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Deutsche Elf

Zwanziger – starker Mann oder Zeichen von Schwäche?

Frank Baade | Freitag, 5. Februar 2010 12 Kommentare

Entscheidend fürs Scheitern der Weiterverpflichtung des Löwschen Clans war das geforderte Veto-Recht für Bierhoff bei der Bundestrainerauswahl, ob Zwanziger nun verloren oder gewonnen hat, ist in der Presse strittig

Das Maß überspannt

Weitgehend bekannt dürfte der Konflikt um den Einfluss auf die U21 sein. Für das Scheitern der Verhandlungen gab es aber andere Gründe als diesen Zwist. Stefan Hermanns (Tagesspiegel) kennt die wahre Ursache. Bislang habe Bierhoff in der potenziellen Frage eines neuen Bundestrainers nur ein Vorschlags- und Verhandlungsrecht. „Für die Zukunft aber verlange er in dieser Personalfrage ein Vetorecht: Kein Bundestrainer könnte fortan gegen Bierhoffs Willen engagiert werden. Bisher lag die Entscheidung beim DFB-Präsidium, und diese Kompetenz wird es sich wohl kaum nehmen lassen.“

Robert Ide bewertet ebenfalls im Tagesspiegel diesen Versuch, neben ein paar Banker-Boni noch mehr Einfluss an sich zu reißen, als fehlgeschlagen: „Bierhoff hat mit seinem Wunsch nach einem Vetorecht bei der Bundestrainersuche offenbar das Maß überspannt. Und der sonst so geschickt agierende Zwanziger hat es erstmals nicht vermocht, interne Eifersüchteleien so herunterzumoderieren, dass zumindest kein öffentlicher Schaden entsteht. Nun ist gegenseitiges Vertrauen für alle sichtbar zerstört. Und die Botschaft für Südafrika lautet: Bei der ersten sportlichen Schwäche steht nicht nur der Bundestrainer infrage.“

Bestreben, Bierhoff herauszulösen

Die Personalie Bierhoff steht auch bei Michael Horeni (FAZ) im Vordergrund: „Es fällt auf, dass DFB-Präsident Zwanziger zuletzt immer nur großes Interesse an einer schnellen Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Bundestrainer bekundete. Von diesem ausdrücklichen Wunsch blieb Manager Bierhoff ausgespart.“ Bierhoff habe an Vertrauen Zwanzigers eingebüsst, als er sich in größere Auseinandersetzung mit Sammer begab. Außerdem sei auch Niersbach kein Bierhoff-Befürworter. „Das Trainerteam gilt dem Verband als unentbehrlich, der Manager anscheinend nicht. Der Eindruck drängt sich auf, dass dem DFB nun auch daran gelegen ist, Bierhoff aus dem Verhandlungspaket herauszulösen. Der Schaden im Vertrauensverhältnis zwischen der Führung der Nationalmannschaft und des Deutschen Fußball-Bundes dürfte so schnell nicht mehr zu beheben sein.“

Nicht kritisch genug

Unterschiedliche Ansichten werden zur Frage veröffentlicht, ob Theo Zwanziger mit seinem Vorgehen nun ein Gewinner oder Verlierer sei.

So fragt Christian Gödecke (Spiegel Online): „Hat Theo Zwanziger, der sich immer als Mann der Tat inszeniert, tatsächlich noch diese Rolle? Insgesamt zweimal verkündete er eine Handschlagvereinbarung mit dem Bundestrainer, jetzt muss er mitteilen lassen, dass die Gespräche mit der Nationalmannschaftsführung vertagt sind – ergebnisoffen. Aus einem Handschlag wurde ein Schlag ins Gesicht.“ Zwanziger sei demgemäß nun „angeschlagen“, denn „der deutsche Fußball steht erneut vor einer Zerreißprobe, und dabei tut sich eine unschöne Analogie auf. Schon 2006 sorgten unklare Vertragsverhältnisse für den Abschied eines Bundestrainers. Jürgen Klinsmann ging, weil man seinem Kandidaten Peters den verdienten Nationalspieler Sammer vorzog. Klinsmanns Abschied wurde nicht zum Debakel für den DFB, es gab ja Löw. Und da hört die Analogie 2010 auch auf.“

Gute Arbeit bei Themen, die nicht direkt mit dem Fußball zu tun haben, attestiert Markus Lotter (Berliner Zeitung) schon. Bezüglich der Kern-Themen und besonders der aktuellen Lage fällt das Urteil anders aus: „Nicht kritisch genug ist Zwanziger, wenn es darum geht, die Arbeit von Bundestrainer Joachim Löw zu bewerten.“ Mit der Vize-Europameisterschaft und der Qualifikation für die WM habe Löw durchaus „Achtungserfolge vorzuweisen, aber das Spiel der deutschen Nationalmannschaft ist auch unter ihm nicht besser und stilsicherer geworden.“ Zudem sei die Form des Handschlags als Vertragssiegel „naiv“ von Zwanziger gewesen. „Der Rückzug des Vertragsangebotes ist für Zwanziger in jedem Fall kein Zeichen von Stärke, er ist ein Zeichen der Not.“

Anderer Auffassung sind da Lars Wallrodt und Lars Gartenschläger (Welt Online): „Nach WELT-ONLINE-Informationen ist Präsident Zwanziger erbost über Bierhoffs Forderungen. Tatsächlich hat der smarte Manager den DFB ausgerechnet im WM-Jahr in die Bredouille gebracht. Wäre der Verband seinen Forderungen nachgekommen, hätte Zwanziger enorm an Einfluss und Ansehen eingebüßt. Jetzt steht er als starker Mann da.“

Am Ende bleiben nur Verlierer

Insgesamt, das klang auch weiter oben schon an, ist viel kaputt gegangen mit diesem Scheitern. Sowohl an Reputation nach Außen, vor allem aber im Binnenverhältnis zwischen Löw-Bierhoff-Co und dem DFB. Die (FR) bilanziert. „Unprofessionell“ nennt Jan Christian Müller die Tatsache, dass viel zu früh und ohne Not die vermeintliche Einigung via Handschlag publik gemacht wurde. Dadurch hätten sich Löw und Bierhoff in einer besseren Verhandlungsposition gewähnt. Das gestrige Resultat dessen bestätige einen Trend, den es seit Klinsmanns Zeiten (schon damals mit den Gefolgsleuten Löw und Bierhoff) beim DFB gebe: „Bei allem Respekt vor den Reformen der Nationalmannschaft hat sich ein grundlegendes Misstrauen entwickelt. Die Funktionäre fühlen sich beim A-Team schon lange nicht mehr zu Hause und haben auch das nun zu einer Demonstration der Macht genutzt. Am Ende bleiben nur Verlierer.“

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Kommentare

12 Kommentare zu “Zwanziger – starker Mann oder Zeichen von Schwäche?”

  1. Dr. Günter Fiedrich
    Freitag, 5. Februar 2010 um 10:52

    Die Herren Löw und Bierhoff sollten dringend mal 2 Jahre in der „Produktion“, also in einem Werte schaffenden Industriebetrieb, arbeiten, damit sie wissen, wie schwer das Geld verdient werden muß, welches sie jetzt als Aufbesserung fordern. Herr Zwanziger hat recht: keine Verhandlungen mehr darüber bis nach der WM; und schon garnicht über ein Vetorecht für Bierhoff, wenn es um den Bundestrainer geht.

    Mit sportlichen Grüßen

    Dr. Günter Fiedrich

  2. Dr. Günter Fiedrich
    Freitag, 5. Februar 2010 um 10:59

    Die Herren Löw und Bierhoff sollten dringend mal 2 Jahre in der „Produktion“, also in einem Werte schaffenden Industriebetrieb, arbeiten, damit sie wissen, wie schwer das Geld verdient werden muß, welches sie jetzt als Aufbesserung fordern. Herr Zwanziger hat recht: keine Verhandlungen mehr darüber bis nach der WM; und schon garnicht über ein Vetorecht für Bierhoff, wenn es um den Bundestrainer geht.

    Mit sportlichen Grüßen

    Dr. Günter Fiedrich

  3. Oliver Fritsch
    Freitag, 5. Februar 2010 um 11:19

    Es gibt Pressestimmen, die von einer gezielten und halb- bis unwahren Indiskretion ausgehen: Die kolportierten Forderungen seien von Bierhoff und Löw so nie gestellt worden.

    Sieht so aus, als wäre die Bild-Zeitung zurück im Geschäft.

  4. gecko1893
    Freitag, 5. Februar 2010 um 14:25

    @Oliver Fritsch: Die Bildzeitung ist schon länger zurück im Geschäft. Banales Beispiel: unter Klinsmann hatte die Bild die Aufstellungen nicht mehr exklusiv, als Löw dann Chef wurde anfangs auch nicht. Nach einem schlechten Spiel der Nationalmannschaft (weiß leider nicht mehr welches) gab es eine entsprechende Bildschlagzeile die verklausuliert sagte: dieses Mal sind wir noch lieb, beim nächsten Mal nicht mehr. Seit diesem Zeitpunkt hat die Bild, wie üblich, wieder exklusiv die Aufstellungen früher

  5. Glock Peter
    Freitag, 5. Februar 2010 um 15:40

    @Dr. Günter Fiedrich und Oliver Fritsch

    Zuerst zu Herrn Fiedrich:

    Ich finde die soziale Karte immer wieder amüsant bis lächerlich.

    Durch ihre erfolgreiche Arbeit spielen Bierhoff, Löw und der gesamte Stab eine unheimliche Menge an Geld ein, dass dem DFB zukommt. Warum sollten sie als die Geldbeschaffer nicht auch was von Kuchen abkriegen?

    Auch wenn mich das gesamte Werbefeuer nervt, das Geld ziehen diese Herren ans Land und nicht der gute Herr Zwanziger und sein aufgeblähtes Präsidium.

    ACHTUNG: Stolpern Sie nicht in die Fallen, die hier medial ausgehoben werden. Wenn denn der DFB tatsächlich (falsche) Informationen an die Öffentlichkeit gegeben hat, um ihren Kontrahenten (Bierhoff) zu diskreditieren.

    Denken Sie daran: In Deutschland funktioniert immer die Karte GIER (Geld/Macht) zur Diffamierung. Während in den USA die Karte AMORALISCH (Sex, Ehebruch) zu diesem Zweck gezückt wird.

    Ich wüsste gerne welchen Betrag die Nationalmannschaft jährlich in die Kassen des DFB spült und wie sehr das seit dem Amtsantritt Klinsmanns-Bierhoff-Löw gestiegen ist.

    dazu
    @ Oliver Fritsch:
    Gibt es die Möglichkeit die Bilanz dieses „eingetragenen Vereins“ zu lesen?

    Wir werden Zeuge eines Machkampfes, als dessen einziges Bewertungskriterium (abseits medialer Einseifung) die positive Gestaltung der Nationalmannschaft gelten sollte und nicht die Machtfrage und wer oder was da besonders sympathisch rüberkommt.

  6. Lujack
    Freitag, 5. Februar 2010 um 18:45

    Die Wiederwahl von Zwanziger als DFB-Prasident steht nicht zufällig dieses Jahr an?

  7. Peter Glock
    Freitag, 5. Februar 2010 um 20:09

    Kann der überhaupt wiedergewählt werden, nachdem er zugelassen hat, dass sich der Elefant DFL auf die Maus Amateursport mit seinem „flexiblen“ Bundesligaspieltag gesetzt hat?

  8. Lena
    Freitag, 5. Februar 2010 um 20:55

    Ich hab ja schon mal früher geschrieben, der Bierhoff gehört verhauen. So, jetzt habens ihn verhauen. Nur leider Löw und (produktiver) Trainerstab gleich mit. Dabei schätze ich Löw als Kollateralschaden ein.

    Nur der Zeitpunkt ist ja wirklich sehr unglücklich gewählt. Jetzt ist der Bundestrainer beschädigt, ganz egal wie die jetzt weiterstricken. Und ein beschädigter Trainer ist immer ein schlechterer Trainer. Ausgerechnet im WM Jahr, so ein Theater. Es kann ja alles gut laufen, aber seien wir ehrlich, sowas bleibt im Hinterstübchen der Spieler und wenn alles gut läuft, kein Thema, aber sowie etwas anfängt schief laufen zu können, wird es auf einmal relevant und wirkt schädlich.

    Durch diesen Mist von Zwanziger und Bierhoff ist der Pfad für eine erfolgreiche WM deutlich schmaler geworden. Wer Wahlen, äh, WMs gewinnen will, der muss geschlossen auftreten! Setzen sechs.

  9. Oliver Fritsch
    Samstag, 6. Februar 2010 um 11:43

    @ Peter Glock: Die Bilanz des DFB?

  10. Heffer
    Samstag, 6. Februar 2010 um 13:29

    Was ich noch nie verstanden habe ist, wie Bierhoff, als jemand der mit dem sportlichen Betrieb der Nationalmannschaft nichts am Hut hat, in die Lage kommen kann ein Vetorecht bei der Nominierung des Bundestrainers einzufordern.

    Als Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainerstab, zwischen Nati und Liga und weiß der Teufel was der alles macht oder nicht macht ist er doch immer ersetzbar, oder nicht?

  11. Glock Peter
    Samstag, 6. Februar 2010 um 22:10

    @ Oliver Fritsch:
    ja genau…
    oder sind die steuerrechtlich immer noch ein e.V.?

  12. Linksaussen
    Sonntag, 7. Februar 2010 um 01:53

    Die einzige Lösung im Sinne des Sports („Wir regeln das in der Familie, wir brauchen keine Gerichte“) kann natürlich nur heißen:

    High Noon. Sammer vs Bierhoff im Modernen Fünfkampf:
    1. Schießen auf die Torwand
    2. Wortgefecht (Waffen nach Wahl: Feine Stiche 3. mit dem Degen oder doch der schwere Säbelhieb?)
    4. Eine Abwehr zum Schwimmen bringen
    Klischeereiten
    5. Hindernislauf durch einen Presseparcours

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