indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Höhepunkt ihrer Sendung

1. Warum zeigen Sie seit Wochen das jeweilige Spiel von Bayern München zum Schluss und damit als dramaturgischen Höhepunkt ihrer Sendung? Die Tabellensituation rechtfertigt diese Entscheidung keineswegs, Bayern war stellenweise Tabellenfünfter, bestenfalls Dritter. Ist es die „attraktive“ Spielweise der Münchner?

2. Warum zeigen Sie dem Zuschauer strittige Szenen normalerweise in zehnfacher Wiederholung, glauben aber, den lächerlichen Elfer zu Gunsten der Bayern am letzten Samstag (Santa Cruz ließ sich aus dem Nichts fallen) mit einer einzigen Zeitlupe im Schnellverfahren abhaken zu können? Zu allem Überfluss kommentiert T. Herrmann dies Szene lapidar nach dem Motto: „Man kann nichts erkennen, also glauben wir dem Schiri.“ Diesen gilt es schließlich zu schützen, soll man dem Reporter wohl zu Gute halten. Derselbe Hermann seziert allerdings gerne und empört jede Fehlentscheidung zu Gunsten eines Bayern-Konkurrenten (zB Freiburg gegen Dortmund), sodass diese über die eigentliche Berichterstattung Überhand gewinnt.

3. Warum geben Sie Funktionären und Spielern von Bayern München die unwidersprochene und unkritische Gelegenheit, ihre Wahrheiten über den Sender zu transportieren? Beispiele:

a) Effenbergs Interpretation seines Fouls gegen Balakov als Kampfsignal an die Konkurrenz und damit als positive Wertung eines gesundheitsschädigenden Verhaltens

b) Hoeneß´ Attacke gegen Lauterer Fans („wie Tiere“). Wer so redet, braucht sich über Gewalt und Hass im Stadion nicht zu beschweren.

c) Elbers Statement nach dem Spiel gegen Köln („erste Halbzeit keine Lust, deswegen keine Tore“), das erstens vereinsschädigend, zweitens auch als Arroganz gegenüber den Gegnern zu werten gewesen wäre.

Kritikwürdiges Verhalten anderer Vereine wird übrigens (zu Recht) angeprangert, z.B. die Lauterer Fouls gegen Bayern.

4. Wie ist der Schulterschluss des Bayern-Herrmanns mit Uli Hoeneß vor der sich direkt anschließenden Spielberichterstattung (VfB-FCB) vor dem neutralen Zuschauer redaktionell zu rechtfertigen? Die zwei waren vor die Kamera getreten, um den Konkurrenten aus Dortmund und Leverkusen (nicht nur verbal) eine Angst einflößende Münchner Aufholjagd zu signalisieren: „Wir schaffen das schon! Wir kriegen Euch noch!“ Hätten Sie diese Szene auch gezeigt, wenn Ihre Mannschaft nicht gewonnen hätte (Bayern gewann 2:0)?

5. Darf man dem ran-Team viel Glück im Meisterschaftsrennen wünschen?

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Magische Momente der vergangenen Jahre

Daniel Theweleit (SZ 15.4.). „Wenn ein Klub mitten in der Saison einen neuen Trainer erhält, geht es meistens darum, eine verdorbene Stimmung in Mannschaft und Umfeld zu verbessern. Oft gelingt das, selten aber verbindet ein Klub schon vorher derartig heftige Emotionen mit dem neuen Mann an der Linie, wie das bei Marc Wilmots auf Schalke der Fall ist. Sein Name ruft Spielern wie Fans die magischen Momente der vergangenen Jahre in Erinnerung, und mit diesem Effekt sollte alles zum Guten gewendet werden auf der Zielgerade der laufenden Bundesligasaison. Das Heimspiel gegen Energie Cottbus galt nun als Probe für die neue Konstellation. Und sie verlief überwältigend (…) Auf Schalke sind die Personalien fürs nächste Jahr ein großes Thema. Der kicker vermeldet, dass Schalke eine Anfrage an den Bremer Spielmacher Johan Micoud gerichtet hat. Außerdem ist da natürlich die Trainerfrage. Weder Marc Wilmots noch Manager Rudi Assauer wollten sich dazu äußern. Aber im Schalker Kreisel, der Stadionzeitung der Gelsenkirchener, stellte Wilmots fest, er stecke in dieser Frage „richtig in der Klemme“. Kenner des Klubs glauben fest daran, dass Wilmots seine Pläne, in die belgische Politik einzusteigen, zunächst einmal ruhen lässt, um auch über den Sommer hinaus mit der Mannschaft zu arbeiten. Schalke verlässt man nämlich nicht so leicht. Und Marc Wilmots ist nicht frei von der großen Kraft königsblauer Erinnerungen.“

Kollektive Rückkehr zur Spaßkultur à la Schalke

Richard Leipold (FAZ 15.4.) beschreibt die Personalentscheidungen des Schalke-Trainers. “Vor dem Anpfiff widmete Marc Wilmots sich einem Härtefall. Der neue Teamchef des Fußball-Bundesligaklubs Schalke 04 brachte Ebbe Sand bei, daß er nicht von Anfang an spielen werde. Aber selbst so eine unerfreuliche, für einen Profi wie Sand ungewohnte Nachricht wußte Wilmots zu überbringen, ohne daß der Betroffene aufmuckte oder gar rebellierte. Vor zwei Wochen selbst noch Profi in der Rolle des Reservisten, vermittelte der Teamchef seine Botschaft auf einfühlsame Weise; er verband sie mit einer Vorhersage, die es Sand ermöglichte, die aus der Warte des Spielers falsche Entscheidung ohne Gesichtsverlust hinzunehmen. Du hast deine Qualität nicht verloren, sprach Wilmots, in der letzten halben Stunde wirst du ein Tor schießen. Sand setzte sich eine Halbzeit lang zähneknirschend, aber nicht verdrossen auf die Bank und schaute zu, wie seine Kollegen eine Fülle guter Chancen vergaben. Als er später selbst an der Reihe war, tat er noch vor der verabredeten Zeit, wie ihm geheißen. Beim 3:0 über den Tabellenletzten verlieh Sands Treffer, sein erster nach mehr als vier Monaten, dem allseits bejubelten Wilmots das Profil eines Propheten. Dieser Prophet gilt viel im eigenen Land, ob als Kandidat für den belgischen Senat oder als Teamchef auf Schalke. Kritiker wie Eduard Geyer, der Trainer des FC Energie, hatten das fehlende Diplom des Belgiers moniert. Doch manchmal liegt das Gute so nah, daß es vermutlich sowieso in keinem Lehrbuch steht: Wilmots setzte Sand wieder als Mittelstürmer ein und widerlegte die Schulweisheit seines Vorgängers, der den Torjäger des öfteren ins Mittelfeld zurückgezogen hatte. Wenn Ebbe an der Mittellinie bleibt, kann er keine Tore schießen, sagt der Laientrainer. Die große Erleichterung, die Sand nach seinem fünften Saisontor verspürte, stand exemplarisch für die kollektive Rückkehr zur Spaßkultur à la Schalke.“

Klischees über den Arsch der Welt

Zur Lage in Cottbus lesen wir von Matthias Wolf (BLZ 15.4.). „Im Internet haben sie eine Überlebensformel erfunden, die auch für den FC Energie taugt: Die Lausitz sei zwar der Arsch der Welt – aber der knackigste. Aus dieser Außenseiterrolle haben sie zweimal die Kraft für den Erhalt der ersten Liga geschöpft. Nun auch für die Rückkehr? Fürs Erste gibt es wenig Anzeichen. Der Stolz, der Wille sind weg (…) Was bleibt vom FC Energie? Als der Exotenstatus weg war, kamen die negativen Zeilen: In den Stadionheften der Gegner waren oft Klischees über den Arsch der Welt zu lesen. Einige Konkurrenten werden vor allem froh sein, dass sie nicht mehr so weit reisen müssen. Den Profifußball gilt es in der Lausitz zu erhalten – besonders gefragt sind kühle Rechner. Zwar gibt es wegen des Drei-Jahres-Koeffizienten in der ersten Saison noch 4,5 Millionen Euro vom Fernsehen, doch die Deckung des neuen Zehn-Millionen-Euro-Etats erscheint fragwürdig. Viele Partner werden ihre Zuwendungen halbieren. Und schon in Liga eins kassierte Energie nur fünf Millionen von seinen meist lokalen Sponsoren, deren Zahlungsmoral wegen der eigenen Probleme im strukturschwachen Raum zu wünschen übrig ließ.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Gruppenspiele (JAP, TUN, BEL, RUS)

Gruppenspiele (JAP, TUN, BEL, RUS)

Hintergrundberichte ber Japan, Russland und Tunesien

Gewinnspiel fr Experten

Ballschrank

Verwöhnte Haching-Fans sind mit dem Remis gegen Union nicht zufrieden – Valencia dominiert Real – FAS-Interview mit Fredi Bobic – über den Martkwert englischer Fußballklubs – Portrait Birgit Prinz u.v.m

Markus Schäflein (SZ 29.9.) schreibt über das Remis zwischen Unterhaching und Union Berlin sowie die Reaktion der Heim-Fans: „Die Verantwortlichen des Fernsehsenders DSF werden etwas betrübt nach Unterhaching geblickt haben. Gleich zwei Livespiele an den kommenden Montagen hatten sie der SpVgg zugeteilt, unter dem Eindruck berauschender Leistungen zu Beginn der Saison. Mittlerweile hat die Begeisterung in Unterhaching allerdings nachgelassen. „Die Spieler sitzen total frustriert in der Kabine“, sagte Trainer Wolfgang Frank nach dem 1:1 gegen Union Berlin. Die Leistung seiner Mannschaft war so enttäuschend gewesen wie das Ergebnis gegen den Letzten (…) Die Hachinger hatten mit ihrem sensationellen Start hohe Erwartungen bei den Anhängern und bei sich selbst provoziert; vielleicht zu hohe. Die 3200 Zuschauer hatten frühzeitig zu pfeifen begonnen. Dabei hatte Unterhaching bei aller Enttäuschung eine noch durchschnittliche Zweitliga-Leistung geboten. Gegen die defensiven Berliner mangelte es nicht am Einsatz, sondern meist an den Ideen.“

Peter Burghardt (SZ 29.9.) berichtet die Überlegenheit Valencias über Real Madrid: „Am Mittelmeer können sie das sündteure Ensemble aus der Hauptstadt nicht ausstehen, umso weniger, seit deren Management gerade versucht hatte, ihnen den Verteidiger Roberto Fabian Ayala wegzukaufen. Also ließen sich die besorgten Gäste mit umfangreichem Polizeischutz zum Hintereingang der Arena chauffieren und 5000 zum Teil nicht sehr freundliche Menschen auf der anderen Seite vergeblich warten. Drinnen allerdings musste die Madrider Delegation sich zeigen, und dort wurde es dann erst recht ungemütlich. Die meisten der 55 000 Zuschauer pfiffen jedes Mal, wenn einer der Madrilenen ihnen den Ball berührte, doch das kam zunächst nicht sonderlich oft vor. Begeistert erlebte das Publikum, wie mit dem Anpfiff ein Sturm über den Rasen fegte. Entfacht wurde er von den Männern in den weißen Trikots und schwarzen Hosen, vorneweg ihrem Wirbelwind Pablo Aimar, während die berühmten Gegner vor lauter Schrecken kaum Luft zu bekommen schienen. Nach fünf Minuten schoss der FC Valencia das 1:0, indem Aimar rechts außen Jorge Lopez freispielte, und dessen Hereingabe der Stürmer mit dem Künstlernamen Mista nutzte, Mista, der sich in seiner Jugend auch schon mal bei Real Madrid versucht hatte. Nach 71 Minuten ließ Ricardo Oliveira das 2:0 folgen, es hätten auch noch ein paar Tore mehr sein können. „Valencia war aggressiver, das hat uns überrascht“, berichtete der Madrider Trainer Carlos Queiroz hinterher. Überraschend war vor allem, wie sich die berühmteste aller Fußballmannschaften bei ihrer ersten Niederlage im fünften Meisterschaftsspiel der Saison vorführen ließ. 21 Minuten lang zog der kleine Aimar seine Show ab. Der Argentinier, mittlerweile einer der besten offensiven Mittelfeldspieler der Welt, zeigte dabei mehr Tricks als Zinedine Zidane, David Beckham und Luis Figo zusammen.“

Theoretisieren muß man vermeiden

FAS-Interview mit Fredi Bobic

FAS: Sie ahnen bestimmt, worüber wir mit Ihnen sprechen möchten…

FB: Herrje, es geht bestimmt um Krisen, Absturz und so etwas. Eigentlich sollte ich gar keine Interviews mehr zu diesem Thema geben. Das wäre nämlich der erste Schritt raus aus dem Dilemma.

FAS:Inwiefern?

FB:Es hilft einfach nicht weiter, immer nur um sich selbst zu kreisen und Probleme zu wälzen. Dieses Theoretisieren muß man vermeiden – ich weiß jedenfalls von keinem Fußballspiel, das durch Worte gewonnen wurde. Ich versuche alles auszublenden, was mir die Leute einflüstern wollen. Wenn es schlecht läuft, gibt es plötzlich tausend Experten und tausend schlaue Analysen. Aber aus dem Loch muß man sich schon selbst rausziehen.

FAS:Bloß wie? Ihr Verein Hertha BSC Berlin ist in der Bundesliga noch immer ohne Sieg, und das torlose Uefa-Cup-Spiel gegen Groclin Grodzisk am Mittwoch war auch keine Augenweide. Die Mannschaft erweckt zur Zeit nicht den Eindruck, als könne sie sich selbst helfen.

FBas mag nach außen so aussehen. Wichtig ist aber, daß man innerlich eine positive Einstellung behält. Wer nicht mehr an sich glaubt, ist verloren im Sport. Du mußt die Augen zumachen und die Ohren zumachen und mit Optimismus auf den Platz gehen. Dann wird es irgendwann klappen.

FAS:Können Sie denn die Ohren verschließen, wenn der Hertha-Manager Dieter Hoeneß im Fernsehen ankündigt, er werde vielleicht einige Spieler rauswerfen?

FBer Manager hat das Recht, so etwas zu sagen. Ich bin sogar der Meinung, daß seine Empörung berechtigt ist. Und im übrigen gehört das zu unserem Berufsrisiko, kurzfristig den Arbeitsplatz zu verlieren. Schauen Sie sich den Giovane Elber an: Letzte Saison war er noch Torschützenkönig, und dann ist der von heute auf morgen weg. Der heult auch nicht groß herum.

FAS:Finden Sie denn, daß öffentliche Wutausbrüchevon Manager und Trainergeeignete Mittel sind, um der Mannschaft etwas mitzuteilen?

FBieter Hoeneß ist niemand, der nur blind drauflosschlägt. Er hat selber Fußball gespielt und weiß genau, wann die Mannschaft eine harte Hand braucht und wann sie gestreichelt werden muß. Und der Trainer besitzt dieses Gespür ebenfalls. Huub Stevens ist der zwanzigste Trainer in meiner Laufbahn, und ich muß sagen, daß er sehr souverän mit der Situation umgeht.

Volker Stumpe (FAS 28.9.) porträtiert Birgit Prinz: „Sie ist einer der Weltstars des Frauenfußballs. Aber das hört Birgit Prinz gar nicht gerne. Das ist ein Begriff, mit dem ich mich sehr schwer tue, wenn ich ihn auf mich beziehe. Ein Weltstar ist jemand, der es liebt, im Mittelpunkt zu stehen, und der es liebt, gefeiert zu werden, sagt die 25 Jahre alte Nationalspielerin, die es eben nicht liebt, im Mittelpunkt zu stehen und über Gebühr gefeiert zu werden. Sie will ja nicht einmal überschwenglich jubeln, wenn sie gerade wieder einmal ein Tor erzielt hat: Warum soll ich über den Rasen rutschen oder mit der Eckfahne tanzen? Das ist doch peinlich. Am liebsten würde die Stürmerin einfach nur ihren Job erledigen – gewissenhaft und gründlich wie derzeit auch bei der Weltmeisterschaft in den Vereinigten Staaten – und danach nicht viele Worte darüber verlieren. Deswegen galt sie noch vor ein paar Jahren als patzig und stur. Doch sie hat dazugelernt. Seit zwei Jahren spielt sie im Sommer in der – zumindest vorübergehend – aufgelösten amerikanischen Profiliga bei Carolina Courage. Dort wurde Birgit Prinz endgültig zur öffentlichen Person, hatte Rede und Antwort zu stehen, gab Autogrammstunden. Doch sie ist äußerst selbstkritisch geblieben, und deshalb betont sie immer wieder, daß sie ohne ihre Mannschaft – den 1. FFC Frankfurt, die Nationalelf oder Carolina Courage – nichts sei. Dabei hat sie alle Anlagen, sich als Solistin durchzusetzen. Die amerikanische Zeitung USA Today bezeichnete das deutsche Team als Giant German. Und Birgit Prinz könnte der Inbegriff dafür sein: 1,79 Meter groß, 77 Kilogramm schwer. Die Angreiferin ist kaum aufzuhalten, wenn sie denn einmal Anlauf genommen hat und unwiderstehlich in Richtung Tor rennt.“

Attraktive Kaufobjekte

Ulrich Friese (FAZ 27.9.) referiert den Marktwert englischer Fußball-Klubs: „Immer mehr namhafte Fußballvereine der englischen Spitzenliga werden zum Spielball branchenfremder Investoren. Die Milliardäre aus dem Ausland wittern im zunehmend globalisierten Profisport eine attraktive Kapitalanlage, und sie gehen bei ihren sportlichen Engagements in Großbritannien stets diskret und möglichst steuersparend vor. Ob nach dem vor wenigen Wochen vollzogenen Eigentümerwechsel beim Londoner Traditionsverein FC Chelsea, den der russische Milliardär Roman Abramowitsch vollständig übernommen hat, oder im Zuge des Einstiegs neuer Großaktionäre beim börsennotierten Sportkrösus Manchester United – bei allen größeren Transaktionen in der englischen Premier League waren Investmentvehikel mit im Spiel, die ihren Geschäftssitz in beliebten Steuerparadiesen wie Guernsey, Zypern oder den britischen Virgin Islands haben. Am Rande geht es aber immer noch um Sport. Niederlagen gegen den reichsten Fußballklub der Welt bringen Ken Bates auf den moralischen Tiefpunkt. Der Chairman vom Londoner Klub FC Chelsea, dessen Jähzorn gefürchtet ist, holt danach meist zum verbalen Gegenschlag aus: Wir sind das Manchester United des Südens, tönt er, während die in einer tristen Industriestadt residieren, liegt bei uns eine Nobeleinkaufsmeile wie die King’s Road gleich um die Ecke. Der Rivale im englischen Norden reagiert auf die Attacken des Sprücheklopfers kühl: Sportlich liegen zwischen uns und Chelsea Welten, heißt es in der Klubzentrale. Der Hieb sitzt. Denn während die Stars der Reds aus Manchester seit Jahren die Spitze der Premier League dominieren, dümpelten die Blauen aus London im Mittelfeld der englischen Oberliga. Geht es nach Bates, sind die Tage des Frusts aber bald vorbei. Um endlich mit dem Angstgegner aus Manchester sportlich wie finanziell gleichzuziehen, rang sich der 71 Jahre alte Geschäftsmann vor wenigen Wochen sogar zu einem Eigentümerwechsel bei seinem Verein durch: Bates, der 1982 den damals konkursreifen FC Chelsea zum symbolischen Preis von einem Pfund übernahm, reichte im Juli den Londoner Traditionsklub für 140 Millionen Pfund an den russischen Milliardär Roman Abramowitsch weiter. Der jüngste Einstieg eines ausländischen Investors bei einem britischen Erstligisten stellt den vorläufigen Höhepunkt einer Übernahmewelle dar, die nach Ansicht von Fachleuten künftig weitere Spitzenvertreter des englischen Profifußballs erfassen dürfte: Neben vergleichsweise erschwinglichen Vereinen wie Aston Villa oder Westham United gilt inzwischen auch der im Besitz von Mohamed Al Fayed befindliche FC Fulham als attraktives Kaufobjekt: Der Eigentümer des britischen Nobelkaufhauses Harrods und des feudalen Hotels Ritz in Paris hatte sich 1997 den damals zweitklassigen Fußballverein aus dem Süden Londons für 10 Millionen Pfund einverleibt und dann in die Spitzenliga gehievt. Doch mittlerweile scheint das Interesse des Millionärs aus Ägypten an Geschäften in Großbritannien und somit am heimischen Fußball erloschen zu sein. Nach jahrelangem Streit mit den heimischen Finanzbehörden zog sich Al Fayed schmollend in die Schweiz zurück. Falls er einen Käufer findet, sagen Vertraute, würde er sich von seinem Klub trennen. Ganz im Gegensatz zu Rupert Murdoch. Der amerikanisch-australische Medienzar wollte vor drei Jahren unbedingt Manchester United übernehmen, blieb dabei aber erfolglos. Kaum hatten allerdings britische Kartellwächter und Londons Premier Tony Blair den kühnen Plan von Murdoch durchkreuzt, rückten dort reiche Investoren aus dem Ausland an: Im Aktionärskreis von Manchester United haben jetzt die irischen Millionäre John Magnier und John Patrick McManus das Sagen. Murdochs Bezahlfernsehsender BSkyB, der die Spiele der Premiere League landesweit vermarktet, sitzt mit 10 Prozent mit im Boot. Doch beim englischen Fußballmeister fühlen längst weitere Privatinvestoren aus Europa und den Vereinigten Staaten vor, heißt es im Umfeld des Klubs.“

Schreckensmoderatoren

Vor dem Fernseher schüttelt Volker Weidermann (FAS 28.9.) den Kopf: „Die Ankündigung des DSF war wie ein Erlösungsruf: man plane eine tägliche, aktuelle Fußball-Informationssendung. Bundesliga aktuell. Jeden Werktag von 18.30 bis 19.45 Uhr. Ein Traum. Doch was daraus wurde, ist so schauerlich, wie es die schärfsten ran-Kritiker immer der Qualitätsfußballsendung ran zu Unrecht vorgeworfen haben. Noch die abseitigste Statistik wird vom extra eingerichteten Statistiktischchen minütlich in die Moderation geworfen. Es wird Werbung auf Werbung präsentiert unten im Bild auf kleinen Streifen, und der Nachrichtenblock wird von demselben Sponsor präsentiert, der schon die ganze Sendung präsentiert, und in diesem doppelt präsentierten Block wird die Formel-Eins-Nachricht des Tages (in einer Bundesliga-Sendung!) noch einmal extra von einem Werbepartner präsentiert. Aber das ist alles noch nichts gegen die Art und Weise, wie Schreckensmoderatoren wie Klaus Gronewold ihre Interviews führen.“

Christian Eichler (FAS 29.9.) auch: „ZDF-Videotext: Intergalaktischer Wortmüllemissionsrekord. Am Tag vor dem Uefa-Cup-Spiel der Dortmunder bei Austria Wien lautete die Top-Nachricht des ZDF-Sports (VT-Tafel 204, die erste nach dem Inhaltsverzeichnis): Wark prophezeit BVB eine Zitterpartie. Altmodische Definitionen besagen, daß Sportreporter Sportler interviewen. Hier aber interviewte ein Sportreporter den Sportreporter aus der anderen Betriebsabteilung über dessen nächsten Sportreporterauftrag. Resultat der knallhart selbstreferentiellen Recherche: Ob der BVB gut genug ist, in Wien zu punkten (was in Pokalwettbewerben ausgesprochen schwierig ist), und wie es um die Psyche der Spieler bestellt ist, verrät ZDF-Reporter Thomas Wark im Interview. ,Von Aufbaugegner‘, so Wark (so ZDF-Videotext), kann keine Rede sein. Das wird eine Zitterpartie. Auch die Angst spielt mit. Ein Aus in der ersten Runde wäre die Katastrophe, schon des Geldes wegen. All diese Gedanken belasten die Spieler. Und uns erst! All diese Gedanken!“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Deutscher Sieg gegen die USA

Der Guardian beschreibt über den glanzlosen deutschen Sieg gegen die USA: „Rudi Völler muss aufpassen, dass der Stolz die Schwächen im Team nicht zu lange übertüncht. Nicht das dem deutschen Chef die Spannkraft fehlen würde. Die Welt mag die Deutschen als zweitklassig ansehen, aber sie wachsen einfach weiterhin über sich hinaus.“

Die kroatische Zeitung Vecernji List meint zum Halbfinaleinzug der Deutschen. „Fußball kann wirklich grausam sein: Die US-Amerikaner waren angriffslustig und kreierten Chancen. Ins Halbfinale kommen jedoch die Deutschen. Ganz ohne Glanz und Schönheit, einfach so – deutsch eben. Und so viel auch über das Thema „Überraschung“ geredet wird – denn niemand traute den Deutschen solch einen Erfolg zu – scheint es so, als ob die Deutschen sich ein wenig schämen; vor allem Franz Beckenbauer. Auch die deutschen Fans denken nicht anders. Es scheint so, als bemitleiden sie die Amerikaner, die ihre Elf komplett an die Wand gespielt haben. Und während die kalten Deutschen das Spiel ihrer Elf ins Lächerliche ziehen, bereiten sie bereits die Ausschreibung für ein Oliver-Kahn-Denkmal vor. Er war unbezwingbar, trieb die us-amerikanischen Stürmer zum Wahnsinn – vor allem Landon Donovan – und pflückte alles weg, was vor seinem Kasten erschein. Aber Beckenbauer hakt nach: „Frings Handspiel auf der Torlinie war ein klarer Elfmeter.“ Die US-Amerikaner sind jedoch nicht zu sehr enttäuscht. Schließlich sorgte dieser Vorfall für ausgleichende Gerechtigkeit, da im Achtelfinale gegen Mexiko das Handspiel der Amerikaner nicht mit einem Strafstoß sanktioniert wurde.“

Der Fußball ist von den Titelseiten der italienischen Tageszeitungen fast völlig verschwunden. Nach der Heimkehr der Azzurri – in Mailand grande Festa, in Rom Buhs und Schläge – lecken die Funktionäre ihre Wunden. Konsequenzen wird es weder für Trap noch für den Präsidenten des italienischen Fußballverbandes, Franco Carraro geben: „Ich und Trapattoni bleiben hier“ wird er in einer Schlagzeile der Repubblica zitiert. Auch mit selbstkritischen Tönen: „Der Schiedsrichter war zwar konditioniert, aber wir hätten mehr Tore schießen müssen!“ Der Corriere della Sera widmet unter dem Titel „Die Fifa ist eine Geldfressmaschine“ der „schmutzigen WM“noch einmal eine ganze Seite. Der Rauswurf der Engländer bewegt die italienischen Kommentatoren weit mehr als das Spiel Deutschland gegen USA. Während es in La Repubblica heißt: „Licht und Schatten, aber Deutschland ist dabei. Super-Kahn spendiert das Halbfinale“ und „Aus der Asche des Europameisterschaftsdesasters 2000 ist Deutschland wiederauferstanden“,fällt das Urteil des Corriere della Sera krasser aus: „Vorwärts die Schlechtesten“ und „Ganz schlechtes Spiel von Völlers Männern, die erstmals seit zwölf Jahren wieder einen Platz unter den ersten Vier erobern, auch mit Hilfe des Schiedsrichters“. Dazu wird Franz Beckenbauer mit den Worten zitiert: „Die Vereinigten Staaten waren uns eindeutig überlegen. Das Glück und der Schiedsrichter haben uns gerettet.“ Die zweifelhafte Schiedsrichterentscheidung wird in Italien als Fortsetzung der eigenen Schmach gesehen. Dazu Giorgio Tosati im Corriere della Sera: „Alle haben gesehen, dass Deutschland die USA eliminiert hat, weil Dallas (eigentlich ein Qualitätsschiedsrichter) den Deutschen Frings nicht gestraft hat, der angeklagt ist, den Ball mit dem linken Arm auf der Torlinie zurückgestoßen zu haben. Klassischer Elfmeter, dem auch die rote Karte hätte folgen müssen.“ In der Repubblica wird Super Kahns als „Erben von Sepp Maier“ gefeiert und sein Charakter analysiert: „Er hat sicher keinen einfachen Charakter, aber inzwischen hat er sich im Dienste seines Talentes organisiert. Vor zwei Jahren war Kahn noch von persönlichen Problemen beherrscht, er war derbrutto, hatte Mühe, seine Emotionen zu beherrschen. An einem gewissen Punkt hat er beschlossen, sich zu verändern, nicht mit Hilfe von Psychologen, sondern durch die Kraft des Willens hat er dieses Gleichgewicht gefunden, das ihn zum besten Torhüter der Welt macht.“

Die spanische Tageszeitung El País schreibt zum Spiel. „Deutschland betreibt ein anderes Spiel und gewinnt. Der deutsche Fußball entzieht sich jeder Kritik. Es ist nicht mehr die Frage, ob sie gut oder schlecht spielen. Sie betreiben ein Spiel anderer Natur. Das unterscheidet sie von den anderen Mannschaften. Vor der Entscheidung, kreativ zu spielen oder gefoult zu werden, bevorzugen sie die zweite Alternative. Dann transportieren sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Baukräne in den Strafraum. Dort kommen sie wie Giganten, selbstbewusst und mit ihrer ausgezeichneten Karosserie. Dann geschieht das Interessante: Die Deutschen sind überzeugt, dass sie ein Tor erzielen werden, und der Gegner geriet in Panik – wissend, dass sie ein Tor kassieren werden. Es handelt sich um eine Mannschaft, die keine Geniezüge aufweist. In Ballbesitz verkörpern sie eine abschreckende Vulgarität. Sie suchen keinen Weg zu einer Verbindung mit ihrem Sternspieler Ballack, sondern das Foul. Ungeachtet ihrer Auffassung über den Fußball muss man sie fürchten. Sie sind so stark, so groß, so entschieden, sie glauben so sehr an die Effektivität ihrer kopfballstarken Spieler, dass niemand sie aufhalten kann.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Geschichtsträchtiges Duell zweier hochwertiger Mannschaften

„Der mit Superlativen angereicherte Hauptevent von Madrid hat die Knock-out-Phase der Champions League glänzend lanciert“, schreibt ein begeisterter Felix Reidhaar (NZZ 9.4.) über den 3:1-Sieg Reals über Manchester. „Es war 45 Minuten lang ein grossartiges, ein tempostarkes Spiel zweier Teams, die ihrem Ruf nichts schuldig blieben. Zwei hochwertige Mannschaften unterschiedlicher Vorgehensweisen und Qualitäten, von denen Real Madrid den noch klar stärkeren Eindruck machte. Wie die Spanier nach der relativ frühen 2:0-Führung den Gegner vor dessen Strafraum mit genauem Passing Game zuweilen einschnürten, wie sie diesen gar nicht erst in Ballbesitz kommen liessen, gehörte zum Besten, was man zuletzt auf dieser Ebene zu sehen bekam. Allerdings nahm der Match auch früh einen vorteilhaften Verlauf für den Platzklub, der froh sein konnte, nicht gleich in Rückstand geraten zu sein (…) Das geschichtsträchtige Duell behielt den horrenden Rhythmus bis tief in die zweite Halbzeit bei, wurde dank der Steigerung der Engländer auch ausgeglichener und hatte vor den beiden Toren weit mehr zu bieten als die beiden Treffer innerhalb von rund vier Minuten unmittelbar nach dem Seitenwechsel.“

weitere Pressestimmen zu diesem Spiel und den anderen Partien morgen

Das Milliardenspiel ist vorbei

Jörg Hahn (FAZ 9.4.) analysiert den gefallenen Marktwert der Champions League. „Auf der Fernbedienung ist die Champions League ziemlich weit nach hinten gerutscht. Wissen Sie auswendig, auf welchem Programmplatz bei Ihnen das DSF eingestellt ist? Die Königsklasse des Fußballs ist vorerst keine werthaltige Premium-Ware mehr, zu der sie im Jargon der Rechtehändler und Programmstrategen geworden war. RTL hat die Liga nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaften als nicht mehr attraktiv bewertet; die Quoten gingen zum Ende der zweiten Gruppenphase bedrohlich nach unten. Für Fußballfans mögen Begegnungen mit englischen, italienischen oder spanischen Klubs Leckerbissen sein – fürs gewinnorientierte Privatfernsehen hierzulande ist der Spielplan ziemlich ungenießbar. So landet die Champions League an diesem Mittwoch in einem Spartenprogramm, das sonst gerne mal Kurioses aus der Wettkampfwelt wie Baumsägen oder Faßschleppen präsentiert und dessen Zukunft ein Jahr nach der Kirch-Insolvenz immer noch nicht geklärt ist (…) Der Fußball braucht insgesamt dringend verläßliche Medienpartner und einen steten Geldfluß. Anders als früher laufen ihm die Sender jedoch nicht mehr hinterher. Man muß sich umgekehrt um sie bemühen – und bereit sein, von überzogenen Forderungen abzurücken. Das Milliardenspiel ist vorbei. Eine unausweichliche Erkenntnis für Verbände, Klubs und Profis.“

calcio brutto

Dirk Schümer (FAZ 9.4.) beleuchtet die Rolle der Italiener. „In der vergangenen Saison erlebten Italiens Spitzenmannschaften in der Champions League ein kollektives Debakel und schieden allesamt vor dem Viertelfinale aus. Zusammen mit der latenten Finanzkrise im überteuerten Calcio ergab das ein niederschmetterndes Stimmungsbild. Ist unser Fußball am Ende? fragte damals die Sportpresse. Das Schlagwort vom calcio brutto, vom häßlichen, weil lahmen und berechenbaren Fußball machte die Runde. Ein Jahr später sind gleich drei Vereine – Inter Mailand, AC Mailand und Juventus Turin – unter den besten acht Mannschaften Europas verblieben; so schnell wendet sich im Fußballgeschäft das Blatt. Rechnet man noch Lazio Rom hinzu, das im Halbfinale des Uefa-Pokals auf den FC Porto trifft, dann steht Italien unter allen Ländern des Kontinents diesmal am besten da. Die stolzen Sportkommentatoren des Staatsfernsehens Rai stimmten am Wochenende die Tifosi schon einmal auf eine entscheidende Woche ein. Keine der Aufgaben dürfte für die Stars aus Mailand und Turin unlösbar sein. Ihre Klubs mußten als einzige beim allgemeinen Sparkurs nicht mitmachen, weil sie sich in Händen reicher Industriellenfamilien – und nicht von Finanzjongleuren oder Mittelständlern – befinden.“

Sir Alex, der gewiefte Taktiker

Jan Christian Müller (FR 9.4.) kommentiert die Aussagen des Managers von ManU, der der Uefa Manipulation vorwarf. “Als Alexander Chapman Ferguson in den 70-er Jahren den schottischen Provinzklub St. Mirren übernahm, schauten bei den Heimspielen kaum tausend Zuschauer vorbei. Binnen kurzer Zeit schaffte es der umtriebige ehemalige Pub-Besitzer von Fergies Bar, sich Gehör zu verschaffen: Ferguson fuhr durch die Straßen von St. Mirren, hielt seinen Kopf aus dem Autofenster und teilte über Megafon unüberhörbar mit, dass seine Mannschaft fortan guten Fußball spielen würde und Unterstützung bräuchte. Bald darauf schauten mehr als 10.000 Fans zu, wie St. Mirren in die erste schottische Liga aufstieg. Freizeitpianist Ferguson war schon in jungen Jahren einer, der auf der Klaviatur der Agitation zu spielen verstand (…) Sein Credo steht wie in Stein gemeißelt: Mein Job ist es nicht, meine Spieler vor der Presse zu kritisieren. Wenn ein Manager das öffentlich tut, dann beeinflusst er die emotionale Stabilität seiner Profis. Ferguson ist einer, der sich seiner öffentlichen Aussagen also sehr bewusst ist. Dass er vor dem Gastspiel in Madrid nacheinander Fifa und Uefa übler Machenschaften zieh und so auch im Lager von Real für Unruhe sorgen wollte, darf getrost angenommen werden. Jetzt ist er zwar unter Druck geraten, weil er den Mund reichlich voll genommen hat, ohne Beweise liefern zu können. Aber er hat damit auch Druck von seiner Mannschaft genommen. Mittlerweile rudert Sir Alex, ganz der gewiefte Taktiker, geschickt wieder zurück.“

Holländisches Modell Kaiserslautern

Stefan Hermanns (Tsp 9.4.) stellt fest. „Dem holländischen Fußball geht es schlecht, viel schlechter noch als dem kirchkrisengeschüttelten deutschen Fußball. In der vergangenen Saison haben die 36 Erst- und Zweitligisten einen Verlust von 80 Millionen Euro gemacht – dreimal so viel wie im Jahr zuvor. Die Hälfte der 18 Zweitligisten will daher im kommenden Jahr zum Halbprofitum zurückkehren. Immer häufiger aber müssen auch die Städte und Gemeinden einspringen, um ihren örtlichen Profiklub mit finanzieller Hilfe am Leben zu erhalten. Das Modell Kaiserslautern ist gewissermaßen in Holland erdacht und bis zur Marktreife entwickelt worden. „Fußballprofis sind immer öfter eine Art Halbbeamte im städtischen Dienst”, hat die Volkskrant über die Folgen des niederländischen Finanzierungsmodells geschrieben. Nur einer der 36 Vereine ist im vergangenen Jahr ohne kommunale Unterstützung über die Runden gekommen: der Philips-Verein PSV Eindhoven. Eine aktuelle Untersuchung hat ergeben, dass die Kommunen ihren örtlichen Fußballklubs in den vergangenen zehn Jahren 178-mal finanziell zu Hilfe gekommen sind – mit insgesamt 300 Millionen Euro.Hauptgrund für die finanzielle Misere des holländischen Fußballs ist das Bosman-Urteil aus dem Jahr 1995. Traditionell decken die Vereine in den Niederlanden ihren Finanzbedarf vor allem durch den Verkauf ihrer besten Spieler. Die großen drei (Ajax, PSV und Feyenoord) geben ihre Topleute ins Ausland ab, die Erlöse reinvestieren sie dann im eigenen Land. Durch das Bosman-Urteil aber ist dieser Geldkreislauf weitgehend zum Erliegen gekommen. Spieler warten nun, bis ihre Verträge auslaufen und wechseln dann ohne Ablöse.“

(8.4.)

Amsterdamer Weltauswahl U23

Christian Eichler (FAZ 8.4.) hat sich die Mannschaft von Ajax Amsterdam genauer angesehen. „Die neue Stärke von Ajax wird gern mit dem alten Rezept erklärt: mit der legendären Nachwuchsschule De Toekomst (Die Zukunft). Doch die beiden wohl wichtigsten Spieler im Überraschungsteam der Champions League zeigen, daß die Amsterdamer ihre europäische Renaissance nicht mehr lokal, sondern global aufgestellt haben. In weiten Teilen ähnelt ihr Team einer Weltauswahl U 23. Der 21jährige Südafrikaner Steven Pienaar, der in beiden Spielen gegen Arsenal London den Weltstar Patrick Vieira übertrumpfte, wuchs in einer Township bei Johannesburg auf, verdiente sein Geld durch Wettgewinne bei Straßenspielen, die häufig in Schlägereien unter Jugendbanden endeten, und landete dann bei Ajax Cape Town – die erste Trouvaille der Ajax-Außenstelle Afrika, die 1998 aus den Erlösen des Klub-Börsengangs eröffnet wurde. Aber auch auf die anderen Kontinente haben die Holländer, die sich nicht mehr auf den Zustrom heimischen Nachwuchses verlassen wollen, ihre Talentsuche ausgedehnt. Sie scheuen sich dabei auch nicht mehr, viel Geld auszugeben: Drei Millionen Euro für einen 18jährigen Abwehrspieler, dazu gehört Mut. Doch es war eine Geldanlage, um die mancher Aktionär die Amsterdamer beneiden wird. Diesen Sommer dürften sie für denselben Spieler die siebenfache Summe bekommen. Christian Chivu ist erst 22, aber schon Kapitän von Ajax und der rumänischen Nationalelf. Viele halten ihn bereits für einen der besten Abwehrspieler der Welt. Und für die Hauptursache der unerwarteten Stabilität des Ajax-Teams, das mit sechs Spielern unter 23 Jahren kein einziges Zwischenrundenspiel gegen Valencia, Arsenal und AS Rom verlor (…) Ich bin bereit zu gehen, sagt der gutaussehende Chivu, der mit dem rumänischen Mannequin und Fernsehstar Andrea Raicu liiert ist und schon als Osteuropas Antwort auf David Beckham gefeiert wird. Die Sache wäre einfacher, wenn ich hier nicht so populär wäre, sagt Chivu. Auf Schritt und Tritt wird er von Fans angefleht zu bleiben. Wirte bieten ihm kostenlose Mahlzeiten, damit er nicht wechselt. Die Leser einer Lokalzeitung wählten Chivu sogar zu Amsterdams Persönlichkeit des Monats. Zum Dank ging er in eine Schule und hielt eine Geschichtsstunde ab. Im Kunstunterricht versuchte er sich mit der Kopie von einem, der schon vor Ajax holländischer Meister war: Vincent van Gogh. Und der mußte ja auch in den Süden, um groß herauszukommen.“

Das Match könnte, sollte, müsste ein Klassiker werden

Raphael Honigstein (BLZ 8.4.) mit Vorfreude. „Es soll die größte Show der Welt werden, verkünden britische Zeitungen. Die teuerste wird es allemal. 500.000.000 Euro, in Worten: fünf hundert Millionen, eine halbe Milliarde also, werden am Dienstagabend nach konservativen Schätzungen in kurzen Hosen auf den Platz laufen, wenn im Estadio Santiago Bernabeu die Teams von Real Madrid und Manchester United im Viertelfinale der Champions League aufeinander treffen. Begegnungen der absoluten Spitzenvereine sind nicht mehr selten, seit die hochgezüchtete Königsklasse im Liga-Format ausgespielt wird, aber Real und United, die Königlichen und die Red Devils, trafen in der langen Geschichte des Landesmeisterpokals erst dreimal aufeinander. Beim letzten Duell vor fast genau drei Jahren setzte sich Madrid nach einem 0:0 mit einem 3:2-Auswärtssieg in Old Trafford durch und gewann später auch die Trophäe. Zidane, Ronaldo, Raúl gegen van Nistelrooy, Beckham und Giggs – das Match könnte, sollte, müsste ein Klassiker werden.“

(7.4.)

Paranoia in Manchester – hitziges Derby in Turin – wer ist der weltbeste Stürmer?

Ferguson mit hochrotem Kopf

Nach dem 4:0 über den FC Liverpool hat Manchester United zu Tabellenführer und Titelhalter Arsenal London aufgeschlossen. Raphael Honigstein (SZ 7.4.) kommentiert die dortige Situation vor dem Champions-League-Viertelfinale. „Manchester führt nun mit Arsenal London die Tabelle an, und doch bleiben Zweifel vor dem Champions League-Viertelfinale gegen Real. Seit der letzten Begegnung mit Madrid vor drei Jahren – Real gewann damals im Viertelfinale und holte später den Pokal – hat Manchester zwar noch zwei Mal die Meisterschaft gewonnen, aber das spielerische Potenzial des Teams hat in Wahrheit kontinuierlich abgenommen. Um seinen Stars Beine zu machen, hat Ferguson Spitzenkräften immer wieder mit dem Verkauf gedroht. Doch als Madrids Sportdirektor Jorge Valdano ihn letzte Woche beim Wort nahm und Interesse an Beckham bekundete, ruderte er zurück: Beckham sei natürlich unverkäuflich. Ferguson sieht wohl schon Unbill aufziehen und verschärft vorsorglich den Ton. Am Samstag polterte er mit hochrotem Kopf über das, was er als Unrecht empfindet: die Auslosung zum Viertelfinale sei wohl „kein Zufall“ gewesen, grantelte er, obwohl die Uefa das Finale nach Old Trafford vergeben hätte, würde man anscheinend United nicht im Endspiel sehen wollen. Und die Fifa sei auch gegen sein Team: Roberto Carlos sei nach seinem Rempler gegen den Schiedsrichter bei Brasiliens Niederlage gegen Portugal noch nicht gesperrt worden – damit er gegen United spielen könne, natürlich. Das hört sich nach schlimmer Paranoia an, aber der Wahnsinn hat Methode: Ferguson bläut seinen Männern vor wichtigen Spielen immer ein, dass die ganze Welt gegen sie sei. Das stärkt die Moral – und Siege werden so noch bedeutender. Und wenn es doch nicht klappt, ist nichts außer einer internationalen Verschwörung daran schuld.“

Juve siegt im Stadtderby

Angesichts des wohl nicht abzuwendenden Abstiegs in die Serie B erinnert Birgit Schönau (SZ 7.4.) an die glorreiche Vereinsgeschichte des AC Turin. „Es war einmal das Derby von Turin. Juventus gegen Torino, der Rekordmeister gegen den Herzensklub der Nostalgiker. Es hatte Begegnungen gegeben, die Fußballgeschichte schrieben – das erste Derby nach der Katastrophe von Superga etwa, bei der im Mai 1949 die legendäre Mannschaft des „Grande Torino“ mit ihrem Flugzeug am Hausberg von Turin abstürzte – „Toro“ wurde posthum die Meisterschaft zuerkannt, die fünfte in Serie. Das erste Derby danach gewann Juventus 4:3 gegen die Jugendelf des AC Turin, um am Ende der Saison den Titel zu holen und die Rivalen endgültig als neuer Stern am Firmament des italienischen calcio abzulösen. Es gab das Derby im Oktober 1967, der Toro gewann 4:0 unter den Tränen seiner Fans, die wenige Tage zuvor ihr großes Idol Gigi Meroni zu Grabe getragen hatten. Meroni war an den Folgen eines Unfalls gestorben; das Unfallauto steuerte Attilio Romero. Im Sommer 2000 wurde Romero Präsident des AC Turin. Der Toro sollte endlich wieder gleichberechtigt neben Juventus stehen. Es blieb beim Traum. Der letzte Platz ist seit Wochen zementiert, zwei Trainer hat der exzentrische Romero in dieser Saison schon verschlissen, der dritte hat auch kein Glück. Enttäuschte Tifosi haben dem ungeliebten Präsidenten bereits einen wenig höflichen Besuch an seinem Amtssitz in der Altstadt abgestattet, und als die Fans Ende Februar bei einem Match gegen den AC Mailand in einer Eruption der Gewalttätigkeit das Alpenstadion gründlich demolierten, erhielt Torino Calcio auch noch Hausverbot für den Rest der Saison. Am Samstag durften sie zwar auf dem ebenso vertrauten wie ungeliebten Rasen auflaufen, aber nur als zahlende Gäste der Juventus. Nur 20.000 Zuschauer waren gekommen, sie verloren sich in der ungeheuer großen, ungeheuer kalten Betonschüssel. In der Juve-Kurve flatterten Hunderte kleiner Hohn- Fähnchen in der Luft, darauf stand nur der Buchstabe B. In die Serie B wird Toro ohnehin absteigen, aber zum Derby wollten sie es, wie so oft in ihrer Geschichte, noch einmal allen zeigen. Daraus wurde nichts.“

Wer ist der weltbeste Stürmer?

Christian Eichler (FAS 6.4.) skizziert das Anforderungsprofil eines Weltklassestürmers und vergleicht. „Das englische Fußballmagazin FourFourTwo läßt in seiner aktuellen Ausgabe eine Jury aus Weltklassespielern und Trainern abstimmen. Und der Sieger heißt … Thierry Henry (vor Raul, Ronaldo, Christian Vieri, van Nistelrooy). Das ist eine eher sentimentale als rationale Wahl. Der Franzose ist hochelegant und pfeilschnell, aber letztlich von seiner Trefferquote (105 Tore in 188 Spielen für Arsenal London, 14 in 42 für Frankreich) kaum mehr als ein Fünzig-Prozent-Torjäger. Anders van Nistelrooy (70 in 93 für Manchester) und Vieri (83 in 113 für Juventus Turin) – deutlich über 70 Prozent, eine Weltklasse-Quote, die Ronaldo sogar seit zehn Jahren erreicht und übertrifft (216 Treffer in 277 Ligaspielen, 78 Prozent). Vielleicht ist es kein Zufall, daß Henry, der die schwierigsten Tore macht, aber manchmal wie seine Kollegen von Arsenal London die einfachen vergißt, als einziger der Top-Ten der Stürmerwahl nicht mehr im Viertelfinale der Champions League dabei ist. Die anderen neun werden diese Woche nicht nur den Kampf um den Pokal aufnehmen, sondern auch den um den Ruf des weltbesten Stürmers. Denn die Champions League, das ist ein Fest für Angreifer. Das geht auch auf den Artenschutz zurück, unter den Regelhüter und Schiedsrichter die zuvor geplagten Stürmer seit Beginn der neunziger Jahre gestellt haben. So konnte sich deren Dynamik ohne übertriebene Tritte neu entfalten. Das Resultat sind Typen wie Ronaldo und van Nistelrooy, die so schnell und wuchtig sind, daß kein Verteidiger ein unvorsichtiges Tackling wagen kann, ohne Gelbe oder Rote Karten zu riskieren. So wurden sie die neuen Prototypen der spektakulärsten Stürmergattung, der auch die Inter-Spieler Crespo und Vieri angehören: des egoistischen Dynamikers, des Endverbrauchers des Balles. Gerade die zunehmende Disziplin der dichtgeknüpften Mittelfeld- und Abwehrreihen fordert und fördert die Gattung des Diretissima-Stürmers, der keine Zeit verliert, wenn sich die kleinste Lücke auftut. Doch in der Champions League als Mustermesse des Angriffsfußballs finden noch zwei weitere Stürmerspezies beträchtliche Marktanteile. Die eine gab es schon immer: schmächtige Strafraumschleicher der Marke Raul oder Inzaghi. Die andere aber ist eine Neuentwicklung: bewegliche Riesen wie Jan Koller (acht Europa-Tore für Borussia Dortmund) und John Carew, der mit zwei Treffern für den FC Valencia den FC Arsenal aus dem Wettbewerb warf. Diese Hünen werden immer noch unterschätzt. Weder Koller noch Carew bekamen auch nur eine Wahlstimme.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Javier Aguirre

Roland Zorn (FAZ 17.6.) über den mexikanischen Trainer und „Frauenschwarm“ Javier Aguirre. „Mit Aguirre hat der Fußball der Nationalmannschaft Mexikos eine neue Prägung bekommen: Sie glänzt europäischer, sieht kühler gestylt aus und vertraut auch der Tugend Geduld (…) Aguirres Mannschaft genießt deshalb vor dem Klassiker gegen die Vereinigten Staaten höchsten Respekt, zumal der Trainer seinem Team ein neues Gesicht gab, indem er so manchen Stammspieler aus vergangenen Tagen – wie den auch in Deutschland bekannten langmähnigen Luis Hernandez, den „blonden Engel“ Mexikos – auf die Bank zurückversetzte.“

Italien

Zum Ausscheiden Italiens wirft Peter Hartmann (NZZ 20.6.) ein. „Das Debakel an der WM hat die Wunden der italienischen Fußballkrise wieder aufgerissen. In der Champions League nehmen die Italo-Klubs seit drei Jahren frühzeitig den Ausgang. Die einst „schönste Meisterschaft der Welt“, als noch Zico, Platini und Maradona spielten, erstickt an den Abwürgekonzepten der Trainer. „Die Kreativität erzeugt Angst in diesem Land“, sagt der Photograph Oliviero Toscani. Aber die Trainer sind nicht die Alleinschuldigen, in der Fremde werden sie als brillante Strategen bewundert. Trapattoni wurde mit Bayern Deutscher Meister, Capello gewann mit Real Madrid auf Anhieb den Titel, Eriksson, von seiner Italien-Erfahrung geprägt, ist mit England erfolgreich. Die Krise ist ein Mentalitätszustand einer Mischung aus Hysterie und Kopfjägerei in den Medien und der realitätsfernen Megalomanie, dem Verschwendungszwang von wichtigtuerischen Präsidenten. Sie wurzelt in einer italienischen Nationalkrankheit, dem Furbismo: Immer schlauer sein als die andern, bis zur Passfälscherei ausländischer Spieler. Kombiniert mit dem Vittimismo, der Opferrolle, die immer dann gesucht wird, wenn der Furbismo versagt. Der Mechanismus spielt auch jetzt wieder: Schuld am Ausscheiden Italiens ist eine internationale Verschwörung.“

„Wäre Japan heute im Turnier geblieben, wäre bei unserem Spiel einiges vielleicht anders gelaufen. Ich sage vielleicht, weil ich verbittert bin. Aber solche Gedanken kommen einem in diesen Momenten.“ Dieses Zitat von Italiens Nationaltrainer Trapattoni kommentiert Roland Zorn (FAZ 20.6.). „Einer der besten und erfolgreichsten Trainer der Welt musste kurz nach der nicht nachvollziehbaren Hinausstellung von Totti, über die auch die FIFA-Beobachter am Spielfeldrand den Kopf geschüttelt haben sollen, noch eine weitere Ungerechtigkeit ertragen: Tommasi, der das „goldene Tor“ für Italien auf dem Fuß hatte, wurde, auch das eine kapitale Fehlentscheidung, wegen Abseits zurückgepfiffen. Soll ein Team, das durch Vieris Kopfball früh in Führung ging und den Ausgleich durch Seol Ki-Hyeon erst zwei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit einstecken musste, angesichts der folgenden Aussetzer des Schiedsrichters etwa nicht wütend und panisch werden dürfen? Fünf Tore sind den Italienern bei dieser WM aberkannt worden, zwei gegen Kroatien, zwei gegen Mexiko, dazu der Quasitreffer gegen Südkorea: Ist es da ein Wunder, dass Trapattoni während der für seine Mannschaft schwierigen Wochen in Japan und Korea etwas zu viel „Gegenwind“ verspürte?“

Die italienische Anteilnahme an der WM beschreibt Dirk Schümer (FAZ 7.6.). „Wie immer im Land der großen Töne sind die Erwartungen himmelhochjauchzend und zielen mindestens bis ins Finale. Doch verstünde jemand, der dies alles gar zu ernst nimmt, die italienische Mentalität schlecht. Die mediale Euphorie wird – wie in der Oper, wie beim Schlagerfestival – als belebendes Element des Weltspektakels gerne mit-, aber niemals allzu schwer genommen. In diesem seit der Renaissance gepflegten Ton des pathetischen Heldenepos hat sich bereits Candido Cannavò, der frisch pensionierte Doyen unter Italiens Sportjournalisten, in seinem Hausblatt Gazzetta dello Sport zu Wort gemeldet – einer wundervollen Tageszeitung ohne vom Sport ablenkendes Beiwerk, die nicht ohne psychologischen Nebeneffekt auf rosa Papier erscheint. Der feinsinnige Sizilianer verglich den muskulösen Doppeltorschützen Christian Vieri gleich zum Auftakt mit einem wiederbelebten Bronzekrieger aus Riace und stellte damit die Athleten von heute souverän in eine Reihe mit den Idealkörpern der Antike, auf deren Kultur das heutige Italien gelassener und glücklicher ruht, als der Rest der Welt dies gewöhnlich wahrnimmt. Mit feingeformten Götterfiguren, allerdings aus Fleisch und Blut und nicht aus Marmor, wollen die Italiener diesmal weit kommen. Sie können sich sicher sein, dass ihre Medien sie dabei mit Emotion wie Information nicht zu knapp versorgen werden.“

Über den herzlichen Empfang der italienischen Nationalmannschaft in Sendai (Japan) berichtet La Repubblica (24. 5.). Die Azzurri wurden begeistert aufgenommen: Applaus, Lächeln, Verbeugungen allenthalben. Bereits vor Monaten wurden überall in Sendai „Club Azzurri“ gegründet, in denen Fan-Artikel feilgeboten werden. Die italienischen Restaurants erleben einen Boom. Selbst Trapattonis Entscheidung, den einzigen buddhistischen Fußballspieler Italiens, Roberto Baggio zuhause zu lassen, tat der kollektiven Leidenschaft für die italienische Elf keinen Abbruch. Im Hotel finden in diesen Wochen besonders viele Hochzeiten statt – traditionsgemäß finden japanische Hochzeiten an Orten statt, die besonders von Fortuna geküsst sind. Nur unter den Bossen der japanischen Mafia herrscht Trauer, nachdem die Polizei just zur WM den Sex-Markt einer „Säuberungsaktion“ unterzogen hat. Die Yazuka hatte in der ganzen Stadt Flyer verteilt und Plakate aufgehängt, in denen sich japanische „Studentinnen“ begierig zeigten, die schönen Italiener kennen lernen zu wollen. Die Polizei hat jedoch alle Plakate inzwischen entfernen lassen.

Dirk Schümer (FAZ 23.5.) über Mitfavorit Italien. „Dass wieder einmal sämtliche italienische Mannschaften aus den europäischen Wettbewerben ausschieden, hatte wenigstens einen positiven Aspekt: Nationaltrainer Giovanni Trapattoni konnte seine Vorbereitung ungestört durchziehen und musste – anders als Rudi Völler – keine schwerwiegenden Verletzungen beklagen. Daher zählt Italien (…) zum weiteren Favoritenkreis – vor allem, weil die eitlen Stars im azurblauen Nationaltrikot in der Regel ihre Rivalitäten zurückstellen und für jedes Team der Welt zu einem harten Gegner werden (…) Die Kultur des zynischen Showgeschäfts, gemäß derer junge Spieler mit Millionen überschüttet, dafür aber auch wie Fernsehstars – und nicht wie Sportler – behandelt, demgemäß eiskalt verkauft oder bei Schwächen fallen gelassen werden, hat dem kampfstarken Fußball, mit dem die Italiener dreimal Weltmeister wurden, das Element der Phantasie geraubt (…) Im langen Turnier in Fernost kann der kraftsparende Zynismus durchaus von Vorteil sein, es kann aber auch jederzeit zum Blackout eines hochgezüchteten Kollektivs kommen.“

Fußball ist in Italien – nicht nur dort, aber dort besonders – immer von großen theatralischen Gesten begleitet. Die römische Tageszeitung Il Messaggero (22.5.) meldet. „Bei einem Abschiedsessen zu Ehren der italienischen Nationalmannschaft vor der Abreise nach Japan hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi seinen Azzurri jede Menge taktischer Tipps mitgegeben und versprochen, er werde auf jeden Fall zum Finale reisen, falls Italien dabei sei. Vorher hatte er launisch gedroht: Wenn ihr aber eher zurückkommt, dann schicke ich euch ins Gefängnis! In ungewohnter Selbstironie spielte er damit auf Meldungen der letzten Tage an, er übe massiv Zensur aus. Der prominente Theaterregisseur Luca Ronconi hatte bei einer Inszenierung von Aristophanes‘ Fröschen in Sizilien Bühnenbilder entfernen lassen, in denen die dargestellten Tyrannen deutlich die Züge Berlusconis, Gianfranco Finis und Umberto Bossis trugen. Berlusconi war darauf von der Presse als Zensor und kleiner Diktator beschimpft worden. Ronconi dagegen hat inzwischen bestritten, dass seine Entscheidung von irgendeiner Seite beeinflusst worden sei.“

La Repubblica (14.5.) meldet. “Eine Andrologen-Forschergruppe des Centro Coni für Sportmedizin in Padua behauptet, aus wissenschaftlicher Sicht sei gegen Fußballer-Sex vor dem Spiel nichts einzuwenden. Eine Studie über das Verhalten von Profi- und Amateursportlern habe ergeben, dass Sex eher torfördernd sei als Abstinenz vor dem Spiel. Es sei an der Zeit, die traditionellen Regeln zu revidieren. Damit ist der italienische Nationaltrainer Giovanni Trapattoni ganz und gar nicht einverstanden: Ich habe selbst sehr viele Trainingslager absolviert und weiß, wie die Spieler über diese Frage denken. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass man sich auch in diesem sensiblen Feld an feste Regeln halten muss. Die italienische Nationalmannschaft wird nur ins Halbfinale gelangen, wenn sie auch physisch in Form ist.

Die Fußball-WM scheint das Bruttosozialprodukt Italiens negativ beeinflussen zu können. Oder „wird diese WM heimlich und eilig konsumiert werden wie ein Seitensprung?“ fragt Emilio Marrese (La Repubblica 8.5.). „Großer Verlierer der WM wird entweder das Fernsehen sein, das in Italien bisher nie weniger als 20 – 25 Millionen Zuschauer hatte, oder die Arbeitgeber. Viele Unternehmen versuchen, im voraus Schadensbegrenzung zu betreiben, um nicht während der WM mit einer Flut von Urlaubsanträgen oder Krankmeldungen konfrontiert zu werden. Pirelli zum Beispiel (7000 Beschäftigte in 17 Betrieben) wird alles tun, um den Arbeitnehmern entgegenzukommen und gleichzeitig den Arbeitsablauf und die Sicherheit nicht zu gefährden. Fernsehen soll erlaubt sein, jedenfalls dort, wo keine Unfallgefahr droht. Die Mittagspause wird verlängert, in den Kantinen werden Großbildschirme aufgestellt. Die Verantwortlichen werden versuchen, die Schichtwechsel den Spielzeiten anzupassen.“

Wolfram Eilenberger (Tsp 19.5.) vermutet in der asiatischem „Terminpolitik“ eine ökonomische Strategie der Asiaten. „Bereits in der Vorrunde lächelnd ausscheiden und gleichzeitig unsere schöne europäische Wirtschaft für einen langen Monat lahm legen. Nein, so kann, darf und muss es nicht kommen! Geguckt werden wird. Das ist nicht die Frage. Und sicher kursieren sie schon, dunkel geschätzte Zahlen, was dieser kontinentale Arbeitsausfall kosten und also Schreckliches für die Zukunft der Gemeinschaft bedeuten wird.“

Ekuador

Die NZZ (4.6.) referiert eine Begebenheit aus Ekuador. „Wäre die Geschichte nicht wahr, würde sie von den mit allerlei Dingen konfrontierten südamerikanischen Chronisten ganz bestimmt erfunden werden. Der heute 46-jährige Kolumbianer Hernan Dario Gomez betrat im Mai 2001 in Guayaquil, der Zwei-Millionen-Küstenstadt Ecuadors, ein Restaurant und setzte sich an einen Tisch. Wenige Minuten später war der ecuadorianische Fußball-Nationaltrainer in einen Disput verwickelt, weil er es gewagt hatte, ein Aufgebot für die Nachwuchsauswahl ohne den Spieler Abdala Bucaram zu erlassen. Die Heftigkeit des Zwischenfalls gründete mitunter darin, dass es sich im Falle Bucarams nicht um irgendeinen Spieler, sondern um den Sohn eines früheren Präsidenten des Landes handelte. Ehe Gomez wusste, wie ihm geschah, wähnte er sich schon mitten in einem üblen Film im Wilden Westen. Der Streit gipfelte doch in der Tat darin, dass Gomez‘ aufgebrachter und reklamierender Antipode, ein flammender Fürsprecher Bucarams, eine Schusswaffe zückte – und dem Trainer ins Bein schoss. Andere hätten das Land nach diesem Attentat sofort verlassen. Aber der glücklicherweise nicht schwer verletzte Gomez blieb.“

NZZ (4.6.) .”Wäre die Geschichte nicht wahr, würde sie von den mit allerlei Dingen konfrontierten südamerikanischen Chronisten ganz bestimmt erfunden werden. Der heute 46-jährige Kolumbianer Hernan Dario Gomez betrat im Mai 2001 in Guayaquil, der Zwei-Millionen-Küstenstadt Ekuadors, ein Restaurant und setzte sich an einen Tisch. Wenige Minuten später war der ekuadorianische Fußball-Nationaltrainer in einen Disput verwickelt, weil er es gewagt hatte, ein Aufgebot für die Nachwuchsauswahl ohne den Spieler Abdala Bucaram zu erlassen. Die Heftigkeit des Zwischenfalls gründete mitunter darin, dass es sich im Falle Bucarams nicht um irgendeinen Spieler, sondern um den Sohn eines früheren Präsidenten des Landes handelte. Ehe Gomez wusste, wie ihm geschah, wähnte er sich schon mitten in einem üblen Film im Wilden Westen. Der Streit gipfelte doch in der Tat darin, dass Gomez‘ aufgebrachter und reklamierender Antipode, ein flammender Fürsprecher Bucarams, eine Schusswaffe zückte – und dem Trainer ins Bein schoss. Andere hätten das Land nach diesem Attentat sofort verlassen. Aber der glücklicherweise nicht schwer verletzte Gomez blieb.”

Jörg Wolfrum (FAZ 16.05.02) über den WM-Neuling, dem die Experten einiges zutrauen, da das Team sich als Zweiter der Südamerika-Gruppe – und damit vor Brasilien – qualifizierte. “Dass die Tri, wie die Nationalmannschaft angesichts der Landesfarben Gelb-Blau-Rot genannt wird, nun zu neuen Höhen aufgestiegen ist, ist zu einem gut Teil das Verdienst von Trainer Hernán Darío Gómez. Der 46 Jahre alte Kolumbianer gilt als hervorragender Motivator und Psychologe. Er sammelte große Erfahrungen als Assistenztrainer der kolumbianischen Nationalmannschaft unter Francisco Maturana. Gómez habe nicht nur den Teamgeist gefördert, erklärt Stürmer Augustín Delgado (FC Southampton). “Er hat uns auch die Angst vor den Großen wie Brasilien genommen”, sagt der mit neun Treffer erfolgreichste Torjäger der WM-Qualifikation. Gómez zieht die Spieler vor Länderspielen imer in einer ungemütlichen Militärschule zusammen, vermittelt ihnen in dem rauen Umfeld viel Selbstvertrauen (…) Dass Gómez in Ekuador zum Volkshelden aufstieg, hängt neben dem Erfolg aber auch mit einem Vorfall aus dem Mai 2001 zusammen. Damals wurde er von einem Trupp Schläger überfallen, die ihm das Nasenbein zertrümmerten, zudem erlitt er eine Schussverletzung im Oberschenkel. Ganz Ekuador glaubt, der Überfall hänge damit zusammen, dass Gómez den nur mäßig begabten Sohn des früheren ekuadorianischen Präsidenten Bucaram nicht berücksichtigte.”

Kroatien

Dem schwachen Auftritt gegen Mexiko sowie der schweren Aufgabe im morgigen Spiel gegen Italien zum Trotz ist man in Kroatiens Lager optimistisch. Vercernij List (6.6.) dazu. „Trainer Jozic, aufgrund des katastrophalen Spiels seiner Mannschaft gegen Mexiko unter Druck, meidet den Kontakt mit der Presse. Die wenigen Aussagen, die von ihm zu erhalten sind, lassen erahnen, dass es gegen Italien am Samstag wohl keine „Bunker-Taktik“ geben wird. „Wenn wir es schaffen, Vierri und Totti auszuschalten, ist alles möglich. Wir werden nicht auf ein Unentschieden spielen. Die Chancen stehen 50:50.“ Das findet sogar Miroslav Blazevic gut – Trainer der kroatischen Elf von 1998, die damals WM-Dritter wurde –, der meinte: „Damit wäre das Problem gelöst: kein Zu-Null-Spiel mehr, bravo!“ Der Ex-Trainer fuhr fort: „Ich denke, die Chancen stehen in diesem Fall sogar 65:35 für uns.“ Wie die Journalisten erfahren konnten, gab es wohl ein Treffen der beiden, in dessen Rahmen auch über das bevorstehende Italien-Spiel geplaudert wurde.“

Zweihundert japanische Kinder besiegten die kroatische Mannschaft erfahren wir aus der kroatischen Presse (Vecernji List 25.5.). “Das gestrige Training der kroatischen Mannschaft wurde zum wahren Spektakel. Zweihundert japanische Jungen und Mädchen werden diesen Tag für immer in Erinnerung behalten. Die Kinder durften zwanzig Minuten gegen die „Feurigen“ (Spitzname der kroatischen Mannschaft wegen der rot-weißen Trikots, Anm. d. Übers.) spielen. Anfangs spielten 120 Nachwuchskicker gegen 24 Kroaten. Nachdem die Japaner in Führung gingen, konnte Suker auf bemerkenswerte Weise ausgleichen. Prosinecki musste sich erst durch den gekonnt verbarrikadierten Raum der Gastgeber wühlen, bevor er mit einer manuell ausgeführten Flanke die Vorlage zu Sukers Kopfballtor lieferte. Die Japaner konnten sich von diesem Schock allerdings recht schnell erholen und gingen durch einen Elfmeter – bei dem Torhüter Butina ins falsche Eck geschickt wurde – erneut mit 2:1 in Führung. Der kroatische Trainer Mirko Jozic sah bereits das dicke Ende kommen und arrangierte zwei zusätzliche Spielbälle. Das sich darauf anschließende Dreiballspiel führte allerdings zu einer weit gehenden Zersplitterung des Spielflusses. Es blieb beim 2:1.”

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Nachgiebigkeit des DFB

„Was ist passiert?“ fragt Philipp Selldorf in der SZ ungläubig ob der Nachgiebigkeit des DFB gegenüber den Forderungen seitens der Vereinsvertreter, insbesondere in Gestalt von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. In der Tat hat DFB-Präsident Mayer-Vorfelder den rechtlich bestenfalls zweifelhaften Regressansprüchen der Münchner im Fall Deisler unnötigerweise nachgegeben. Die Summe beläuft sich nach Spekulationen in der Presse auf eine Zahl zwischen 550.000 (Spiegel) und 1.000.000 Euro (FR). Zur Erinnerung: Der Jungnationalspieler hatte sich in einem Länderspiel im Mai schwer verletzt, woraufhin er nach seinem anschließendem Transfer von Berlin nach München kein Spiel für seinen neuen Arbeitgeber bestreiten konnte.

Der Fall erstaunt umso mehr, da die Bedingungen zwischen Verband und den Verein für einen solchen Fall eigentlich vertraglich geregelt sind und eine Entschädigung vorsehen. „Rechtlich betrachtet, hat der Verband keine Veranlassung, Schadenersatz zu leisten“ (SZ). Was also bewegte Mayer-Vorfelder dazu, Kulanz an den Tag zu legen? Die Bedürftigkeit des Kontrahenten kann es ja wohl nicht sein. Mitleid scheidet als Motiv demzufolge aus. Andersherum: Was machte den Bayern ernsthaft Hoffnung, eine solche Forderung gegen die Buchstaben der Statuten überhaupt durchsetzen zu können?

Diese Woche, Sie merken es, ist auf dem grünen Rechteck nicht viel passiert. Das hat freilich den Vorteil, dass man den Strippenziehern an den Handlungstischen etwas genauer auf die Finger schaute. Daher dominiert derzeit die Auseinadersetzung mit Moral und Recht die Sportseiten des Blätterwalds. Jedoch bemerkte die FAZ bereits vor einem Vierteljahr zum genannte Ansinnen, das seinerzeit noch von Manager Uli Hoeneß vorgetragen worden war: „Sportrechtlich und sportmoralisch ist einiges unklar” und verwies einerseits auf die einseitige Argumentationskette des Bundesligagiganten. Andererseits, so war dort zu lesen, habe man seit langem wissen müssen, dass es sich bei Deisler um einen (bedauerlicherweise) verletzungsanfälligen und damit bei einem Transfer um eine riskante Geschäftshandlung handelt.

Zwei weitere Aspekte in der Beweisführung Rummenigges und Hoeneß´ verärgern den neutralen Beobachter. Erstens wurde das von materiellen Interessen motivierte Vorhaben von den – man muss es sagen – üblichen Drohgebärden begleitet. So stritt man im Vorfeld zeitgleich um Werbeverträge und Persönlichkeitsrechte der Spieler. In dieser rechtlichen Grauzone wollte Rummenigge geltlich machen „dass der DFB auf die Werbeaktivitäten und -partner der Bundesligavereine Rücksicht nehmen muss, wenn er seine Nationalmannschaft vermarktet, und er sprach dabei nicht nur für seinen Klub, sondern glaubte die ganze Liga hinter sich“ (SZ). Zweitens zeugt der Rat Rummenigges, der DFB solle „keine Paragraphenreiterei“ betreiben, und damit nach gesundem Rechtsempfinden urteilen, von opportunistischer Rechtsauffassung. Wie würde Herr Rummenigge denn sich herauswinden wollen, wenn der DFB im Gegenzug eine Beteiligung an den Einnahmen vom Verkauf an Michael-Ballack-Trikots fordern würde? Schließlich geht dessen Popularität zum großen Teil auf die Karriere in der Nationalelf zurück. Oder: Hätte sich Stürmer Carsten Jancker (kein Tor in der Vorsaison) für teures Geld nach Italien transferieren lassen, wenn er nicht im DFB-Dress Vize-Weltmeister geworden wäre? Herr Hoeneß, wie reagieren Sie – in unserem Gedankenspiel – auf Beteiligungsklagen seitens des Verbands?

So ist auch in den deutschen Tageszeitungen der Eindruck zurückgeblieben, dass der DFB-Chef „um der lieben Ruhe willen“ (FR) eingelenkt habe, denn: „Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder will sein Amt in Frieden genießen“ (SZ). Gleichzeitig ist man sich bei den Entscheidungsträgern der Folgen des Kuhhandels augenscheinlich bewusst. So versucht Mayer-Vorfelder künftige Begehren von anderer Seite mit dem entlarvenden Hinweis abzutun, es handle sich hierbei um „keinen Präzedenzfall“. Doch mit welcher Begründung würde man denn dem VfL Bochum finanziellen Entschädigung verweigern, wenn – Gott bewahre – Auswahlspieler Paul Freier sich eine Verletzung zuziehen würde? Mit Gerechtigkeit und juristischem Augenmaß hatte diese Angelegenheit folglich ebenso wenig zu tun wie mit gesundem Rechtsempfinden und Solidarität.

Weiteres Thema: „Diplomaten in Stollenschuhen“ (FR). Die DFB-Elf tritt heute in Sarajevo gegen die Auswahl Bosnien-Herzegowinas an und kann angesichts der dort herrschenden Not „an bleibenden Eindrücke fürs Leben arbeiten“ (SZ)

Philipp Selldorf (SZ 11.10.) meint dazu. „So viel Nachgiebigkeit erstaunt. Der FC Bayern ist nicht bedürftig, und es liegt allein in seiner Verantwortung, wenn er mit Deisler trotz dessen akuter Verletzung und hinlänglich bekannter Labilität einen Vertrag schließt, der dem Spieler selbst bei anhaltendem Fehlen stets das komplette Gehalt garantiert. Solche Ausnahmeverträge sind zwar nicht unüblich, aber sie sind auch riskant. Die Bayern wollten den hochbegabten Deislerunbedingt haben, was sie mit einer Vorabzahlung von zehn Millionen Mark auf eigenartige und – wie sie merken mussten – nicht statthafte Art bewiesen haben. Für diesen Ehrgeiz müssen sie ihm nun Monat für Monat ein Gehalt überweisen, dessen Dimension an der Vorkasse abzulesen ist. Das ist Pech. Nur: Warum soll sich der DFB am privaten Schaden der Bayern beteiligen? Ähnliches gilt in der strittigen Frage, wie viel Werbung der DFB noch mit den Münchner Stars machen darf (…) Die Probleme, die aus den Ansprüchen ihrer Finanziers entstehen, reichen die Bayern an den DFB weiter – und der ordnet sich unter. Aus Kulanz und Partnerschaft? Oder weil die Bayern groß und mächtig sind und ihren Sonderstatus geltend gemacht haben? Sicherlich beides. Welcher der Beweggründe das größere Gewicht hat, ist allerdings nicht schwer zu erraten.“

Die FAZ (10.7.) kommentiert die Regressforderungen der Bayern. „Sportrechtlich und sportmoralisch ist einiges unklar. Hoeneß‘ schadensersatzbegründende Formel, es müsse eine Lösung gefunden werden, „weil die Verletzung eindeutig in einem Länderspiel passiert ist“, lenkt den Blick in plumper Weise weg von den tatsächlichen Problemen. Mitnichten eindeutig sind nämlich die übrigen Tatbestandsmerkmale. Genügt schon der bloße Einsatz eines Nationalspielers, um Forderungen des Vereins auf Ersatz von Lohn zu rechtfertigen? Und ist der DFB tatsächlich der eigentliche Verursacher der Verletzung und nicht vielmehr Deislers damaliger Gegenspieler oder gar der zu zaghafte Zweikämpfer Deisler selbst? Auch die Frage eines Mitverschuldens von Uli Hoeneß ist zu erwägen, verpflichtete er doch sehenden Auges einen bekanntermaßen verletzungsanfälligen Jungstar und klagt nun lauthals über die Realisierung eines Risikos, das offenkundig war.“

Michael Ashelm (FAZ 11.10.). „Das Feld bleibt umkämpft, bei aller Gesprächsbereitschaft. Die Werbepartner des Rekordmeisters, Telekom und Audi, sollen nun nach Angaben des „kicker“ jegliche Werbeauftritte fern des FC Bayern untersagt haben. Bei den vielen Forderungen an die Adresse des DFB müssen sich allerdings auch die Vereine fragen lassen, woraus ihr Entgegenkommen besteht. So könnte ja der Verband auf die Idee kommen, sich an den Ablösesummen seiner Nationalspieler beteiligen zu lassen, die ihren Mehrwert erst im DFB-Trikot geschaffen haben.“

Über die Bedeutung des heutigen Länderspiels in Sarajevo heißt es bei Philipp Selldorf (SZ 11.10.). „Der DFB erhält mehr Einladungen für Freundschaftsspiele als er annehmen kann. Die Deutschen sind ein gern gesehener Gast, weil ihre Nationalelf einen guten Ruf hat – und nicht zuletzt auch deshalb, weil ihre Fernsehanstalten den gastgebenden Verbänden stabile Honorare für die Übertragung bezahlen. Aus dem guten Dutzend Offerten für das Spiel an diesem Freitag hat der DFB rasch die bosnische Anfrage ausgewählt (…) Oft klingt es halt ein wenig unbeholfen, wenn sich die Fußballer über ihre im weiteren Sinne politische Mission äußern – was aber auch nicht zu ihren originären Aufgaben gehört. Als das Nationalteam zu Zeiten von Berti Vogts in Israel spielte und die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besuchte, wandte sich Mario Basler an den Bundestrainer: „Trainer, stimmt das alles?“ Und Vogts antwortete: „Ja, Mario, das war so.“ Nur eine Episode am Rande, die Spieler hinterließen einen guten Eindruck bei ihren Gastgebern. Diesmal will Völler seiner Mannschaft vor dem Besuch im Soldatenlager etwas vom höheren Zweck ihres Aufenthalts erzählen. Im Camp erwartet er ein Willkommen, wie es den Hollywood-Diven bei Besuchen bei GIs zuteil wird (…) Fußball ist natürlich auch in Bosnien ein Volkssport mit sozialer und politischer Wirkung. Dass im August erstmals seit Kriegsende eine gesamt-bosnische Liga ihren Betrieb aufgenommen hat, in der Klubs aus dem serbischen wie aus dem muslimisch-kroatischen Landesteil spielen, ist ein Fortschritt, für den sich einige engagierte Funktionäre auch der Fifa lange hatten einsetzen müssen.“

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 10.10.). „Es ist ein aufgeräumter Völler, der die Mission Sarajevo nicht als „Pflicht“, sondern als ein „Muss“ empfindet, weil sich „viel getan hat auf dieser Welt“, womit er die politischen Veränderungen meint. Es sei auch ein Besuch bei Landsleuten, die auf ihre Weise Deutschland vertreten. Für Rudi Völler „Jungs, die ihren Dienst tun“. Es gibt halt ein Leben außerhalb der Stadien, mit dem wohlbehütete, rundum versorgte Nationalspieler für ein paar Stunden konfrontiert werden. So wird aus der Stippvisite zum Länderspiel nach Sarajevo eine Bildungsreise. Live-Bilder und Eindrücke werden eindringlicher sein, als es das Kleingedruckte sein kann.“

Fußball in Bosnien FR

Philipp Selldorf (SZ 9.10.) erläutert einen Interessenkonflikt. „Der Vorstandschef des FC Bayern (Rummenigge, of) ist der Meinung, dass der DFB auf die Werbeaktivitäten und -partner der Bundesligavereine Rücksicht nehmen muss, wenn er seine Nationalmannschaft vermarktet, und er spricht dabei nicht nur für seinen Klub, sondern glaubt die ganze Liga hinter sich (…) Dass der DFB mit Firmen arbeitet, die mit den Werbepartnern der Vereine konkurrieren, ist kein ganz neues Problem. Der Klassiker ist die Schuhfrage: Regelmäßig haben die Boulevardzeitungen den „Schuhkrieg” ausgerufen, wenn ein Nationalspieler mit adidas statt mit Nike oder Puma spielte, respektive der Verkaufsförderung diente (…) Besonders der FC Bayern bietet mittlerweile eine Streitmacht der Gönner auf. Voran Hauptsponsor Telekom, der bereits allergisch reagierte, als der Ober-Bayer Franz Beckenbauer seinen privaten Werbevertrag mit dem Mobilfunk-Konkurrenten O2 präsentierte. Der nächste Zusammenstoß ist programmiert, sobald der DFB den geplanten Abschluss mit dem Rivalen e- plus perfekt macht. Ähnlich geht es der Firma Audi, die den Münchnern fünf Millionen Euro pro Jahr überweist, um sich „Automobilpartner“ nennen zu dürfen. Audi, so befürchtet Rummenigge, kann es nicht gefallen, dass Kahn, Ballack und Co. in einen Mercedes umsteigen, sobald sie bei der Nationalmannschaft sind (dass sie zuhause gern auch Porsche und Ferrari fahren, bleibt einstweilen ihr Privatvergnügen). Undenkbar aber, künftig bei der Werbung die Audi- von den Mercedes-Fahrern zu trennen.“

Das Interesse von Eintracht Frankfurt, Andreas Möller als Funktionär zu verpflichten, kommentiert Jörg Hanau (FR 10.10.). „Wie fast alles im beruflichen Leben des Andreas M. und dessen Berater, der seinem Freund und Klienten seit beinahe zwei Jahrzehnten zur Seite steht. Klaus Gerster ist es, der den beruflichen Werdegang Möllers bestimmte. Gerster handelte die Verträge aus, bestimmte mitunter sogar den Zeitpunkt, wann das begnadete Talent Möller die Vereine zu wechseln hatte. Unvergessen Möllers weinerliches Versprechen an das Dortmunder Publikum, der Borussia treu zu bleiben. Ein paar Wochen später unterschrieb er in Frankfurt. Und auch hier versprach er seinen Fans die ewige Treue, bevor er 1992 über die Alpen zu Juventus Turin entfleuchte. Das Image des selbstständigen Profis besitzt einer wie er ganz sicher nicht. Auf dem Platz hat es dem großartigen Fußballer in Verein und Nationalmannschaft zu oft an Führungsstärke gemangelt, und nicht von ungefähr hängt ihm der Spitznamen „Heulsuse“ an. Am Verhandlungstisch hat einzig und allein Gerster Möller die Feder geführt. Wer auch immer Andreas Möller zum Sportdirektor befördern wird, er muss also auch wissen, ein Möller entscheidet selten allein. Der „schwarze Abt“, wie sie Gerster gerne rufen, wird Möller auch künftig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wer Möller verpflichtet, muss gewahr sein, Gerster praktisch „gratis“ dazu zu bekommen.“

Die prekäre Finanzsituation beim 1. FC Kaiserslautern kommentiert Michael Ashelm (FAZ 9.10.). „Die völlige Selbstüberschätzung in Sachen rascher Stadionausbau führte schnurstracks in die tiefe Krise. Doch, wie konnte es überhaupt passieren, dass die Deutsche Fußball Liga (DFL) als oberstes Kontrollorgan der Lauterer Fußball-Unternehmung so problemlos eine Lizenz für diese Spielzeit erteilte? Steht ungeahnt sogar der nächste Crash in der Bundesliga bevor? Neben dem Missmanagement der Vereinsfunktionäre entpuppen sich große Schwächen des Systems. Gehandelt wird frei nach dem Motto: wegschauen und hoffen. Ein wenig darf sich die DFL vom FCK an der Nase herumgeführt sehen, war doch die Möglichkeit eines Ausbaus des Fritz-Walter-Stadions (wie vom Mai an dann geschehen) nicht in den eingereichten Unterlagen vermerkt worden. Ein Trick? Oder Fahrlässigkeit des Vereins? Der ambitionierte Verein stand beim WM-Organisationskomitee in Frankfurt im Wort, die Zuschauerkapazität für das Großereignis schnellstens auf fast 50.000 Sitzplätze zu erhöhen. Zudem machte die sportliche Situation Mut, glaubten viele noch zu Beginn des Jahres, die Mannschaft und sein inzwischen entlassener Teamchef Andreas Brehme würden leicht das internationale Geschäft erreichen. Schließlich ließen sich bei der Fußballbegeisterung in der Pfalz mit einem größeren Stadion auch größere Erträge erwirtschaften. Immer wieder betonte Jürgen Friedrich, mittlerweile als Vorstandsvorsitzender vom Schweizer Troubleshooter René C. Jäggi abgelöst, die Finanzierung sei gesichert. Nichts davon stimmte.“

Jan Christian Müller (FR 9.10.) befürwortet eine Teilnahme der DFB-Auswahl am Konförderationen-Cup. „So ein nettes Turnier gleich um die Ecke könnte man sich also auch zunutze machen, wie bei der WM professionell arbeiten und Marketing in eigener Sache betreiben. Auch im Sinne der Bundesliga, deren globaler Stellenwert längst weit hinter Spaniens Primera Division und Englands Premier League zurückgefallen ist.“

Ausland

Birgit Schönau (SZ 10.10.). „Er ist einer jener großen Opportunisten, die das Tor wittern, ohne Rücksicht auf Gegner und Mitspieler nach vorn ziehen, weder Angst noch Ladehemmung kennen im entscheidenden Moment, weil ihre Instinktsicherheit sie über jeden Selbstzweifel erhaben macht (…) Als er noch für Juventus spielte, vier Jahre im Dienst der Alten Dame, lieferte er sich auf dem Platz immer wieder Nervenduelle mit seinem Partner Alessandro Del Piero. Die beiden konnten sich so offensichtlich nicht leiden, dass es auch dem neutralsten Zuschauer auffallen musste. Aber die Juve-Fans sind nicht neutral. Sie verehren Del Piero. Inzaghi war bei ihnen unten durch, weil er dem Mitspieler gern den Ball abnahm, um ihn lieber selbst ins Tor zu setzen. Der Avvocato Agnelli fand das gar nicht gut und kanzelte seinen Angestellten als „hochfahrende Rotznase“ ab. Darauf Inzaghi kühn: „Wer mich kritisiert, der zweifelt am Fußball selbst.“ Alles Schnee von gestern, versichern Del Piero und Inzaghi, die sich aber in der Nationalmannschaft unverdrossen weiter gegenseitig die Bälle klauen. Reiner Zufall deshalb, dass plötzlich auch Del Piero nach langer Abstinenz wieder Tore für Juve schießt, seitdem Superpippo in Mailand ist. Inzaghi sieht nicht so aus, als ob er sich über derartige Feinheiten den Kopf zerbrechen würde. Ihn nach Dingen zu befragen, die über das Spielfeld hinausgehen, erzeugt nur Stirnrunzeln.“

Thomas Klemm (FAZ 9.10.). erzählt die Geschichte eines Stürmers. „Die Irrungen und Wirrungen des Mário Jardel zwischen Liebe und Leiden, Krönung und Krankheit muten an wie für „Telenovelas“ erfunden, jene brasilianischen Seifenopern, die Portugiesen tagtäglich im Fernsehen verfolgen. Binnen weniger Wochen brach die Fassade vom Torjäger, der sich stets souverän und lebensfroh gab, in sich zusammen. Hatte der Stürmer, der als äußerst treffsicher, aber ziemlich unbeweglich gilt, unmittelbar nach dem Titelgewinn noch selbstironisch in die johlende Menge gerufen: „Wisst ihr, dass ihr einem Anti-Fußballer zujubelt?“, so spricht er mittlerweile meist schleppend. Er suche „ein bisschen Ruhe“, sagt Jardel, „ich muss optimistisch sein“. Mit dem Zwang zur Zuversicht will der Brasilianer sein zerbrochenes Selbstbild wieder zusammenfügen, nachdem für ihn von Monat zu Monat ein weiteres Stückchen aus jener vermeintlich heilen Welt gebrochen war, in der er sich neu einrichten wollte. Im Mai zog es Jardel aus Lissabon fort, er verwies auf ein angebliches Angebot von einem italienischen Klub; im Juni forderte er von Sporting plötzlich eine Erhöhung seiner Bezüge; im Juli kam der Brasilianer aus dem Heimaturlaub kurz nach Lissabon, erklärte unter Tränen, dass ihm sein Zustand nicht erlaube, Fußball zu spielen, dass er, nachdem ihn seine Frau mit den beiden Kindern verlassen habe, „am Ende“ sei und dass er sich in tiefenpsychologische Behandlung begeben werde. Flugs reiste der Brasilianer wieder zurück in seine Heimat nach Fortaleza, hinterließ in Lissabon Zweifel an seinem wahren Gesundheitszustand. Im August, als ihn angeblich Real Madrid, der FC Barcelona und Betis Sevilla umwarben, kündigte er an, nie wieder für Sporting spielen zu wollen. Nachdem in Spanien Anfang September Transferschluss war, Jardel aber immer noch keinen neuen Verein vorweisen konnte und es dreimal ablehnte, sich vom Vereinsarzt untersuchen zu lassen, ließ Sporting den bis 2004 laufenden Vertrag ruhen und setzte die Gehaltszahlungen an den Stürmerstar aus. Bis heute gibt es kein offizielles Dossier über seinen Zustand. Seit der Neunundzwanzigjährige aber Reue gezeigt und der Klub keinen Abnehmer für die Transferrechte an ihm gefunden hat, geht man bis auf Weiteres wieder gemeinsame Wege.“

Zur Lage des albanischen Nationalteams NZZ

Porträt des deutschen U19-Nationalspierls Robert Huth (FC Chelsea London) taz

Porträt PAOK Saloniki NZZ

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Afrikas Fußball

Den Sieg Senegals könnte man als weitere Etappe des afrikanischen Emanzipationsprozesses deuten. „Womöglich ist Afrikas Fußball doch viel besser, als im Vorfeld des Turniers von Europäern und Südamerikanern behauptet wurde“ (taz), lautet daher die vorsichtige Schlussfolgerung. Doch welchen Aussagewert dieses Spiel tatsächlich für die interkontinentale Hierarchie besitzt, wird sich erst im weiteren Turnierverlauf zeigen. „Jedenfalls wäre es erfreulich, wenn ein Land der Dritten Welt den Pokal gewinnt. Je kleiner das Land, desto höher schlägt mein Herz“, wird der Rhetorikprofessor Walter Jens (FAZ) zitiert.

Hoffen wir also auf weitere Überraschungen! Es muss ja nicht unbedingt heute sein: „Im vergangenen Jahrzehnt war keine Nationalmannschaft der arabischen Welt und Asiens erfolgreicher als die Saudi-Arabiens“ (FAZ). Wird die deutsche Mannschaft den heutigen Gegner unterschätzen? Die akribischen Beobachtungen des Trainerstabs sprechen jedenfalls dagegen.

Außerdem: „Sapporo hat sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft vorbereitet, als ob der Einfall der Hunnen bevorstünde“ (FAZ), Team Deutschland und sein Chef Völler sowie: über die Eröffnungsfeier.

Pressestimmen aus Deutschland, Schweiz, Frankreich, Senegal und Italien zum Eröffnungsspiel

Die Eröffnungsfeier kommentiert Andreas Burkert (SZ 1.6.). „Die Gastgeber haben wie gewohnt den Anspruch, die Bestmarken der Vorgänger zu übertreffen. Bei den Kosten ist ihnen ein Rekord bereits sicher: Einen Etat von 560 Millionen Euro hat der Weltfußballverband Fifa für die erste WM in Asien veranschlagt, womit sich das Budget im Vergleich zur WM ’98 in Frankreich verdoppelte. 50 Millionen Euro sind allein für die massiven Sicherheitsvorkehrungen verplant, welche die Fifa nach den Terroranschlägen des 11. September anordnete. Trotzdem soll diese WM ein Fest des Sports, der Farben und der Verständigung werden. Da passte es gut, dass ein Friedensnobelpreisträger vor dem Auftaktspiel die Eröffnungsformel sprach: Kim Dae Jung, Südkoreas Staatspräsident, der den Versöhnungsprozess mit dem kommunistischen Nordkorea in Gang gebracht hat. „Durch die Fußballspiele wird sich die ganze Welt vereinen, unabhängig von Abstammung und Religion“, sagte er.“

Michael Horeni (FAZ 1.6.) über Teamchef Völler. „Völler wirkt in diesen Tagen relativ entspannt. Es war in Mimik, Gestik und Tonfall in den Tagen der Vorbereitung in Miyazaki kein Unterschied zu erkennen zu einem gewöhnlichen Länderspiel. Der Teamchef führt seine Mannschaft auf eine angenehm beiläufige Art. Völler hält auch jetzt nichts von großen Ansprachen, lieber nimmt er sich auf dem Trainingsplatz mal einen Spieler zur Seite und erklärt, wie die Sache auf dem Spielfeld laufen soll. Oder er setzt sich beim Essen zu einem Spieler, um ihm en passant auf Dinge aufmerksam zu machen, die zu verbessern sind. Die Spieler schätzen es, wie es Völler versteht, solche Sachen ohne Tamtam auf den Punkt zu bringen.“

„Wenig Stars, viele Stripes“ heißt es zum Zustand der deutschen Mannschaft und in Anspielung auf Christian Zieges schwarz-rot-goldene Haar-Streifen in Repubblica (1.6.): „Im Gegensatz zu Kanzler Schröder, der einen Prozess gegen eine deutsche Zeitung gewonnen hat, die ihm unterstellte, sich die Haare zu färben, hat sich Ziege mit seiner neuen Haartracht stolz den Fotografen gestellt.“

Warum Deutschland nicht mehr Weltspitze ist, erklärt Christof Siemes (Die Zeit 29.5.) mit dem Zustand unseres Landes. „Nie ist eine deutsche Mannschaft mit geringeren Hoffnungen zum wichtigsten Turnier der Welt aufgebrochen. Wie im richtigen Leben, in all den Rankings in Wirtschaftswachstum, Reformfähigkeit, Innovationsfreude, Schlagersingen, so ist Deutschland auch im Fußball von der Weltspitze weit entfernt (…) Rudi Völler ist die klassische Problemlösung Ära Schröder: Sie ist vor allem publikumswirksam (…) Ob der ungelernte Trainer der ersten Mannschaft eines Landes, das gerade in Sachen Taktik, neuer Spielsysteme, Flexibilität auf dem und jenseits des Platzes hinterhinkt, Beine machen kann? (…) Die jetzige Mannschaft ist eine, die es nicht als Lust oder Chance, sondern als ihre saure Pflicht begreift, aus dem Mittelmaß herauszukommen.“

Den heutigen Gegner der deutschen Fußballelf nimmt Hartmut Scherzer (FAZ 1.6.) unter die Lupe. „Der Teamchef und sein Stab kennen den Gegner ohnehin fast in- und auswendig: ein herausragender Torhüter, zwei gute Innenverteidiger, ein kompaktes Mittelfeld, eine echte Spitze, keine ausgesprochenen Kopfballspezialisten, aber gefährlich bei Standardsituationen (…) Der Kapitän heißt Sami Al-Jaber, ist 29 Jahre alt, spielt Stürmer oder hinter der Spitze, hat 153 Länderspiele absolviert und durfte als bisher erster und einziger saudischer Nationalspieler nach Europa wechseln. Das Abenteuer bei Wolverhampton Wanderers dauerte aber nur acht Monate. Das Leben als verhätschelter Fußballgünstling der Königsfamilie ist für einen Saudi eben doch angenehmer.“

Die Stimmung in Sapporo – Austragungsort des Spiels Deutschland gegen Saudi-Arabien – ist getrübt, was durch die Intensität der dortigen Sicherheitsvorkehrungen zusätzlich verstärkt wird. Anne Scheppen (FAZ 1.6.) dazu. „Kurz vor dem ersten Spieltag in Japan herrscht im hohen Norden mehr Unsicherheit als Freude. Aus Angst vor den Gästen werden Geschäfte geschlossen, Kinder im Haus gehalten. Die Aussicht auf Horden betrunkener Fußballfans hat den Enthusiasmus gebremst, noch ehe er richtig ausbrechen konnte. Seit Wochen berichten die Medien landauf, landab über ein Schreckensgespenst: den Hooligan. Kaum ein Tag verging, ohne dass die Polizei mit großem Aufgebot an einem der zehn Austragungsorte den Ernstfall probte und mit Helmen und Schlagwaffen zum Einsatz schritt. Die Bilder sollten beruhigen, sie bewirkten aber das Gegenteil (…) Die Ängste – zumindest vor den Hooligans – wirken so überzogen, dass sogar Prinz Takamado, der als Mitglied der kaiserlichen Familie für die Eröffnung nach Seoul gereist ist, warnt, bei all den Sicherheitsvorkehrungen könnte die Freude auf der Strecke bleiben.“

Auch Benjamin Henrichs (SZ 1.6.) wird sich von einem grassierenden Virus anstecken lassen wollen. „Bald wird einen das WM-Fieber doch befallen, ob man sich wehrt oder nicht. Bald wird man selber den ersten Fußballschrei ausstoßen, und es wird nicht der letzte bleiben. Und irgendwann wird man selber dem brüllenden Torhüter Kahn vielleicht ähnlicher sehen als dem Menschen, der man heute ist. Herr K., Kafka, Kahn: Auch diese Geschichte, die jetzt beginnt, könnte dereinst den Titel „Die Verwandlung“ tragen. Wenngleich sie wohl leider nicht in die Weltliteratur eingehen wird.“

Frankreichs reagiert auf die wirtschaftsfeindlichen Arbeitszeiten

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Die Lage in Leverkusen

Thema Nummer Eins in den Sportredaktionen Deutschlands: die Lage in Leverkusen, wie gehabt. Der Gelassenheit des neuen Trainers Klaus Augenthalers schreiben die Autoren großen Einfluss beim 3:0 über 1860 München zu. „Wie Klaus Augenthaler die Leverkusener zum Sieg führte“, liest man im Tagesspiegel, und der Lokalkonkurrent Berliner Zeitung schreibt: „Nach den wochenlangen Possen um Aushilfscheftrainer Thomas Hörster und Sportdirektorenlehrling Jürgen Kohler scheint Augenthaler in Leverkusen fast eine Erlösung zu sein. Allein schon weil er weniger Unsinn redet.“ Die SZ beschreibt den Weltmeister von 1990 als „Ruhepol im Hühnerhaufen“. Mit Spannung erwarten die Beobachter nun das Abstiegsfernduell zum Saisonausklang zwischen Arminia Bielefeld und Bayer, das ausgerechnet bei Augenthalers Ex-Klub Nürnberg antreten muss.

Weitere Themen: Richtige Feierstimmung wollte in München nicht aufkommen, wo DFB-Teamchef Rudi Völler – Leo Kirch hatte man wohl nicht gefragt – die Ehrung vollzog. Anlass für die FR teilt nach zwei Seiten auszuteilen: „Die Übergabe der Meisterschale an den nun 18-fachen Champion Bayern München war ungefähr so aufregend wie ein Heimspiel von Borussia Dortmund.“ Und: Der 1. FC Kaiserslautern, Heimstätte der Fußballleidenschaft, rettet sich dank nüchternem Vereinsmanagement.

Christian Eichler (FAZ 19.5.) beleuchtet die Spannung der Liga. „Entweder Augenthaler wird mit einem Sieg in Nürnberg, wo man ihn Ende April entließ, binnen zwei Wochen im Mai zum Retter der bestbesetzten Mannschaft, die je in Zweitligagefahr geriet. Oder er schafft es als erster, mit zwei Klubs am selben Tag abzusteigen. Allein die originelle Finalpersonalie kann nicht über den Attraktionsmangel einer Saison hinwegtäuschen, die kaum als Werbemaßnahme für den kommenden, den wirklichen Existenzkampf der Liga taugt: den um die Fernsehgelder. Hinter den Bayern konnten nur die jugendbewegten Stuttgarter einen Hauch von der spielerischen Kunst erzeugen, mit der im letzten Jahr Leverkusen die Fans des schönen Fußballs verwöhnt hatte. Sonst aber wurden allerorten nur noch triste Minimalziele verwaltet. 60 Punkte, so wenig wie nie, seit 1995 die Dreipunkteregel eingeführt wurde, werden für Platz zwei reichen. Es zeigt, wie weit sich hinter den Bayern das Niveau nivelliert, wie breit sich das Mittelmaß in der einst stärksten Liga der Welt gemacht hat (…) Mögliche Konkurrenten durch Wegkäufe zu schwächen war immer Teil der Bayern-Strategie. Nun muß sich der Meister fragen, ob er es nicht übertrieben hat. Wo die Konkurrenz den Namen nicht mehr verdient, läßt sich auch das Münchner Hochglanzprodukt schlechter verkaufen. Die ungleiche Verteilung wirkte oft so lusttötend wie beim Freizeitkick auf der Wiese, wenn sich beim Zusammenwürfeln der Teams die Besten alle auf einer Seite zusammenfinden. Spätestens wenn der Vorsprung zweistellig wird, sollte man neu mischen.“

Auch Katrin Weber-Klüver (FTD 19.5.) würde sich über mehr Abwechslung freuen. „Es war eine lausige Saison. Ohne den sagenhaften Leverkusen-Absturz und seine Personalpossen wäre sie für jede vereinsübergreifende Kneipenplauderei tödlich langweilig geworden. Man möchte sich ja als zivilisierter Mensch keine Zigarettenlänge mit dem Liebesleben dicklicher, egomaner ehemaliger Nationalspieler befassen. Man möchte sich schon ganz reell über Fußball unterhalten. Aber wenn es zwischen überforderten Cottbusern und unterforderten Bayern nur ordentlichen, unauffälligen Fußball gibt, den ordentliche, unauffällige Trainer ihre ordentlichen, unauffälligen Teams spielen lassen, ist das vergebliche Liebesmüh. Man kann sich jenseits von Schwaben nicht stundenlang am VfB Stuttgart ergötzen. Und selbst wer Sympathien für das Werk Erik Gerets in Kaiserslautern hat, sieht doch, dass der reale Pfälzer Fußball so unansehnlich ist wie – nun eben all dieser Fußball, der in seiner Ödnis eine Art Wolfsburgisierung der Liga darstellt. Auf Leverkusen kann man nicht mehr zählen. Die Leverkusener haben über Jahre unterhalten, sportlich und überhaupt. Jetzt müssen sie sich erholen, in der Zweiten Liga oder im Mittelmaß der Ersten. Wo ist egal, nichts von beidem taugt für Spektakel. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute ist: Leverkusen verschwindet zwar, aber der Tollste aller Leverkusener steht schon wieder vor der Tür. Er hat sich angeschlichen, über Istanbul und Wien, über ein paar Interviews hier und kleine Indiskretionen da. Sonnabend hat er sich im „Aktuellen Sportstudio“ geläutert und dankbar für netten Applaus gezeigt. Die wahre Botschaft war: Christoph Daum langweilt sich in Österreich. Drei Jahre Verbannung sind genug.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

David Beckham, zu groß und berühmt für Manchester United und Alex Ferguson

Beckham, die kulturelle Ouvertüre zur WM, und Vieles mehr (mehr …)

Ballschrank

Ja, wo samma denn?- Ja, Sappradi!

Harry Valérien zum 80. Geburtstag – Arminia Bielfeld weiß nicht wohin – die Bild-Zeitung ist salonfähig geworden (FR); nicht zufällig, wie ich finde

Erik Eggers (FR 4.11.) gratuliert dem vorbildhaften Kollegen Harry Valérien: „Zu Beginn der 1950er Jahre tobte in vielen deutschen Funkzeitschriften, wie sie damals noch hießen, eine so genannte Nachkriegsdebatte. Den bekanntesten Radioreportern wurde dabei nichts anderes vorgeworfen als Kriegsberichterstattung, Herbert Zimmermann, Otto Wernicke und Ludwig Maibohm wurden hart kritisiert für ihren brachialen Stil, den viele mit den klirrenden Frontberichten des Zweiten Weltkrieges assoziierten. In diesen längst vergessenen Diskussionen tauchte Harry Valérien, der damals zur hoffnungsvollen Nachwuchsgeneration zählte und heute 80 Jahre wird, nicht auf. Darauf angesprochen, sagt er: Ja, ich habe das mitbekommen, natürlich. Freilich habe er das nie auf sich bezogen, weil er sich damals eher an den österreichischen und süddeutschen Erzählern im Rundfunk orientiert habe. Damit meinte etwa den bayerischen Rundfunkpionier Josef Kirmaier, speziell aber den Wiener Heribert Meisel, dessen kunstvolle Reportage vom 6:1-Halbfinalsieg Deutschlands gegen Österreich bei der WM 1954 auch in deutschen Landen berühmt wurde (und – fast logisch – in Sönke Wortmanns Wunder von Bern seinen Platz bekam). In der Tat, Valériens Verständnis von Journalismus war (und ist) anders als das vieler seiner Kollegen. Er hat sich immer als Erzähler verstanden, und ein Tooor-Schrei wie der von Herbert Zimmermann beim Bern WM-Finale 1954 wäre ihm so nie über die Lippen gekommen. Dort, wo andere in Nationalismen verfallen wären, brach oft genug leise Ironie die unfassbare Leichtigkeit seiner zudem klugen Moderationen und Reportagen. Dass er so populär wurde, lag freilich nicht nur an seinem Charme (Ja, wo samma denn?- Ja, Sappradi!), seiner Wortgewalt und diesem unverwechselbaren Timbre in seiner Stimme. Diese Beliebtheit hat er sich auch hart erarbeiten müssen, wie sich Horst Vetten, ein Kollege aus alten Zeiten, erinnert. Wenn er die Streif von Kitzbühel zu kommentieren hatte, dann fuhr der Harry eben die Piste herunter, wenn auch nicht im D-Zug-Tempo. Er wollte wissen, wie es ist. Valérien war immer sehr gut vorbereitet.“

Jens Kirschnek (SZ 3.11.) erzählt die Lage Arminia Bielefelds in Liga Zwei: „Die Crux ist, dass so ein Fußballspiel immer eine Moral haben muss, dass es einen Fingerzeig liefern soll für Entwicklungen, die über den Tag hinaus weisen. Die Beteiligten wollen das, weil ein Spiel nicht nur ein Spiel ist, sondern immer auch eine Etappe auf dem Weg zu einem gesteckten Ziel. Wenn nun in der Zweiten Liga zwei Bundesliga-Absteiger aufeinander treffen, die noch dazu aktuell an der Tabellenspitze zu finden sind, ist klar, welche Richtung die Diskussion nehmen wird. Die Frage nach dem Aufstieg stellte sich zwangsläufig, doch den Protagonisten schien sie nach dem 1:3 zwischen Bielefeld und Cottbus nicht recht zu sein. Eduard Geyer, der Trainer der Sieger, sächselte etwas von „bin skeptisch“ und „müssen uns erst noch finden“. Sein Bielefelder Kontrahent Benno Möhlmann schüttelte den Kopf und sagte: „Jetzt an den 34. Spieltag zu denken, bringt uns nicht weiter.“ Man muss die Herren verstehen. Präsentiert sich die Zweite Liga in der Saison 2003/04 doch bislang als eine seltsam unübersichtliche Veranstaltung, die dazu angetan ist, jeden Wetter in die Verzweiflung zu treiben. Da gibt es eine Mannschaft (Aachen), die ein Spiel 1:7 verliert, anschließende fünf hintereinander gewinnt und die Tabellenführung übernimmt. Eine andere (Nürnberg) startet souverän, wird anschließend jedoch bis auf einen Abstiegsplatz durchgereicht. Niemand aber repräsentiert die Konfusion besser als Arminia Bielefeld. Am ersten Spieltag auf Platz 18, am neunten auf Position eins, doch nach zuletzt zwei Niederlagen weist die Tendenz offenbar wieder nach unten.“

Der Focus (27.10.) sorgt sich um uns: „Wahre Fußballfans sind mit ganzem Herzen beim Spiel. Doch nicht jedes Herz ist der leidenschaftlichen Anteilnahme auf Dauer gewachsen. Vorsorgende Vereine wie der 1. Kaiserslautern haben deshalb in Stadien moderne Defibrillatoren installiert, um im Notfall rechtzeitig zur Stelle sein zu können. An 51 Spieltagen in zwei Jahren mussten dort die Helfer immerhin bei acht Herzstillständen eingreifen. Doch auch vor dem Bildschirm droht dem Fußballfan Gefahr, glauben Schweizer Kardiologen aus Lausanne. Eugene Katz und seine Mitarbeiter haben für eine Studie, die sie auf dem Europäischen Kardiologen-Kongress in Wien vorstellten, Daten über die Häufigkeit von plötzlichen Todesfällen während der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 gesammelt und diese mit Statistiken aus dem gleichen Zeitraum des Vorjahres verglichen. Obwohl die Schweiz nicht mit einem eigenen Team vertreten war, stieg die Zahl der Herztoten während der WM im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent. Katz geht davon aus, dass etwa 11 Millionen Zuschauer das Spektakel am Fernseher verfolgten. Besonders die Anspannung während der Spiele, erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum und Bewegungsmangel scheinen hierfür der Grund zu sein, vermuten die Schweizer Forscher.“

Letzter Akt im Drama jenes ominösen Strukturwandels der Öffentlichkeit

Martin Hecht (FR 4.11.) wundert sich über die Salonfähigkeit der Bild-Zeitung, in den 70ern und 80ern noch das Schmuddelkind der Journalisten-Familie und des Deutschunterrichts: „Heute sitzt man quer durch alle Redaktionen der Nation dem Glauben auf, es genüge nicht mehr, allein die Themen des täglichen agenda setting dem Bild-Boulevard anzunähern. Für diese Aufgabe ist nun auch ein neuer Typ des Journalisten fällig. Und so kam es endlich, dass bei allem Bekenntnis zum Seriösen schließlich der boulevardgeprüfte Journalist auf das Schild des idealen Berufsbildes eines wahren journalistischen Könners gehievt wurde – und dort inzwischen unerschütterlich thront – obwohl er Jahre lang als dessen erklärtes Gegenbild, ja als sein Widerpart und als Verräter der eigenen Berufsidee gegolten hatte. Nicht nur das Blatt und seine Themen – jetzt erfahren auch noch die Macher einen kaum verdaulichen Imagewandel: Von den schwiemeligen Schmierfinken von einst sind sie in den Rang von wahren Könnern des Metiers gerückt, von Gesinnungstätern, die bis zur Perfidie volksnah sein wollten und doch nur vulgär waren, von schnöden Auflagenexperten und geistlos-zynischen Verkaufsprofis zu solchen, denen jetzt selbst in der journalistischen Szene höchste Anerkennung widerfährt. Ehemalige Domänen des Geistes, wie es die alten Redaktionsstuben genauso wie spiegelbildlich die Räume der praktischen Politik einmal waren, werden immer mehr zu Tummelplätzen einer neuen Generation journalistischer Gebrauchtwagenhändler: ein weiterer, vielleicht sogar der letzte Akt im Drama jenes ominösen Strukturwandels der Öffentlichkeit.“

of Was Hecht übersieht: Bild-Redakteure schreiben meist besseren Stil – besseren Stil als viele FR-Redakteure: kurz, reich an Tat-Wörtern, frei von Soziologen-Fürzen (thematisieren, oszillieren, fungieren, dislozieren etc.), kein Wort zu viel und immer das knappste Gut der Journalisten-Welt im Kopf und in der Feder: die Aufmerksamkeit des Lesers. Recht verstanden – wovon ich nicht rede: die oft menschenfeindliche Geisteshaltung, die Sensationsgier und die Kargheit an Argumenten vieler Boulevardblätter – was der FR fremd ist. Deswegen, und nicht wegen des Sprachstils, lese und zitiere ich die FR – und nicht die Bild.

Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208

Gewinnspiel für Experten

« spätere Artikelfrühere Artikel »
  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

102 queries. 1,257 seconds.