliche Größe ist, ganz sicher nicht. Die Frage ist, wann diese Erkenntnis in Bremen ankommt – und ob Frings daraus die einzig logische Konsequenz zieht. Doch Frings denkt gar nicht an Rücktritt. Vielleicht will er den Bundestrainer auch ein bisschen ärgern, ihn zappeln und als undankbar dastehen lassen. (…) Das Muster ist bei Löw nicht neu. Auch Jermaine Jones hat der Bundestrainer nicht aus der Nationalmannschaft geschmissen, er hat ihn nur so lange ignoriert, bis Jones gar nicht anders konnte, als seinen Rücktritt zu erklären.“ Ähnlich sei er mit Kevin Kuranyi verfahren. „Im Vergleich zu Jürgen Klinsmann gilt Löw immer noch als weich und harmoniebedürftig. In Wirklichkeit aber hat er genauso klare personelle Vorstellungen wie sein Vorgänger. Doch während Klinsmann sich vor der WM 2006 im Fall Kuranyi für den großen Knall entschieden hat, bevorzugt Löw die leise Verpuffung. Er will nicht als kalter Killer dastehen, auch nicht bei Torsten Frings.“

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