Champions League
Babbel trifft den Ton
| Freitag, 6. November 2009 Kommentare deaktiviert für Babbel trifft den Ton
Stuttgart findet ein bisschen aus der Krise, Babbel wird dabei für seine Ansprache gelobt, deren Wirkung wiederum nicht überschätzt wird, doch Babbels Stil unterscheide sich angenehm von dem anderer Trainer
Der VfB Stuttgart spielt in Sevilla in der Champions League eine Halbzeit unterirdisch schlecht, um in der zweiten Halbzeit in Überzahl doch noch ein Remis zu erreichen. Dazwischen liegt eine Pausenansprache des Trainers Markus Babbel, der darin mit seinen Prinzipien bricht. Ronald Reng (FR) benutzt die Vokabel von der „Brandrede“ und schildert weiter: „Die Rede, die Babbel dann hält, teilt seine Zeit in Stuttgart in ein Vorher und Nachher.“ Sie hätte zwar Wirkung gezeigt: „Aber Babbel ist dafür ans Äußerste gegangen. Indem er seine Brandrede öffentlich machte, hat er seine größte Stärke geopfert: Er war der Trainer, der seine Spieler verstand, der sie immer öffentlich verteidigte, der wegen dieses Feingefühls enorme Resonanz in der Mannschaft fand. Nun hat er einige seiner Fußballer mit seiner lauten Kritik bloßgestellt. Markus Babbel ist, was die Menschenführung angeht, einer der besten Trainer.“ Deshalb könne Babbel nicht den Kurs dieser Ansprache fortführen: „Trainer, die gegen ihr Naturell handeln, halten selten lange durch.“
Auch Sven Flohr (Welt) nennt vor allem den Trainer als den Sieger in einem Remis: „Die Schwaben fielen an diesem Abend in Extreme. In der ersten Hälfte zeigten sie ihre schlechteste, in der zweiten Hälfte ihre beste Saisonleistung. Dass sie nun das Achtelfinale der Champions League mit zwei Siegen noch aus eigener Kraft erreichen können, ist besonders ein Verdienst ihres angeschlagenen Trainers. Markus Babbel war, obwohl nur an der Seitenlinie stehend, der Gewinner des Abends. (…) Nun würden die Stuttgarter die zweite Hälfte gern zum Anlass nehmen, eine Wende in der bislang so tristen Saison zu beschwören. Diese wirklich auszurufen, trauen sie sich vor dem nächsten Auswärtsspiel nicht – zu unberechenbar sind die Leistungen der eigenen Mannschaft.“
Offener Umgang mit Problemen auch extern
Heiko Hinrichsen lobt in der Stuttgarter Zeitung Babbels Entwicklung, nicht zuletzt wegen seines offenen Umgangs mit seinen Methoden: „Seine Linie, seinen forschen, offenen Stil, den er bereits in der Halbzeitansprache gegenüber den VfB-Profis gewählt hatte, behielt der Bayer auch im medialen Tête-à-tête bei – was ihm durchaus Pluspunkte einbrachte.“ Denn offenbar ist diese Linie keine Selbstverständlichkeit: „Es mag innerhalb der Trainerzunft viele Leute geben, die das von der Grundidee simple Fußballspiel erst zu einer komplexen Wissenschaft erheben, um dann ihre Weisheiten, die sie sich vermeintlich exklusiv erarbeitet haben, weitgehend für sich zu behalten. Diese Spezies Fußballlehrer, Louis van Gaal ist hier ein Paradebeispiel, lehrt den Fußball gerne von oben herab. In öffentlichen Statements wird dagegen nur doziert, geschmollt, gegrollt oder belehrt – anstatt die Probleme zu benennen, zu erklären und Lösungen anzubieten.“ Hinrichsen übersieht hier vielleicht, dass man doch, bittschön, das neue Buch von van Gaal kaufen möge, um die exklusiven Erkenntnisse dieses Trainers kennenzulernen. Allerdings ist van Gaals Art durchaus nicht erst seit Erscheinen seines Buches so. Babbels Erkenntnisse hingegen erhalte man kostenlos: „Er ist nach anfänglichen Irrungen wie seiner undurchsichtigen Rotation und gelegentlicher Schönfärberei dabei, einen neuen Weg einzuschlagen. Er spricht Unzulänglichkeiten, Probleme auch extern an – und erntet dafür die ersten Früchte wie den Punkt von Sevilla. Der Coach hat erkannt, dass Fußball neben Starspielern, neben Technik und Taktik zu einem Großteil von Psychologie bestimmt wird. Der Umschwung von Sevilla zeigt, dass Babbel den richtigen Ton getroffen hat.“
