indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Albanien und Portugal

Wieder mal ein kleiner Briegel

„Es sind dies die schönsten Geschichten, die der Fußball erzählen kann“, findet Christian Zaschke (SZ 6.6.) zu Recht. „Es gibt gerade ziemlich viele gute Nachrichten aus Albanien. Seit März zum Beispiel ist das Land wieder ans internationale Eisenbahnnetz angeschlossen. Bei der Wiedereröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Shkodra und Montenegro saß der albanische Ministerpräsident Fatos Nano stolz im Zug. Überhaupt entpuppte sich der März als Wonnemonat Albaniens, besiegte doch die Fußball-Nationalmannschaft Russland 3:1. Die Freude im Land wurde noch größer als nach der Eisenbahnsache, und es geschah etwas so Seltsames wie Schönes: Viele junge Frauen im Land gebaren Kinder und gaben ihnen nicht einen guten albanischen Namen, etwa Fatos, dem Präsidenten zu Ehre, sondern sie sprachen, von der Säuglingsschwester gefragt, wie das Kleine denn hieße, voll Ernst und sehr stolz: „Briegel“. Die albanischen Schwestern zuckten nicht einmal mit der Wimper. So so, wieder mal ein kleiner Briegel. Na, du süßer, kleiner Briegel, wie geht es dir denn?“

Tobias Schächter (taz 6.6.) traf den albanischen Nationalspieler und Ex-Bundesligaprofi Tare. „Man muss es probieren – bei Igli Tare ist dieser Satz mehr als nur der Ausdruck romantischer Hoffnungen eines Underdogs. Nirgends in seiner Fußballerkarriere wurde er mit offenen Armen empfangen, überall schlug ihm Skepsis entgegen, manchmal blanker Hass – im schlimmsten Fall wurde er belächelt. 1992 kam er als 18-Jähriger nach Deutschland. Er hatte nichts und niemanden. Außer Walter Pradt. Walter Pradt arbeitete damals beim Ludwigshafener Sozialamt und war Trainer von Südwest Ludwigshafen. Er wies Tare eine Adresse auf einem Boot im Ludwigshafener Hafen zu, das Essen brachte ihm der Masseur, die Sprache brachte er sich mühsam selbst bei. Auch sportlich lief nicht viel zusammen. Der 1,91 m große Hüne schleppte zu viele Kilo über die Sportplätze. Und er war kein Ausnahmetalent, kein Rohdiamant. Eher sahen viele in ihm einen untalentierten Klotz. Ich war überhaupt nicht integriert und zog mich immer mehr zurück, erinnert sich Tare. Dennoch wechselte er eine Klasse höher und auf die andere Rheinseite zum VfR Mannheim, und wie bei allen späteren Wechseln – von Mannheim nach Karlsruhe, vom KSC nach Düsseldorf, von Düsseldorf nach Kaiserslautern und von dort nach Brescia – wurde immer gefragt: Was will der denn hier? Aber Tare fiel immer eine Stufe nach oben. Beim KSC zeigte er seine Stärken: Zuspiele auf die nachrückenden Mittelfeldakteure prallen lassen. Er lebte professionell, arbeitete hart, und Winnie Schäfer gab ihm eine Chance in der Bundesliga. Aber an Sean Dundee, auch er damals Karlsruher, kam er nicht vorbei. Also zog er weiter nach Düsseldorf, in die zweite Liga. Bei der Fortuna schoss er Tore und wurde zum Hoffnungsträger. Und in der Düsseldorfer Zeit machte er das Spiel seines Lebens: Bei der 3:4-Niederlage Albaniens gegen Deutschland im Oktober 1997 in Hannover schoss er nicht nur ein Tor, sondern spielte auch noch Jürgen Kohler schwindlig. Seit diesem Tag hatte ich endlich Selbstvertrauen, sagt Tare.“

Lösung aller Probleme

Andreas Obst (FAZ 5.6.) berichtet die Stimmung in Portugal, Austragungsort der EM 2004. „Im Fußball regieren seit je die Klischees – nicht alle sind falsch. Doch es ist wohl kaum je vorgekommen, daß ein Land solche Hoffnungen in ein Fußballturnier setzte wie Portugal in die Europameisterschaft, die im Sommer kommenden Jahres in dem Land am Ende Südwesteuropas stattfinden wird. Nun könnte man einwenden, so sind sie eben, die Südländer – auf dem Fußballplatz und wohl auch sonst im Leben: ewig überschäumend, immer enthusiastisch und manchmal eben ohne rechtes Augenmaß. Solange der Ball auf dem grünen Rasen rollt, entfaltet solche Mentalität ja ohne Zweifel ihren Charme. Und ist es nicht ohnehin so, daß der portugiesische Fußball, lange unterschätzt, erst bei den zuletzt ausgespielten Turnieren Europa, ja die ganze Welt begeisterte? Doch Portugal will mehr mit dieser Europameisterschaft im eigenen Land, viel mehr. Der Fußball soll das Land aus der Wirtschafts-, Politik- und Sinnkrise befreien, in der Portugal schon seit längerem steckt – allein gelassen, so versteht man es hier mit unverhohlenem Trotz, nicht nur geographisch am Ende der Europäischen Union. Da ist auf der einen Seite der übermächtige Nachbar Spanien, seit je der Erste auf der Iberischen Halbinsel, auf der anderen die Angst, auch noch von dem einen oder anderen der zehn neuen Länder, die im kommenden Frühjahr zur Union stoßen werden, überholt zu werden. So ist mit dem europäische Kräftemessen auf dem Fußballplatz die Hoffnung verbunden, es möge Portugal zu nicht weniger als einem ganz neuen Selbstgefühl führen. Die Europameisterschaft soll den Tourismus neu in Gang bringen, davon verspricht sich Portugal die Lösung aller Probleme.“

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Vorteile durch Tricksereien

Nachvollziehbarer Protest gegen Lautern-Strafe – ManU vor feindlicher Übernahme? – die typischen Handlungsmuster der Liga – Gratulation an Birgit Prinz zum 100. Länderspiel – Legionär Andreas Reinke in der spanischen zweiten Liga

Sven Astheimer (FR 29.3.) kann die Proteste der Konkurrenz gegen die milde 3-Punkte-Strafe für den 1. FC Kaiserslautern in der nächsten Saison gut verstehen. „Ein Malus in der laufenden Saison hätte den Tabellenelften viel teurer zu stehen kommen können. Im Falle des Abstiegs müsste das mühsam zusammengezimmerte Sanierungskonzept mit Banken, Stadt und Land müsste dann ebenso wie Spieler- und Angestelltenverträge neu ausgehandelt werden. Dagegen nimmt sich das jetzige Straf-Paket aus wie ein Monat Freiheitsentzug im Kempinski. Die Konkurrenz im Abstiegskampf weiß dies auch. Sie forderte: Kaiserslautern gehört sofort bestraft, weil der Club sich durch Tricksereien Vorteile erschlichen habe. Interessanterweise bemüht auch die DFL das Argument Wettbewerb: Der könnte demnach nämlich verzerrt werden, wenn den Roten Teufeln im Saisonfinale mitsamt den drei Punkten auch ein gerüttelt Maß Motivation genommen werde. Doch die Rechnung ist – bei allem Respekt vor der Zunft – eines Milchmädchens würdig. Denn milde Urteile wie im Fall Kaiserslautern oder im vergangenen Jahr beim SSV Reutlingen senden das falsche Signal aus. Sie ermutigen ja geradezu die Clubstrategen dazu, künftig im Zweifelsfall die DFL-Statuten galant zu umdribbeln. Abschreckungseffekt gleich Null. Im Gegenteil: Die Botschaft, die von den Frankfurter Richtern ausgeht, lautet frei nach Uli Wickert: Der Ehrliche ist der Dumme. Die DFL wäre künftig besser beraten, gravierende Verstöße sofort – neudeutsch: zeitnah – und energisch zu ahnden.“

ManU vor feindlicher Übernahme?

Andreas Hoffbauer (Tsp 1.4.) vermeldet. „Der Fußballklub Manchester United steht vor besonders spannenden Wochen. Auf dem Rasen will das Team um David Beckham, ohnehin für beste Fußball-Dramatik bekannt, den Meistertitel vom Rivalen FC Arsenal zurückerobern. Die wahre Herausforderung steht dem Traditionsverein aber noch bevor – nach dem Saisonende. Und vielleicht ist diese Herausforderung die wichtigste in der bisherigen Vereinsgeschichte. Seit Wochen ranken sich Übernahme-Spekulationen um den an der Börse notierten und reichsten Fußballverein der Welt. „Da braut sich was zusammen, sagt ein Analyst in London. Mehrere reiche Geschäftsleute haben sich bei dem Klub in den vergangenen Wochen still und leise eingekauft, allen voran zwei irische Millionäre. Aber auch der Name des Erfinders von „Big Brother, John de Mol, sowie des US-Sport-Tycoons Malcolm Glazer tauchen seit kurzem auf der Aktionärsliste auf. Was den Vorstand besorgt, das hat die Aktie beflügelt: Der Kurs hat seit Jahresbeginn um fast ein Drittel zugelegt. Während andere Vereine, wie etwa der Traditionsklub Leeds United, immer tiefer in die roten Zahlen rutschen, gilt Manchester United mehr denn je als ein Investment (…) Es geht um die Macht in Manchester. Der Vorstand war alarmiert, als vor kurzem klar wurde, dass die irischen Rennbahn-Milliardäre JP McManus und John Magnier hinter den Kulissen zum größten Einzelaktionär geworden sind. Sie haben seit Jahresbeginn über die Investmentfirma Cubic Expression ihren Anteil an Manchester United auf 10,4 Prozent erhöht. Im ManU-Management geht nun die Angst um vor den beiden irischen „Rennpferdebesitzern, die keine Ahnung haben wie man einen Fußballverein führt“. Die Nervosität ist berechtigt: McManus und „The Boss“ Magnier sind Mitglieder der so genannten Coolmore-Mafia (mit einem Hang zu schwarzen Schlapphüten) und gelten als so reich, dass der momentane ManU-Börsenwert von 350 Millionen Pfund für sie problemlos zu bezahlen ist. Bereits im vergangenen Jahr soll das Duo eine feindliche Übernahme von ManU geplant haben. Besonders pikant ist, dass die beiden bekennenden United-Fans aus Irland beste Freunde von ManU-Trainer Alex Ferguson sind.“

Bewährte Handlungsmuster

Christian Eichler (FAZ 29.3.) glossiert. „Im Fußball läuft alles wie eh und je. Spieler verständigen sich auf dem Platz mit Rufen oder Handzeichen. Der Trainer, der auf der Bank noch weniger sieht als die Spieler, als die Zuschauer sowieso, brüllt oder winkt ab und zu etwas ins Feld. Bald aber könnte der Informationsfluß auch hier etwas professioneller laufen. Am Freitag wurde in Nürnberg vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Litauen ein vom Fraunhofer-Institut in Erlangen mit der Firma Cairos entwickeltes System vorgestellt, das den Fußballplatz zur vernetzten Zone macht. Chips in den Schienbeinschützern und im Ball schaffen per Funk ein flächendeckendes Netzwerk aller Bewegungen auf dem Feld. So kann man sehen, wieviel die Spieler laufen; wie schnell der Ball ist; ob er hinter der Linie war oder nicht; kann ein komplettes Spiel virtuell nachspielen und zum Vergleich die Bewegungsdaten eines Spielers gegen zum Beispiel die von Ronaldo austauschen. Das Schwierigste war, den schockfreien Datenfluß im Ball sicherzustellen, der ja mitunter mit Tempo 120, 130 gegen ein festes Hindernis prallt. Noch schneller als der Ball ist Oliver Kahn: kürzlich Tempo 154, erlaubt 80, wobei er für diese Datenerhebung auf polizeiliche Hilfe angewiesen war. Denn die umfassende Freizeitüberwachung von Spielern erlaubt das System noch nicht. Immer mehr Informationen also auch im Sport, aber nicht unbedingt mehr Informiertheit. Der Erkenntnisgewinn verengt sich gelegentlich auf tunnelartige Perspektive, etwa wenn Verlustängste aufkommen. So verdächtigten die Schalker noch vor ein paar Monaten einen Spieler, die Taktik an die Konkurrenz verraten zu haben. Inzwischen haben sie wieder zu bewährteren Handlungsmustern zurückgefunden und den Trainer entlassen.“

Mimisches Potenzial eines Quastenflossers

Markus Völker (taz 29.3.) gratuliert Birgit Prinz zum 100. Länderspiel. „Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: Es gibt früh Elfmeter für die DFB-Elf, dann Gelb-Rot für die schottische Nummer neun, die Kräfte der Highlanderinnen schwinden, die Tore purzeln: 5:0 – ein gewöhnlicher Favoritensieg. Nach der Partie aber sollte etwas Außergewöhnliches passieren: Birgit Prinz lächelte. Das ist so selten wie Regen in der Sahel-Zone und Schnee am Toten Meer. Zweifellos, wenn man ganz genau hinsah, bogen sich ihre Mundwinkel leicht nach oben, verformte sich der Mund zur Sichel. Eine kleine Sensation. Prinz sagt man nämlich nach, sie verfüge über das mimische Potenzial eines Quastenflossers, sie habe ein Gemüt so staubtrocken wie Sandkuchen von Oma. Ein echter Gefühlsausbruch, der da im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion vor 4.000 Zuschauern zu beobachten war. Birgit Prinz, das große, ernste Mädchen, ist 25 Jahre alt und Stürmerin. Sie hat am Donnerstag ihr 100. Länderspiel gemacht und zwei Tore gegen Schottland geschossen. Jetzt kommt sie auf 47 Treffer im DFB-Trikot. 47 Tore, das heißt: 47 Mal kein wildes Herumrutschen auf dem Rasen, kein exaltierter Tanz mit der Eckfahne, kein entfesselter Sprint über den Platz oder gar Salto-Überschläge. Vielmehr pflegt Frau Prinz ihre Tore mit lähmendem Gleichmut zur Kenntnis zu nehmen. Stempel drauf und ab damit ins Fußballarchiv. Wenn sie mit sich zufrieden ist, weil ein spektakuläres Ding reinging, hebt sie schon mal die Hand und lässt sich von ihren vierschrötigen Kolleginnen auf die Schulter klopfen. Aber normalerweise dreht sie sich, nachdem das Netz zappelt, einfach um, macht kehrt, als wäre das Toreschießen irgendwie okay, aber der Jubel, herrje, eine furchtbar lästige Sache.“

Rehhagel hoch zwei

Richard Becker (FAZ 2.4.) kümmert sich um die zweite spanische Liga und entdeckt ein bekanntes Gesciht. „Andreas Reinke aus Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern gilt derzeit als der beste Profi-Torhüter in Spanien, gemessen an den Gegentreffern. Nach 29 Spielen sind es gerade mal 15, über die sich gegnerische Stürmer freuen durften, siebzehnmal hat Reinke zu null gespielt, eine grandiose Bilanz. Da kommt sogar der spanische Auswahltorhüter Santiago Canizares nicht mit, der beim Meister FC Valencia im Tor steht. Real Murcia führt nach 29 Spieltagen die zweite Liga mit 55 Punkten an, gefolgt von Albacete (53) und Levante (51). Als Vierter rechnet sich Saragossa mit fünfzig Punkten noch Chancen aus. Die Mannschaft von Jerez, trainiert vom Deutschen Bernd Schuster, liegt mit 43 Punkten schon abgeschlagen auf Rang fünf. Drei Mannschaften steigen aus der zweiten Liga auf. Es wird ein ganz heißer Tanz im heißen Süden. Im vergangenen Jahr war Real Murcia als Fünftletzter gerade so dem Abstieg aus der zweiten Liga entgangen. Da beschlossen Präsident Jesus Samper und sein Bruder Juan Antonio Samper, für die sportlichen Belange zuständig, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Beide befehligen einen kleinen Konzern, der sie vermögend gemacht und in die Lage versetzt hat, Real wieder auf Tuchfühlung zu dem großen Real aus der Hauptstadt zu bringen. Anfang der achtziger Jahre ging es im Stile einer Fahrstuhlmannschaft mal hoch, mal runter, sogar in der dritten Liga war Real Murcia schon mal hart gelandet. Die Gebrüder Samper haben den Knopf wieder auf oben gedrückt und halten fest den Daumen drauf. Mit 34 Jahren ist Andreas Reinke, der in Murcia schon drei Ersatzleute verschlissen hat, im besten Alter für einen Torhüter. Bei Real Murcia ist er im zweiten Jahr, nachdem ein vorheriger Ausflug nach Griechenland zu Iraklis Saloniki nicht gerade glücklich verlaufen und nach einem Jahr beendet worden war. Sechs Jahre hatte er zuvor beim 1. FC Kaiserslautern gespielt, und warum sie ihn dort geschaßt hatten damals, das weiß Andreas Reinke heute noch nicht so genau. Aber Kaiserslautern ist in Spanien nicht weit weg, denn Reinke wird tagtäglich daran erinnert. Trainer David Vidal – ein ganz Verrückter – sei in seiner Art ein Rehhagel hoch zwei, sagt Reinke.“

Auf Heise online lesen wir. „Die ausufernden Datenmengen über die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sollen für Fans sowie Unternehmen, Städte und Medien übersichtlich und schnell zu nutzen sein. Dieses Ziel hat eine am Montag in Berlin vorgestellte Initiative der Deutschen Telematikgesellschaft. Dabei geht es beispielsweise um die Bündelung von Daten über Verkehr, Kartenverkauf, Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungen parallel zur WM in den Ausrichter-Städten sowie um Sicherheitsfragen. Die Meisterschaften sollen sich nicht nur auf die Austragungsorte beschränken, sondern ganz Deutschland zu einem grossen Eventveranstalter vereinen, teilt die Initiative mit.“

„Der Traditionsklub Tennis Borussia wird bald 101 Jahre alt – morgen aber muss der Verein vorläufige Insolvenz anmelden“ Tsp

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Ganz Deutschland wird gegen uns sein

Axel Kintzinger (FTD 16.4.) meint dazu. „Ganz Deutschland wird gegen uns sein“, hat Bayern-Torwart Oliver Kahn einmal gesagt, „etwas Schöneres gibt es gar nicht.“ Das war vor dem Herzschlagfinale der Bundesliga-Saison 2000/2001. Jetzt wissen auch die Vorgesetzten des Nationalkeepers, wie sich das anfühlt, wenn man in einem heftigen, öffentlich ausgetragenen Konflikt alleine dasteht. In der Auseinandersetzung um die vom Rekordmeister zu entrichtende 3 Mio. Euro und die per Pressemitteilung der Deutschen Fußball Liga (DFL) verkündeten Gründe für diese Maßnahme haben sich bei der gestrigen DFL-Vollversammlung 35 Profiklubs der ersten und zweiten Bundesliga hinter die Geschäftsführung des Verbandes gestellt. Der 36. Klub heißt Bayern München und hatte das Treffen boykottiert (…)Nach dem gestrigen Beschluss, der DFL-Spitze den Rücken zu stärken, wagen sich die ersten Manager anderer Klubs aus der Deckung. Der einstimmige Vertrauensbeweis „zeigt, dass das, was die Bayern machen, nicht toleriert wird“, sagte Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Drastischer formulierte Bochums Präsident Werner Altegoer seine Genugtuung. „Bayern braucht die Liga und nicht die Liga Bayern. Wir erschrecken nicht vor der Entscheidung der Bayern, sich zurückzuziehen.“ Das wiederum sind nun ziemlich große Worte. Denn ein Bruch mit den Bayern könnte für die anderen Profiklubs erhebliche finanzielle Folgen haben. Sollten die Münchner nämlich ihre TV-Rechte künftig selber vermarkten, dürfte die Bundesliga dramatisch an Wert verlieren.“

Ein Dach für alle Vereine sei wichtig

Robert Ide Klaus Rocca (Tsp 16.4.) skizzieren die allgemeine Stimmung. „Horst Klinkmann, Aufsichtsratschef von Hansa Rostock, äußerte sich in einer Umfrage des Tagesspiegels positiv über die Arbeit des Ligaverbandes. „Die DFL sollte man nicht in Frage stellen“, sagte Klinkmann. Ein Dach für alle Vereine sei wichtig. Auch Franz Böhmert, Aufsichtsratschef von Werder Bremen, lobt die Arbeit des Verbandes: „Es war eine Leistung von denen, nach der tiefen Depression einen nicht ungünstigen Fernsehvertrag auszuhandeln.“ Die Kritik, dass der Verband noch keinen Generalsponsor gefunden habe, teilt Böhmert nicht. Ein Sponsor für alle sei nicht einfach zu akquirieren. „Wenn man dafür eine Brauerei gewinnt, verschreckt man fünf andere Brauereien, die bei Vereinen werben.“ Kenner der Liga vermuten hinter den Attacken der Bayern eine Strategie. Die Münchner stellten die DFL in Frage, um die Kritik an ihrem umstrittenen Kirch-Vertrag zu übertönen, heißt es in Bundesliga-Kreisen. Allerdings ist die Arbeit des Verbandes mehrfach kritisiert worden. Schon im Januar hatte Leverkusens Manager Wolfgang Holzhäuser bemängelt, dass der Verband die Vereine zu wenig berate. Zudem stellten Beobachter immer wieder Meinungsverschiedenheiten innerhalb der DFL fest. „Da kocht jeder sein Süppchen“, bemängeln DFL-Kenner.“

Lasst Sie doch gehen

Leserbriefe in dieser Angelegenheit an die FR

„Lasst Sie doch gehen, in Italien will die kein Mensch, und hier brauchen wir diese Bayern wirklich so nötig wie ein Loch im Kopf. Die Strategie, mit Geheimverträgen Geld zu verdienen und damit andere Mannschaften schwach zu kaufen, ging ja schon in vielen Fällen voll auf, siehe Leverkusen. Aber die bajuwarische Arroganz, nach der die anderen Teams ja nur zu dumm zum Gewinnen sind, geht mir ganz besonders auf die Nerven. Sollten die Bayern mit Rummenigge und Beckenbauer nach Italien gehen, ich werde sie bestimmt nicht vermissen.“ Markus Junk, Frankfurt/M

“Jeder andere Verein wäre massiv bestraft worden, wenn er so verfahren wäre wie der FC Bayern mit den Kirch-Millionen. Punktabzüge, Zurückversetzung usw. wären die Folgen gewesen. Da spielen sie die beleidigte Leberwurst, wenn eine Presseerklärung auch nur ansatzweise das ausdrückt, was die meisten Menschen denken.“ Edmar Löw, Frankfurt/M

Die Fußballfans ein Volk von Jim Carreys

Claudia Mangels (der-toedliche-pass.de) hält die Augen auf. „Meisterschaft iss inzwischen so spannend wiede Lindenstraße, da kommt medienmäßich nix mehr rübber. Also muss watt anderet her. Ärs watt Geheimes mit Kirch, dann watt Gemeines vom Kahn. Unt natürlich Ulli Hoeneß inne Hauptrolle, der widder wunderbar den fiesen Möpp miemen kann. Abber wiet so iss inne heutige Zeit: nix iss älter als de Zeitung von gestern unte „Vofolger“ inne Tabelle bauen den Punkterückstand unbeirrbar weiter aus. Tja, watt getz?Getz muss dä Kaiser persönlich ran. Nochn Kind zeugen? Macht dä Körper nich mehr mit. Sich zur Abwechslung mal vonner Frau trennen? Jo, schaumer mal. Unt alser da so saß, dä Franz, unt übberleecht, kommt auf eima dä Kalle unt sacht: Hömma, ich hab Hunger, gehn wer zum Italiener? Datt isset, sacht dä Franz unt schonn hammwer widder ein Supithema fürde nächsten drei Wochen. Abber wahrscheinz iss datt allet ganz anders. Dä DFB hatt in Wirklichkeit ein professionellen Reschissör, der immer dafür sorcht, datt iergenzwo iergendwatt los iss, damit de Medien watt zum Senden haben. Der so Figuren wie Calmund, Lorant unt Mayer-Vorfelder erfindet, Träner-wisch-und-weck-Spots inzeniert unt die Masken vom Augenthaler und vom Hitzfeld schnitzt. Kennse den Film „Truman Show“? Die Fußballfans ein Volk von Jim Carreys. Klasse Vorstellung!“

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Vorbereitung bei 1860, Schalke – Hamburger Vorstandsquerelen – finanzielles Aus für die Fiorentina? – Ligapokal u.a.

Richard Leipold (FAZ 31.7.) fasst Schalker Erkenntnisse aus dem 2:0-Sieg gegen Leverkusen zusammen. „Die Freude über den Gutschein für das Finale an diesem Donnerstag in Bochum wird überlagert von den Wünschen, die zehn Tage vor dem Bundesligastart noch offen sind. Moderat im Ton und monoton in der Sache wiederholte der Übungsleiter nach dem Schlusspfiff in Meppen ein Anliegen, das ihm schon länger am Herzen liegt und allmählich auch Kopfzerbrechen bereitet. Seine Mannschaft habe gegen Bayer Leverkusen „zwar gezeigt, dass sie ordentlich Fußball spielen kann“, sagte er, „aber wir müssen noch etwas tun, sonst werden wir im Laufe der Saison Schwierigkeiten bekommen“. Die Bemerkung galt nicht etwa mangelndem Fleiß der Spieler, die sich in der Hitze des Emslandstadions mit kühlem Ergebnisfußball aus der Affäre gezogen hatten. Schwierigkeiten im Laufe der Saison? Da hatte der gebürtige Hamburger hanseatisch höflich untertrieben. Der personelle Engpass, auf den Neubarth anspielte, belastet Schalke seit Wochen.“

Zur Saisonvorbereitung von 1860 München bemerkt Karin Bühler (SZ 1.8.). „Es ist ein leises Training. Leise und harmonisch. Nur die Stimme von Cheftrainer Peter Pacult schallt hin und wieder über den Platz. Es scheint, als hätten sich die Fußballprofis des TSV 1860 München während der Trainingswoche in Sterzing der Südtiroler Bergidylle angepasst. Kaum einer schimpft über einen missglücktem Pass, kaum Geschrei, kaum Jubel (…) Also sind die Löwen ruhig. Und dazu erstaunlich zahm: Keine Reibereien, keine Zweikämpfe, die wehtun. Den Konkurrenzkampf spürt man nicht. Die Harmonie erstaunt, denn alle 25 Kaderspieler sind gesund. Trotzdem entsteht kein Stammplatz-Streit.“

Fußballprofi Chistian Brand (ehemals Hansa Rostock) ist arbeitslos. Christian Zaschke (SZ 1.8.) dazu. „Gemessen an der Arbeitslosigkeit einer Floristin oder eines Schlossers, die sich hinzieht über Monate an Zeit und Kilometer an Papier, ist die des Christian Brand eher ein Luxusproblem. Er sagt: „Es geht mir gut. Es geht mir richtig gut, eigentlich.“ Und dennoch steht er stellvertretend für eine Entwicklung. In fast allen Branchen werden Menschen die Arbeitsplätze gekündigt, die Aktienkurse fallen, und nun hat die finanzielle Krise auch den Profifußball erreicht, die Gelddruckmaschine vergangener Jahre. Es war abzusehen nach der Kirch-Pleite, es traf die Branche dennoch überraschend (…) Die Boombranche Fußball trifft es nun härter. Natürlich ist es so, dass die meisten Bundesliga-Kicker weiterhin hervorragend verdienen. Wer seinen Vertrag vor der Kirch-Krise verlängert hat wie etwa Christian Wörns, der muss sich keine Sorgen machen. Doch sieht sich das Geschäft mit einem Problem konfrontiert, das es bis dato nicht kannte. Nun, da sich die Einnahmen auf den Stand von 1999 bewegen und die Ausgaben weiter hoch sind, wollen die Vereine Personalkosten sparen.“

„Der Untergang des AC Florenz ist beispielhaft für ein System der Lüge und der Selbsttäuschung“ erfahren wir von Birgit Schönau (SZ 31.7.). „Die Fiorentina galt als eine der Sieben Schwestern, wie im calcio die jahrelang führenden Vereine genannt wurden. Bis Cecchi Gori, ein Mann mit cholerischem Temperament und dem Dünkel eines dekadenten Renaissancefürsten, aber mit unauffälligen intellektuellen Gaben, das tat, was Berlusconi ihnen allen so wegweisend vorgemacht hatte: Er übertrieb. Die Fiorentina kaufte Fußballer aus aller Herren Länder, stellte Giovanni Trapattoni als Trainer ein, aber keine vernünftigen Manager. Zunächst blieben die Ergebnisse aus und dann das Geld. Alle hatten es ja übertrieben, nicht nur der Mann aus Florenz mit seinen barocken Kardinalspalästen, mit den blonden und üppigen Begleiterinnen, mit der Anzeige wegen Geldwäsche und Drogenkonsums und den 44 (!) Spielern, die er schon lange nicht mehr bezahlen kann (…) Übertrieben hatten es die Mäzene von Inter Mailand, Lazio Rom, dem AS Rom und Juventus Turin, die Jahr für Jahr so viel Geld für neue Spieler ausgaben wie in Deutschland alle Bundesliga- Vereine zusammen. Doch das ist vorbei, fast nichts hat sich bisher auf dem Transfermarkt bewegt. Juventus, das einstige Juwel der Fiat-Dynastie Agnelli, hat als erster Klub sogar einen ausländischen Investor akzeptieren müssen – den libyschen Revolutionsführer Gaddafi, der seine Fühler zurzeit auch nach dem Zweitligisten Triestina ausstreckt. Nur Berlusconi kann es sich noch leisten, Rivaldo zu verpflichten, er ist vielleicht der Einzige, der bei dem absurden Wettrennen um Macht und Milliarden übrig bleibt – weil er die Regeln bestimmt.“

Zu den Hamburger Querelen zwischen dem Vorstandsvorsitzendem (und DFL-Funktionär) Werner Hackmann und dem Aufsichtsratsvorsitzendem Udo Bandow bemerkt Jörg Marwedel (SZ 31.7.). „Der Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und Vizepräsident des DFB auf Bewährung im eigenen Verein? Allein das klingt wie ein Treppenwitz. Doch hinter dem Zögern der Kontrolleure steckt tiefes Misstrauen gegen den Mann, dem sie „Geheimniskrämerei“ und „Zettelwirtschaft“ vorwerfen. Im Gremium macht, erstaunlich genug, der Vorwurf die Runde, Hackmann habe als Boss des operativen Geschäftes die wahre Finanzsituation des Vereins verschleiert, ehe der um seinen Ruf als ehrenwerter Banker bangende Bandow dies ziemlich spät bemerkte (…) Auch die AOL-Arena im Volkspark, deren Finanzierung den Klub schon jetzt stark belastet, könnte Hackmann weiteren Ärger bescheren. So soll bei einer Hamburger Behörde ein Gutachten liegen, demzufolge die Baumängel am erst 1999 eingeweihten Stadion-Neubau schon jetzt so gravierend sind, dass er bestimmten Sicherheitsauflagen nicht mehr genügt. Die Rede ist von acht bis zehn Millionen Euro Sanierungskosten.“

George Bests offenen Umgang mit der eigenen Leberkrankheit kommentiert Wolfgang Hettfleisch (FR 1.8.). „Der öffentliche Kranke war von jeher ein Meister der (Selbst-) Inszenierung. Auf dem und abseits des Spielfelds. Wenn es denn einen Spieler gibt, der in den 60-er Jahren – in Entsprechung der Swingin‘ Sixties – den neuen Typus des Fußballprofis verkörperte, so ist es Georgie Best. Als er in Old Trafford, wo er mit 17 Jahren für ManU debütierte, den Rasen betrat, war Fußball nicht länger das Kräftemessen zweier ermündend miteinander ringender Kollektive. Dieser Instinkt-Fußballer, der als Kind stundenlang Tennisbälle gegen Garagentore drosch, war kein Teamspieler. Er war ein großer Individualist (…) Ohne Best kein Beckham. Der Junge aus Belfast ist der Archetyp des modernen Fußballstars – skandalträchtiger Abstieg inbegriffen. Beinahe will es im Rückblick scheinen, als seien der Suff, die ungezählten Streifzüge durch die Clubs von London, die schnellen Autos, die Monate im Knast unverzichtbarer Bestandteil des Mythos von Georgie. Und so drückt denn eine ganze Generation dem Fußball-Achtundsechziger die Daumen.“

Markus Völker (taz 1.8.) über die Bedeutung des Ligapokals. „Der Ligapokal wird seit 1997 ausgespielt. Wo er Station macht, breitet sich Jahrmarktstimmung aus. Sechs Mannschaften nehmen an der Tour durch Deutschlands Provinz teil: die besten der letzten Bundesliga-Saison. Sie dürfen im Vorfeld der neuen Spielzeit miteinander üben, und zwar so, dass es keinem weh tut. Jeder Profi kann mitmachen, auch die Bankdrücker – und die Öffentlich-Rechtlichen übertragen das dann zur Prime-Time. Obendrein schüttet die DFL satte Summen aus. Eine Antrittsgage von 255.000 Euro, 1,27 Millionen für den Sieger. Und selbst die unterlegene Borussia freut sich auf eine Überweisung von 511.000 Euro, in kirchkriselnden Zeiten mehr als ein paar Brosamen.“

Die Erfolge der deutschen Kraulstaffeln bei der EM in Berlin kommentiert Josef Kelnberger (SZ 31.7.). „Wenn man zu viert ist, wird der Superstar auf der Nebenbahn gleich um eine Nummer kleiner, davon zehren die international nur noch mittelmäßigen deutschen Krauler und auch von der Technologie ihrer Trainer. Mit Bedacht zusammengestellt und akribisch trainiert machen sie Rückstände mit akkuraten Wechseln wett. Das nervt die Konkurrenz (…) Tradition, Teamgeist, Technologie. Das klingt nach deutscher Wertarbeit, nach deutschem Fußball auch, dem Lieblingsspielzeug der Nation. Selbst in den Individualsportarten fasziniert das Teamwork den Deutschen offenbar am meisten. Die 4×400-m-Staffel gilt als Flaggschiff der deutschen Leichtathletik, und selbst in der Abteilung Sprint macht die Geschichte Mut, zum Beispiel Heide Rosendahls Duell mit Renate Stecher bei Olympia 1972 in München. Daran können sich die deutschen Leichtathleten bei der Europameisterschaft nächste Woche aufbauen.“

Zum Ausstieg von Ullrichs Sponsoren meint Sven Astheimer (FR 1.8.). „Der geglückte Ausreißversuch von Ullrich fiel dem Sponsor nicht schwer. Adidas bewies bislang bei der Wahl seiner Sportrepräsentanten meist ein gutes Näschen. Sie dufteten nach Erfolg. Gefallene Helden wie Ullrich jedoch beißen in der Nase. Lieber schnuppert man da an den unverbrauchten Trikotagen sauberer Jungstars wie Michael Ballack oder Sebastian Deisler vom FC Bayern München.“

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Bundesliga

„Ballack-Bashing“ (FAZ) in München – Bastian Schweinsteiger, “Aufsteiger in einem seltsam lethargischen Team“ (SZ) – Eintracht Frankfurt, für alle ein Wunder u.v.m.

Kampf um die Deutungsmacht im Freistaat Bayern

Sehr lesenswert! Der Wechsel von Leverkusen nach München im Juli 2002 bedeutet für Michael Ballack ein Karriereknick. Michael Horeni (FAZ 19.3.) zersticht Münchner Wortballons: “Die letzte Runde im Ballack-Bashing hatte Präsident Franz Beckenbauer über seine Hauspostille eingeläutet. Er spielt ohne Begeisterung, immer im gleichen Tempo. Wie im Dauerlauf, ohne den Rhythmus zu wechseln, schrieb Beckenbauer in seiner Bild-Kolumne. Ballack würde in der Mannschaft nicht akzeptiert, man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, der FC Bayern müsse den Mißständen auf den Grund gehen. Ballack und sein Umfeld haben die abermaligen Attacken aus der Führungsspitze irritiert zur Kenntnis genommen, um das Mindeste zu sagen. Jeder braucht Unterstützung, gerade in schwierigen Zeiten, sagt Ballack. Er gibt sich nach seinen schwachen Auftritten gegen Real Madrid und Hansa Rostock diplomatisch, obwohl zu merken ist, daß er die Rückendeckung des FC Bayern vermißt. Er sagt es nur indirekt. Auf seiner Homepage aber, wo Ballack als neuer Unesco-Botschafter strahlt, wird Hertha-Trainer Hans Meyer als Verteidiger präsentiert. Die Kritik an Ballack halte ich für richtig idiotisch. Er hat die ganze Zeit immer wieder mit Verletzungen zu tun gehabt. Er ist kein Roboter. Helfer wie Meyer aus der Ferne gehören mittlerweile zur ständigen Ballack-Hilfstruppe im Kampf um die Deutungsmacht im Freistaat Bayern. Mal springt ihm Teamchef Rudi Völler bei (mein wichtigster Spieler), mal Berti Vogts, mal Klaus Toppmöller. Ihre Einzelbeiträge aber gehen unter im Rauschen der Münchner Dauerkritik. Vielleicht, so schwant es Ballack, nehmen die Bayern mit ihren wiederholten Attacken ganz bewußt auch ein anderes Ziel ins Visier: Trainer Ottmar Hitzfeld. Denn immer wieder schwingen in der Beurteilung Ballacks auch Fragen mit, die in das Aufgabengebiet des Trainers fallen: Ballacks mangelnde Fitneß, die falsche Position und/oder das falsche Spielsystem. Aber Ballack hütet sich davor, am Trainer zu zweifeln, und dem Klub damit einen Ansatzpunkt für einen Autoritätsverlust Hitzfelds zu liefern. (…) Die fehlende Trainingszeit rächt sich jetzt. Es wäre besser gewesen, das ein oder andere Test-Länderspiel sein zu lassen und gnadenlos zu trainieren – bis man kotzt. Kein Wort von Hoeneß allerdings dazu, daß auch die Bayern in keinem Spiel in dieser Saison glaubten, auf Ballack verzichten zu können – und versäumten, ihm das passende Trainingsprogramm zu verordnen. Der Bayern-Buhmann Ballack, hinter dem alle sonstigen sportlichen Schwächen zu verschwinden scheinen, hat seinen größten Fehler aus urbayrischer Sicht aber wohl schon vor seinem Wechsel begangen: Er hat es nicht als Gnade verstanden, beim FC Bayern aufgenommen zu werden. Ballack kam im Glanz von Leverkusens Traumjahr und der WM nach München, und für Hoeneß ist er damals viel zu gut weggekommen. Wir wurden belächelt, auch von seinem Berater, sagt Hoeneß. Das hat er nie vergessen. Schwach spielen darf man für den FC Bayern des Uli Hoeneß, aber niemals über ihn lachen.“

Aufsteiger in einem seltsam lethargischen Team

Andreas Burkert (SZ 19.3.) porträtiert Bastian Schweinsteiger: “Angefangen hat er beim FV Oberaudorf, seinem Heimatverein im Inntal. Mit 16 zog er ins Bayern-Internat ein, wie einst Owen Hargreaves, heute sein Freund im Team. Vielleicht wäre Schweinsteiger auch ein guter Skifahrer geworden, den aufstrebenden Rennläufer Felix Neureuther jedenfalls hat er früher öfters besiegt. Vom Skifahren hat Schweinsteiger seine kräftigen Oberschenkel, die den flüchtigen Beobachter glauben lassen, er sei zu langsam. Jetzt schaut sich angeblich sogar Teamchef Rudi Völler den jungen Mann genauer an. Vielleicht ist das ein bisschen viel der Ehre für einen 19-Jährigen, die Verantwortlichen beim FC Bayern jedenfalls achten sehr darauf, Schweinsteiger nicht herauszuheben. AG-Chef Rummenigge hat sich letztens große Reden auf den Teenager verbeten, Schweinsteiger solle erst einmal konstant gut spielen. Schweinsteiger versucht genau das, er ist der Aufsteiger in ihrem seltsam lethargischen Team, und vorigen Samstag, vor dem Spiel gegen Rostock, haben die Fans erst seinen Namen gerufen und dann „Fußball-Gott angefügt. Schweinsteiger ist sowieso recht selbstbewusst, auch wenn er oft sehr leise spricht und dabei ein Lächeln zeigt, das schüchtern wirkt. Doch eigentlich ist das ein listiges Lächeln, er selbst nennt sich ja „ein Schlitzohr. Er sei schon immer so gewesen, „das sagen mir meine Eltern, ich hab mir oft versteckte Dinge geleistet. Auch auf dem Rasen wirkt er wie ein Lausbub. Wenn er den Ball haben will, verfolgt er seine Gegenspieler unerbittlich, und wenn er ihn am Fuß führt, behauptet er ihn, robust und mit erstaunlichem Geschick. Sein großes Plus ist wohl seine Unbekümmertheit, „er überlegt nicht viel, er ist ein Instinktfußballer, sagt Trainer Hitzfeld, „er drängt sich einfach auf. Als er die ersten Male bei den Profis trainiert habe, erzählt Schweinsteiger, „da kriegst du als Junger sofort eins in die Beine, wenn du einen Übersteiger machst. Er hat es trotzdem wieder versucht, und irgendwann fiel ihm auf: „Cool, du hältst mit. So kennt ihn auch Hermann Gerland, er ist Trainer der Bayern-Amateure und wohl auch ein heimlicher Verehrer. „Der Bastian ist auf einem guten Weg, sagt er, „er ist laufstark, ballsicher, kanns mit beiden Beinen, und vor allem ist er in Ordnung – er ist ein Typ. Denn im Internat schaue der Jungstar weiterhin vorbei, er liebt den FC Bayern und er ist besessen von seinem Sport. Es gibt Wochenenden, an denen besucht Schweinsteiger die Spiele der A-Jugend oder der Amateure. Und notfalls auch eines der Löwen. Nur die extrem hoch gezogenen Stutzen, sagt Gerland, die missfallen ihm, „und das können Sie ihm sagen, dass er wie ne Frau aussieht. Bastian Schweinsteiger kennt Gerlands Meinung über seine Wadenstrümpfe, „ohne sie fühl ich mich unwohl, sagt er und revanchiert sich grinsend mit der Replik, Gerland stehe in seiner Trainerliste „ganz unten. Er meint das vermutlich nicht so. Sein bester Nachwuchstrainer sei allerdings Stefan Beckenbauer gewesen, der Sohn des Präsidenten betreut die B-Jugend. Als sie einmal 0:3 verloren hatten, habe der sie nicht rund gemacht, „sondern der ist dann mit uns zu McDonalds gegangen. Das fand er „cool.“

Felix Meininghaus (FTD 19.3.) freut sich über den Schwung Eintracht Frankfurts: „Eine anheimelnde Spielstätte ist das Frankfurter Waldstadion zurzeit nicht. Zugig ist es auf der Baustelle. Außerdem können sich die Fans der Eintracht so nah hinter den Bänken in Position bringen, dass die Gäste mit großen roten Schirmen vor unerwünschten Flugobjekten wie Bierbechern und Feuerzeugen geschützt werden müssen. Einen wirksamen Schutz gegen akustische Übergriffe gibt es jedoch nicht. Und so geschah es vergangenen Samstag, dass sich Schalkes Manager Rudi Assauer dazu hinreißen ließ, den Fans mit gestrecktem Mittelfinger zu begegnen. Assauer hat sich inzwischen dafür entschuldigt, auf die Provokationen ausfallend reagiert zu haben. Sein Kollege Heribert Bruchhagen ist da anders: „Ich schaue die Spiele immer von der Tribüne“, sagt der sportliche Leiter der Eintracht. Ein diskreter Hinweis darauf, wie Bruchhagen seinen Job versteht. Der Mann mag es nicht, sich zu exponieren, sondern erledigt die Dinge lieber still und unaufgeregt. Genau so einer hat den Frankfurtern gefehlt, Selbstdarsteller hat es bei der Diva vom Main mehr als genug gegeben. Mit Bruchhagen haben Seriosität und Kontinuität bei der Eintracht Einzug erhalten. (…) Die zweite wesentliche Komponente am Aufschwung ist der Trainer: Willi Reimann steht im schwierigen Frankfurter Umfeld seinen Mann wie eine westfälische Eiche. Der Münsterländer aus Rheine geht seinen Weg unbeirrbar. Und im Moment scheint es, als könne er den Weg zum Klassenerhalt weisen. Außerdem hat er mit Bruchhagen einen Manager hinter sich, der zu seinem Trainer steht. In dieser Saison ist Frankfurt der einzige Klub aus dem unteren Tabellendrittel, der den Trainer nicht ausgetauscht hat. Fürwahr eine Delikatesse, früher hatten sie am Riederwald zu diesem Zeitpunkt der Saison oft schon den zweiten Trainer verschlissen.“

Ballschrank

Englands goldene Generation?

Ronald Reng (FTD 2.4.) beleuchtet den Zustand der englischen Nationalmannschaft. „Dass das selbst ernannte Mutterland des Fußballs seit 1966 keine Meisterschaft mehr gewann, hat die Ungeduld wachsen lassen. Dies nun ist die auserwählte Generation mit David Beckham, Rio Ferdinand oder Michael Owen. Wie lange schon wird darüber geredet, dass eine fantastische Zukunft vor dieser Elf liege – und plötzlich erkennt man in England: „Die Zukunft? Nun, die Zukunft kommt nie. Hier und jetzt musst du gewinnen“, sagt Verteidiger Gareth Southgate, der mit 32 der Erfahrenste im Aufgebot ist. Auf einmal stellt man fest, dass die Anführer der Generation wie Kapitän David Beckham oder auch Abwehrspieler Sol Campbell zwischen 27 und 30 sind. Das ist das beste Fußballalter, heißt es immer. Nur: Es bleibt kein Raum mehr, um sich auf die kommenden Jahre zu vertrösten. Jetzt muss sich langsam erweisen, wie gut dieses englische Team wirklich ist – und auch deshalb spürt Trainer Eriksson nun beim kleinsten Schluckauf wie dem uninspirierten Kick in Liechtenstein so heftige Kritik: Weil in England die Angst vor der Offenbarung wächst, dass diese Generation vielleicht doch nicht golden war. Weil das niemand sehen will, schiebt man die Schuld lieber gleich auf den Trainer. Sachlich betrachtet hat Sven-Göran Eriksson in seinen ersten zwei Jahren der englischen Auswahl das gegeben, was sie zunächst einmal brauchte: ein ruhiges Passspiel, eine systematische Defensive, exzellente Konterattacken. Welt- oder Europameister wird man damit nicht. Nun müsste der nächste Schritt folgen, mehr Kreativität, mehr Risiko, mehr Variation.“

Der Messias aus der Pfalz

Tobias Schächter (taz 2.4.) berichtet von Euphorie in Albanien „Die Hoffnung wird oft als ein zartes Pflänzchen beschrieben, das in guten Zeiten, so raten weise Geister, gehegt und gepflegt werden muss. In schlechten Zeiten wiederum soll man die Hoffnung nicht aufgeben. In jedem Fall soll die Hoffnung gewahrt werden. Über die Hoffnung sagt man – wie tröstlich –, sie sterbe zuletzt. In Albanien ist das seit letzten Samstag alles ganz anders. Die Hoffnung in Albanien ist in Deutschland geboren. Sie ist schwer und groß und 47 Jahre alt. In Albanien hat die Hoffnung nun sogar einen Namen und einen Beruf. Die Hoffnung in Albanien heißt Hans-Peter Briegel und ist Fußballtrainer. Mit 3:1 gewann die Nationalmannschaft Albaniens am Samstag das Qualifikationsspiel der EM-Gruppe 10 gegen Russland. Es war der erste Sieg einer albanischen Fußballnationalmannschaft nach knapp zwei Jahren. Und es war der erste Sieg des neuen Trainers Hans-Peter Briegel – in seinem ersten Spiel. Historisch nannten die Kommentatoren der albanischen Medien den Erfolg. Und auch drei Tage nach dem prestigeträchtigen Triumph des ehemals kommunistischen Albaniens gegen das Kernland des ehemaligen Sowjetreiches klingt die Stimme des neuen albanischen Nationalhelden heiserer, als sie ohnehin ist: Die Leute hier haben auf solch ein Ereignis gewartet, sagt Briegel und muss erst einmal husten. Nur drei Monate, ach was, nur 90 Minuten benötigte der Graugelockte, bis ihm der albanische Ministerpräsident vor Freude in die Arme sprang und Zehntausende im Stadion in Shkoder und auf den Straßen des Balkanlandes Briegels Namen skandierten – fast so, als wäre ein Messias zu ihnen gekommen, um sie zu erlösen (…) Briegel ist ein Mann der Emotion. Kritische Beobachter erkennen in seiner oft undiplomatischen Sprache, mit der er sein Amt als Verwaltungsrat des 1.FC Kaiserslautern zuweilen bekleidet, zu Recht eine gewisse Naivität. Aber wer die Walz von der Pfalz sich am Samstag im Stadion von Shkoder hat freuen sehen, als er wie ein Kind vor Freude Luftsprünge gehopst hat, der weiß: diese Emotionen sind echt. Deshalb lieben sie ihn in Kaiserslautern. Sie lieben ihn in Verona, wo er mit Hellas als Spieler italienischer Meister wurde und wo er bis heute weder Kaffee noch Pasta in den Cafés rund um die Piazza Bra bezahlen muss.“

Respekt für Vogts in Schottland

Zur Stimmung in Schottland liest man von Timm Schröder (Tsp 2.4.). „Bei einem Sieg heute in Kaunas gegen Litauen würden die Schotten die Tabellenführung gar ausbauen. Die Momentaufnahme in der Qualifikation ist nicht die einzige Statistik, die in Schottland als Bestätigung für die Arbeit des neuen Trainers ausgelegt wird. In der Rangliste des Weltverbandes Fifa haben sich die Schotten um fast 50 Plätze verbessert – bis auf Platz 13. Berti Vogts aber hat andere Zahlen im Sinn, und die gefallen ihm weniger. Es ist das sensationelle 1:1 der Litauer am Samstag in Nürnberg gegen die Deutschen, das den schottischen Trainer ein wenig aus dem Rhythmus gebracht hat. „Die Litauer sehen jetzt eine Chance, den zweiten Platz zu erreichen. Die werden sich gegen uns zerreißen.“ Es sind Tage wie die vor dem Spiel in Litauen, in denen Vogts sich schottischer gibt als die Schotten selbst. Ein wenig irritiert hat er vor dem Spiel gegen Island festgestellt, „dass einige meiner Spieler ja nicht einmal die Nationalhymne mitsingen“. Vogts kennt den Text auswendig: „Flower of Scotland, when will we see Your like again…“ In Schottland staunen sie, dass es ausgerechnet ein Deutscher ist, der von den Schotten mehr Patriotismus fordert. Wie sehr die schottische Sache seine Sache ist, hatte Vogts schon bei seiner Amtseinführung demonstriert, als er sich selbst den Künstlernamen Berti McVogts gab. Das kam gut an in der schottischen Presse. Vogts hat sich in seiner kurzen Zeit in Schottland den Respekt erworben, um den er sich in Deutschland immer geprellt sah.“

„Schottland und Litauen definieren ihre EM-Chancen neu – nur Trainer Vogts warnt vor Deutschland“ SZ

Dario Venutti (NZZ 2.4.) berichtet von einem Altbekannten. “Der Gesichtsausdruck ist wie immer leicht gequält und die Stimme leise und monoton. Seine Karriere weist zu viele Facetten auf, als dass sich Stéphane Chapuisat beeindruckt zeigen würde vom archaischen Bild, das dem Publikum in der Schweiz über Georgien gezeichnet wird, um einen allfälligen Erfolg der Nationalmannschaft in Tiflis als heroische Tat erscheinen zu lassen. Chapuisat mag darüber erst gar nicht reden, ebenso wie er nicht gerne auf Fragen nach seiner Person eingeht, sondern gleich ins Allgemeine überleitet. Im 17.Jahr als Fussballprofessional bereitet es ihm keine Mühe mehr, die immer gleichen Fragen mit eingeübten Antworten zu parieren und dabei auf eine liebevolle Art gelangweilt zu wirken. Fussballerisch betrachtet, ist Chapuisat ein Ausnahmekönner. Dieser Umstand hat schon manchen Journalisten dazu veranlasst, auch in seiner Persönlichkeit das Besondere zu suchen. Die Diskrepanz zwischen Melancholie neben und Leidenschaft auf dem Fussballplatz ist eine ideale Projektionsfläche, die aus Prägungen durch den temperamentvollen Vater und Chapuisats eigenem Wunsch nach Selbsterfahrung durch Fussball („Das Kind im Manne“) schöpft. Er ist aber in erster Linie deshalb von medialem Interesse, weil er dem Bild des idealen Helden entspricht. Durch sein Talent zum Star geworden, scheint er dennoch stets bescheiden geblieben zu sein.“

Auf Heise online lesen wir. „Die ausufernden Datenmengen über die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sollen für Fans sowie Unternehmen, Städte und Medien übersichtlich und schnell zu nutzen sein. Dieses Ziel hat eine am Montag in Berlin vorgestellte Initiative der Deutschen Telematikgesellschaft. Dabei geht es beispielsweise um die Bündelung von Daten über Verkehr, Kartenverkauf, Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungen parallel zur WM in den Ausrichter-Städten sowie um Sicherheitsfragen. Die Meisterschaften sollen sich nicht nur auf die Austragungsorte beschränken, sondern ganz Deutschland zu einem grossen Eventveranstalter vereinen, teilt die Initiative mit.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Remis zwischen Lyon und Bayern – Felix Magath, „der nächste Ottmar Hitzfeld“ (Tsp) – die SZ blickt hinter Stuttgarter Kulissen – der Stuttgarter „Märchen-Heldt“ (FAZ), von der österreichischen Ersatzbank in die Champions League – Panathinaikos Athen, international erfahren – Alex Ferguson kehrt für einen Abend in seine Glasgower Heimat zurück

Die NZZ (22.10.) berichtet das Remis zwischen Lyon und Bayern München: „Die Farbtupfer setzten zunächst lange Zeit die Bayern, zum Beispiel Roy Makaay. Der Niederländer dosierte zwar ebenso wie sein Vorgänger Elber das Leistungsvermögen in homöopathischen Rationen, im entscheidenden Moment aber schlug er zu: Nach einer in traumwandlerischer Sicherheit vorgetragenen Kombination mit den Stationen Santa Cruz und Ballack als Zuträger erzielte der Internationale in der 25.Minute das 1:0, sein drittes Tor in der diesjährigen Champions League. Auch wenn der direkte Head-to-Head-Vergleich zwischen Elber und Makaay nur eine Momentaufnahme darstellte – die im August vorgenommene Rochade scheint den Bayern-Verantwortlichen immer deutlicher Recht zu geben. Stundenlang soll Lyon-Trainer Le Guen mit Elber über der Taktik gebrütet haben, mit einer strategischen Massnahme aber hatten wohl beide nicht gerechnet. Nicht der Bosnier Salihamidzic, sondern der erstarkte Deisler interpretierte die Rolle im rechten Mittelfeld. Und der ehemalige Berliner tat dies mit durchschlagendem Erfolg, sein erster internationaler Auftritt seit geraumer Zeit nach langwierigen Verletzungen geriet zur gelungenen Rentrée. Neben Deisler bestimmten Regisseur Ballack und der defensive Argentinier Demichelis das Geschehen deutlich. Le Guen hatte vor allem vor Ballack gehörigen Respekt bekundet: Ein „unglaubliches Arbeitspferd“ sei der Mittelfeldspieler, hatte der OL-Coach gesagt. Vor allem beim einzigen Treffer sollte sich zeigen, dass Ballack nicht nur über grosses Lungenvolumen, sondern vor allem auch über eine blendende Vista und viel Gefühl verfügt: Sein Pass auf Makaay dürfte Le Guen in seinen tiefsten Ängsten bestärkt haben. Der FC Bayern bestach lange mit überzeugenden Stilmitteln: In der Abwehr stand der deutsche Meister kompakt, in der neutralen Zone bestach er durch Solidität und Kontrolle, um so immer wieder gradlinige Angriffe zu lancieren. Ein spielerisches Feuerwerk zündeten die Bayern jedoch nicht, und nach dem Schlusspfiff mussten sie sich sogar den Vorwurf gefallen lassen, den Gegner zu stark aufkommen gelassen zu haben. Denn der französische Meister versteckte sich nach der Pause keineswegs, er erhöhte im Gegenteil die Kadenz merklich.“

Der nächste Ottmar Hitzfeld

Der Tagesspiegel (22.10.) stellt fest, dass nicht nur die Stuttgarter Spieler von anderen Klubs begehrt sein können: „Es gibt Experten, die nach dem Auftritt von Felix Magath im Weserstadion sicher waren, sie hätten den nächsten Ottmar Hitzfeld gesehen. Wie nüchtern und souverän sich der 50-Jährige nach dem 3:1-Sieg seines VfB Stuttgart bei Werder Bremen bewegte und wie die junge Mannschaft den Stil ihres Trainers selbst in kritischen Situationen durchzog. Eine solche Attitüde zeichne die rar gesäten Topkräfte der Branche aus, einer wie Magath sei deshalb erste Wahl auf der Kommandobrücke des FC Bayern München, falls Hitzfeld dort aufhören sollte. Sollte die Stuttgarter Mannschaft weiter in der Champions League erfolgreich bleiben, rücken dabei nicht nur die jungen Asse wie Andreas Hinkel, Kevin Kuranyi oder Aliaksandr Hleb ins Interesse. Es werden auch Chefs gesucht, die ein Spitzenteam auf die Beine stellen und international positionieren können. Das zeigen die fast verzweifelten Bemühungen bei Hertha und beim HSV. Aber auch in London und Mailand und irgendwann mal wieder in München und Dortmund werden sie nach Führungskräften vom Kaliber Magaths fahnden. Nun ist das Stuttgarter Idyll in Gefahr geraten, weil die ersten von Magaths Entdeckungen zu Hoffnungsträgern der ganzen Nation aufgestiegen sind. Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel stehen plötzlich nicht mehr als Musterprojekte für vernünftige Talentförderung da – seit ein paar Monaten gelten die beiden 21-Jährigen als Deutschlands billigste Nationalspieler mit ihren 200 000 bis 300 000 Euro Jahresgehalt.“

Magaths reservierte Haltung hat mit seiner Trainer-Vergangenheit zu tun

Martin Hägele (SZ 22.10.) schaut hinter Stuttgarter Kulissen: „Magath möchte mit seinem Ensemble nicht nur ein einmaliges Champions-League-Abenteuer erleben. In diesem Fall ist weniger der Trainer als vielmehr der Manager gefordert, nachdem Magath diese beiden Jobs seit einem dreiviertel Jahr in Personalunion versieht. Die Bindung der zwei Vorzeigeprofis (Kuranyi und Hinkel) wäre der erste sichtbare Leistungsnachweis Magaths in der neuen Position, ein Erfolg, der seine exponierte Stellung im Klub bestätigen und öffentlich die Perspektiven zeigen würde. Erstaunlicherweise hat der Lehrmeister der jungen Wilden, der zuletzt einer der meistinterviewten Menschen in Deutschland war, sich dabei kein Mal klar zu seiner Mission im Schwabenland bekannt. Trotz der Euphorie um seine Person stört sich Magath an einer Fraktion im Klub, „die glaubt, dass ich zu viel Macht habe. Die werden dann quer schießen, wenn es mal nicht so gut läuft“. Magaths reservierte Haltung hat mit seiner Trainer-Vergangenheit zu tun. Er möchte nie mehr abhängig sein wie zu Bremer, Nürnberger oder Frankfurter Zeiten, als er dem populistischen Werder-Manager Willi Lemke unterstellt war, sich mit dem chaotischen Präsidenten Michael Roth oder gleich einer ganzen Führungsriege von Dilettanten wie bei Eintracht Frankfurt auseinander setzen musste. Gerade deshalb hätte sich Magath gefreut, wenn ihm der VfB im Mai ein entsprechendes Angebot als Sportchef gemacht hätte. Lebenslänglich, eine Art Rehhagel fürs Rote Haus. Der neue Präsident Erwin Staudt, der in diese Entscheidung nur teilweise eingebunden war, würde Magath heute gerne diesen Kontrakt geben. Er tut alles, um das Verhältnis seines Teamchefs zum Klub wieder zur Herzensangelegenheit zu machen. Staudt weiß, dass es sich bei der Person, die Magath misstraut, um den Finanzvorstand Ulrich Ruf handelt: ein Buchhaltertyp, der fast 25 Jahre alle Revolutionen der Ära Mayer-Vorfelder überstanden und dabei bald zwanzig Trainer ausgesessen hat. Staudt versucht nun, die beiden zusammenzubringen. „Einmal in der Woche ein Sechs-Augen-Gespräch mit mir“, sagt er, „so kommen sie sich zwangsläufig näher und müssen einander dabei verstehen lernen.“ Wie Magath hat nämlich auch der Vorstandsvorsitzende die einmalige Chance erkannt, die sich dem VfB durch die Champions League bietet. Wobei es weniger um die ein oder zwei Millionen Euro mehr geht, welche die Qualifikation fürs Achtelfinale brächte. „Im Leben eines Nationalspielers ist vor allem die sportliche Perspektive entscheidend“, sagt Magath. Offensichtlich ist Magath mit seinen Gefühlen schon wieder ein Stück näher an den VfB gerückt.“

Thomas Kilchenstein (FR 22.10.) befasst sich mit Horst Heldts (VfB Stuttgart) Vergangenheit: „Horst Heldt, der trotz seiner 33 Jahre noch immer aussieht wie ein ewiges Talent, ist keiner, der sich forsch in den Mittelpunkt drängen würde. Er ist keiner, der die Klappe groß aufreißt und Ansprüche stellt. Dazu ist der gelernte Kfz-Mechaniker zu schlau, zu lange schon im Geschäft, 13 Jahre, und wahrscheinlich auch noch zu dankbar. Dankbar, dass ihn Felix Magath am zweiten Tag in diesem Jahr in Österreich angerufen und zum VfB geholt hatte. Magath, hat Heldt danach immer wieder gesagt, war für mich wie ein Sechser im Lotto. Magath, der den kreativen Techniker noch aus seiner Frankfurter Zeit kannte, war es, der das Auslaufmodell von Sturm Graz an den Neckar lotse. Heldt war in der Steiermark schon längst ausgemustert. Ein gutes halbes Jahr hatte der Dauerläufer nicht mehr gespielt. Der zweimalige Nationalspieler war abgeschrieben, schon am Ende seiner Karriere, es war ja nicht so, dass Deutschland auf mich gewartet hätte. Die Bundesliga sowieso nicht, eine diffuse Anfrage aus der zweiten Liga habe er seinerzeit erhalten. Er war raus aus dem Geschäft, ohne Perspektive.“

Es ist ein Märchen

Gerd Schneider (FAZ 22.10.) widmet sich Horst Heldts Gegenwart: „Gerade zehn Monate liegt die dunkle Zeit zurück, und wenn Horst Heldt darüber spricht, hat man manchmal das Gefühl, das muß ein anderer Mensch sein, dem man da gegenübersitzt. Er kann ja selbst kaum glauben, was mit ihm passiert ist seit jenem Januartag, als das Telefon läutete und Felix Magath dran war und ihn fragte, ob er nicht zum VfB Stuttgart kommen wolle. Er? Zum VfB? Jetzt sofort? Heldt fackelte nicht lange, zwei Tage später gehörte er zum Stuttgarter Troß, der sich auf den Weg ins Trainingslager nach Portugal machte. Wie das für ihn war? Nur komisch, sagt er. Die Leute und die Spieler, die dachten doch alle dasselbe: Was will denn der Magath mit dem alten Sack? Heute könnte sich Magath, der Schachliebhaber, auf die Schulter klopfen für diesen beinahe genialen Zug. Denn bei aller Begeisterung für den Spieltrieb seiner gefeierten Horde junger Aufsteiger: So ein System funktioniert auf Dauer nur mit erfahrenen Ordnungshütern vom Schlag eines Soldo, die bei aller Kunst den Nutzen nicht vergessen. Nach Balakows Karriereende im Sommer war eine dieser beiden Schlüsselpositionen im VfB-Gefüge frei – und Heldt, so scheint es nun, ist eine Idealbesetzung. Er spielt so gut und geradlinig wie vielleicht noch nie in seiner Karriere, und er hält dem spektakulären Weißrussen Alexander Hleb den Rücken frei. Außerdem war seine Verpflichtung frei von Risiko; Heldt verdient sich seine Gage über Einsatz- und Erfolgsprämien, sein Grundgehalt ist gerade so hoch, daß ich weiter in der privaten Krankenversicherung sein kann. An diesem Mittwoch ist wieder so ein Auftritt, von dem Heldt geträumt hat, seit er einst als hochgehandeltes Talent beim 1. FC Köln in das Profigeschäft einstieg. Champions League, die Königsklasse. Und er, der alte Sack, mittendrin und doch irgendwie auf Wolke sieben schwebend. Drei Wochen liegt das elektrisierende Spiel gegen Manchester United zurück, Heldt gehörte zu den Besten und stellte Größen wie Roy Keane oder Ryan Giggs in den Schatten. Ein einziger Traum, sagt Heldt, in dessen Lebenslauf auch zwei Länderspieleinsätze vorkommen, ich genieße jede Sekunde. Dann schaut er erschrocken auf die Uhr, er muß weg. Draußen vor der Glastür wartet ein halbes Dutzend Teenager auf ihn, den glücklichen Helden. Beim Gehen wendet er sich noch mal um. Es ist ein Märchen, sagt er, das können Sie ruhig schreiben.“

Torsten Haselbauer (FAZ 22.10.) schildert die Ambitionen von Panathinaikos Athen, dem heutigen Gegner Stuttgarts: „Der nationale Titelgewinn steht für Panathinaikos in dieser Saison weit höher im Kurs als ein möglichst erfolgreiches Auftreten in den internationalen Wettbewerben. Das war in den vergangenen Jahren eher umgekehrt – was für die Fans und Spieler von Panathinaikos gleichermaßen den schönen Nebeneffekt hatte, daß sich damit der heimische Fußballfrust hervorragend abbauen ließ. Vor zwei Jahren erreichte Panathinaikos das Viertelfinale der Champions League, nachdem sie in der Vorrunde Schalke 04 aus dem Rennen warfen. Im vergangenen Jahr drang der eher bürgerlich geprägte Verein bis in das Viertelfinale des UEFA-Cups vor. Doch diese erfolgreiche Mannschaft, die als Griechenlands technisch beste galt und einen formschönen, taktisch disziplinierten Fußball spielte, ist fast komplett auseinandergefallen. Der griechische Nationalspieler Giorgos Karagounis wechselte zu Inter Mailand, der finnische Auswahlspieler Joonas Kolkka ging zu Borussia Mönchengladbach, und den Mittelfeldstrategen Nikos Lyberopoulos zog es in die direkte Nachbarschaft zu AEK Athen. Zudem verließ der Erfolgstrainer aus Uruguay, Sergio Markarian, den Verein. Statt dessen sitzt seit August der 55jährige Israeli Itzhak Shum auf der Bank. Shum sammelte in den vergangenen zwei Jahren mit Maccabi Haifa Champions-League-Erfahrung, zuvor war er acht Jahre lang Auswahltrainer der israelischen Olympiamannschaft. Nach nur drei Monaten Amtszeit steht der Trainer jedoch gleich schwer in der Kritik. Vor allem der überaus matte Auftritt bei Manchester United Mitte September, der mit einer blamablen 0:5-Niederlage endete, sorgte für viel Hohn und Spott. Als ob man den erstbesten elf griechischen Gastarbeitern aus England ein grünes Trikot übergezogen und sie dann hinein ins Old Trafford zum Spiel gegen ManU geschickt hätte, umschrieb die Tageszeitung Ta Nea den offensichtlich ambitionslosen Auftritt von Panathinaikos Athen. Ernsthafte Sorgen bereitet Itzhak Shum die sehr nervöse Abwehrarbeit seines Teams.“

Felix Reidhaar (NZZ 22.10.) „fietschert“ die Rückkehr Alex Fergusons in seine Heimat: „Govan ist ein raues Quartier. Südlich des River Clyde breiten sich Industrie- und Hafenanlagen aus, nach Wohngegenden halten Glasgower anderswo Ausschau. Einzig ein mächtiger roter Backsteinbau ragt aus den grau gefärbten Häuserzeilen heraus: Ibrox, das Stadion des weltberühmten Rangers FC, erinnert mit seiner pompösen viktorianischen Hauptfassade an ferne Zeiten; 1887 hatte der protestantische Fussballverein hier Quartier bezogen. Im Innern freilich merkt man schnell, weshalb diese mehrfach in ihrer wechselvollen Geschichte umgebaute Arena vom europäischen Verband Uefa als Fünfsterne-Vorzeigeobjekt geführt wird. Komfort, wohin das Auge blickt. Kein Platz mehr für 118567 Zuschauer wie anno 1939 in der Old Firm, sondern rund 50444 bequeme Schalensitze. Vergessen die grossen Tragödien, die sich hier während Fussballspielen ereigneten, zuletzt 1971, als anlässlich des Stadtderbies zwischen Rangers und Celtic, zwischen Protestanten und Katholiken, 66 Fans bei einem Einsturz der Rampen ihr Leben liessen. In Govan ist Alex Ferguson in den Kriegsjahren aufgewachsen. Als Bube galt seine Liebe dem Rangers FC. Auf den Rängen des Ibrox Stadium wuchs seine Fussballbegeisterung, die ihn vorerst an andere Adressen trug. St. Johnstone und Queen’s Park hiessen die ersten Stationen einer Karriere, ehe ihn der Ruf der Gers und deren Manager Scot Symon ereilte. Der 25-Jährige galt als treffsicherer Schütze, an spielerischer Begabung gebrach es ihm dagegen. Immerhin traf er innert zweieinhalb Jahren 23-mal. Als 1969 im schottischen Cup-Final im Hampden Park gegen den Stadtrivalen ausgerechnet sein Bewacher McNeill die Celtic-Führung erzielte und damit die 0:4-Schlappe einleitete, war es um Fergusons Position geschehen. Der Mittelstürmer war schnell als Hauptschuldiger ausgemacht, musste sich Anwürfe gefallen lassen wegen der katholischen Konfession seiner Ehefrau Cathy und stand nie mehr in der Startformation. Verdrängt vom vordrängenden Colin Stein, einem der erfolgreichsten schottischen Angreifer, abgeschoben in die 3.Mannschaft und engagiert gegen Universitätsteams, stand seine Entwicklung still, ehe ihn Falkirk verpflichtete. Kein Wunder, findet die schmerzhafteste Episode von Fergusons Laufbahn ein Kapitel in seiner Autobiografie. Am Mittwochabend kehrt Sir Alex nach Govan, ins Ibrox Stadium zurück. Hoch dekoriert, braucht man kaum mehr anzufügen. Der Manager von Manchester United spricht weder von Ressentiments noch von Sentimentalitäten.“

(21.10.)

das Erfolgsmodell VfB Stuttgart – Giovane Elber, Verlust für den FC Bayern und Gewinn für Olympique Lyon – schottischer (Vereins-)Fußball im Aufschwung – Portrait Fernando Morientes, AS Monaco

Magath vertritt konsequent das Prinzip der Leistungsgesellschaft

Martin Hägele (NZZ 21.10.) lobt das Modell Stuttgart: „Wie zu den Zeiten der Trainerlegende Weisweiler lässt sich nun rund ums rote Haus von Cannstatt verfolgen, dass sich pädagogische und technische Arbeit auf dem Trainingsplatz nicht nur in den Resultaten von Bundesliga und Champions League niederschlägt, sondern auch im Selbstbewusstsein. Magaths Fussballer haben mit ihrem neuen Selbstwertgefühl nicht nur die schwäbische Metropole, sondern eine ganze Region, ja sogar ein Land angesteckt. Man kann sich in diesem Metier sehr schnell hocharbeiten vom Talent zum Nationalspieler, und wenn sich eine Mannschaft mit allen Konsequenzen zu höheren Zielen bekennt, lassen sich die angesteuerten Erfolge auch erreichen. Magath vertritt konsequent das Prinzip der Leistungsgesellschaft. Allein seine Ernsthaftigkeit bildet einen deutlichen Kontrast zu den Usanzen der Branche, die sich immer mehr den Gesetzen der Unterhaltung unterwirft. Das Geld schiesst die Tore, heisst es da. Oder: Möglichst viele Stars machen erst eine gute Mannschaft. Wer im Team von Felix Magath spielen will, muss sich diesen Platz im Training hart erarbeiten und seinen Job jederzeit im Kopf haben (…) Doch mit der sportlichen Siegesserie der Schwaben-Gang wachsen die Begehrlichkeiten der Konkurrenz. Können Musterschüler wie die beiden 21-jährigen Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi, die in den vergangenen Wochen zu festen Grössen bei Bundestrainer Rudi Völler herangewachsen sind, in Stuttgart gehalten werden? So steht das schwäbische Märchen um Magaths Fussballmodell schon auf dem Prüfstand, nachdem es gerade erst begonnen und so richtig schaurig schön geworden ist. Auch der Trainer, der seit einem halben Jahr in Personalunion Manager ist, möchte in seinem neuen Arbeitsbereich die ersten Erfolge melden. Er drängt darauf, mit den Leistungsträgern des Klubs, die allesamt noch bis 2005 an den VfB gebunden sind, schon jetzt zu verlängern und gleichzeitig ihre Gehälter der Leistungssteigerung anzupassen. Das mag für einige konservative Kräfte innerhalb des Klubs zur grossen Nagelprobe werden. Anderseits besitzt auch Magath im Poker mit den Agenten der Profis gute Karten. Dieser Trainer garantiert Karrieren. Und diese Art von Lebenshilfe ist im unübersichtlichen Fussballgeschäft vielleicht doch wichtiger als ein paar hunderttausend Euro mehr auf die Schnelle.“

Das Spiel des FC Bayern ist ohne Elber noch leidenschaftsloser geworden

Elisabeth Schlammerl (FAZ 21.10.) beleuchtet die Situation beim FC Bayern: „Elber ist weg und trotzdem ein wenig präsent. Die Bayern sind noch immer damit beschäftigt, sich auf Makaay einzustellen. Er hat die Rolle von Elber übernommen, spielt sie aber auf eine andere Art und Weise, sagt Trainer Ottmar Hitzfeld. Der Holländer ist manchmal achtzig Minuten lang nicht zu sehen, hat nicht viel mehr als fünf, sechs Ballkontakte, aber die wenigen Chancen, die sich ihm bieten, verwertet er mit einer fast schon beängstigenden Effizienz. Weil Makaay sich oft kaum am Spiel beteiligt, muß sich sein Partner, sei es Claudio Pizarro oder – wie in Lyon – Roque Santa Cruz, stets weit ins Mittelfeld zurückziehen. Der zweite Angreifer hält sich nicht mehr so oft im Strafraum auf wie früher, ist mehr Vorbereiter als Stürmer. Daß Pizarro seit fast zwei Monaten, seit dem Spiel beim Hamburger SV, kein Tor mehr in der Bundesliga erzielt hat, liegt sicher auch an seiner neuen, ungewohnten Rolle. Elber war eingebunden ins Spiel der Bayern. Mal mehr, mal weniger, je nach Lust und Laune des kapriziösen Brasilianers. Sehenswerte Kombinationen der beiden Bayern-Stürmer vor dem Tor sind seltener geworden, weil Makaay den Steilpaß bevorzugt und darauf wartet. Das ohnehin immer schon sehr ökonomische Spiel des FC Bayern ist ohne Elber noch leidenschaftsloser geworden – und bestimmt nicht schöner anzuschauen. Hitzfeld hat deshalb erste leise Kritik an Makaay formuliert. Nur Tore zu schießen genüge nicht, er müsse mehr kombinieren, fordert der Bayern-Trainer.“

Helmut Schümann (Tsp 21.10.) berichtet eine verpasste Begegnung mit Elber: „Ob Giovane Elber, dieser lustige Giovane, der sich schon mal zum Torjubel in Teppich-Auslegware wickelt und auch ansonsten für allerlei Scherzchen zu haben ist – ob dieser Giovane Elber nun ein freundlicher, höflicher, redseliger Mensch ist? Man weiß es nicht. Kürzlich hat Senhor Elber einen deutschen Journalisten zum Interview nach Lyon geladen. „Kommen Sie, gerne, am Montag um zehn Uhr auf die Trainingsanlage in Gerland, das ist ein Stadtteil von Lyon. Da haben wir viel Zeit.“ Der Journalist war daraufhin nach Zentralfrankreich gereist, verbrachte den Sonntag in der Stadt zwischen Saone und Rhone und war am Montag zum verabredeten Zeitpunkt am verabredeten Ort. Nur, wo war der lustige Giovane? Nach zahlreichen vergeblichen Anrufen auf Elbers Handy meldete sich Herr Elber gegen Mittag. „Oh, in Lyon sind Sie“, sagte er, „das ist aber dumm, ich bin in Glasgow. Wir sind früher geflogen.“ Und vergessen habe er, die Terminverschiebung anzukündigen. „Aber ich bin ja Donnerstag wieder in der Stadt, bleiben Sie doch so lange.“ Womit auf jeden Fall feststeht, dass Giovane Elber keine Ahnung hat von den Dienst- und Freizeiten eines deutschen Journalisten. Als Giovane Elber noch in Deutschland stürmte, erst für den VfB Stuttgart, dann für den FC Bayern München, insgesamt neun Jahre, erwarb er sich den Beinamen „der Deutsche“. Für einen Brasilianer wie ihn ist dieser Verweis auf Korrektheit und Disziplin eigentlich rufschädigend – ein brasilianischer Fußballspieler hat per Definition ein Hallodri zu sein, der unpünktlich zum Training erscheint, in der Sonne brilliert mit Artistik und Wärme braucht in der Kälte. Als Elber noch in Deutschland stürmte, war er indes ganz stolz auf die deutschen Tugenden, am Ende bekundete er sogar, dass er Edmund Stoiber wählen würde, wenn er wählen dürfte.“

Zu lieb, zu brav, zu bescheiden, zu ruhig

Peter Heß (FAZ 21.10.) widmet sich Elber und Olympique Lyon: “Zwei Monate später kann Giovane Elber mit einem Lächeln im Gesicht von seinem Vereinswechsel nach über fünf Jahren in München erzählen. Der Schock ist längst verwunden. Mit Olympique Lyon, dem französischen Meister der vergangenen zwei Jahre, hat es der Stürmer gut getroffen. Und wenn er in Lyon die Bayern wiedersieht, dann wird er nicht nur die alten Mannschaftskameraden freundlich begrüßen, sondern auch das Management des deutschen Meisters. Sie wären ja wirklich geisteskrank gewesen, wenn sie mich behalten hätten, sagt Elber und spielt damit auf die sehr plastisch formulierte Rechtfertigung von Manager Uli Hoeneß an, den Bayern-Fans ihren Lieblingsspieler zu nehmen. Wie bitte? Das Opfer in diesem mitleidlos aufgelösten Fall des Fußballgeschäftes argumentiert wie die Täter? Tja, da bin ich eiskalter Profi. Vielleicht wäre Elber weniger leicht über den halben Rauswurf hinweggekommen, wenn er mit seinem neuen Klub nicht so zufrieden wäre (…) Was Olympique zum weiteren Aufstieg in der Königsklasse fehlt, ist nach Elbers Meinung vor allem eins: Die Bayern-Mentalität. Zu lieb, zu brav, zu bescheiden, zu ruhig seien die meisten seiner neuen Kollegen, zu wenig aggressiv, zu wenig konsequent, zu wenig effektiv. Als ich noch für den VfB spielte, nörgelte ich auch über die ach so arroganten Bayern. Aber in München merkte ich, wie nötig diese Einstellung ist: Wenn man nur fest genug daran glaubt, mir kann keiner, ich gewinne schon noch die Spiele, auch wenn es schlecht läuft, dann wird es irgendwann auch so sein. Die spielerische Klasse für den großen Sprung bescheinigt Elber seiner neuen Mannschaft. Es ist unglaublich, wie gut wir kombinieren können. Aber das reicht nur, um sich in der französischen Liga durchzusetzen. In der Königsklasse bedarf es des Extrakicks Chuzpe und Selbstvertrauen der Marke unverschämt.“

Schritt zum modernen Fussball des 21. Jahrhunderts

Martin Pütter (NZZ 21.10.) beschreibt den Aufschwung des schottischen Fußballs: „Die Traditionalisten in Schottlands Fussball hatten Anfang Oktober Grund, traurig zu sein. Das Glasgower Stadtrivalenderby zwischen den Rangers und Celtic war in der Form, in der es Weltberühmtheit erlangt hatte, an diesem Tag gestorben. Wo sonst Leidenschaft herrschte, dominierte taktisches Kalkül. Anstatt kompromissloser Zweikämpfe mit mitunter krachenden Knochen waren Position und Raumdeckung plötzlich wichtig. Ununterbrochen hohes Tempo und simpelster Angriffsfussball waren durch sorgfältigen Aufbau mit Ausnutzung sämtlicher Räume ersetzt worden. Doch was für manche ein Verlust ist, beweist für andere, dass der schottische Fussball den Schritt zu modernem Fussball des 21. Jahrhunderts gemacht hat – das können die Rangers am Mittwoch unterstreichen, wenn sie in der Champions League gegen Manchester United antreten. Auch eine Entscheidung der Uefa letzte Woche kann als Indiz dafür gewertet werden, dass der schottische Fussball Fortschritte gemacht hat. Der europäische Verband gab bekannt, dass Schottlands Meister ab nächster Saison einen garantierten Startplatz in der Champions League hat und nicht mehr durch die Vorqualifikation muss. So sehr sich die Fans in Schottland darüber freuen können, dieser Erfolg hat auch eine Kehrseite: Verantwortlich sind nämlich nicht einheimische Spieler. Ein Blick auf das letzte Derby der Glasgower „Old Firm“, wie die Rangers und Celtic auch genannt werden, verdeutlicht das. Nur zwei Schotten standen im Ibrox Stadium auf dem Spielfeld. Die ausländischen Spieler sind dafür verantwortlich, dass die Glasgower Derbies nicht mehr sind, was sie einst waren. Für sie ist Rangers gegen Celtic ein wichtiger Match, aber nur wegen der Tabellenlage – mehr als drei Punkte stehen da nicht auf dem Spiel. Das war Anfang Oktober deutlich zu sehen. In der Vergangenheit spielten Rangers und Celtic mehr mit dem Motto „zuerst tun, dann nachdenken“, nun war es genau umgekehrt. „Das ist alles viel zu taktisch“, hatten unzufriedene Fans gebrüllt (und einige Schimpfwörter zugefügt). Doch genau das hat der schottische Klubfussball gebraucht, um wieder respektiert zu werden.“

Wolfram Eilenberger (Tsp 21.10.) porträtiert Fernando Morientes, AS Monaco: „Morientes ist ein gescheiterter Spieler, ein gefallener Stern. Für einen spanischen Nationalstürmer im besten Fußballeralter, der wiederholt Meisterschaft, Champions-League und Weltpokal gewann, mag dieses Urteil wie eine überdrehte Unverschämtheit klingen. Und das ist sie auch. Vor allem aber ist dieses Urteil wahr – wahr in den Augen von Fernando Morientes. Sein trotziger Unwille, den sicheren Sitz auf der Ersatzbank von Real Madrid gegen einen Stammplatz in Europas Spitzenklubs zu tauschen, bezeugt dies. Was den 27-jährigen Morientes für höchste Weihen disqualifizierte und ihn als Madrider Jungen scheitern ließ, ist sein noch menschliches Wesen. Morientes war nicht Überstürmer genug, kein Jahrhundertgenie, kein Fußballgott, kein „Galaktischer“, oder mit anderen Worten, zwar ein außergewöhnlich guter Spieler, aber kein Spieler für das Sturmzentrum von Real Madrid.Schließlich gibt es sie im Fußball wie in jeder anderen Sportart, jene seltsame, fast mythische Schwelle, die einen überragend begabten Sportler in die absolute Weltklasse führt. Im Trikot der königlich Weißen näherte sich Stürmerstar Morientes jahrelang und vor aller Augen dieser Schwelle. Erreichen durfte er sie nie.“

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Uli Köhler

Juan Moreno (SZ 22.3.) widmet seine Aufmerksamkeit Uli Köhler, SAT1-Reporter (ran), dauerhaft am Spielfeldrand des Münchner Olympiastadions (den ich jahrelang wahrhaft für einen Vereinsoffiziellen des FC Bayern hielt). „Fußballfans, die ran schauen, (müssen) wissen: Aufgrund enervierender, aber zwingender Werbeblöcke wird die Sendung Samstag für Samstag mit sagenhaft leerem Geschwätz gestreckt, und das Bayern- Spiel kommt immer am Schluss. Wenn ein Reporter vor dem Spiel fragt, wie die Chancen für einen Sieg stehen, dann kann ein Trainer antworten: „Ich würde mal sagen, so 40/70“; Schalke-Trainer Neubarth hat das letzte Woche gesagt. Kein Problem, wenn der Reporter nicht vor Lachen zusammenbricht und das genauer erklärt haben möchte, sondern zurück ins Studio gibt, wo dann weiter geschwätzt wird. Wenn Andreas Brehme als Co-Kommentator ein Spiel mit „Ich sach mal so, sach ich mal“ beginnt, dann ist die ran-Reporter-Reaktion ein anerkennendes Nicken. Eines hingegen darf der Reporter am Spielfeldrand nicht: auffallen. Schon gar nicht modisch. Das ist schon bei Spielern oder Trainern gefährlich. Modisch ist nicht männlich. Ist nicht Fußball. Ein paar Ausnahmen: Alex James, ein brillanter Spieler bei Arsenal London in den dreißiger Jahren, trug Hosen, die vier Nummern zu groß waren. Er schoss eine Menge Tore, also wurde es als nette Marotte angesehen, dass seine Hosen von der Brust bis zur Wade reichten. Wenn Beckenbauer nicht Deutscher Meister mit Bayern München und Weltmeister 1990 geworden wäre, hätte man sich darüber lustig gemacht, dass er als erster Teamchef in der Liga Sakko und Krawatte während der Spiele trug. Klaus Toppmöller, der ehemalige Trainer von Bayer Leverkusen, hat in der letzten Champions-League-Saison, als seine Mannschaft bis ins Finale kam, durch seine Sakko-Wahl alles kaputt gemacht, was Wolfgang Joop, Karl Lagerfeld und Jil Sander für Deutschland zuvor getan hatten. Bundestrainer Helmut Schön durfte eine Mütze tragen, weil er erfolgreich war. Aus demselben Grund darf David Beckham seine Haare so tragen, als habe eines seiner Kinder sie geschnitten. Es wird sich wahrscheinlich immer ein deutscher Nationalspieler finden, der Beckham kopiert. Nicht, weil Beckhams Haarschnitt so gut ist, sondern weil das der Haarschnitt von Beckham ist. Ein Feldreporter aber soll keine Extravaganzen haben. Er ist nicht schmückendes, sondern notwendiges Beiwerk, wie das Flutlicht, die Plastikbecher für das Bier, die Stadionwurst. Er gehört dazu, er ist immer da; er soll nur nicht auffallen. Uli Köhler lässt sich und seine gelbe Brille bei Interviews meistens mit ins Bild schneiden, was ein wenig eitel wirkt. Kollegen sagen, dass er einer der wenigen Journalisten ist, die noch direkt am Spielfeldrand und nicht in einem provisorischen Studio stehen, weil das das Ritual des hohlen Kurzinterviews nach dem Spiel ein bisschen weniger dämlich erscheinen lässt. Vermutlich interessiert das den Fußballfan aber nicht. Er sieht nur, dass da eine gelbe Brille mit einem Mann dran ist, wo keine gelbe Brille sein dürfte. Das irritiert, lenkt ab, lässt nicht all die Dinge hören, die jeder schon zum 1000. Mal gehört hat, ohne die der Samstag aber ein anderer wäre.“

Thomas Klemm (FAS 23.3.) erinnert an die Anfänge der Trikotwerbung. „So ändern sich die Zeiten im Sport: Heutzutage hat wirklich derjenige Schwierigkeiten, der schwach auf der Brust ist. Keine Werbung auf dem Trikot bedeutet weniger Einnahmen, ergo wirtschaftliche Beschränkung. Umgekehrt war Eintracht Braunschweig vor genau dreißig Jahren der große Problemfall, als der Fußballklub erstmals nicht nur mit Vereinsemblem, sondern auch mit einer starken Marke auf dem Dreß auflief. Ein Hirschkopf als Werbung für den Kräuterlikör Jägermeister, das empfand nicht nur der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zunächst als Schnapsidee. Auch die Öffentlichkeit reagierte empört darauf, daß der Fußball dem Kapital einen Kick geben sollte. In dieser Zeitung wurden gar Werbeschriftzüge auf Spielfotos eingeschwärzt. Längst ist der Balken vor den Augen verschwunden und die Reklame keinem mehr ein Dorn im Auge. Im Gegenteil: Was am 24. März 1973, als Braunschweig im Bundesligaspiel gegen Schalke 04 mit dem Markenzeichen der Spirituose auf dem Trikot auflief, noch als moralisch fragwürdig galt, wird heute als Erfolg des Vereinsmarketings gefeiert. Braunschweig ist überall. Starke Klubs haben mächtige Sponsoren auf der Brust – und damit im Rücken. Bekam Braunschweig damals 160.000 Mark, so erhalten heute die 18 Bundesligaklubs rund neunzig Millionen Euro aus der Trikotwerbung; der FC Bayern München kann im günstigsten Falle knapp zwanzig Millionen Euro von der Deutschen Telekom einstreichen. So gilt eine der beliebtesten Floskeln im Fußball durchaus im doppelten Sinne; nämlich jene, mit der er seine besten Darbietungen feiert: Das war Werbung für den Fußball. Vordergründig meint man, daß der Sport an und für sich Reklame macht. Doch die Werbewirkung strahlt aus: Sportlicher Erfolg weckt das Interesse von Unternehmen, die die telegene Brust von Profikickern zum Imagegewinn oder zur Markteinführung von Produkten nutzen wollen. So wird das Zusammenspiel zwischen Sport und Sponsoren zur Tautologie: Werbung für den Fußball bedeutet Werbung für den Fußball.“

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3:1-Sieg Polens über USA

Vom 3:1-Sieg Polens über USA berichtet Christoph Biermann (SZ 15.6.). „Während dieser Weltmeisterschaft ist den Koreanern wohl keine Nation so sehr ans Herz gewachsen wie die polnische. Zwar hinterließen die Besucher aus dem Osten Europas einen etwas seltsamen Eindruck mit ihren dicken Bäuchen, kahl geschorenen Köpfen und der Angewohnheit, auf der Straße Dosenbier zu trinken. Doch wenn einige von ihnen auch dem Schauerbild entsprachen, das man sich in Fernost vom Hooligan macht, ging von ihnen doch keine Bedrohung aus. Weder auf den Rängen noch auf dem Fußballplatz. Das polnische Nationalteam wird im Gegenteil sogar auf ewig seinen Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern des koreanischen Fußballs haben: Gegen sie gelang der erste Sieg bei einer WM-Endrunde überhaupt, und dann halfen die Polen beim Spiel gegen die USA auch noch, die im Land völlig überreizten Nerven zu schonen.“

Die NZZ (15.6.) zum 3:1-Sieg der Polen über die USA. „Die massiven Umstellungen von Coach Jerzy Engel, der sechs Positionen neu bestzt hatte (darunter die ganze Verteidigung inklusive Keeper Dudek), ermunterten das Team offenbar zu einem ehrenvollen Abschiedsgruß (…) Weiter sind die Amerikaner, aber Balsam für das Selbstbewusstsein im Hinblick auf das Nafta-Derby gegen Mexiko war diese Partei sicherlich nicht.“

Thomas Kilchenstein (FR 15.6.) über das Spiel Südkoreas gegen Portugal (1:0). „Eigentlich war es kein Fußballspiel. Es ist nie ein Fußballspiel, wenn Südkoreas beste Fußballer Fußball spielen. Es ist immer ein nationales Ereignis, mindestens (…) Mehr als eine Millionen Menschen sollen allein in Seoul auf den Straßen und vor den Leinwänden mitgefiebert haben. Und wenn einer vom Mond auf die Erde gucken würde, er wüsste genau sehen, wo Südkorea liegt – der rote Fleck da, das ist Südkorea.“

Felix Reidhaar (NZZ 15.6.) zum selben Spiel. „Wenn die Qualität des koreanischen Teams auch mehr in der Physis und weniger im Spieltechnischen und Mannschaftlichen liegt, so wies es gegenüber dem enttäuschenden Konkurrenten an diesem Abend doch augenfällige Vorteile auf. Der Wille zu einem Effort war ihm anzumerken, die Portugiesen verschoben diesen Beweis auf die Schlussviertelstunde, als sie sich schon um zwei Spieler dezimiert sahen.“

Ralf Itzel (taz 15.6.) über die Schlussoffensive der unterlegenen Portugiesen. „Zu neunt führte Portugal am Ende einen verzweifelten Überlebenskampf. Mehrmals scheiterten sie knapp auf der Suche nach dem Ausgleichstreffer, der auch ihnen ins Achtelfinale verholfen hätte. Die Enttäuschung war so groß wie die Freude auf der anderen Seite. Während Figo und ein paar andere dem argentinischen Schiedsrichter sportlich die Hand schüttelten, wollten andere ihm an den Kragen.“

Von der „Massenhysterie“ in Südkorea berichtet Ralf Wiegand (SZ 16.6.). „Die Spirale des Wahnsinns dreht sich weiter, und langsam sollte in Korea mal jemand auf den Gedanken kommen, ob die Sache nicht außer Kontrolle geraten könnte. In einer für Europäer nicht nachvollziehbaren Bereitschaft zur totalen Aufgabe der eigenen Identität, um Teil eines unglaublichen, uniformierten Jubels zu werden, berauschten sich die Koreaner an einem Fußballspiel, das für ihre Mannschaft zum Triumphmarsch geriet und für die Portugiesen in einem Drama endete (…) Der rote Rausch, der gleichzeitig ein Jugendkult ist – man sieht fast nur Teenager im Stadion und auf den Straßen – hat auch groteske Züge. So reagierte die aufgedrehte Menge im Stadion wie programmiert auf die Anzeigentafel, buhte die in Großaufnahme gezeigten Portugiesen aus und bejubelte die eigenen Helden – mitten im Spiel, und wenn Hiddink eingeblendet wurde, „der Fußball-Messias“ (Korean Herald), brach ein Begeisterungssturm los, selbst wenn der Ball gerade ins Aus gerollt war. Mit diesen Leuten könnte Hiddink alles machen, sie würden ihm bedingungslos folgen.“

Zum Spiel Portugal gegen Südkorea (0:1) schreibt die NZZ (15.6.). „Die Zeit der „goldenen Generation“ ist wohl abgelaufen, die (an sich) großartigen Fußballer verabschieden sich durch die Hintertüre von der globalen Bühne. Stellvertretend für die Leistung darf die Darbietung Figos angeführt werden, der (geplagt von verschiedenen Wehwehchen) an diesem Turnier nicht einmal annähernd sein gewohntes Rendement erreichte.“

Thomas Kilchenstein (FR 11.6.) über das Spiel Südkorea gegen USA. „ihre große Stärke gleichzeitig auch ihre große Schwäche ist: Sie sind schnell und athletisch, aber eben auch zu hektisch. Gerne hätte man den elf roten Zappelphilipps auf dem Feld zugerufen, mal auf den Ball zu treten, mal ruhiger zu spielen, doch es gab nur eine Richtung: nach vorne. Hiddink will das so, also machen sie es, das schnelle Umschalten auf Angriff habe ihm imponiert, lobte er prompt seine Windmacher, die mit schier unbeschreiblicher Leidenschaft und Herzblut, niemals ermüdend, immer ungestüm, das Feld beackerten. Aber keinen Sturm entfachten. „Korea ist ein Powerteam“, sagte US-Trainer Bruce Arena nach der Partie. Aber eben auch leicht auszurechnen. Manchmal hatte man an das Gefühl, da spielte eine Jugendmannschaft gegen ausgebuffte Senioren.“

Helmut Schümann (Tsp 11.6.) ergänzt. „Umgekehrt agierten die Amerikaner, kühl, clever, erfolgreich.“

Den Imagegewinn der Gastgeber beurteilt Hans Trens (FAZ 11.6.). „Die Fußballspieler aus Südkorea, vor Wochen noch belächelt, werden nun ernst genommen. Was übrigens auch auf die Kicker aus den Vereinigten Staaten zutrifft. Es finden sich Parallelen in der Entwicklung, die der Sport in den beiden Ländern genommen hat. Taktisch und technisch geschult, konditionell optimal ausgebildet. Zu bestaunen waren diese Tugenden am Montag, als sich die beiden Parteien ein Match auf höchstem Niveau lieferten.“

Thomas Kilchenstein (FR 11.6.) über Südkoreas Trainer. „General nennen sie hier in Südkorea den Trainer Guus Hiddink, der nicht geliebt, aber respektiert wird, weil er die Elf der Nation trimmt. Und wer erlebt hat, wie der herrische, ein wenig zur Arroganz neigende Niederländer in der Pressekonferenz Fragesteller abkanzelt, kann sich vorstellen, dass man als Spieler besser genau das macht, was der Coach vorschreibt, will man im Team bleiben. Hiddink mag Spieler, die athletisch sind, zweikampfstark und schnell rennen. Also rennen südkoreanische Spieler, als gebe es kein Morgen mehr. Sie rennen viel, sie rennen schnell, sie rennen ununterbrochen. Sie könnten wohl auch 120 oder 150 Minuten rennen, doch ein Fußballspiel dauert für gewöhnlich nur deren 90.“

Christoph Biermann (SZ 11.6.) über den 4:0-Sieg Portugals über Polen. „Ganz so leicht, wie es das Ergebnis nahe legt, fiel den Portugiesen der Erfolg jedoch nicht (…)Lange strahlte vom Team in den grün-roten Trikots auch eine Art schlechter Stimmung ab, die sich in kleineren Streitereien der Spieler untereinander zeigte. Doch im Laufe der Partie spielte das immer weniger eine Rolle, die Mannschaft schien langsam zusammenzufinden. Die frühe Führung in der ersten Viertelstunde half entscheidend, weil die Portugiesen dadurch mit den Polen die Rollen tauschen konnten. Mit zunehmender Spielzeit war die polnische Mannschaft gezwungen, ihre Konterstellung aufzugeben und stärker die Initiative zu ergreifen. Das tat sie ansatzweise ansehnlich, war aber in entscheidenden Szenen glücklos.“

Thomas Klemm (FAZ 11.6.) zum selben Spiel. „Nachdem sich beide Mannschaften im strömenden Regen auf dem rutschigen Untergrund im Worldcup-Stadion von Jeonju leidlich zurechtgefunden und die Versuche der Polen mit Distanzschüssen ebenso wenig zum Erfolg geführt hatten wie Joao Pintos Sololauf, der mit einem Ausrutscher endete, kamen die Iberer mit einer schnellen und den Bodenverhältnissen angepassten Kombination zum Erfolg. Der agile Joao Pinto, der später Rui Costa weichen musste, fand mit einem langen Diagonalpass Pauleta; der nominell einzige Stürmer der Portugiesen täuschte den Schalker Hajto mit einer Körperdrehung und traf in die Torwartecke. Daß Jerzy Dudek, Weltklassetorhüter vom FC Liverpool, noch die Fingerspitzen an den Ball brachte, ließ ihn nicht besser aussehen.“

Die NZZ (11.6.) dazu. „Was die Lusitaner an diesem Tag auszeichnete, war die Tatsache, dass sie nicht als überhebliche Solisten, sondern als Mannschaft auftraten. Mit dem guten Beispiel ging hier Figo voran, der sich völlig in den Dienst des Kollektivs stellte, überall anzutreffen war und auch in der Defensive engagiert rackerte. Zwar noch weit von der Bestform entfernt, war der Star mit seiner Einstellung richtungsweisend (…) Was die Equipe Polens hingegen bot, war über weite Strecken ein einziges Ärgernis. Ohne Zusammenhang, Inspiration und fußballerisches Können spulte sie das Pensum ab, als wäre sie längst für die nächste Runde qualifiziert“

Thomas Kilchenstein (FR 6.6.) über das portugiesische Team. „So wie Figo geht es vielen im Team, Rui Costa etwa oder Serge Conceicao oder Fernando Couto wirken überspielt, schlapp, unkonzentriert. Niemals hatten sie das Tempo gehen können, das sie brauchen für ihr gepflegtes Kurzpassspiel, „Rhythmus, Rhythmus“, rief Oliveira immer wieder von der Seitenlinie ins Spiel, sie fanden ihn zu keiner Phase. Sie standen regelrecht neben sich, körperlich und geistig ausgelaugt, wie Schlafwandler bei Vollmond.“

Mark Schilling (NZZ 6.6.) über das „Kreativpotenzial portugiesischer Mittelfeldkünstler. „Wenn Rui Costa leichtfüssig durch die Zentrumszone trabt, Sergio Conceição und Figo auf den Flanken den Gegenspielern Knöpfe in die Beine wickeln – ja, dann gibt es kaum Spektakuläreres auf diesem Planeten (…) Von lusitanischer Spielkunst war kaum etwas zu sehen, dafür umso mehr von eklatanten Schwächen in der Abwehr. Das Ensemble Oliveiras wirkte stumpf und uninspiriert, Galaxien entfernt von einstiger Spielfreude.“

Die NZZ (6.6.) analysiert die Gründe für den Sieg der Amerikaner. „Längst schon weiß man um den „fighting spirit“ und die Siegermentalität US-amerikanischer Sportler – vor allem an Grossanlässen. Nicht unbedingt als „Reißertypen“ haben sich indessen die (männlichen) amerikanischen Fußballer bisher hervorgetan (…) Doch es scheint, dass den Männern von US- Soccer just zum Saisonhöhepunkt der Knopf aufgeht. Mit einem Blitzstart – 1:0 nach vier Minuten – und zwei weiteren Treffern noch vor der Halbzeit zeigten die Amerikaner auf, dass sie nicht gewillt sind, wiederum nur die Rolle der Prügelknaben zu mimen. Die hoch favorisierten Portugiesen waren jedenfalls derart perplex, dass sie in der Folge kaum ein Bein vor das andere brachten. Die physisch robusten und bemerkenswert einsatzfreudigen US-Boys kontrollierten die Portugiesen in der Folge trotz den verletzungsbedingten Absenzen zweier nomineller Stars (Reyna und Mathis) ohne größere Probleme und bestachen mit schnörkellosem, diszipliniertem und kompaktem Spiel.“

Roland Zorn (FAZ 6.6.) vermutet die Ursachen für den 3:2-Sieg des Teams USA gegen Portugal im Vorfeld des Turniers. „Dass hier eine nach strapaziöser Saison anscheinend falsch vorbereitete und im heißen Macau wie in der Militärakademie von Seoul zu heftig rangenommene Mannschaft vor Kraftlosigkeit kaum laufen konnte, sah am Mittwoch jeder. Die Spieler können sich, wenn sie beim Spiel gegen Polen so weitermachen, als nächstes auf ihren Urlaub vorbereiten. Die Amerikaner dagegen schlugen zum ersten Mal Kapital aus ihrer langen, von Ligapflichten nur zum Teil beeinträchtigten Vorbereitung (…) Das Team USA gehört inzwischen zu den etablierten Mittelmächten dieses Sports, jederzeit imstande, alle zu ärgern, die nicht richtig aufpassen.“

Michael Martin (FR 5.6.) hat sich das Auftaktspiel der Gastgeber angesehen. „Südkorea bot beim 2:0 gegen Polen die beste Leistung, die je eine asiatische Mannschaft bei einer WM gezeigt hat (…) Das Team hat in der Tat Qualitäten, die es für seine Anhänger attraktiv macht. Es ist gut organisiert in seinem 3-5-2, der Abwehrchef heißt Hong Myung Bo und pflegt einen unaufgeregten Stil, der fast scho n ein krasser Kontrast war zu der überdrehten Stimmung um ihn herum. Doch lange ist Hong nicht in Ballbesitz; auch getragen von den Zuschauern geht’s bei den Südkoreanern auf direktem Weg in die Spitze (…) Allerdings waren die Polen gestern ein harmloser Gegner. Ihnen war in Busan alles eine Spur zu schnell.“

Helmut Schümann (Tsp 5.6.) war von der Stimmung in Busan angetan. „Dabei war stark zu relativieren, was man vorher und sicherlich auch richtig über die ausbleibende Fußballbegeisterung der Koreaner geschrieben hat – geht’s um die eigenen Belange, dann können die einheimischen Zuschauer von einer Verve sein, die sicherlich bald jemand auf die Idee bringen wird, sie als Brasilianer Asiens zu bezeichnen. So schnell vergessen werden die Polen auf jeden Fall nicht, was ihnen gestern widerfuhr. Und auch nicht, was ihnen 54.000 enthusiastische Koreaner stundenlang um die Ohren gebrüllt haben: „Dae han min gook, was „Koreaner heißt. Jetzt dürfte die WM auch im Gastgeberland angekommen sein.“

Philipp Thommen (NZZ 5.6.) analysiert das Spiel Südkorea gegen Polen. „Das Heimteam schlug während der gesamten Spielzeit ein horrendes Tempo an, dem die Polen kaum gewachsen waren, und zog diese Pace unbeirrt bis zum Schluss durch, was auf eine hervorragende physische Verfassung schließen lässt. Zudem – und dies erstaunte doch leicht – gewannen die Asiaten die große Mehrheit der Zweikämpfe zu Boden und in der Luft mit zäher und nie nachlassender Kampfbereitschaft und waren zudem spielerisch und konzeptionell ebenfalls mindestens eine Klasse stärker als der Gegner. Ein rundum geglückter Beginn also, der der allgemeinen Stimmung im Turnier nur gut tun kann.“

Thomas Klemm (FAZ 5.6.) befasst sich mit den Verlierern. „Es war wohl trotz des jüngsten Aufschwungs der Asiaten ein Stück Überheblichkeit im polnischen Spiel, hatte doch Kapitän Waldoch vor dem Spiel noch getönt: „Wir wissen, dass die südkoreanischen Angreifer für viele Mannschaften gefährlich sind – aber nicht für Polen.“ Mit verantwortlich für die Niederlage Polens, das sich nach 16jähriger WM-Abstinenz viel vorgenommen hatte (…) Nach dem Hochmut folgte Waldochs ganz persönliches Fallbeispiel: Der wortgewaltige und tatenschwache Kapitän erlebte kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit hautnah, wie sehr er sich geirrt hatte.“

Christoph Biermann (SZ 5.6.) honoriert den südkoreanischen Beitrag zur Weltkultur. „Bislang hat Korea der Welt mehr große Violinisten und Pianisten als überragende Fußballer geschenkt. Die Brücke zwischen klassischer Musik und dem populärsten Sport der Welt wollte vor dem ersten Auftritt der koreanischen Nationalmannschaft bei dieser Weltmeisterschaft offensichtlich das völlig aufgedrehte Publikum in Busan schaffen, denn sie hatten Beethoven in ihr Repertoire aufgenommen. Die Melodie von „Freude schöner Götterfunken“ wurde im Stadion schon vor dem Spiel gesungen, was sich als ein Versprechen erwies, das am Ende des Premierenspiels eingelöst sein sollte.“

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Von wegen „Friede im Osten“

Erlebnisbericht eines Stadionbesuchers – von wegen „Friede im Osten“: Union und Energie erschaffen ein neues Derby – Said Gaddafi, der neue Liebling Perugias u.a. (mehr …)

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Aufatmen bei befreiten Löwen-Fans; „Wildmoser rein“ (FAZ); „Bananenrepubliken gibt es überall’“ (FR) – SpOn-Interview mit Michael Meier, Borussia Dortmunds Manager u.a.

So ein Tag, so wunderschön wie heute

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 11.3.) schildert Aufatmen bei den befreiten Löwen-Fans: „Ein paar Kilometer weiter, gegenüber dem Grünwalder Stadion, der einstigen Herzkammer des Vereins, herrschen Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die Freunde des Sechz‘ger Stadions treffen sich hier, junge Leute. Vor dem Poldi’s prosten sich jene zu, die drinnen keinen Platz mehr finden. Wildmoser rein lautet der Schlachtruf der Stunde. Wildmoser raus hatte es geheißen, solange sie das Gefühl hatten, gegen diesen Patriarchen, den sie für einen Oligarchen halten, nicht anzukommen. Vor den Fernsehkameras erzählen sie mit dem größten Vergnügen, was sie Wildmoser senior vorwerfen: Er sei das Symbol der Annäherung an den FC Bayern. Aus dem Traditionsverein, dem Arbeiterklub, habe er die Umwandlung des TSV 1860 in eine Art FC Bayern light betrieben. Traditionalisten, die sich dem Trend entgegenstemmten, habe er wegen vereinsschädigenden Verhaltens verfolgt. Dabei hätten sie sich doch nur für den Verbleib im Grünwalder Stadion stark gemacht, nicht in ein gemeinsames Haus mit dem FC Bayern ziehen wollen. Deshalb seien viele nicht mehr ins Stadion gegangen, als der Umzug ins Olympiastadion vollzogen war. Auch deswegen sei der Zuschauerschnitt von 40 000 auf 25 000 abgesackt. Erst wurde das Team bei Auswärtsspielen demonstrativ unterstützt, aber auch da ließ der Elan nach. Als kleine Liebe blieben die Amateure des TSV, die immer noch in der Kultstätte Grünwalder Stadion dem Ball nachrennen, wo einst Radi Radenkovic oder Rudi Brunnenmeier zu alternativen Idolen der damaligen Helden der Bayern wurden. Am geilsten wäre, wenn die Bayern nichts mehr mit uns zu tun haben wollten, malt sich einer seine Vision von der nahen, rosigen Zukunft aus. Sechzig lebt wieder, der TSV ist wieder frei, erschallt es drinnen und draußen vor der Tür des Poldi’s. Das Hintergrundbild für die neuesten heißen Nachrichten wird mit großem Hallo registriert. Die Fotomontage zeigt Karl-Heinz Wildmoser hinter Gittern. Was sie zu hören bekommen, sorgt hier für eine Stimmung wie nach dem letzten Sieg gegen Bayern. Die war schon im Löwen-Forum nachzulesen, nachdem am Dienstag um 11.05 Uhr die erste Meldung mit den brisanten Neuigkeiten via Internet nachzulesen war. Einer mit Schlips und Kragen im Poldi’s spricht von persönlicher Genugtuung. Für die Busfahrt am Sonntag nach Stuttgart braucht er nicht groß zu trommeln. Es werden wahnsinnig viele Leute kommen, die seit Jahren nicht mehr im Stadion waren, versichert einer der Wortführer und Meinungsmacher hier: So ein Tag, so wunderschön wie heute, inbrünstig im Poldi’s geschmettert (…) In München wollen so manche es plötzlich ja schon immer gewußt haben, daß es rund um die Allianz Arena in Fröttmaning zum Himmel stinkt. Wegen der wachsenden Müllberge dahinter und der Kläranlage nebenan. Jetzt ist noch der Geruch von Korruption hinzugekommen. München rümpft die Nase.“

Reinhard Sogl (FR 11.3.) sorgt sich um die Moral der Liga: „Liegt Frankfurt in Südamerika? Ist Köln die Kapitale Kolumbiens? Zieht sich der Weißwurstäquator durch Ecuador? Muss wohl so sein, wenn man Günther Beckstein interpretiert. Nach den Worten des bayerischen Innenministers seien Korruptionsfälle wie jener seiner Landsmänner Karl-Heinz Wildmoser der Ältere und der Jüngere im Zusammenhang mit dem in Bau befindlichen Münchner Fußball-Tempel Allianz-Arena eher aus Südamerika bekannt. Amigo mio. Die Welt, sie ist nicht so. Bananenrepubliken gibt es überall, sogar wenn es sich um Monarchien handelt wie König Fußball. Dunkel erinnern wir uns , da es im sauberen Süden wildmosert wie im tiefsten Regenwald, dass zeitnah zur Wahl des amtierenden Fifa-Präsidenten ein ganz spezieller Entwicklungshilfefonds aufgelegt worden war. Der Fisch stinkt vom Kopf her, und es gibt gar viele Fische im Fußball. Nicht nur am Genfer See (Fifa-Sitz) oder in internationalen Gewässern (AS Rom, Olympique Marseille etc.). Dass den Fahndern jetzt hier zu Lande ein kapitaler Hecht ins Netz ging, mag an der individuellen kriminellen Energie des barocken Brockens liegen, passt aber ins Bild der bisweilen fragwürdigen Geschäftspraktiken, der sich so manche Führungsfiguren in der Bundesliga befleißig(t)en. Steuerhinterziehung in Frankfurt, Untreue in Kaiserslautern und, und, und.“

Roland Zorn (FAZ 11.3.) befasst sich mit der Zukunft der Löwen: „1860 München, seit Jahren von Wildmoser senior wie von einem Duodezfürsten beherrscht, wird seine Zeit brauchen, sich aus den alten Abhängigkeiten und Verstrickungen zu lösen. Um so wichtiger wäre es, wenn sich eine integre Persönlichkeit von anerkanntem Rang rasch bereit fände, die Nachfolge der autoritären Wildmoser-Regentschaft anzutreten. Hans Zehetmair, der frühere bayerische Wissenschaftsminister, wäre sicher eine Ideallösung, den Löwen aus ihrer momentanen Verunsicherung zu helfen. Nichts täte diesem Klub derzeit wohler als ein für jedermann sichtbares Zeichen der Wende weg von den Wildmosers, die unter dem dringenden Verdacht stehen, Schmiergelder in Millionenhöhe beim Bau der Allianz Arena kassiert zu haben. Nicht allein die Löwen sind um einen neuen, demokratischen Vorsitzenden verlegen. Auch der große Nachbar wird darauf dringen, daß der TSV München 1860 seine Führungsämter rasch neu besetzt und seine Führungsstrukturen modernisiert. Der FC Bayern ist in der Münchner Stadion GmbH auf eine gute Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Giesing angewiesen. Was die Wildmosers dem gemeinsamen Stadionprojekt unter dem Primärgesichtspunkt der Glaubwürdigkeit möglicherweise angetan haben, ist derart gravierend, daß nicht nur Bundesinnenminister Otto Schily von schockierenden Korruptionsvorwürfen spricht. Schließlich ist da die Baustelle Deutschland, auf die ab sofort genauer und vielleicht auch skeptischer als zuvor geschaut wird. Ein Skandal, der sich um strafbare Tatbestände wie Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung dreht, schadet auch dem Ausrichter der WM 2006.“

SpOn-Interview mit Michael Meier, Borussia Dortmund

SpOn: Herr Meier, Ihnen und Ihrem Präsidenten Gerd Niebaum ist der Pannekopp 2004 verliehen worden, ein karnevalistischer Orden für Ihre wirtschaftlichen Verdienste um den BVB. Wie sehr schmerzt dieser Sarkasmus?

MM: Wenn es sich dabei tatsächlich um eine karnevalistische Angelegenheit handelt, dann hat das für mich weniger mit Sarkasmus zu tun. Ich bin grundsätzlich ein sehr humorvoller Mensch und habe deshalb damit auch keine Schwierigkeiten.

SpOn: Immerhin aber war das Maß an Humor nicht so groß, dass Sie diese zweifelhafte Auszeichnung auch angenommen hätten. Haben Sie gekniffen?

MM: Ich muss gestehen, dass ich bis heute gar nichts von der Existenz dieses Ordens wusste und auch keine Einladung zur Verleihung bekommen habe. Ich kann aber begreifen, dass so der falsche Eindruck entstehen musste, dass wir nicht auch einmal über uns selbst lachen können, wenn andere sich die Münder über uns zerreißen.

SpOn: Den Mund zerrissen über den BVB haben sich zuletzt vor allem die Süddeutsche Zeitung und der Kicker, gegen deren Berichterstattung Sie auch gerichtlich vorgegangen sind. Beide Blätter haben Ihnen und Club-Chef Gerd Niebaum vorgeworfen, dass Sie die Borussia an den Rand des Ruins geführt hätten.

MM: Ich möchte diesbezüglich zunächst auf einen Leserbrief eines Journalisten an den Kicker verweisen, der uns vorliegt. Dieser Brief ist überschrieben mit dem Titel Die Abrechnung. Besagter Journalist führt dezidiert auf, dass man beim Kicker offensichtlich tatsächlich mit der BVB-Führung abrechnen wollte.

SpOn: Das sind harte Vorwürfe. Wieso sollte man bei SZ und Kicker ein Interesse daran haben, Sie und Niebaum zu diskreditieren?

MM: Aus Sorge um Borussia Dortmund, das sagen zumindest die Beteiligten, mit denen wir uns zu einem Gespräch getroffen haben.

SpOn: Der Informant für SZ und Kicker gehört offensichtlich dem innersten Zirkel Ihres Clubs an.

MM: Es sieht in der Tat so aus, dass es innerhalb des Unternehmens eine Person gibt, die tatsächlich Informationen an die Presse lanciert, ob nun aus Leichtsinn, Unüberlegtheit oder auch ganz gezielt.

SpOn: Haben Sie sich nicht selbst auch durch eine mangelhafte Informationspolitik geschadet? Lange haben Sie den drohenden Verlust von 50 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr verschwiegen.

MM: Wir haben tatsächlich den Fehler gemacht, nicht unmittelbar zu reagieren, als Focus noch vor SZ und Kicker über die Finanzkrise der Borussia berichtete. Uns aber vorzuwerfen, wir hätten versucht, die Verluste zu verschweigen, ist schlichtweg falsch.

SpOn: Warum?

MM: Weil wir vor etwa zwei Wochen ein Halbjahresergebnis für das laufende Geschäftsjahr veröffentlicht haben.

SpOn: War das nicht eher die Flucht nach vorn, weil Ihnen nach den besagten Veröffentlichungen nichts mehr anderes übrig blieb?

MM: Nein. Nennen Sie mir einen anderen Bundesligisten, der ebenfalls so verfährt wie wir und eine Halbjahres-Bilanz veröffentlicht. Sie werden keinen finden.

SpOn: Dortmund ist als einziger deutscher Club an der Börse notiert. Da gelten andere Veröffentlichungspflichten.

MM: Wir machen unsere Arbeit grundsätzlich transparent. Mich ärgert kolossal, dass sich offensichtlich einige Medien, die über den BVB schreiben, nicht auch intensiv mit den Aussagen beschäftigt haben, die Borussia Dortmund veröffentlicht hat.

SpOn: Welche meinen Sie?

MM: Schon im Geschäftsbericht für die Saison 2002/2003 stand, dass das Verpassen der Champions League in unser Gewinn- und Verlustrechnung deutliche Spuren hinterlassen wird. Unserem Börsenprospekt war zu entnehmen, dass gezielte Transfers zu unser Geschäftpolitik gehören. Wenn wir aber nun ankündigen, dass am Saisonende Spieler abgegeben werden sollen, dann ist sogleich die Rede von einem Ausverkauf beim BVB. Durch diese Art der Berichterstattung ist dem Verein in den vergangenen Wochen ein immenser Schaden entstanden.

SpOn: Würden Sie Ihre Kritiker mit ins Boot holen?

MM: Warum nicht? Nur dazu müssen wir diese Leute erst einmal kennen.

Ballschrank

Interview mit Erik Gerets

Auszug:

Erklären Sie uns doch bitte einmal, weshalb die Viererkette besser ist als die Dreierkette.

Wenn man Dreierkette spielen lässt, sind immer Räume offen. Dann werden die Verteidiger nach außen gezogen und dann entsteht viel Raum dazwischen. Man kann Dreierkette spielen, wenn drei Leute auf einer Linie agieren.

Kaiserslautern hat seit Jahr und Tag mit zwei Manndeckern und einem Libero gespielt.

So kann man modernen Fußball nicht mehr spielen.

Was ist Ihnen besonders aufgefallen an den Typen in der Bundesliga?

Ich hatte geglaubt, dass die Spieler hier physisch deutlich besser sind als in Belgien und Holland. Das konnte ich zumindest bei meinen Spielern nicht feststellen. Auf der anderen Seite war ich überrascht, dass die meisten Bundesliga-Mannschaften nicht mehr so spielen wie noch vor sechs oder sieben Jahren in Deutschland gespielt wurde…

…mit dem guten alten Libero…

…das 3-5-2-System, das ja in Deutschland geradezu heilig war, sieht man eigentlich fast nicht mehr. Viele Mannschaften spielen mit drei Stürmern oder 4-4-2. Cottbus war die einzige Mannschaft, die das 3-5-2 noch gespielt hat, aber nur bis zur Winterpause.Libero, davor zwei Manndecker – das konnten die Deutschen immer gut.

Es ist natürlich klar: Wenn sehr lange ein System mit sehr viel Erfolg gespielt wird – die Nationalmannschaft hat ja lange bewiesen, dass das auch funktionieren kann –, dann hat man ja auch keinen Grund, um das eins, zwei, drei zu wechseln. Nur: Wenn man sieht, dass sich in Europa auf taktischem Gebiet sehr viel ändert, dann muss man natürlich kämpfen, um den Rückstand wieder aufzuholen. Das ist sicher ein deutliches Problem, das der deutsche Fußball noch hat. Auf der anderen Seite sehe ich große Fortschritte: Schauen Sie sich Stuttgart an, wie die ihr modernes taktisches Konzept umgesetzt haben. Das kann mit jungen Spielern sehr schnell gehen, weil die viel schneller lernen.

Belgische und holländische Mannschaften waren berühmt für ihre Abseitsfallen. Sie lassen Ihre Mannschaft praktisch nie auf abseits spielen.

So etwas geht nur, wenn du einen hast, der gerade in einer solchen Situation lautstark kommuniziert. Wir aber haben eine sehr ruhige Mannschaft. Da sind einige dabei, deren Stimmen ich noch nicht nie gehört habe. Das ist nicht gut.

Das haben Sie aber bestimmt schon hundertmal angesprochen.

Das kannst du jeden Tag ansprechen, es ändert sich nichts. Ein Lokvenc, ein Hristow, ein Dominguez, ein Miro Klose, ein Christian Timm – sie alle werden nie schreien. Ciri Sforza ist eigentlich der Einzige, der mal lautstark organisiert. Du kannst nichts machen: Wenn jemand nicht gerne spricht, dann tut er es nun mal nicht gern.

Sehr lesenswert! SZ-Interview mit den scheidenden Bayern Fink, Tarnat Dreher

Auszug:

SZ: Ein besonderes Erlebnis in Ihrer Bayern-Zeit war doch bestimmt auch die legendäre Wutrede von Franz Beckenbauer beim Bankett nach dem 0:3 in der Champions League vor zwei Jahren bei Olympique Lyon. Sie, Herr Dreher, haben damals als einziger Bayern-Profi geklatscht. Warum?

Fink : Wenn wir das gewusst hätten…

Tarnat: Drecksau!

Dreher: Ach was. Wir haben uns unterhalten, und dann hat Beckenbauer gesagt: ,Das Buffet ist eröffnet.‘ Und ich hab’ geklatscht, weil ich endlich aufstehen wollte. Da hat der Effe mich noch angemacht: ,Du klatschst?‘ ,Ja‘, hab’ ich gesagt, ,weil ich Hunger habe.‘ Ich hatte bei der Rede doch gar nicht richtig zugehört.

SZ: Beckenbauers Rede bot den Zeitungen wochenlang Diskussionsstoff. Mit Recht? Hatte sie wirklich diese aufrüttelnde Wirkung?

Fink: Nein, überhaupt nicht. Sicherlich gab’s Spieler, die gesagt haben: ,Pass’ auf, dem Penner – in Anführungszeichen –, dem zeigen wir’s jetzt. Was will denn der von uns?‘

Oliver Trust (FR 28.5.) verabschiedet Krassimir Balakov. “Magath nennt ihn einen Glücksfall für diesen Verein. Er hat beste Kontakte und kann den südamerikanischen, den süd- und osteuropäischen Raum abdecken. Balakow spricht fünf Sprachen, alle Größen der Branche kennen ihn. Für mich ist das eine große Chance, in die nächste Identität zu finden. Ich werde nicht nur zuschauen, sondern mitmachen und das Tag für Tag. Irgendwann, das steht fest, will ich ins Trainergeschäft. Schon zu Zeiten des tiefen Zerwürfnisses mit dem damaligen Coach Ralf Rangnick hat Balakow den Trainerschein gemacht und neue Erkenntnisse gewonnen: Ich sehe jetzt auch die andere Seite. Er gesteht, lange nur die eigenen Belange im Blick gehabt zu haben. Es gab nur mich. Ich habe wenig Rücksicht auf andere genommen, nicht einmal auf die Familie. Ich habe alles dem Erfolg untergeordnet. Nun will er sich und anderen beweisen, dass er auch anders kann. Und dabei, glaubt er, helfe ihm die harte Schule der letzten Jahre, als ich gelernt habe, wie man unangenehme Situationen übersteht. Den Typen, den einige als Abzocker brandmarkten, weil er drei Millionen Euro im Jahr verdiente, nennt er den alten Balakow. Der sei einer gewesen, der viel Angriffsfläche bot. Der neue Balakow sagt: Ich bin müde, mental müde. Ich habe gemerkt, dass ich immer längere Pausen brauche, um mich zu regenerieren. Er saß zuletzt oft in seinem Videozimmer und sah sich seine alten Tore an. Das hat mir Kraft gegeben, wenn ich durch ein Tal gehen musste. Nun helfen ihm die Bilder seiner letzten Identität auf dem langen Weg zum neuen Ich.“

Gewinnspiel für Experten

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