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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Nationalelf – Siege sind nicht gleich Siege

Kai Butterweck | Donnerstag, 28. März 2013 4 Kommentare

Trotz eines ungefährdeten Siegs gegen Kasachstan wird die Nationalelf vom heimischen Publikum mit Pfiffen in die Kabine begleitet

Christian Spiller (Zeit Online) schüttelt den Kopf und hält dem Nürnberger Publikum einen Spiegel vor Augen: „Die deutsche Elf spielte in den ersten 45 Minuten wieder einmal großartigen Fußball. Gegen einen Kontrahenten, der nur mit dem Ziel anreiste, so wenig Prügel wie möglich zu beziehen und sich mit elf Mann um den eigenen Strafraum postierte, öffnete die DFB-Offensive wie von Zauberhand Räume, die vorher nicht existierten. So schnell und direkt lief der Ball auf teilweise so engem Raum, dass die Zuschauer kaum hinterherkamen, geschweige denn die Kasachen. Bei allem Respekt, dieses Spiel bot mehr Kombinationsfußball als der heimische Club aus Nürnberg in 1.000 Jahren zu Stande bekommt.“

Pfostenschuss ist nicht gleich Pfostenschuss

Christof Kneer (SZ) sehnt sich den kommenden Herbst herbei: „Seit dem 1:2 gegen Italien und dem 4:4 gegen Schweden wertet das Publikum einen Pfostenschuss nicht mehr einfach als Pfostenschuss, sondern als Anlass, gleich wieder die Peiniger Balotelli und Ibrahimovic auferstehen zu lassen. Dieses Hintergrund-Rauschen könnte Löws Elf durchs Jahr 2013 begleiten, an dessen Ende sich aber die Chance zur Vergangenheitsbewältigung bietet. Im Oktober spielt Deutschland bei Ibrahimovics Schweden. Für November wird ein Testspiel gegen Balotellis Italiener geprüft.“

Christian Oyenhausen (ksta.de) fordert leistungsstärkere Mikrofone für Oliver Bierhoff und Co.: „Die Häme-Attacken auf Neuer sind ein Beispiel für den schmalen Grat, auf dem sich die DFB-Elf  befindet. Sie hat als Hochleistungsprodukt makellos zu funktionieren, um geschätzt zu werden. Diese Konsumentenhaltung mag etwas mit Zeitgeist zu tun haben. Gewiss ist sie auch ein Effekt der durchgestylten Kommerzialisierung und Präsentation der DFB-Vorzeigemannschaft als entrückter Elite-Zirkel. Sie ist aber auch Ausdruck der ständigen Sorge, dass das mehr hineingedachte als wirklich gegebene Versprechen auf einen Titel wieder nicht eingelöst werden kann. Dieser Entwicklung höchster Ansprüche zum Selbstverständlichen hin wollten Oliver Bierhoff und Joachim Löw in den Tagen Kasachstan-Spiele mit den Worten vom „eigentlich“ unmöglichen Titel entgegenwirken. Die Botschaft ist offenbar noch nicht angekommen.“

Mehr als bloße Statistik

Jan Christian Müller (FR) beschäftigt sich mehr mit dem Spielgeschehen auf dem Rasen und schwenkt dabei anerkennend die BVB-Flagge: „Ilkay Gündogan demonstrierte in Nürnberg − wie schon im November in den Niederlanden und im Februar in Frankreich − erstaunliches Spielniveau. Dass er selbst, Götze und zweimal Reus die Tore erzielten und damit sämtliche Treffer auf das Konto Dortmunder Spieler gingen, ist mehr als bloße Statistik: Der in Polen und der Ukraine noch nahezu unsichtbare Borussen-Block ist zur stabilen Größe geworden. Das deutsche Offensivspiel hängt dadurch viel weniger als zuvor an der Intuition von Mesut Özil und einzelnen Torraumszenen der verletzt fehlenden Mario Gomez und Miroslav Klose. Angriffe werden noch variantenreicher, unberechenbarer, schneller und direkter vorgetragen.“

Auch Michael Rosentritt (Tagesspiegel) ernennt einen Dortmunder Spieler zum Matchwinner: „Für die Recken aus Zentralasien war Mario Götze selten zu fassen. Immer wieder entzog sich Götze derer Bewachung, indem er viele Positionswechsel vollzog. Oft wich er auf die Flügel aus, um von dort eine Angriffsaktion zu initiieren. Dann schlich er sich wieder ins Zentrum und lauerte auf vertikale Anspiele. Dieses Rochieren in der Angriffsreihe ermöglichte trotz zweier extrem tief stehender Viererketten der Kasachen die hohe Ballzirkulation in der deutschen Offensive. Einen Götze in dieser Rolle möchte man gern gegen einen stärkeren Gegner sehen, einen, der ins Spiel einsteigt und nicht nur ein solches verhindern möchte.“

Keine neuen Erkenntnisse

Christian Kamp (FAZ) tappt im Dunkeln: „Natürlich gab es allerlei Versuche, den Interpretationsapparat, der das deutsche Team überallhin begleitet, auch diesmal zum Laufen zu bringen. Doch was herauskam, waren keinesfalls gewichtige Erkenntnisse oder Antworten auf offene Fragen, sondern bestenfalls Tendenzen, die sich verfestigten. Dass Löw ein bisschen intensiver mit dem „falschen Neuner“ experimentieren würde, hatte er schon vor der EM angedeutet. Ob diese Sturmvariante allerdings auch gegen Teams der gehobenen Kategorie Erfolg verspricht oder vielleicht sogar den Weg zu einfachen Toren verbaut, ließ sich gegen die überforderten Kasachen nicht ablesen.“

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Kommentare

4 Kommentare zu “Nationalelf – Siege sind nicht gleich Siege”

  1. Hans Klemm
    Donnerstag, 28. März 2013 um 14:07

    Das häufige Gerede über die Taktik im Vorfeld mit dem „falschen Neuner“ hat scheinbar nur ein Spieler für ernst genommen, nämlich der „richtige Neuner“, der tatsächlich im Tor stand! Nur hat er dabei falsch gehandelt, weil er bei dieser äußerst gefährlichen Gegnerschaft auch einmal mitspielen wollte.
    Somit gab es eine Welturaufführung im Nürnberger Stadion: Unsere Mannschaft zeigte erstmalig, wie man mit einem „falschen Neuner“ in Wirklichkeit zwei verschiedene Akteure meinte, die hinten und vorne für Torerfolge sorgten…..Bei Nachahmung wird es endlich wieder spannender in den Stadien der Welt!

    Weiterhin wird seit einer gewissen Zeit
    ständig von der Zauberposition „Doppelsechs“ gesprochen. Wer ist eigentlich der Erfinder? Wo ist denn da die „Doppelfünf“ abgeblieben, die ich noch nie gehört habe?

    Will man heutzutage einfach das linke oder rechte Mittelfeld (Läufer) mit unterschiedlicher Orientierung nach vorn oder hinten nicht mehr erwähnen wollen?
    Wie hat sich doch dieser Fußballsport entwickelt….

  2. Jörn
    Donnerstag, 28. März 2013 um 14:26

    Sorry dass ich es so hart sagen muss. Aber in zwei solchen Spielen jetzt die Dortmunder Spieler hervorzuheben macht keinen Sinn. Dort hätten auch Augsburger, Stuttgarter oder (ganz schlimm) auch Schalker spielen können, und wir hätten auch gegen Kasachstan gewonnen.

    Die Nationalmannschaft hat auch Siege errungen, als Dortmund nur Mittelmaß war und nahe an der Pleite – aber als Kurzzeithype nicht schlecht zu verkaufen. Leider sind die Dortmunder nur regional – danke Uli Hoeness!

  3. Nixwisser
    Donnerstag, 28. März 2013 um 18:01

    Ich kann das ganze Gerede nicht so richtig ernst nehmen. Zwei Spiele gegen einen drittklassigen Gegner, 7 Tore, sechs Punkte. War noch was? Wenn ich mir so einige Grützenspiele der Vergangenheit ins Gedächtnis rufe… Wir werden uns mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit qualifizieren und wir werden zum engeren Favoritenkreis gehören. Ob wir den WM-Titel holen werden – keine Ahnung. Das Anspruchsdenken läuft bei uns etwas aus dem Ruder. Welche Nationalmannschaft hat denn bei WM oder EM ein Titelabo? Hervor heben kann man Brasilien und aufgrund der aktuellen Dominanz Spanien. Letztere mußten sehr lange warten. Viele richtig gute Teams haben keine Titel geholt. Ungarn, Portugal, Holland… Daß Deutschland drei mal Welt- und Europameister war ist keine Selbstverständlichkeit – zumindest für mich nicht.

  4. Fussball Kurios
    Sonntag, 31. März 2013 um 11:56

    Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss ;P

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