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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Letzte Pointe

Oliver Fritsch | Freitag, 23. Juni 2006 Kommentare deaktiviert für Letzte Pointe

Michael Horeni (FAZ) kommentiert die Aussage Jürgen Klinsmanns, nach der ein Ausscheiden im Viertelfinale ein Mißerfolg wäre: „Die Schlagworte, die Klinsmann bisher so erfolgreich zur Motivation seiner Spieler benutzt hat, wendet er nun auch für seine eigene Rolle an: Alles oder nichts, volles Risiko, keine Kompromisse – das sind die Leitmotive, die auch schon den Weltmeister Klinsmann zu seiner aktiven Zeit ausgezeichnet haben. Mit dem Einzug ins Halbfinale hat der Bundestrainer seinen Anspruch formuliert, unter dem eine Vertragsverlängerung nicht zu haben ist – auch wenn das einig Fußball-Vaterland plötzlich auch in der Niederlage nach dem lange ungeliebten Reformer rufen sollte. Dies wäre dann die letzte Pointe im schwierigen Verhältnis zwischen Klinsmann und dem deutschen Fußball.“

McKlinsi

Ludger Schulze (SZ) durchleuchtet das Binnenklima des DFB unter Klinsmann: „Innerhalb des DFB gibt es niemanden, der sich einen vorzeitigen K.o. wünscht; aber durchaus Leute, die Klinsmann kaum eine Träne nachweinen würden. Im Präsidium ist eine Opposition um die einflussreichen Mitglieder Engelbert Nelle, Hans-Georg Moldenhauer und Rolf Hocke entstanden, denen der autokratische Führungsstil der intern spöttisch ‚die glorreichen Vier‘ genannten Crew (Klinsmann, Bierhoff, Löw, Köpke) nicht schmeckt. Auch im Umfeld der Nationalmannschaft sind bisweilen Klagen über das unterkühlte Binnenklima und die fehlende menschliche Wärme Klinsmanns zu hören, der sich stets geriert hat wie ein zur Restrukturierung der Firma DFB herbeigerufener Unternehmensberater: McKlinsi. Einen Draht zu seinem arbeitgebenden Verband hat er jedenfalls nie entwickelt. Dankbarkeit und Freundschaft kann Jürgen Klinsmann nur dann erwarten, wenn er sein Ziel erreicht und den Verband glücklich macht.“

Ein Ausscheiden im Viertelfinale wäre eine Katastrophe

Jürgen Klinsmann im Interview mit „Peter Pool“, (ein Pseudonym, mit dem die FR gegen die „Pool“-Strategie der DFB-Pressearbeit protestiert)
FR: Nach den drei Siegen zuletzt scheint die Akzeptanz in der Öffentlichkeit gegeben.
Klinsmann: Die Akzeptanz in der Öffentlichkeit kommt mit den Resultaten. Das ist das wichtigste, und dass die Leute merken, da ist eine Mannschaft, die geht an ihre Grenzen.
FR: Wird dies auch noch so sein, wenn Ihr Team ausscheidet?
Klinsmann: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich bin davon überzeugt, dass wir ins Viertelfinale kommen. Das Ausscheiden verdränge ich. Der Fußball ist so gemacht, dass alles nach Erfolg und Misserfolg bewertet wird, da habe ich kein Problem mit, das ist okay so.
FR: Theo Zwanziger hat gesagt, Sie brauchen diesen Sieg als Bestätigung für Ihre Arbeit mehr als er selbst. Er möchte, dass die Spielphilosophie durch Sie weiter getragen wird. Ist die Verantwortung gewachsen, diesen Weg weiterzuführen, auch wenn der sportliche Erfolg nicht so groß ist?
Klinsmann: Da brauchen wir uns nichts vormachen. Wir können nicht ausscheiden im Achtelfinale als Fußballdeutschland. Der Trainer wird zurecht daran gemessen. Wir sind eine Fußballnation, da ist selbst ein Ausscheiden im Viertelfinale eine Katastrophe.
FR: Also sind Sie zum Erfolg verdammt, sonst geht das ganze Konzept den Bach runter?
Klinsmann: Die Spielphilosophie, von der nicht nur ich, sondern auch viele andere überzeugt sind, hängt nicht allein von meinem Kopf ab. Wenn wir mithalten wollen, dann müssen wir bestimmte Dinge einfach tun. Dann müssen wir viel intensiver trainieren, wir müssen auf andere Dinge Wert legen, wir müssen individuell mit den Leuten arbeiten, all das, was wir vorangetrieben haben. Außerdem kommt auch ein Schuss Selbstverantwortung mit rein. Wir versuchen seit zwei Jahren den Spielern zu sagen: Freund, nimm deine Karriere in die eigenen Hände und warte nicht, bis ein Trainer vorbei kommt und sagt, mache mal zehn Sprints! Ich löse mich davon zu sagen, das liegt nur am Cheftrainer. In Holland bestellen sie den Trainer nach der Philosophie. So muss es sein.
FR: Hat die Zeit bisher gereicht, um diesen Paradigmenwechsel bereits durchzusetzen? Die Mannschaft ist ja noch jung und wird in Zukunft wohl noch stärker sein.
Klinsmann: Das ist schwer zu sagen, die jungen Spieler sicher. Aber wo wird die Generation der 30-Jährigen in vier Jahren sein? Ich bin davon überzeugt, dass da was nachkommt auch durch die Arbeit von Dieter Eilts bei der U 21. Die Philosophie fußt auf einer langfristigen Konstellation.
FR: Glauben Sie, dass es Leute gibt, die das fortsetzen können mit der Power?
Klinsmann: Die gäbe es allemal. Joachim Löw könnte den neuen Weg ohne Probleme fortsetzen. Oliver Bierhoff kennt ihn auch. Es gibt genügend Leute, die sagen, das ist der richtige Weg. Die Zukunft wäre aber in jedem Fall leichter mit einem großen Erfolg.
FR: Sie haben sich nicht nur Freunde gemacht mit vielen Neuerungen beim DFB. Es war eine schwere Zeit, erst einmal alles durchzupauken.
Klinsmann: Aber sie war es wert. Wenn ein Spieler zu mir kommt und sagt, das hat mich echt nach vorn gebracht, dann gibt es kein schöneres Kompliment, ob das nun ein älterer oder ein jüngerer Spieler ist. Ob das nun Jens Nowotny ist oder Basti Schweinsteiger, spielt keine Rolle. Das ist eine schöne Bestätigung.
FR: Berührt es Sie, dass der Sportdirektor Ihrer Wahl, Bernhard Peters, in die Regionalliga nach Hoffenheim gegangen ist?
Klinsmann: Wenn, dann positiv. Ich habe noch lange mit ihm telefoniert. Ich habe ihm gesagt, Bernhard, ich halte das für eine faszinierende Möglichkeit. Dietmar Hopp hat strategisches Denken in seinem Business und Peters im Sport, da kann man viel bewegen. Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht noch als externen Berater an den DFB binden könnte, wenn es die Konstellation zulässt. Diese Variante ist nach wie vor gegeben, aber das wird sich erst nach der WM zeigen, wie Oliver Bierhoff die Sache anpackt und wie die Kommunikation mit Matthias Sammer verläuft.
FR: Wann würden Sie sagen, es war eine erfolgreiche WM?
Klinsmann: 9. Juli – nach dem Spiel.

Die FAZ, die fast den gleichen Wortlaut druckt, läßt Klinsmann noch sagen: „Es ist mir schon lieber, daß die Leute positiv gestimmt sind, anstatt meinen Wohnsitz zu diskutieren. (…) Natürlich leuchten mir bei einem Spiel Argentinien gegen Elfenbeinküste die Augen – aber hier ist jede Mannschaft schlagbar. Auch Argentinien ist schlagbar. Wir waren zweimal nahe dran gegen Argentinien. In Düsseldorf haben wir den Sieg dumm hergeschenkt, da haben wir gepennt bei dem langen Ball auf Crespo, wo er dann den Lupfer macht. Das ärgert mich heute noch. Für mich ist die WM erfolgreich, wenn wir Weltmeister werden.“

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Journeyman

Soll Schweden den Stürmer Marcus Allbäck wieder einsetzen, der im England-Spiel den Star Zlatan Ibrahimovic erfolgreich vertreten hat? Ronald Reng (SZ) holt weit aus: „Eine WM erlaubt sich gerne den Spaß, gewöhnliche Profis für ein paar Tage die Größten sein zu lassen. Der heute beim VfB Stuttgart untergekommene Däne Jon Dahl Tomasson etwa gilt unter Fans seines ehemaligen Klubs Newcastle United noch heute als der schlechteste Fußballer, der geboren wurde, aber bei der WM 2002 spielte er so auffällig, dass ihn der große AC Mailand anstellte. Dutzende solcher Beispiele ließen sich finden. Der Aufstieg der Gewöhnlichen zu Tagesgöttern ist auch möglich, weil das Niveau einer WM gerade in der Vorrunde unter dem der Spitzenklubs liegt. Und natürlich, weil die Form eines Fußballers unergründliche Wege geht. Jeder ordentliche Profi spielt in seiner Karriere mal ein paar Wochen unwiderstehlich – wenn er Glück hat, sind gerade WM-Wochen. Nun wird ernsthaft diskutiert, ob Allbäck auch gegen Deutschland anstatt des nach einer Leistenzerrung zurückkommenden Ibrahimovic stürmen sollte. Er jedoch hat immer gesagt: ‚Wenn Zlatan und Henrik Larsson fit sind, müssen sie spielen, kein Zweifel.‘ Die englische Fußballsprache hat ein Wort für Spieler wie ihn: journeymen. Es trägt eine bittere Bedeutung: Tagelöhner. (…) Es ist leicht zu erkennen, warum viele in ihm einen Klassestürmer sehen und warum er so oft die Erwartungen nicht erfüllt. Er bewegt sich geschickt, er ist durchschlagend kräftig, so erobert er sich immer wieder beste Schusspositionen. Aber wenn er dann schießt, trifft er zu oft den Ball nicht ganz richtig, zielt er nicht ganz genau.“

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